Guten Tag,
Seit Jahrzehnten dominieren die USA die Aktienmärkte. Dank dem US-Präsident findet eine Neugewichtung zugunsten Europas statt.
Trump wirft mit Zöllen um sich.
Getty ImagesWerbung
Wie Schnäppchenjäger, die ein Kaufhaus am ersten Tag des Ausverkaufs stürmen, wurden die Börsen im Zollcrash von Kleinanlegern überrannt. Am 4. April kauften Privatinvestoren so viele Aktien wie seit einer Dekade an einem Tag nicht mehr. Ein Muster, welches schon in der Pandemie zu beobachten war. Das Risiko hat sich bezahlt gemacht. Am 9. April gab Donald Trump klein bei und erklärte sich zur 90-tägigen Zollpause bereit. Der S&P 500 schoss um 9,5 Prozent in die Höhe, der Nasdaq um mehr als 12 Prozent. In beiden Fällen der stärkste Tagesgewinn seit der grossen Finanzkrise. «Seither hat der Markt mithilfe der Kleinanleger die Zollverluste wieder mehr als wettgemacht. Doch ich traue dem Frieden nicht», sagt Michel Saugné, Chefanleger beim Pariser Vermögensverwalter La Financière de l’Échiquier (LFDE).
Die Unsicherheit, wie es an den Börsen weitergeht, ist bei den Anlegern weitverbreitet. Das Zollchaos ist trotz einiger Deals nicht vom Tisch. Unternehmen wissen nicht, unter welchen Voraussetzungen sie Geschäfte in der weltgrössten Volkswirtschaft betreiben. Wie sich diese Unsicherheit auf die Gewinne auswirkt, steht in den Sternen. Saugné rechnet zumindest kurzfristig mit einer Korrektur um 10 bis 15 Prozent. Dann sieht er Opportunitäten, jedoch nicht in den USA, sondern in Europa und der Volksrepublik China.
«Die entscheidende Frage für die Börse ist, wie stark das US-Wachstum 2025 zurückkommt», sagt Heinz Rüttimann von Rahn+Bodmer.
ZVG«Die entscheidende Frage für die Börse ist, wie stark das US-Wachstum 2025 zurückkommt», sagt Heinz Rüttimann von Rahn+Bodmer.
ZVGWerbung
«Die grosse und entscheidende Frage für die Börse ist, wie stark das US-Wachstum 2025 zurückkommt», sagt Heinz Rüttimann. Der Markt- und Anlagestratege der Privatbank Rahn+Bodmer glaubt, dass die Unsicherheit um die Höhe der US-Zölle, die Inflation und das anhaltend hohe Zinsniveau in den USA bereits Schaden angerichtet habe. Eine Anpassung der Gewinnprognosen werde damit unausweichlich, und die Korrektur an der US-Börse sei damit noch nicht vorbei.
«Wir denken, die US-Zölle werden im Schnitt bei 15 Prozent liegen. Das ist deutlich tiefer als am ‹Liberation Day› angekündigt, aber immer noch weit über den 2,6 Prozent, die wir bisher hatten. Das bringt Sand ins Getriebe des Welthandels. Mit den steigenden Fiskalausgaben erhöht das die Inflationsrisiken», sagt John Bilton, Head of Global Multi-Asset Strategy bei J.P. Morgan Asset Management.
Werbung
Samy Chaar ist bei Lombard Odier Chefökonom sowie CIO Schweiz und hat sich für die Zukunft ein Basis- und ein Risikoszenario zurechtgelegt. Im wahrscheinlicheren Basisszenario rechnet er damit, dass sich die US-Wirtschaft zwar abschwächen, aber um eine Rezession herumkommen wird. «Ich denke, eine tiefe Rezession setzt voraus, dass der Einbruch des Verbrauchervertrauens, den wir erlebt haben, zu einem Einbruch der Verbraucherausgaben führt, und den sehe ich noch nicht.» Optimistisch bleibt Chaar jedoch nur, wenn die Zollkrise bald vom Tisch ist. «Es ist zwar ein etwas chaotischer Prozess, aber ich denke, dass es zu vielen Deals und deutlich niedrigeren Zöllen kommen wird.» Grossbritannien und China eröffneten den Reigen. Jeden Tag gibt es mehr Anzeichen, dass die USA zu einer deutlichen Senkung der Zölle bereit sind.
Werbung
«Sprechen wir nach dem Sommer immer noch über Zölle, tritt das Worst-Case-Szenario ein», sagt Samy Chaar von Lombard Odier.
