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Kapitalmärkte

Was ist eine Blase?

Wie es auf Kapitalmärkten zu Übertreibungen kommt und welche Folgen für die Gesamtwirtschaft drohen.

Markus Diem Meier

<p>Der 1996 verstorbene US-Ökonom Hyman Minsky gilt als führender Forscher und Theoretiker zu Übertreibungen an Kapital- und anderen Märkten, die zu Blasen führen. </p>

Der 1996 verstorbene US-Ökonom Hyman Minsky gilt als führender Forscher und Theoretiker zu Übertreibungen an Kapital- und anderen Märkten, die zu Blasen führen. 

ZVG

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Seit Wochen ist davon die Rede, dass sich im Bereich der künstlichen Intelligenz eine Blase gebildet habe. Grund ist zum einen, dass Firmen wie Open AI Hunderte von Milliarden Dollar in die neue Technologie investieren, aber noch unklar ist, ob diese Investitionen Gewinne abwerfen werden. Zum andern steigen die Kurse der Tech-Giganten immer weiter. Der Börsenwert des Chipunternehmens Nvidia zum Beispiel hat sich innert dreier Jahre mehr als verzehnfacht. Jüngst jedoch sind die Tech-Kurse unter Druck geraten, was die Angst vor einer Blase anheizt. Doch was ist eine Blase, wie erkennt man sie? Und welche Folgen hätte ihr Platzen?

1. Was sind die typischen Charakteristika einer Blase?

Blasen sind bei weitem nicht auf Aktienmärkte beschränkt. Sie können im Finanzsystem auftreten, bei Immobilien, Währungen, Sachinvestitionen, Zins- oder Anleihenmärkten. Und selbst bei Tulpen, wie das Beispiel der Tulpenmanie in den Jahren 1634 bis 1637 in den Niederlanden zeigt.

In der Terminologie des 1996 verstorbenen US-Ökonomen Hyman Minsky lassen sich fünf Phasen einer Preisblase unterscheiden: Am Anfang steht das «Displacement», ein Ereignis, das neue Erwartungen weckt. Darauf folgt ein «Boom», bei dem immer mehr Investoren einsteigen, was die Preise oder Kurse steigen lässt. Das wiederum lockt weitere Investoren an, ein Preiskreislauf nach oben entsteht. Dann folgt die Euphorie («Euphoria»), in der jedes Risiko ausgeblendet wird. In der Phase des «Profit Taking» wachsen dann die Zweifel, und erste Investoren steigen bei sehr hohen Preisen aus. Die letzte Phase ist die Panik oder der «Minsky-Moment». Dann setzt ein Preiszerfall ein, weil alle aus ihren Investitionen aussteigen wollen, egal zu welchem Preis.

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2. Warum kommt es überhaupt zu Blasen?

Startpunkt einer Blase ist, wie in Punkt eins erwähnt, das sogenannte Displacement. Das können Innovationen sein wie das Internet oder in der weiter entfernten Vergangenheit die Eisenbahn. Diese Erfindungen stossen Entwicklungen an, deren Folgewirkungen ungewiss bleiben, aber hohe Erlöse versprechen. Der Startpunkt einer Blase kann auch von einer bereits länger anhaltenden Stabilität ausgehen, die Verlusterfahrungen und Risiken vergessen lässt, während neue Geschichten sich durchsetzen, wie etwa jene, dass Zinsen oder Kreditrisiken immer tief blieben oder dass Preise von Investments wie Immobilien nicht fallen könnten. Das zieht weitere Investorinnen und Investoren an, und der so verstärkte Preisschub erscheint wie eine Bestätigung und als Rechtfertigung für die Risikovergessenheit.

Bei typischen Blasen setzt sich die Behauptung durch, dass diesmal alles anders sei. Je länger der Aufwärtstrend anhält, desto mehr Menschen wollen daran teilhaben – aus Angst, zu kurz zu kommen. Das stärkt das Wachstum und damit auch die Überzeugungskraft der Geschichten.

3. Wie ziehen Blasen eine ganze Volkswirtschaft in Mitleidenschaft?

Die schlimmste Wirkung entfalten Blasen, wenn sie auf andere Bereiche einer Volkswirtschaft übergreifen. Das Missachten gegenseitiger Abhängigkeiten ist typisch für Blasen. Aktuell gelten zum Beispiel hohe erwartete Gewinne von Unternehmen wie dem Chiplieferanten Nvidia als Beleg dafür, dass keine Blase droht. Doch die Aussichten von Nvidia beruhen auf Geschäften mit KI-Unternehmen wie Open AI, das Deals von bis zu 1,5 Billionen Dollar mit Nvidia und weiteren Tech-Unternehmen abgeschlossen hat. Wird Open AI aber nie oder nur ungenügend profitabel, sind davon auch Nvidia und die anderen Tech-Unternehmen betroffen.

