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Der irre Markt der Memecoins gleicht einem gigantischen Casino. Die Chancen auf den Jackpot sind gering, der Spassfaktor ist gross.
Jeden Tag werden auf der Plattform Pump.fun mehr als 10'000 neue Coins auf den Markt gebracht. Der Trump versus Musk Coin war einer davon. Der allergrösste Teil bleibt in der Bedeutungslosigkeit.
Diese Illustration wurde von einem KI-Modell generiert und von einem Menschen überprüft und finalisiert.
Illustration: Kay Schmid, generiert mit Flux Kontext Pro (KI)Werbung
Als der Streit zwischen den beiden Alphatieren eskalierte, dauerte es nur wenige Minuten, bis die ersten Trump versus Musk Coins auf den Markt kamen. Auf dem Coin stehen sich KI-generiert der mächtigste und der reichste Mensch der Welt in schrillen und knappen Outfits im Wrestling-Ring gegenüber. Auf dem Markt für Memecoins herrscht Hochbetrieb. Alleine auf der Plattform Pump.fun werden jeden Tag mehr als 10'000 Memecoins kreiert. Der Hype sprengt bisher bekannte Grenzen. Rund drei Millionen verschiedene Coins wurden allein auf dieser Plattform lanciert.
Memecoins zählen zu den gleichzeitig beliebtesten und umstrittensten Teilen der Kryptoindustrie. Für die einen sind sie der Inbegriff der Manie an den Kryptomärkten, frei von jeder Substanz und nicht mehr als ein Schneeballsystem. Für andere sind diese verspielten Coins ein Investment in die Internetkultur, rein und pur, so wie in den Anfangszeiten von Bitcoin und der Kryptorevolution.
In jedem Fall dürften Memecoins in Zukunft eine noch grössere Rolle spielen. Für risikobereite Anleger macht es Sinn, sich mit der schrillen, schnellen Welt der Memecoins auseinanderzusetzen.
«Memecoins sind tokenisierte Internetkultur. Das ist ein sehr neues Konzept und für viele schwer greifbar.» Adrian Fritz von 21Shares
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Entstanden sind Memecoins als Witz. Ende 2013 haben der Adobe-Programmierer Jackson Palmer und der IBM-Softwareentwickler Billy Markus Dogecoin als eine Art Parodie auf den Bitcoin-Hype erfunden. Heute ist Doge mit einem Marktwert von 26 Milliarden Dollar die achtgrösste Kyptowährung der Welt und unter Millionen Memecoins die klare Nummer eins. Shiba Inu, Pepe, Official Trump, Bonk, SPX6900 und Fartcoin folgen auf den weiteren Rängen.
Heute sind die schrägen Kryptowährungen nicht nur wegen der Marktkapitalisierung mehr als ein Witz. «Memecoins sind tokenisierte Internetkultur. Das ist ein sehr neues Konzept und für viele Investoren natürlich schwer greifbar, aber vor allem für die jüngere Generation sind Internet-Communities sehr, sehr wichtig», sagt Adrian Fritz, Head of Research beim Schweizer Kryptohaus 21Shares. Ist Fritz bei seiner Familie in Bayern zu Besuch, freut er sich auf ein traditionelles Gericht mit Knödeln oder Spätzle. «Dass diese Kultur eine Art Wert hat, ist für die meisten Investoren einfacher zu verstehen. Memecoins sind ein globale und digitalisierte Version dieses Zugehörigkeitsdenkens.»
Diese Communities werden über Social-Media-Kanäle wie Reddit oder X gepflegt. Der Reddit-Chatkanal «r/Dogecoin» hat 2,6 Millionen Mitglieder. Steigen die Kurse, wird dort kollektive Begeisterung gelebt; bricht alles in sich zusammen, leckt man gemeinsam die Wunden und macht sich Mut. «Mit koordinierten Käufen und weitreichender Werbung wird gemeinsam am Hype gearbeitet», erklärt Vugar Usi Zade, COO bei der Kryptobörse Bitget. Die Community fungiert als dezentrales Marketing- und Supportsystem und gibt den Teilnehmern das Gefühl, Kontrolle und Einfluss auf die Entwicklung der Coins zu haben. «Memecoins sind keine Wertpapiere, bieten aber die Möglichkeit, einer Gemeinschaft anzugehören. Der Spass sollte also nicht zu kurz kommen», sagt Nagendra Bharatula. Der gebürtige Inder ist Gründer der G-20 Group, eines auf Währungen und Kryptos spezialisierten Handelshauses in Zug.