Lionel Flusin«Sprechen wir nach dem Sommer immer noch über Zölle, tritt das Worst-Case-Szenario ein», sagt Samy Chaar von Lombard Odier.
Lionel FlusinDoch die Zeit drängt. Je länger die Zölle wie ein Damoklesschwert über den Unternehmen hängen, desto grösser wird das Problem. «Die Unternehmen müssen wissen, wie die Spielregeln sind. Das muss jetzt geschehen», sagt Chaar. Bleibt die Ungewissheit erhalten, investieren sie nicht mehr, beginnen zu sparen und Mitarbeiter zu entlassen. «Die Ungewissheit über die Geschäftslage muss eine Sache der ersten Jahreshälfte sein. Wenn wir nach dem Sommer nach wie vor über Zölle und Unsicherheit sprechen, tritt das Worst-Case-Szenario ein, und das ist nicht schön», sagt Chaar. Dann drohten Arbeitslosigkeit und ein Einbruch der Konjunk-tur. Weil die Zölle auch die Teuerung nach oben treiben, schlittern die USA in diesem Risikoszenario in die Stagflation.
Werbung
Chaar ist optimistisch, dass es die Trump-Regierung nicht so weit kommen lässt: «Man kann über die US-Regierung denken, wie man will, aber sie reagiert auf die Zeichen aus dem Markt. Geraten Devisen- und Anleihemärkte unter Druck, kühlen sie die Dinge ab.» Auch mit der vorübergehenden Einigung mit China hat Trump dem Markt einen Wunsch erfüllt.
Der US-Präsident hat wohl schon die Midterm-Wahlen vom November 2026 im Blick. Kein Präsident will in die Zwischenwahlen gehen, wenn die Börsen korrigieren und die Wähler ihren Job verlieren. Die Zeit drängt. Im Juli geht der Kongress in die Sommerferien. Bis dahin können Dinge umgesetzt werden.
Schwer zu kalkulieren, aber potenziell gefährlich sind laut dem Invesco-Experten Paul Jackson Rückkoppelungsschleifen. Fallen die Kurse an den Börsen, fühlen sich US-Amerikaner, die im internationalen Vergleich besonders stark an den Aktienmärkten engagiert sind, weniger reich. Mit den Konsumausgaben verlangsamt sich die Wirtschaft, und die Arbeitslosigkeit steigt.
Werbung
Obwohl die Schätzungen schon korrigiert wurden, wird für den S&P 500 für 2025 nach wie vor ein Gewinnwachstum von neun Prozent prognostiziert. LFDE-Chefanleger Saugné hält es für möglich, dass die Wachstumsprognosen erreicht werden. «Warum nicht, gerade aus dem Technologiesegment sind die Zahlen bisher gut.» Das Problem sieht er eher in den Prognosen fürs kommende Jahr. Die Schätzungen liegen bei einem Gewinnwachstum von 14 Prozent. Sie wurden, anders als die Schätzungen für 2025, noch nicht gestutzt.
Die US-Notenbank befindet sich in einer verzwickten Lage. Die Inflationserwartungen lassen eigentlich keine Zinssenkungen zu, dem Arbeitsmarkt täten sie gut. Entspannter ist die Lage in Europa und Asien.
BloombergDie US-Notenbank befindet sich in einer verzwickten Lage. Die Inflationserwartungen lassen eigentlich keine Zinssenkungen zu, dem Arbeitsmarkt täten sie gut. Entspannter ist die Lage in Europa und Asien.
BloombergWerbung
Rahn+Bodmer-CIO Rüttimann ist selbst für 2025 skeptisch. Er hat sich anhand von 2018 angeschaut, was die Zölle für die Gewinndynamik der Firmen bedeuten könnten. Auch 2018 verhängte Trump Zölle, jedoch nur punktuell, etwa auf Waschmaschinen und Solarzellen. Die Gewinne kamen 2018 um drei Prozent zurück. Insgesamt war 2018 ein schwieriges Börsenjahr. Die Fed hat die Zinsen viermal erhöht, der S&P 500 brach im Herbst kräftig ein. Unter dem Strich blieb für das Jahr ein Minus von rund sieben Prozent. «Jetzt ist die Zollpolitik deutlich aggressiver, die zehn Prozent global bleiben auch bei zahlreichen Deals bestehen. Es gibt bei den Gewinnen wohl einen Rutsch nach unten», sagt Rüttimann.
