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Leitwährung unter Druck

Der Dollar ist ein angeschlagener König ohne Thronfolger

Der Dollar wankt. Sein Status als globale Leitwährung ist aber nicht wirklich in Gefahr. Dem Euro fehlt dazu ein wichtiges Element.

rop

Peter Rohner

Ist der Dollar in Gefahr?

Der Dollar hat unter Präsident Donald Trump massiv an Wert verloren. 

Tessy Ruppert / Midjourney

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Der Dollar hat das schwächste erste Halbjahr seit fünfzig Jahren hinter sich. Gemessen an einem Korb der wichtigsten Handelswährungen hat er über 10 Prozent an Wert verloren. Zum Franken ist er Ende Juni erstmals seit 2011 für mehrere Tage unter 80 Rappen gefallen.

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Nach dem Euro ist der Dollar für die Schweizer die wichtigste Währung, nicht nur weil die USA der grösste Absatzmarkt sind, sondern weil auch ein Grossteil des Handels ausserhalb der USA in Dollar abgewickelt wird. In normalen Zeiten sind die unterschiedlichen Zins- und Inflationsdynamiken für das Auf und Ab der Wechselkurse verantwortlich. Je lockerer die Geldpolitik eines Landes gegenüber dem Ausland, desto schwächer die Währung. Doch die Zeiten sind nicht normal.

Zwar lastet auch jetzt die Erwartung auf dem Dollar, dass die US-Notenbank wegen der schwachen Konjunktur die Zinsen senken muss. Aber das ist nur ein Faktor. Der andere heisst Donald Trump. Er wünscht sich einen schwachen Dollar und sägt an der Unabhängigkeit der Notenbank, indem er den Fed-Vorsitzenden Jerome Powell wegen seiner vorsichtigen Geldpolitik öffentlich als Dummkopf beschimpft. Hinzu kommt, dass Trumps rücksichtslose Zollpolitik, die Abkehr vom Multilateralismus und nicht zuletzt auch die schuldentreibenden Budgetpläne das Vertrauen im Ausland in die USA generell erschüttert haben. Rund um den Globus hinterfragen Investoren ihre Dollar-Positionen.

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Dollar-Anlagen werden gemieden

Auf US-Anleihen spezialisierte Fonds verzeichneten im zweiten Quartal den stärksten Abfluss seit den Verwerfungen im Corona-Jahr 2020. Gemäss den neusten verfügbaren Zahlen des Finanzministeriums ist das Volumen der US-Staatsanleihen in ausländischem Besitz im April um 36 Milliarden Dollar zurückgegangen. Am stärksten geschrumpft sind die Bestände auf den Konten kanadischer Investoren: von 426 auf 368 Milliarden Dollar. Dramatisch sind diese Zahlen nicht angesichts eines Gesamtanleihenbestands von über 9 Billionen Dollar, die von Ausländerinnen und Ausländern gehalten werden. Aber die Richtung ist klar: US-Treasuries und andere Dollar-Wertpapiere stossen auf weniger Interesse. Und das setzt dem Dollar zu.

Eine andere Frage ist aber, ob der Dollar durch die Abwertung und den Vertrauensverlust auch international an Bedeutung verliert. Seit dem Zweiten Weltkrieg ist der Dollar unangefochten die globale Leitwährung. In den Abkommen von Bretton Woods wurde dieser Status institutionalisiert. Bei der Konferenz im US-Kurort einigten sich die Teilnehmer 1944 auf ein Währungssystem fixer Wechselkurse, dessen Anker der in Gold konvertierbare Dollar war. Auch nach dem Kollaps des Bretton-Woods-Systems zu Beginn der 1970er-Jahre hat der Dollar seine dominante Rolle behalten, obwohl der Anteil der USA am Welt-BIP von rund 40 auf 25 Prozent geschrumpft ist. Weder Japans rasanter wirtschaftlicher Aufstieg noch die Einführung des Euros vermochten an der Dollar-Dominanz etwas zu ändern.

