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CIO der Schwyzer Kantonalbank

«Der Einfluss des Fed-Chefs wird überschätzt»

Chefanleger Thomas Rühl ist für Aktien optimistisch. Vor ­allem in Europa und den Emerging Markets sieht er Chancen.

Erich Gerbl

<p>Thomas Rühl ist Chief Investment ­Officer und Leiter des Research-Teams der Schwyzer Kantonalbank.</p>

Thomas Rühl ist Chief Investment Officer und Leiter des Research-Teams der Schwyzer Kantonalbank.

André Herger

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Herr Rühl, viele Investoren kommen jetzt aus den Sommerferien zurück. Was erwartet sie an den Börsen?

Wir sind nicht so negativ eingestellt. Im August haben wir das Gewicht der Aktien in den Portfolios erhöht. Die Zölle sind zwar unangenehm und für viele Unternehmen ein echtes Problem, aber das ständige Hin und Her hat ein Ende. Stabilisierung ist vielleicht ein zu grosses Wort, aber die Planungssicherheit hat sich erhöht. Optimistisch sind wir vor allem für Aktien aus der Eurozone. Die Emerging Markets haben wir leicht über-, Schweizer Aktien leicht untergewichtet. Europa profitiert von vergleichsweise geringen US-Zöllen und den geplanten staatlichen Ausgaben.

Wie es an den Börsen weitergeht, hängt zu einem guten Teil von der Entwicklung der US-Wirtschaft und den Zinsen ab. Sind Sie immer noch im Soft-Landing-Lager?

Eine Rezession sehen wir nicht, aber eine Stagflation wird immer wahrscheinlicher. Die Arbeitsmarktdaten für den Juli haben negativ überrascht. Das dürfte sich auf den Konsum und damit auf das Wirtschaftswachstum auswirken. Gleichzeitig treiben die Zölle und der tiefe Dollarkurs die Teuerung an. Um den Arbeitsmarkt und die Konjunktur zu stützen, müsste die US-Notenbank die Zinsen senken, die Inflation würde dadurch aber noch zusätzlich angeheizt. Die Fed hat ein Doppelmandat. Die Frage ist, was sie höher gewichtet.

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Ein Dilemma. Wie wird es gelöst?

Schwächt sich die Wirtschaft weiter ab, wird die Fed die Zinsen wohl senken. Wir erwarten bis Ende Jahr Zinssenkungen im Umfang von 50 Basispunkten.

Geht die Unabhängigkeit der Fed im kommenden Jahr mit dem Abgang von Jerome Powell nicht ohnehin verloren?

Ich denke, die Angst ist übertrieben. Der Einfluss des Fed-Chefs wird überschätzt. Das Gremium besteht aus zwölf stimmberechtigten Mitgliedern, und der Wechsel geht sehr langsam vor sich. Wir sind zuversichtlich, dass die Fed unabhängig bleibt.

Eine zentrale Grösse sind die Unternehmensgewinne. Werden die Zölle von den Firmen geschluckt, dürften die Margen massiv nach unten wandern.

Die Firmen werden ihre Margen nicht kampflos aufgeben. Denken Sie an einen CEO einer Importfirma: Der steht vor der Wahl, sich die Regierung zum Feind zu machen oder die Aktionäre. Die Aktionäre können ihn den Job kosten, die Regierung nicht. Die meisten werden versuchen, die Zölle auf irgendeine Weise weiterzugeben. Das können auch weniger sichtbare Dinge wie kleinere Packungen oder weniger Service sein.

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Erich Gerbl

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