Viele Strategen sind der Meinung, dass eine Korrektur unabhängig vom Zollschock fällig gewesen wäre. Denn US-Aktien wurden in der Hausse sehr teuer. Entwarnung gibt es nicht. Mit der Erholung an den Märkten sind die Bewertungen wieder auf überdurchschnittlich hohem Niveau zurück. Sinken die Gewinne, verschärft sich die Situation.
Werbung
Das Zollchaos sorgt bei Unternehmen und Konsumenten für Unsicherheit. Das Gewinnwachstum dürfte sich verlangsamen. Vor allem für 2026 sind die Schätzungen zu hoch.
imago/NurPhotoDas Zollchaos sorgt bei Unternehmen und Konsumenten für Unsicherheit. Das Gewinnwachstum dürfte sich verlangsamen. Vor allem für 2026 sind die Schätzungen zu hoch.
imago/NurPhotoLoys-AG-Gründer Christoph Bruns hat die USA wegen seiner Frau als Lebensmittelpunkt gewählt. Seit 23 Jahren lebt der Fondsmanager in Chicago. US-Aktien hat zahlder Deutsche nie ins Herz geschlossen. Das hat seinen Grund: Bruns ist Value-Investor und schaut wie Warren Buffett auf den Preis. «US-Aktien sind teuer. Ich bin in den USA chronisch unterinvestiert.» So hat sich Bruns lieber eine Deutsche Bank als eine J.P. Morgan ins Depot gelegt oder gegenüber einer Dow Chemical einer BASF den Vorzug gegeben.
Werbung
In den vergangenen 20 Jahren hatten die USA eine enorme Bewertungsprämie von bis zu 40 Prozent. Das mag am Home Bias liegen. Die grössten Vermögensverwalter sind in den USA zu finden und bevorzugen ihren Heimatmarkt. Doch die Prämien wurden auch wegen der Sonderstellung des US-Exzeptionalismus bezahlt. Die Vereinigten Staaten standen für Verlässlichkeit, einen klaren politischen Kurs, Rechtsstaatlichkeit und eine beeindruckende Innovationskraft. Bruns ist klar: «Der US-Exzeptionalismus wird jetzt von Trump kaputtgemacht. Durch ihn geraten die fundamentalen Säulen des US-Systems ins Wanken. Die Prämien für US-Aktien werden in Zukunft von immer weniger Investoren bezahlt. Das Spiel dreht. Viele, die ihr Heil immer in den USA gesehen haben, müssen umdenken.»
Ähnlich sieht es Samy Chaar: «Wir waren in einer Welt, die von den USA dominiert wurde.» Weil Umsätze und Gewinne dort besonders sprudelten, flossen Gelder aus der ganzen Welt in die USA. «Jeder war in den US-Dollar, US-Aktien und US-Technologien investiert. Diese Finanzströme hingen davon ab, dass die USA aussergewöhnlich sind. Wenn die USA etwas weniger aussergewöhnlich sind und in eine selbst verschuldete Verlangsamung schlittern, verlagern sich die Finanzströme etwas weg von den USA in andere Teile der Welt», sagt Chaar. Nun sei die Quelle der Performance etwas versiegt. Bei Lombard Odier habe man bereits damit begonnen, das Gewicht zwischen den USA, Europa und den Emerging Markets wieder ausgeglichener zu gestalten.
Werbung
«Unsere Kunden sind nach dem ‹Liberation Day› investiert geblieben. Was auffällt, ist, wie positiv sie Europa sehen. Europa ist bei unseren Kunden nicht zuletzt wegen der politischen Stabilität gesucht. Auch hat die europäische Politik Wirtschaftswachstum als wichtigstes Ziel definiert», sagt Patrick Thomson, CEO EMEA von J.P. Morgan AM. Die Nach-frage nach Europa spiegelt sich in europäischen Aktien-ETFs wider. Während 2024 fünf Prozent der Nettozuflüsse in Aktien-ETFs auf europäische Titel entfielen, ist dieser Anteil bis zum 30. April 2025 auf 23 Prozent gestiegen. «Die Welt wacht auf. Die Ströme, die nach Europa fliessen, sind beeindruckend. Wir haben Grund zur Annahme, dass sie anhalten», sagt Jon Ingram, Fondsmanager bei J.P. Morgan AM.
Erfolglos haben Vermögensverwalter versucht, Europa bei asiatischen Kunden zu platzieren. «Wir sind immer auf höfliches Desinteresse gestossen. In den letzten zwei, drei Monaten ist es das erste Mal, dass sich asiatische Kunden nach den Möglichkeiten in Europa erkundigen», sagt eine Vertreterin einer grossen Bank.