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Der Community-Gedanke ist nicht neu. Bitcoin entstand in der Finanzkrise als Gegenbewegung zur traditionellen Finanzindustrie. Wenn auch meist nur digital miteinander verbunden, kämpfte man gemeinsam gegen das vorherrschende Fiatgeld-System. «Die meisten Kryptoprojekte waren in erster Linie tokenisierte Communities. Mit dem Aufstieg der Memecoins wird dem Markt diese Realität bewusst», weiss Memecoin-Guru Murad Mahmudov. Das ist selbst bei Bitcoin noch so. Für langjährige Besitzer ist das White Paper von Satoshi Nakamoto nach wie vor die heilige Schrift. Der Glaube an die Blockchain ist gross, die Dezentralität das oberste Gebot. «Dieselben Kräfte, welche die Adaption von Bitcoin vorangetrieben haben, sind bei Memecoins aktiv», analysiert Mahmudov.
Doge, Shiba Inu und Pepe (v.l.) haben die grösste Anhängerschaft. Humor ist das oberste Gebot.
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Illustration: Kay Schmid, generiert mit Flux Kontext Pro (KI)Doge, Shiba Inu und Pepe (v.l.) haben die grösste Anhängerschaft. Humor ist das oberste Gebot.
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Illustration: Kay Schmid, generiert mit Flux Kontext Pro (KI)Bei Doge ist die Community sogar karitativ unterwegs. «Do Only Good Everyday», lautet der Leitspruch. So sammelte man Dogecoins, um dem jamaikanischen Bobteam die Teilnahme an den Olympischen Spielen zu ermöglichen. Zudem werden Brunnen in Kenia finanziert und die Krebshilfe unterstützt. Wegen der geringen Gebühren wird Doge auch zunehmend für Überweisungen genutzt, etwa von südamerikanischen Migranten. Die Community träumt davon, dass sich der Dogecoin, anders als der Bitcoin, als weltweites Zahlungsmittel durchsetzt.
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In Memecoins steckt wie in den ersten Kryptowährungen der Geist der Revolution. So sind die Coins nicht zuletzt als eine Art Protest gegen die Vereinnahmung der Kryptowelt durch die Finanzindustrie zu verstehen. Seit im Januar 2024 die ersten Bitcoin-ETFs zugelassen wurden, machen sich die grossen Player in der dezentralen Welt breit. Blackrock plant, 2030 der grösste Krypto-Assetmanager zu sein. Mehr im Hintergrund wirken Venture-Capital-Fonds. Kamen Coins in der wilden Zeit der ICOs noch mit einer Marktkapitalisierung von 10 bis 20 Millionen Dollar auf den Markt, sind es heute Milliarden. «Die fetten Anfangsgewinne streichen die VC-Fonds ein. Es profitieren nur sehr wenige Leute», sagt Nagendra Bharatula. Er hat sich mit dem Phänomen Memecoins in einer der wenigen Studien zum Thema befasst. Laut Bharatula erklären sich Memecoins mit der Manie, zu einem wesentlichen Teil aber auch mit der Abneigung gegen die Venture-Capital-Industrie.
Doge hatte nie ein ICO, also kein IPO auf der Blockchain, und auch keine institutionellen Geldgeber. «Memecoins haben wirklich so eine Reinheit, weil es hier keine institutionellen VCs oder Early Investors gibt», sagt auch Adrian Fritz. Der Zugang war daher nie exklusiv. Memecoins werden mit einer sehr geringen Marktkapitalisierung emittiert. Privatanleger sind von Anfang an dabei, der Traum vom Reichtum wird geträumt.
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Die grossen Schwankungen bergen zwar gewaltige Risiken, aber auch das Potenzial für signifikante Gewinne. Verzehnfachungen in kurzer Zeit sind keine Seltenheit. Doge legte in zehn Jahren um rund 630'000 Prozent zu. «Dieser Reiz des schnellen Reichtums ist ein starker psychologischer Treiber, der oft durch virale Social-Media-Trends und die Angst, etwas zu verpassen (FOMO), angeheizt wird», sagt Kryptoexperte Zade. Investoren fühlen sich von der Chance auf astronomische Renditen angezogen, auch wenn die Hausse oft nur von kurzer Dauer ist.
«Buy and Hold» ist eine schlechte Idee. Auf Euphoriephasen folgt meist ein Absturz.
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Illustration: Kay Schmid, generiert mit Flux Kontext Pro (KI)«Buy and Hold» ist eine schlechte Idee. Auf Euphoriephasen folgt meist ein Absturz.
