Guten Tag,
Auf den ersten Blick spricht vieles für die neue Anlageform, die den Markt gekapert hat. Auf den zweiten kommen einige Nachteile ans Licht.
Weil mit ETFs kaum etwas zu verdienen ist, versuchen nun Vermögensverwalter, bei den Anlegern mit aktiven ETFs zu punkten.
Matthias Schardt / Kombinatrotweiss für BILANZWerbung
Die Zeitenwende fiel in der Schweiz auf den 15. September 2025. Um Punkt 9 Uhr ging der Fidelity US Fundamental Small-Mid Cap UCITS ETF an der Schweizer Börse SIX in den Handel. Es ist der erste Exchange-Traded Fund, der seine Beteiligungen nicht mehr täglich, sondern nur noch einmal im Quartal offenlegt. Die Aufgabe der Transparenz hat ihren Grund: Der Geldmanager kann so sein Know-how vor Nachahmern schützen. Das aktive Management der bis anhin passiven börsengehandelten Fonds wird so möglich. Die Evolution der Geldanlage hat an diesem Tag einen grossen Sprung gemacht.
Anleger haben ETFs in den vergangenen Jahrzehnten als passive Instrumente kennen und schätzen gelernt. Einfach gestrickt, bilden sie das Auf und Ab verschiedenster Börsenindizes nach. Die Qualität eines ETF zeichnet sich durch eine möglichst geringe Abweichung aus. Mittels aktiver ETFs versuchen die Geldmanager nun den Index zu übertrumpfen.
Die Anlageform, die wie ein Widerspruch klingt, ist für die Finanzindustrie ein riesiger Wachstumsmarkt. J.P. Morgan, Fidelity, Pimco, BNP und Anlagegigant Blackrock dominieren. Der Markt ist für die Anbieter interessant. Bei klassischen passiven Strategien sind die Margen für Anbieter mittlerweile tief in den Keller gerutscht – insbesondere bei breit diversifizierten ETFs auf gängige Märkte sind die Verdienstmöglichkeiten gering. «ETFs auf den breiten US-Markt kosten 0,03 Prozent, da bleibt dem Anbieter nicht mehr viel übrig. Aktive ETFs kosten schnell einmal 0,3 bis 0,4 Prozent. Das macht es für Anbieter solcher Anlageprodukte entsprechend interessant», sagt Thomas Züttel. Er verantwortet beim VZ VermögensZentrum das aktive Fondsresearch.
Marktführer J.P. Morgan Asset Management prognostiziert, dass 2030 global bereits 6000 Milliarden Dollar in aktive ETFs investiert sein sollen. Im Vergleich mit Ende 2024 wäre das fast eine Versechsfachung. Nicht zuletzt, weil sie steuerliche Vorteile bieten, haben sich aktive ETFs in den letzten Jahren in den USA bereits stark verbreitet. Nun schwappt das Thema zunehmend nach Europa. Laut J.P. Morgan AM waren in Europa Ende des Vorjahres 60 Milliarden Dollar in aktive ETFs investiert, 2030 könnten es bereits 400 Milliarden sein. «Das entspricht einer jährlichen Wachstumsrate von 37 Prozent. Das Thema boomt», sagt Ivan Durdevic, bei J.P. Morgan AM Leiter des ETF-Vertriebs für Deutschland, Österreich und die Schweiz. «Es sind bereits sieben Prozent aller Assets in aktive ETFs investiert, und dabei gibt es noch gar nicht so viele aktive ETF-Strategien im UCITs-Mantel», weiss Durdevic.
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Im Vorjahr wurden 84 aktive UCITS-ETFs auf den Markt gebracht. Derzeit ist rund jeder dritte neu lancierte UCITS-ETF aktiv. Zunehmend treten Schweizer Anbieter in Erscheinung. Im Juli betrat UBS AM den Markt mit einem aktiven ETF auf den CLO-Markt. Weitere aktive börsengehandelte Fonds sollen folgen. Am 18. September ging der Bellevue Healthcare ETF an den Start. Gezielt wird in 50 bis 100 Unternehmen aus dem Gesundheitsbereich investiert. Selektiert wird nach Bewertung und Fundamentaldaten.