Werbung
Trotz der jüngsten Geldflüsse ist die Dominanz von US-Aktien noch gross. 70 Prozent des MSCI World entfallen auf US-Titel. Doch die Geldflüsse könnten langfristig drehen. US-Wachstumsaktien waren für sehr lange Zeit das grosse Anlagethema an den Märkten. «Nun findet eine Neugewichtung statt. Es könnte einige Jahre, vielleicht sogar Jahrzehnte dauern, bis das Gleichgewicht zwischen den Märkten wiederhergestellt ist», sagt Chaar.
«Wir haben die europäische Wachstumsstory als neues Narrativ. Wer hätte das gedacht?», sagt Paul Jackson von Invesco.
PD«Wir haben die europäische Wachstumsstory als neues Narrativ. Wer hätte das gedacht?», sagt Paul Jackson von Invesco.
PDWerbung
In den letzten Jahren liebten Investoren US-Technologie. «Es gab eigentlich keine andere Geschichte da draussen. Doch nun haben wir die europäische Wachstumsstory als neues Narrativ. Wer hätte gedacht, dass wir das einmal sagen würden?», sagt Invesco-Stratege Paul Jackson. Europa finden Experten aus zwei Gründen interessant. Die neue deutsche Regierung und ihr Infrastrukturpaket sind der erste. 500 Milliarden Euro werden investiert. Die Hoffnung steigt, dass Europas grösste Volkswirtschaft durch den Stimulus endlich aus dem Krisenmodus findet.
Fast noch wichtiger ist, dass sich Europa nicht mehr auf die USA als Bündnispartner verlassen kann. «Durch die steigenden Ausgaben für Militärgüter, die vermehrt in Europa produziert werden, verspricht man sich einen fiskalischen Aufschwung für die gesamte Region. Der europäische Technologiesektor wird durch die Militärausgaben einen Schub erhalten», prognostiziert Paul Jackson. Beispiele, wie sich militärische Entwicklungen auf die Ziviltechnologie auswirken, gibt es genug. Die Zahl der Technologie-Start-ups in Israel etwa ist nicht zuletzt wegen der militärischen Entwicklungen gross. Oder in den USA haben sich die Investitionen in Rüstung, Luft- und Raumfahrt auf die Entwicklung des IT-Sektors ausgewirkt.
Werbung
Weil sich Europa nicht mehr auf die USA verlässt, wird kräftig in Militärgüter investiert. Das sollte Europas Tech-Branche einen Schub verleihen.
---/ukrin/dpa/ArchivbildWeil sich Europa nicht mehr auf die USA verlässt, wird kräftig in Militärgüter investiert. Das sollte Europas Tech-Branche einen Schub verleihen.
---/ukrin/dpa/ArchivbildIm Vorteil befindet sich Europa auch punkto Zinspolitik. Anders als in den USA scheint die Inflationsgefahr gebannt. Die Zentralbanker haben grünes Licht für Zinssenkungen. «Die EZB senkt auf rund 1,5 Prozent, in der Schweiz werden die Zinsen auf null fallen», prognostiziert Chaar.
Verzwickter ist die Lage in den USA. Fed-Chef Jerome Powell befindet sich wegen des Doppelmandats in einem Dilemma. Die Zölle treiben die Preise in die Höhe. Zinssenkungen scheinen daher nicht angebracht. Schwächen sich die Wirtschaft und damit das Angebot an Jobs ab, müsste die Fed die Zinsen eigentlich nach unten schrauben. «Die Situation ist in den USA extrem kompliziert. Die Fed ist in einem Konflikt, sie wird daher auf einen neutralen Zins gehen», sagt Samy Chaar. Dieser neutrale Zins, der die Wirtschaft weder belastet noch anheizt, liege zwischen 3,5 und 4 Prozent. Laut Chaar sind in diesem Jahr daher trotz Inflationsgefahr drei Zinssenkungen um je 25 Basispunkte wahr-scheinlich: «Ich denke, sie werden ein paar Mal kürzen und dann abwarten, bis sich die Situation geklärt hat.» Deutlich mehr wären es wohl nur, falls die Arbeitslosigkeit im Falle einer Rezession kräftig ansteigen würde.
Werbung
Neben Europa beginnen Vermögensverwalter wieder an China zu glauben. Die Volksrepublik war der am meisten unterinvestierte Markt. Invesco-Stratege Paul Jackson zählt zu den wenigen Experten, die bereits seit Längerem auf China setzen: «China ist in erster Linie eine Value-Story. Für Investoren, die nach günstigen Aktien Ausschau halten, ist China ‹the place to be›.»