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Illustration: Kay Schmid, generiert mit Flux Kontext Pro (KI)Dass die Sehnsucht nach schnellem Reichtum bei der jungen Generation gross ist, verwundert nicht. In den digitalen Medien wird Luxus gefeiert. Gleichzeitig werden Immobilien immer unerschwinglicher und zwei Jobs zum Standard. Auch an der Börse scheint die Zeit der einfachen Gewinne vorbei zu sein. Der Memecoin SPX6900 zielt genau darauf ab. Wie der S&P 500 frühere Generationen reich machte, soll dies jungen Leuten nun der Memecoin ermöglichen. «Der SPX6900 ist die Leinwand, auf der neue Finanzträume gemalt werden. Es ist die Börse für das Volk», steht in dem Manifest.
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Memecoins sind für viele Neulinge ein Eintrittstor in die Kryptowelt. Die Plattformen sind intuitiv, der Zugang einfach. Für tiefe Eintrittshürden sorgen die Preise. Memecoins handeln weit unter der Nulllinie. Der Memecoin Pepe, mit einer Marktkapitalisierung von 4,8 Milliarden Dollar von der Grösse her immerhin die Nummer 35 unter den Kryptowährungen der Welt, wechselt für 0.00001142 Dollar je Stück den Besitzer. Für 100 Dollar erhält der Investor 8,7 Millionen Coins. Das Kursniveau wirkt absurd und ist doch entscheidend. Preisänderungen von ein paar Prozent sind am Kurs kaum nachvollziehbar. Auch nach einer Verzehnfachung bleibt der Coin optisch billig. Selbst Durchstarter Doge ist für weniger als 20 Cent zu haben. Der Anleger bekommt das Gefühl, noch günstig einzukaufen. «Die Erschwinglichkeit macht sie einem breiteren Spektrum von Privatanlegern zugänglich, die sich teurere Vermögenswerte möglicherweise nicht leisten können, und schafft ein Gefühl der Zugehörigkeit zum Kryptomarkt», sagt Bitget-Experte Zade.
Memecoins teilen sich grob in drei Bereiche. Die grösste Gruppe fokussiert sich auf Tiere, meist Hunde und Katzen. Diese Themen spiegeln den unbeschwerten und sympathischen Charakter der Token wider und sind global einsetzbar. Token wie Pepe the Frog gehören zur Internet-Nischenkultur und sind für Insider verständlich. Der dritte Bereich fokussiert sich auf politische Satire und ikonische kulturelle Figuren. Musk und Trump sind hier prominent vertreten. Celebrity Coins sind ein relativ neues, aber stark wachsendes Phänomen.
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Dogecoin hat sich von so einem viralen Moment in eine Internetkultur verwandelt.
Es gibt Memecoins, die sehr schnelllebig sind. «Das ist wie bei viralen Momenten im Internet. Wie auf TikTok oder Instagram gibt es immer wieder irgendwelche Trends, die sehr schnell kommen, aber auch sehr schnell wieder gehen», sagt Adrian Fritz. Auf der anderen Seite gibt es aber eben auch Coins wie Doge. Dogecoin hat sich von so einem viralen Moment in eine Internetkultur verwandelt.
Glücksritter sollten aufpassen. Die Erfolgsaussichten für Investoren sind nicht gross. Von den 2,4 Millionen Memecoins auf der Plattform Pump.fun haben 0,00008 Prozent – das sind gerade mal zwei Memecoins – einen Wert von mehr als 500 Millionen Dollar erreicht. 1,7 Prozent haben die 100'000-Dollar-Hürde genommen – dies aber auch meist nur vorübergehend, um später in die Bedeutungslosigkeit zu versinken. Betrug ist weitverbreitet. 98,6 Prozent der auf der Plattform Pump.fun eingeführten Token sollen laut einer Studie von Solidus Labs Research Merkmale von Pump-and-Dump-Schemata oder Rug Pulls aufweisen. Fälle von Entwicklern, die Dutzende Memecoins kreiert haben, um gutgläubige und gierige Investoren abzuzocken, wurden bekannt.
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Was Investoren dennoch reizt: Bei dieser klassischen asymmetrischen Wette ist der Gewinn, anders als der Verlust, nicht auf 100 Prozent begrenzt.
Anleger sind es gewohnt, gemäss der Bewertung zu selektieren. Doch wie soll man einen Witz bewerten? Einfach gesagt, ist der Witz gut, wenn er bei den Leuten ankommt und häufig weitererzählt wird. «Ich denke nicht, dass man da irgendwelche traditionellen Bewertungsmodelle aktivieren kann», sagt Adrian Fritz. Die Bewertung ist nicht zuletzt wegen der meist unbegrenzten Zahl der Coins ein Problem.