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Dollar-Hegemonie hat viele Facetten 

Wenn die Europäer von den Golfstaaten Öl kaufen, bezahlen sie auch heute nicht in Euro, sondern in Dollar. Im Rohstoffhandel werden weltweit 80 Prozent der Transaktionen in Dollar abgewickelt. Über alle Branchen hinweg gerechnet wird jedes zweite internationale Handelsgeschäft in Dollar fakturiert. Der Dollar wird auch für rund die Hälfte aller internationalen Zahlungen verwendet, die über das Swift-Netzwerk abgewickelt werden.

Im Devisenhandel ist bei fast jeder zweiten Transaktion der Dollar involviert. Auch als Finanzierungswährung ist der Dollar die Nummer eins. Rund die Hälfte aller internationalen Fremdwährungsanleihen und grenzüberschreitenden Kredite werden in der US-Valuta herausgegeben. Wenn Zentralbanken Devisen halten, um internationalen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen und die eigene Währung stabil zu halten, tun sie das ebenfalls vorwiegend in Form von Dollar-Reserven. Mit einem Anteil von knapp 60 Prozent ist der Dollar nach wie vor mit Abstand die wichtigste Reservewährung. Auch die Nationalbank parkiert rund 40 Prozent ihrer Devisenreserven in US-amerikanischen Wertpapieren.

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Zu den Vorteilen von Dollar-Anlagen gehören das immense Angebot und die hohe Liquidität. Die Grösse und Tiefe der Dollar-Kapitalmärkte schafft laut der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) Netzwerkeffekte, die «sowohl Investoren als auch Emittenten anziehen».

Schlägt nun die Stunde des Euros?

Die Stellung des Dollars ist stark, aber sie bröckelt. Und das nicht erst seit Trump. «Der Anteil des Dollars an den weltweiten Devisenreserven ist in den letzten 25 Jahren zurückgegangen – von rund 70 Prozent auf etwas weniger als 60 Prozent», sagt der US-Ökonom und Dollar-Experte Barry Eichengreen. Doch die grossen Gewinner seien weder der Euro noch der chinesische Yuan, sondern die Währungen kleiner, offener, gut geführter Volkswirtschaften. Neben der Schweiz sind das Australien, Kanada, Neuseeland, Singapur, Südkorea, Dänemark und Norwegen.Aber selbst zusammen sind diese Währungen zu klein, um die Vormachtstellung des Dollars ernsthaft zu gefährden oder ihn als Leitwährung zu ersetzen.

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Prädestiniert dafür wäre der Euro. Aber seit seiner Einführung kam er nie über einen Reserveanteil von 25 Prozent hinaus. Die Euro-Schuldenkrise hat dem Ansehen der Gemeinschaftswährung im Ausland geschadet und ihre Internationalisierung zurückgeworfen. Als Handelswährung hat sich der Euro zwar etabliert, sein Anteil als Rechnungswährung liegt bei 40 Prozent. Doch als Reservewährung bleibt er mit einem Anteil von 20 Prozent weit hinter dem Dollar zurück.

Jetzt aber könnte der Euro dank der Dollar-Krise einen Popularitätsschub erhalten. Diese Ansicht vertreten die vierzig führenden Zentralbanken. Nach Ergebnissen einer Umfrage der UBS gehen zwar 80 Prozent der befragten Notenbanken davon aus, dass der Dollar die Leitwährung bleiben werde. Es gebe aber klare Anzeichen dafür, dass in andere Währungen umgeschichtet und der Euro davon der Hauptprofiteur sein werde.

EZB-Chefin Christine Lagarde spricht sogar von Europas «globalem Euro-Moment». Der Wandel in der US-Aussen- und Handelspolitik biete Europa die Chance, das Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Und der Euro könnte weltweit an Bedeutung gewinnen, schreibt sie in der «Financial Times». Doch damit der Euro sein volles Potenzial entfalten könne, müsse Europa unter anderem eine robuste Kapitalmarktunion aufbauen und für genügende sichere Anlagen sorgen, etwa über gemeinsame Schulden für Rüstungsausgaben. Das heisst: Ausländische Zentralbanken würden noch so gerne mehr Euro-Papiere kaufen, aber es gibt nicht genug davon mit hoher Qualität. Den rund 29 Billionen Dollar an US-Staatsanleihen stehen derzeit nur gerade rund 3 Billionen Euro an Euro-Anleihen mit vergleichbarer Bonität gegenüber, wobei deutsche Schuldpapiere den Löwenanteil ausmachen.