Dass China nicht nur billig, sondern auch technologisch vorne dabei ist, wurde spätestens mit der Präsentation der KI Deepseek klar. Alibaba und Tencent sind Aushängeschilder der chinesischen Tech-Industrie und mit KGVs von rund 20 im Vergleich mit ihren US-Peers deutlich günstiger. Wachstumsraten von rund fünf Prozent kommen zur China-Story noch dazu. «China könnte positiv überraschen. Das Land spielt im Technologiebereich zweifelsohne ganz vorne mit. Die Bewertungen sind aus unserer Sicht günstig, und die Regierung könnte jederzeit einen neuen Stimulus-Plan lancieren», sagt LFDE-Chefanleger Saugné.
Werbung
Vera Fehling, CIO Western Europe von DWS, zieht wegen der Governance Japan China vor. «Es ist unklar, ob Xi Jinping ein Interesse hat, den internationalen Investor glücklich zu machen, bei Japan ist es definitiv der Fall.» Nach gefühlt drei verlorenen Dekaden aus dieser Deflationsspirale herausgekommen, sei die japanische Aktienkultur in den letzten drei Jahren eine ganz andere geworden. So seien Aktienrückkäufe stark angesprungen, während weniger Aktien mit Sonderrechten ausgestattet sind. Trotz der vielen Unsicherheiten glaubt Vera Fehling, dass der Markt die Tiefs gesehen habe: «Aber ich denke nicht, dass es jetzt mit der gleichen Dynamik weiter nach oben geht. Dazu ist es einfach ein bisschen zu gut gelaufen.»
Um den zahlreichen Unsicherheiten gerecht zu werden, setzt Aberdeen-Investments-CIO Peter Branner auf Diversifikation. «Ein gut diversifiziertes Portfolio war für die meisten Anleger schon immer das Heilmittel für die meisten Probleme, vor allem bei hoher Volatilität und Unsicherheit.» Jetzt sein Aktiendepot auf den Markt zu werfen, ist laut Maverix-CIO Maurizio Porfiri eine schlechte Idee. «Solange wir keine Evidenz für eine stärkere Rezession bekommen, würde ich investiert bleiben und die Portfolios absichern.» Möglich sei das etwa durch den Kauf von Gold oder den Verkauf von Öl. Falls die Unsicherheit steigt, ist Gold gefragt, während Öl auf eine wirtschaftlichen Einbruch mit Verlusten reagiert. Auch soll Trump einen Ölpreis von 40 bis 50 Dollar je Fass anstreben. Porfiri zählt zu den Optimisten. Die Rezessionswahrscheinlichkeit sieht er bei nur 40 Prozent. Er glaubt, dass die US-Regierung grundsätzlich wirtschaftsfreundlich sei und im zweiten Halbjahr die positiven Faktoren wie Steuersenkungen und Deregulierungen im Finanzsektor an der Börse wieder stärker ins Bewusstsein rücken. Für den S&P 500 sagt er zum Jahresende 6600 Punkte voraus, für den SMI 14 000. Ihm gefallen Industriewerte mit einem hohen Serviceanteil wie Schindler. Im Gesundheitssektor setzt er auf Lonza, Roche und seinen Mid-Cap-Favoriten Sandoz.
Werbung
Auch Rahn+Bodmer-CIO Heinz Rüttimann setzt auf Schweizer Aktien. Obwohl mit politischen Risiken behaftet, sieht er im defensiven Schweizer Pharmasektor «deutliches Aufholpotenzial». So mancher Zykliker wie Georg Fischer, Bucher Industries oder Kühne+Nagel biete Chancen. Letztgenannte könnte von der Neuordnung der Lieferketten profitieren.
«Es ist immer schwierig, die Zukunft vorherzusagen. Doch in den vergangenen drei bis fünf Jahren ist die schon grosse Komplexität noch einmal gestiegen», weiss Michel Saugné. Ein US-Präsident, der über seine eigene Social-Media-Site die Märkte in Aufruhr versetzt. Märkte, an denen zunehmend Computer Handelsstrategien ausführen, meist Trendfolger, die gemeinsam mit den passiven ETFs Trends verstärken. Auch haben in den USA Privatanlager in der Pandemie das Trading als Zeitvertreib entdeckt. Bleibt zu hoffen, dass sie die Kauflaune nicht so schnell verlässt.
Werbung
Werbung