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Geht es nach den Anbietern, vereinen die aktiven ETFs das Beste aus zwei Welten. Auf der einen Seite wird in die aktiven ETFs das Know-how aus der Vermögensverwaltung gesteckt. Wie bei klassischen Investmentfonds soll der Einsatz von Research-Kapazitäten zu einer Überrendite verhelfen. In die kürzlich aufgelegten aktiven ETFs von Fidelity fliessen beispielsweise die Einschätzungen von 165 globalen Analysten ein. Aktien mit einer Kaufempfehlung werden übergewichtet, Titel, die mit einer Verkaufsempfehlung versehen sind, gemieden. Zudem sind die Produkte – weil börsengehandelt – ständig mit dem aktuellen Preisetikett versehen. Bei klassischen Fonds werden die Kurse nur täglich gestellt. Die aktiven ETFs sind daher auch auf digitalen Plattformen wie Swissquote oder Yuh einsetzbar.
Die Kosten der aktiven ETFs liegen bei 0,2 bis 0,5 Prozent und somit meist deutlich unter klassischen Fonds, wo die Assetmanager häufig deutlich mehr als ein Prozent veranschlagen. «Investoren können zu niedrigen Gebühren aktiv am Markt investieren», sagt Fidelity-Experte Rocco Altobelli. Hohe Mindestanlagesummen, wie sie Investoren häufig aus dem Fixed-Income-Bereich kennen, gibt es nicht.
Zudem ist aktives Management wieder stärker gefragt. Die Börsenkurse scheinen derzeit von besonders vielen Seiten bedroht zu sein. Kümmert sich ein Team aktiv um das Management der Risiken, bringt das ein Gefühl von Sicherheit. Auch hat die KI-Hausse zu Ungleichgewichten geführt. Die Märkte werden von wenigen, inzwischen hoch bewerteten Firmen dominiert. Der passive, sich am Index orientierende Anleger ist voll investiert. Aktiv lassen sich hier Risiken steuern.
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Eine der wenigen Gemeinsamkeiten von Donald Trump und Jerome Powell: Beide können ein Beben an den Finanzmärkten auslösen. Anbieter glauben, solche Risiken mittels aktiver Strategien besser unter Kontrolle zu haben.
Getty ImagesEine der wenigen Gemeinsamkeiten von Donald Trump und Jerome Powell: Beide können ein Beben an den Finanzmärkten auslösen. Anbieter glauben, solche Risiken mittels aktiver Strategien besser unter Kontrolle zu haben.
Getty ImagesIm Anleihenbereich sind aktive Strategien ohnehin im Vorteil. In einem klassischen Anleihenindex haben die grössten Schuldner das stärkste Gewicht. Dabei ist ein grosser Schuldenberg alles andere als ein Qualitätsmerkmal. «In einem herkömmlichen ETF würden die grössten Schuldner die Hauptrolle spielen. Da ist ein aktiver ETF sinnvoller», sagt Gilles Boitel, Head Xtrackers Sales Schweiz und Israel.
Die Argumente, die für aktive ETFs sprechen, kommen bei Investoren offenbar gut an. Laut dem J.P.-Morgan-Experten Durdevic ist die Nachfrage in der Schweiz hoch. Die Produkte seien bei Grossbanken, Privatbanken, Family Offices und zunehmend Pensionskassen gefragt. Die Schweiz hat für den Marktführer einen grossen Stellenwert. «Die Schweiz ist für uns ein Vorreiter. Sie ist der erste europäische Markt, in dem wir 2018 mit aktiven ETFs Erfolge erzielen konnten.»
Dennoch hält sich die Begeisterung bei Schweizer Vermögensverwaltern, die stark auf ETFs setzen, in Grenzen. «Aktive ETFs sind bislang nicht Teil unserer langfristigen Anlagestrategie», sagt VZ-Experte Thomas Züttel. Weil es ein relativ neues Segment sei, gebe es noch nicht so viele Produkte am Markt. Auch seien die aktiven Börsenfonds teurer als klassische ETFs. Auch der Robo Advisor True Wealth setzt für die Vermögensverwaltung wie das VZ vor allem auf ETFs. Aktive ETFs sind für CEO Felix Niederer jedoch keine Option: «Für liquide Anlageklassen würde ich immer passive ETFs vorziehen, die Mehrkosten von aktivem Management zahlen sich da nicht aus.» Aktive ETFs machen für Niederer nur in Anlageklassen mit eingeschränkter Liquidität Sinn, wo eine regelbasierte Titelauswahl an ihre Grenzen stösst, etwa Money-Market-ETFs als Alternative zu Geldmarktfonds.
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Interessant ist, dass ETF-Pionier Vanguard anders als sein Rivale Blackrock kaum in diesem für die Branche so wichtigen Wachstumsmarkt aktiv ist. Vanguard hat in den USA, wo die Produkte schon alleine wegen der steuerlichen Besserstellung besonders gefragt sind, überschaubare drei aktive ETFs lanciert. «In Europa bieten wir keine aktiven ETFs an, wir sind voll auf passive ETFs fokussiert», sagt Jonathan Decurtins, Leiter Wholesale Schweiz bei Vanguard. Es gebe derzeit auch keine Pläne, dies zu ändern.