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Chinas Währung ist ein Schatten seiner Wirtschaftskraft

Vom wirtschaftlichen Gewicht her müssten auch China und seine Währung Yuan eine grössere Rolle spielen. China trug letztes Jahr fast ein Drittel zum Weltwirtschaftswachstum bei, sein BIP ist etwa so gross wie jenes der ganzen EU. China wickelt den Handel mit dem Ausland immer häufiger in eigener Währung ab. Rohstoffe werden teilweise auch in Yuan gehandelt, selbst wenn China nicht daran beteiligt ist. So bezahlen zum Beispiel Indien und Pakistan russische Öllieferanten in Yuan statt in Dollar. Trotz aller Bemühungen, den Yuan zu internationalisieren, spielt er als Reservewährung kaum eine Rolle. Der Anteil ist zuletzt gar wieder auf knapp über 2 Prozent gesunken.

Um als Währung eine globale Rolle zu spielen, müsste China den Kapitalmarkt öffnen. Nur wenn die Vermögenswerte ungehindert gekauft und jederzeit verkauft werden können, sind Investoren und Zentralbanken bereit, mehr chinesische Wertpapiere zu berücksichtigen. Doch eine komplette Öffnung des Kapitalmarkts bedingt auch eine frei konvertierbare Währung ohne fixierte Wechselkurse. Dazu ist Peking noch lange nicht bereit.

Der japanische Yen und das britische Pfund sind ebenfalls keine Alternativen zum Dollar. Ihre Volkswirtschaften haben zu wenig Gewicht und befinden sich relativ betrachtet eher auf dem absteigenden Ast. So bleibt der Dollar alternativlos. Es geht ihm zwar schlechter denn je, aber es ist nichts da, dem er weichen muss.

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Kommt nun die Stunde der Kryptos?

Wenn weder der Euro noch der Yuan eine echte Alternative zum Dollar sind, dann liegt das Heil vielleicht in den Kryptowährungen. Die populärste dieser Währungen, der Bitcoin, ist mit einer Marktkapitalisierung von 1,85 Billionen Franken definitiv kein Randphänomen mehr. In der Schweiz läuft deshalb eine Unterschriftensammlung für eine Initiative, die der SNB ermöglichen soll, Bitcoin in die Devisenreserven aufzunehmen. SNB-Präsident Martin Schlegel gibt allerdings zu bedenken, dass Bitcoin wegen der Schwachstellen bei der Sicherheit, der zu grossen Schwankungen und zu geringen Liquidität nicht dafür geeignet sei. Auch Währungsexperte Barry Eichengreen hält Kryptowährungen für zu volatil und als Wertaufbewahrungsmittel für zu wenig vertrauenswürdig.

Per Definition weniger volatil verhalten sich Kryptowährungen, die an stabile Vermögenswerte gekoppelt sind, sogenannte Stablecoins. Sie werden ebenfalls als Währungen der Zukunft gepriesen. Doch gerade weil sie durch traditionelle Währungen gedeckt sein sollten, zementieren Stablecoins die Vorherrschaft des Dollars, denn sie sind in der Regel an den Dollar gekoppelt. Damit Stablecoins wie Tether und Co. zum Dollar stabil bleiben, muss der Anbieter genügend sichere Dollar-Wertpapiere kaufen. Private Stablecoins geniessen auch den Rückhalt der US-Regierung.

Europa setzt dagegen auf eine staatliche Lösung und forciert den digitalen Euro. Er könnte in den Augen der Experten bei der Internationalisierung des Euros eine Schlüsselrolle spielen. «Auch wenn der Dollar im Stable-coin-Markt voraussichtlich dominant bleibt, braucht Europa keine Angst vor digitalen Währungs-innovationen zu haben», sagt Nils Beier, Managing Partner und Zahlungsverkehrsexperte bei Accenture. Der digitale Euro könne ein starkes, öffentlich getragenes Gegengewicht im digitalen Zahlungsverkehr bilden. Laut Beier ist der digitale Euro mehr als ein Zahlungsmittel: «Er ist ein strategisches Instrument für digitale Souveränität, wirtschaftliche Stabilität und europäische Handlungsfähigkeit im globalen Wettbewerb.»

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