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Die wichtigsten fünf Punkte zur Bedeutung der Notenbank-Unabhängigkeit – und warum sie gefährdet ist.
Donald Trump (vorne) beleidigt Fed-Chef Jerome Powell regelmässig und fordert tiefere Leitzinsen. Hier trifft er sich mit Powell in einem Neubau der Fed, dessen Kosten Trump kritisiert.
AP Photo/Julia Demaree NikhinsonWerbung
Die Unabhängigkeit der Notenbanken von der Politik gilt als hehres ökonomisches Prinzip, das auch auf die Schweiz zutrifft. In den USA aber ist sie momentan stark gefährdet. Der Chef der US-Notenbank Fed, Jerome Powell, steht unter Dauerbeschuss durch Donald Trump. Der US-Präsident fordert von ihm tiefere Zinsen und beleidigt ihn wiederholt öffentlich. Zudem versucht er, eine Gouverneurin der Fed zu entlassen. Doch woher kommt die Idee der Notenbankunabhängigkeit? Was bedeutet ihre Gefährdung in den USA für die Schweiz und die Weltwirtschaft, und wie steht es um die Unabhängigkeit der Schweizerischen Nationalbank (SNB)?
Die Unabhängigkeit einer Notenbank bedeutet, dass die Regierung ihr die Geldversorgung nicht vorschreiben darf. Eine Notenbank steuert die Geldversorgung über ihren Leitzins. Damit nimmt sie auf das gesamte Zinsniveau Einfluss. Ein tieferer Leitzins ist gleichbedeutend mit einer expansiven Geldversorgung, und das befeuert kurzfristig die Wirtschaftstätigkeit. Daher ist eine Regierung meist an tieferen Zinsen interessiert. Eine zu expansive Geldversorgung führt aber zu einer steigenden Teuerung. Heute besteht die Hauptaufgabe der meisten Notenbanken darin, den Wert des Geldes stabil und die Teuerung tief zu halten. Ohne Unabhängigkeit von der Regierung kann sie die Geldwertstabilität nicht glaubwürdig garantieren, da sie ihre Geldversorgung beziehungsweise ihre Leitzinsen nicht mehr allein daran ausrichten könnte. Firmen und Beschäftigte reagieren auf diese zu erwartende Inflation, indem sie die Preise erhöhen respektive mehr Lohn verlangen, um den Kaufkraftverlust des Geldes zu kompensieren. Das führt zu einer Teuerungsspirale.
Der Druck durch Donald Trump auf die US-Notenbank Fed und seine Versuche, die Fed-Führung unter seine Kontrolle zu bringen, bedeuten, dass die Fed befürchten muss, ihre Glaubwürdigkeit in der Bekämpfung der Teuerung zu verlieren. Das allein kann die Teuerung anheizen und hätte zur Folge, dass das Vertrauen in den Wert des Dollars und indirekt auch in die Anleihen der US-Regierung (Treasuries), die auf Dollar lauten, schwindet. Ein Wertverlust des Dollar beziehungsweise von US-Anleihen hat Bedeutung für die ganze Weltwirtschaft. Erstens, weil der Dollar die dominierende Währung im Welthandel ist. Zweitens, weil weltweit die meisten Währungsreserven in Dollar gehalten werden. Drittens, weil die ganze Welt auf den Kapitalmarkt in den USA ausgerichtet ist, und viertens, weil der Dollar und die US-Staatsanleihen entscheidend sind für die Bewertungen von Aktien und Anleihen weltweit. Ein Verlust der Unabhängigkeit der Fed droht daher die Kapitalmärkte weltweit in eine Krise zu stürzen.