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Aktive Strategien werden Kunden bei Vanguard angeboten, nur setzt man hier auf die klassischen Mutual-Fonds. Für Vanguard typisch, sind auch hier die Kosten tief. Kunden zahlen für den Global Credit Bond Fund eine Total Expense Ratio (TER) von 0,3 Prozent. Den Unterschied macht somit vor allem die Handelbarkeit. Die Kurse dieser Mutual-Fonds werden nicht sekündlich, sondern nur täglich gestellt. «Ich frage mich, wie wichtig es ist, dass die Produkte sekündlich gehandelt werden können. Es hat bisher von den Kunden auch keine Anfrage gegeben, diese Strategien in einen ETF umzuwandeln», sagt Decurtins. Im Juli flossen in Europa 30,6 Milliarden Dollar in ETFs, 25,4 Milliarden in Aktien-ETFs, der grösste Teil in sogenannte Core-Equity-Strategien, also in die Leitindizes wie den S&P 500 oder den Euro Stoxx 50. «Das sind Standard-Benchmarks, hier spielt die Musik. Der Kunde weiss exakt, was er erhält», erklärt Decurtins.
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Hinder Asset Management setzt seit Jahrzehnten auf ETFs und ist für ihre Expertise in dem Feld bekannt. CEO René Stiefelmeyer ist von der neuen aktiven Variante nicht gerade begeistert: «Den Versuch von aktiven ETFs, die Benchmark zu schlagen, halten wir für einen Widerspruch zum beliebten und anerkannten Konzept von ETFs.» ETFs wurden von Anbietern auf den Markt gebracht, die an die Effizienz der Märkte glauben. Laut der von Eugene Fama aufgestellten Hypothese fliessen sämtliche verfügbare Informationen unmittelbar in den Kurs. «Die Hypothese wird zwar immer wieder in Zweifel gezogen, hat sich aber als praxistaugliches Konzept erwiesen», sagt Stiefelmeyer. Das Konzept von ETFs besteht darin, die Summe aller Meinungen zu nutzen und nicht zu versuchen, mehr als der Markt zu wissen. «Anhänger von ETFs gehen davon aus, dass es langfristig nicht möglich ist, den Markt zu schlagen. Aktive ETFs widersprechen prinzipiell dieser Idee, nutzen aber die Popularität von ETFs», so der Experte. Er hofft, dass das Image von ETFs nicht durch eine Verwässerung des Prinzips leidet.
Die Wachstumsraten sind verlockend hoch. Immer mehr Anbieter springen auf den Zug auf. Seit 2024 kamen 24 neue Anbieter von aktiven ETFs auf den europäischen Markt. Meist ist es so, dass die Qualität der Produkte mit der Anzahl der Anbieter nicht gerade steigt. «Das Wachstum in die Breite kann die Reputation von ETFs potenziell beeinträchtigen», warnt Stiefelmeyer.
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Gäste bei einem IPO an der New York Stock Exchange. Anders als die Besucher werden die aktiven ETFs wohl nicht mehr vom Börsenparkett verschwinden.
BloombergGäste bei einem IPO an der New York Stock Exchange. Anders als die Besucher werden die aktiven ETFs wohl nicht mehr vom Börsenparkett verschwinden.
BloombergDie Marke ETF könnte Schaden nehmen, wenn die aktiven ETFs zu wenig nachvollziehbaren Ergebnissen führen würden. Auch eine häufige Underperformance wäre für die Investoren ein Problem.
Obwohl es immer mehr um bewusstere Anlageentscheide geht, sind aktive ETFs von dem Bild eines Stockpickers, der sein Depot mit 20 oder 30 handselektierten Titeln bestückt, meist weit entfernt. «Viele aktive ETFs grenzen ihre Abweichung von der Benchmark ein. Sie sind kontrolliert aktiv», weiss Stiefelmeyer. Der kürzlich eingeführte Fidelity US Fundamental Small-Mid Cap UCITS ETF weicht in einem normalen Marktumfeld vom Vergleichsindex um drei bis vier Prozent ab. In einem abnormalen Umfeld können es bis zu sieben Prozent sein. «Für uns aus der ETF-Branche ist das enorm viel», sagt Fidelity-Experte Rocco Altobelli. Die erste Generation der aktiven ETFs bewegte sich bei 1 bis 1,5 Prozent vom Index weg. Es sei auch gar nicht die Idee, die Benchmark meilenweit abzuhängen. «Ziel ist es, auf langfristiger Basis eine gewisse Überrendite anzubieten. Meistens reden wir von 1 bis 1,5 Prozent», sagt Altobelli.