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Die schlimmste Ansteckungsgefahr besteht, wenn Investitionen in einer Blase zusätzlich mit geliehenem Geld getätigt werden. Das führt bei steigenden Kursen zu einer gehebelten Rendite. Gleichzeitig ist dieser Einsatz aber schnell weg, und es folgt eine Überschuldung, wenn die Anlage an Wert verliert. Im schlimmsten Fall wird der Bankensektor in Mitleidenschaft gezogen. Wie beim Platzen der Immobilienblase 2008, das zur Finanzkrise führte.

4. Sind Blasen immer schädlich?

Im Zusammenhang mit künstlicher Intelligenz ist zuweilen von einer guten Blase die Rede. Damit ist gemeint, dass die Übertreibungen am Ende der Gesamtwirtschaft nützen. Zwar drohen auch dann hohe Verluste und der Untergang einiger Unternehmen. Doch letztlich ist das alles nur Teil des Findungsprozesses hin zu den besten und wirtschaftlich nützlichsten Anwendungen der künstlichen Intelligenz. Wie erwähnt waren auch Innovationen wie das Internet, die Eisenbahn oder die Elektrizität von Spekulationsblasen begleitet. Doch am Ende sorgten sie für wirtschaftlichen Fortschritt und machten die überlebenden Unternehmen höchst profitabel, wie Internetfirmen wie Google oder Amazon beweisen.

Wenig gesamtwirtschaftlichen Schaden richten Blasen auch dann an, wenn sie auf einzelne Bereiche oder Anlegergruppen beschränkt bleiben und nur dort Verluste anfallen. Wie unter Punkt drei erwähnt, ist die Wirkung aber besonders verheerend, wenn aufseiten der Investoren eine hohe Verschuldung im Spiel ist.

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5. Welche Rolle spielt die Politik mit Regulierungen und welche die Notenbanken?

Eine Blase lässt sich am besten erkennen, wenn sie geplatzt ist. In der Entstehungsphase können die Geschichten, die stark steigende Kurse oder Preise rechtfertigen, sehr überzeugend sein. Von politischer Seite gegen eine vermutete Blase vorzugehen, ist deshalb ein Himmelfahrtskommando. Die Möglichkeiten der Politik beschränken sich auf Massnahmen, um das Risiko von Blasen zu beschränken. Dazu gehören Regulierungen wie Transparenz- und Tragbarkeitsregeln für Kreditnehmer sowie Kapitalpuffer für Banken, um die Ansteckung durch Verschuldung und ausfallende Kredite zu begrenzen.

Eine grosse Bedeutung haben auch Notenbanken, die nach dem Platzen einer Blase mit Liquiditätsspritzen einspringen können, um einen Stillstand der gesamten Wirtschaft zu verhindern. Die Gefahr dabei ist allerdings, dass die Notenbanken damit die Grundlage für weitere Blasen legen, wenn sich die Überzeugung durchsetzt, dass sie immer als Retter in der Not bereitstehen.

Fazit

Ob es sich bei den Investitionen in künstliche Intelligenz um eine Blase handelt, lässt sich nicht eindeutig beantworten. Allerdings spricht einiges dafür. Dazu zählt die blasentypische Erzählung, dass KI gigantische Folgen haben werde und daher hohe Gewinne verspreche. Für eine Blase sprechen weiter die gigantischen Investitionen der Tech-Firmen, bei denen aber unklar ist, wie genau und mit welchen Anwendungen die Profite erzielt werden sollen, welche die hohen Kosten rechtfertigen.

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Damit verbunden ist auch das blasentypische Narrativ des «Diesmal ist alles anders». Wie zuvor das Internet oder frühere Innovationen wie die Elektrifizierung oder die Eisenbahn stellt künstliche Intelligenz unbestreitbar eine bahnbrechende Neuerung dar, deren Folgen sich noch nicht abschätzen lassen. Insofern ist es für die Gesellschaft insgesamt eine gute Blase, solange die Investitionen nicht mit Schulden bezahlt werden. Bisher war das kaum der Fall, doch erste Anzeichen dafür sind beunruhigend.

Über die Autoren
Markus Diem Meier

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