In der Schweiz ist die Unabhängigkeit der Nationalbank (SNB) unbestritten und anders als in den USA auch im Gesetz und in der Verfassung verankert. Ihre geldpolitischen Entscheide kann sie gänzlich unabhängig von jeder politischen Instanz fällen. Einfluss hat die Politik aber insofern, als der Bundesrat das Direktorium der SNB und die Stellvertretungen wählt. Allerdings kann er nur aus Kandidaten und Kandidatinnen auswählen, die der Bankrat der SNB vorschlägt. Sechs der elf Mitglieder des Bankrats werden vom Bundesrat gewählt, fünf von der Vereinigten Bundesversammlung. Aber selbst der Bankrat kann keinen Einfluss auf die Geldpolitik nehmen. Wie in den USA kann der Bundesrat ein Direktoriumsmitglied aus wichtigen Gründen entlassen, nicht aber wegen geldpolitischer Entscheide. Solche Gründe können zum Beispiel Unzurechnungsfähigkeit oder eine Straftat sein. Die Unabhängigkeit der SNB schliesst weder deren Rechenschaftspflicht gegenüber der Politik aus noch das Recht auf Gewinnausschüttung an Bund und Kantone.
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Die Unabhängigkeit der Notenbanken ist relativ jung. In der Schweiz wurde sie erst 1999 in der Verfassung verankert und 2004 im Gesetz. Sie wurde aber schon zuvor gelebt. International hat sie sich erst im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts durchgesetzt. Das lag auch daran, dass die Geldpolitik mit dem Ziel der Preisstabilität relativ jung ist. Bis Anfang der 1970er-Jahre galt das Bretton-Woods-System von fixen Wechselkursen. Die Aufgabe der Notenbanken war, die Fixkurse sicherzustellen. Darüber hinaus hatten sie keinen Spielraum. Das gilt auch für die Zeit der Gründung der meisten Notenbanken zu Beginn des 20. Jahrhunderts (die SNB wurde 1907 gegründet). Denn damals war das umlaufende Geld ans Gold gekoppelt. Die Aufgabe der Notenbanken bestand vor allem darin, den Geldverkehr zu regeln und Noten zu emittieren. Grosse Bedeutung hatte zudem die Aufgabe eines Lender of Last Resort – also die Aufgabe, Banken, die einem Sturm ihrer Einleger ausgesetzt waren, die nötige Liquidität bereitzustellen.
Wenn die Notenbanken nach eigener Einschätzung Geld schöpfen können, haben sie potenziell eine enorme Macht in Wirtschaft und Politik. Das steht im Widerspruch zu demokratischen Prinzipien. Aus diesem Grund sollten Notenbanker durch apolitische Technokratinnen und Technokraten mit einem eng eingegrenzten Aufgabenbereich geleitet werden – das ist in der Regel die Aufrechterhaltung der Preisstabilität. Dies hat bis zur Finanzkrise von 2008 auch mehr oder weniger gut funktioniert. Inflationsschübe schien es in Ländern mit einer unabhängigen Geldpolitik nicht mehr zu geben. Seit der Finanzkrise und angesichts der vielen weltweiten Krisen und Anforderungen haben die Notenbanken aber ihren Aktionsbereich massiv ausgeweitet, und mit Covid ist auch die Inflation erstmals wieder massiv angestiegen. Wegen dieser Entwicklungen wurde weltweit und auch in der Schweiz schon vor Donald Trump die Frage aufgeworfen, wo die Grenzen der Notenbankunabhängigkeit sein sollten.
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Die Unabhängigkeit der Notenbanken ist alles andere als ein Auslaufmodell. Im Gegenteil: In den nächsten Jahren und Jahrzehnten erhält sie eine noch grössere Bedeutung als bisher schon, und sie droht überall weiter unter Druck zu geraten. Das liegt an der weltweit gestiegenen Staatsverschuldung. In den USA machen die Zinskosten dafür bereits jetzt den zweitgrössten Budgetposten aus – noch vor den Ausgaben für die Verteidigung. Aus dem gleichen Grund sind die Regierungen weltweit an tieferen Zinsen interessiert. Steigt die Inflationserwartung dank einer zu expansiven Geldpolitik, steigen allerdings die Langfristzinsen dennoch, weil die Investoren eine Entschädigung für die Geldentwertung fordern. Die Bewahrung ihrer Unabhängigkeit ist aber auch eine Aufgabe der Notenbanken selbst. Sie müssen sich wieder auf ihre Kernaufgabe der Teuerungsverhinderung beschränken und allen anderen Anliegen eine Absage erteilen. Und sie müssen noch mehr Rechenschaft über ihre Tätigkeit ablegen.
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