An der Cryptofinance Conference (CfC) im Januar sorgte Nagendra Bharatula für Lacher. Er riet Anlegern, in Memecoin-Blue-Chips zu investieren. Unter den Millionen Memecoins gehören für ihn nur Doge, Pepe und Shiba Inu dazu. Zur Identifizierung der Blue Chips hat Bharatula einen Kriterienkatalog erstellt. Darauf finden sich etwa das Listing auf wichtigen Kryptobörsen oder prominente Fürsprecher, die für Aufmerksamkeit sorgen. «Je länger auf dem Markt, desto unwahrscheinlicher, dass es sich um einen Betrugscoin handelt, und desto wahrscheinlicher, dass der Coin überlebt», sagt Bharatula. Entscheidendes Qualitätskriterium ist die Zahl der Besitzer. Ideal ist, wenn die Coins auf möglichst viele Wallets verteilt sind. Sonst lassen sich die Kurse beeinflussen.
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Wer in Krypto investiert, sollte den Zusammenhang zwischen der Marktkapitalisierung und der Fully Diluted Valuation (FDV) verstehen. Häufig ist bei Kryptoprojekten ein grosser Teil der Coins «locked». Beim Donald Trump Coin sind von einer Milliarde Coins nach wie vor 800 Millionen gesperrt. «Die Preisfindung ist also noch nicht abgeschlossen. Investoren sollten sich dessen bewusst sein», sagt Bharatula. Nach der Präsidentschaft könnte Trump etwa die Token verkaufen müssen.
Da der fundamentale Wert und auch der Nutzen fehlt, werden die Kurse von Memecoins von der Begeisterung und der Popularität der Community bestimmt. Das macht sie für Spekulationsblasen, «Pump and Dump»-Manöver und schnelle Marktkorrekturen anfällig. Investments sind unberechenbar und höchst riskant. Daher verlangen Memecoins nach speziellen Handelsstrategien. «Memecoins sind generell ungeeignet für traditionelle langfristige Anlagestrategien, bei denen Stabilität und konstantes Wachstum im Vordergrund stehen», sagt Vugar Usi Zade. Aus technischer Sicht seien Memecoins Spekulation. Das Risiko für einen Totalverlust ist sehr real. Daher empfehlen Experten wie Zade dringend, nur einen kleinen Teil des Portfolios mit Memecoins zu bestücken.
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Zudem ist «Buy and Hold» fehl am Platz. G-20-Gründer Bharatula hält es für eine valable Strategie, Memecoins in einer Abverkaufsphase billig einzusammeln. In der Regel hellt sich die Stimmung früher oder später auf. Mitunter kehrt die Euphorie zurück. In dieser finalen Phasen eines Zyklus schiessen die Kurse steil nach oben. Doch die Rallys sind kurzlebig. «Es macht Sinn, die Hälfte der Coins nach einer Verdoppelung oder Verdreifachung zu verkaufen. Mit dem restlichen Einsatz lässt sich dann risikofrei spekulieren», sagt Bharatula. Für eine solche Strategie eignen sich Coins, die schon länger auf dem Markt sind und damit bereits einige Zyklen überlebt haben, wie eben die Blue Chips.
Derzeit ist laut Experten nicht der schlechteste Einstiegszeitpunkt. «Angesichts der deutlichen Korrektur und der massiven Verkäufe nach dem Höhepunkt 2024 befinden wir uns gerade in einer stabilen und ausgeglichenen Phase, die als Vorbereitungsphase für den nächsten ‹Pump› angesehen werden kann», sagt Zade. Basierend auf historischen Mustern und der Marktstimmung, steht der nächste Höhepunkt der Memecoin-Outperformance laut dem Experten bevor, wahrscheinlich in den nächsten sechs bis acht Monaten.
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Wer vom Memecoin-Hype profitieren will, muss nicht unbedingt in Memecoins investieren. «Memecoins sind die Spiele im Casino und die gefährlichste Strategie. Risikoärmer ist es, das Casino selbst zu kaufen», sagt Bharatula. Der Casinobetreiber wäre etwa die Kryptowährung Solana. Denn die meisten Memecoins werden auf der Solana-Blockchain emittiert. Ein Investment in die dezentralen Kryptobörsen wie Uniswap oder Raydium entspricht in der Casino-Analogie den Herstellern der Glücksspielautomaten. Die profitieren vom hohen Handelsvolumen.
Von der Finanzindustrie werden Memecoins noch nicht ernst genommen. Doch das wurde Bitcoin vor einigen Jahren auch noch nicht. «Heute gibt es wenige, die nicht auf Bitcoin und Ethereum setzen. In fünf bis sechs Jahren werden Goldman, UBS und Co. auch in Memecoins investieren», prognostiziert Nagendra Bharatula.
Dieser Artikel erschien in der BILANZ 07/2025.
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