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Häufig werden mit den aktiven ETFs Quant-Strategien umgesetzt. Aktuelle Beispiele lieferte die DWS. Unter der ETF-Marke Xtrackers hat der deutsche Vermögensverwalter Ende Juni drei aktive ETFs an die Schweizer Börse gebracht. Die Xtrackers Equity Enhanced Active ETFs setzen eine Quant-Strategie um, die bereits seit 2001 verfolgt wird. Das durchaus mit Erfolg: In 19 von 23 Jahren liess sie die Benchmark laut dem Anbieter zurück. Die neuen ETFs sollen die Vorteile eines aktiven Portfoliomanagements mit der Verfügbarkeit und der Transparenz von ETFs verbinden. Das Produkt wurde nicht zuletzt für digitale Plattformen wie Swissquote oder Yuh konstruiert. «Die Idee ist es, zusätzlich zur Marktentwicklung strukturell und kontinuierlich ein kleines Alpha zu generieren», sagt Gilles Boitel, Chef Sales von Xtrackers in der Schweiz. Gelingen soll das, indem monatlich auf Basis quantitativer Analysen entschieden wird, ob sich der Fonds mehr auf Momentum oder auf eine Value-Strategie fokussiert.
Eine Erfolgsgarantie gibt es auch bei den Quants nicht. «Aktive ETFs setzen auf ein mehr oder weniger regelbasiertes System. Die Performance kann je nach Marktphase stark variieren», weiss Thomas Züttel. So fokussieren sich viele Quant-Ansätze auf das Momentum, folgen also der Richtung, in die der Markt gerade läuft. Diese Strategie bringt gute Ergebnisse, solange sich die Kurse recht gleichmässig in eine Richtung bewegen. Brechen sie in kurzer Frist kräftig ein, um sich dann rasant wieder zu erholen, fällt dieser Ansatz mitunter deutlich hinter dem Markt zurück.
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Kritiker zum Verstummen bringen würde eine starke Outperformance. Hinder-AM-CEO René Stiefelmeyer hat die zehn grössten in der Schweiz zugelassenen ETFs unter die Lupe genommen. Zusammen weisen sie ein Fondsvolumen von 25 Milliarden Franken auf. Der Experte hat die relative Performance der aktiven Aktien-ETFs gegenüber ihrer Benchmark in US-Dollar berechnet. Seit der Lancierung beträgt diese im Median 0,16 Prozent und im Durchschnitt –2,67 Prozent. Das Risiko der aktiven Produkte, ausgedrückt durch die Volatilität, war vergleichbar zu den jeweiligen Benchmarks. Die zehn grössten in der Schweiz erhältlichen ETFs haben den marktgerichteten Benchmark-Index also seit ihrer Lancierung leicht unterperformt. Der Median weist eine kleine Überrendite aus. «Nichts verloren, aber auch nichts gewonnen. Da aktive ETFs viel Monitoring erfordern, stellt sich die Frage, ob sich der Aufwand lohnt», sagt Stiefelmeyer.
In der Praxis zeige sich, dass der Aufwand bei der Selektion des ETF für die Investoren recht gross wird und die Vorteile des ETFs, wie Verständlichkeit, Einfachheit, Transparenz, etwas verloren gehen.
Tun sich Profis schwer, gilt das für die Privatanleger umso mehr. Für sie wird es mit der Verbreitung von aktiven ETFs schwieriger, sich in dem Universum zurechtzufinden. «Es kann aufwendig sein, diese Regeln zu verstehen. Für Privatinvestoren ohne Fachwissen und Tools sind die Beurteilung und der Produktevergleich schwierig bis unmöglich», so Stiefelmeyer.
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Laut dem VZ-Experten Thomas Züttel lässt sich oft nur schwer nachvollziehen, welche Faktoren die Kauf- und Verkaufsentscheide der Fondsmanager beeinflussen: «Für Anleger ist entscheidend zu wissen, dass die Anlageänsatze aktiver ETFs häufig komplex und intransparent sind.»
Viele aktive ETFs haben den Zusatz «enhanced» oder «active» im Namen, anderen merkt man die Aktivität auf den ersten Blick gar nicht an. Vanguard-Experte Decurtins ist es wichtig, dass für den Investor einfach zu erkennen ist, welche Strategie der Fonds verfolgt und welchen Index er abbildet: «Nicht dass hier ein Missverständnis entsteht.» Bisher waren ETFs für Privatanleger gerade wegen ihrer Einfachheit das perfekte Instrument. Diese Zeiten sind vorbei.
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