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Porträt: Von Uhren besessen

François-Paul Journe sprüht vor Ideen. Die genialen Kreationen des in Genf wirkenden Franzosen gehören zu einer neuen Generation exklusiver mechanischer Armbanduhren.

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Zwei Weltpremieren hat er bereits geschafft. Die dritte steckt – vermutlich – bereits in seinem Kopf. Weil er diesen Motor in sich hat, der immer weiter dreht. Diese Suche nach der Perfektion, dieses Streben nach dem Absoluten, nach der Schönheit, die vorantreibt, ewiger Ansporn ist zum technischen Fortschritt. Droge Uhrmacherkunst.

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François-Paul Journe lächelt. Weltpremieren. Dabei gab es in der Uhrmacherei in den letzten 200 Jahren doch nur einen wirklichen Fortschritt: Quarz.

Journe, 45, gebürtiger Franzose mit Sitz in Genf, ist einer dieser begnadeten Uhrmacher unserer Zeit, die der vollkommenen Uhr eine weitere Pointe aufsetzen und in der Welt der Kenner für Furore sorgen. Sein Chronomètre à résonance und sein Tourbillon à remontoir d’égalité, vorgestellt 1999 an der Basler Uhren- und Schmuckmesse, verbinden aufs subtilste Innovation und Kunstwerk, sind kostbare Wegmarken der Zeitmessung. Der Präzision erneut einen Schritt näher gekommen.

Im Atelier, heute stilvoll untergebracht in einem ehemaligen Fabrikgebäude der Jahrhundertwende, anregend und romantisch zugleich mitten im Herzen der Stadt, pressen wir uns in eine Ecke, um geschäftigem Treiben Platz zu machen. Rund um uns wird vermarktet, was der Meister ersonnen hat, über dreissig Verkaufsstellen in 15 Ländern, davon sieben in der Schweiz, das gibt zu tun. Schnell mal ein Griff nach einem Ordner, dort ein Mausklick im Katalog, junge Damen lächeln, und jemand möchte Journe am Telefon, und der Vertreter aus Italien will noch verabschiedet werden. Sehr sophistiqué, das alles, sehr urban. Und im Stock über uns beugen sich, mit der Konzentration vergangener Jahrhunderte, an die zwanzig Uhrmacher über filigrane Teilchen, fügen Mechanik von höchster Komplexität.

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Ein Fauler Schüler

Schon als Kind sei er der Sache auf den Grund gegangen, erzählt François-Paul Journe, zerstörte seine Spielsachen, um zu schauen, was sie im Innersten zusammenhält. «Ich wollte immer wissen, wie es funktioniert.» Das war in Marseille, wo er aufgewachsen ist. Ein ziemlich fauler, ziemlich flegelhafter Schüler sei er gewesen – selbst seine Mutter bezweifelte, dass aus diesem aufmüpfigen Bub je etwas Rechtes werden würde. Kurzerhand wurde er mit vierzehn aus der Schule genommen und in die Uhrmacherschule gesteckt. Reiner Zufall, eigentlich. Denn damit sei man dem Beispiel seines Onkels gefolgt – grad zwölf Jahre älter als er – aus dem dieserart ein erfolgreicher Uhrmacher und Restaurator geworden war. Gut hat der nicht Metzger gelernt. Journe grinst, der Schalk im Auge stets sprungbereit.

Geheimnis Tourbillon

Der zweite Zufall: Der Bub liebte, was ihm da geboten wurde, auf Anhieb. «J’ai adoré ça!» Was ihn aber nicht hinderte, nach zwei Jahren von der Schule zu fliegen. In Paris setzte er dann doch seine Ausbildung fort. Um als Bester seines Jahrgangs abzuschliessen. Im Pariser Atelier seines Onkels verdiente er sich seinen Lebensunterhalt mit dem Restaurieren alter Pendulen und Taschenuhren und eignete sich so, fast nebenher, die profundesten Kennntisse an. Etwas fehlte in der Sammlung. Was er nicht verstand. Was er verstehen musste. Die Geheimnisse des Tourbillon. Und weil er sich keinen leisten konnte, gab es nur einen Weg: Er musste sich selber eine Tourbillon-Uhr bauen, um diesem Wunderwerk vergangener Zeiten nahe zu sein. Mit Abraham-Louis Breguet, Antide Janvier und dem Standardwerk von George Daniels ausgestattet – einem der wenigen grossen Zeitgenossen seines Fachs übrigens, für den Journe nichts als Bewunderung und Herzlichkeit hegt – zog er sich Abend für Abend, am Wochenende, jede freie Minute zurück, und mit zwanzig Jahren hatte er nicht nur seine erste eigene Uhr, sondern gleich einen Tourbillon selber gebaut. Jedes einzelne Teilchen von Hand gefeilt. Zu Hause habe er ein kleines Kästchen, sinnt er plötzlich, mit den vielen handgefertigten Teilchen aus dieser Zeit, die Ausschuss blieben, eigentlich stelle dieses Häufchen Metall Tausende und Abertausende von Arbeitsstunden dar. Verrückt.

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Verrückt? Auf 2000 Quadratmetern, über drei lichtdurchflutete Stockwerke verteilt, entsteht, wovon Journe heute träumt: Das Unternehmen der Zukunft, «l’entreprise modèle». Geführt und getragen von motivierten, engagierten Menschen, die sich freundschaftlich gesonnen und familiär verbunden sind, im Dienste eines Juwels – der kostbaren Uhr. Wie ein Koffer den Diamanten, so umschliesse das Unternehmen sein Produkt, sagt Journe. Der Traum von Schönheit und Vollendung. Luxus. Keine Fremdfinanzierung. Aber sicherer Stand: «Bis ins Jahr 2005 nehmen wir keine neuen Kunden mehr. Jede Uhr, die heute gefertigt wird, ist bereits verkauft.» An die 600 Zeitmesser verlassen pro Jahr die Fabrik, mehr als 1000 bis 1500 sollen es nicht werden. Geschätztes Geschäftsvolumen: 15 bis 20 Millionen Franken.

Wie lebt einer, der Uhren im Kopf hat, ständig, der im Kopf zeichnet und entwirft, der nachts, wenn er einmal aufgewacht ist, nicht mehr einschlafen kann, weil da noch so viel Ideen sind, Pläne, die umgesetzt, Probleme, die gelöst werden wollen? Jedes zweite Wochenende fährt er mit dem TGV nach Paris, Zeit, die hervorragend zum Arbeiten genutzt werden kann. Ein vierzehnjähriger Sohn erwartet ihn dort, und in Genf die Frau, die im gleichen Unternehmen arbeitet, an derselben Zukunftsvision. Ein gemeinsamer einjähriger Sohn gibt Bodenhaftung. Dieser Mann lebt erfüllt, und brennt, rund um die Uhr.

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Wink des Schicksals

Auch wieder so ein Wink des Schicksals, dass das Gebäude, in dem das Unternehmen der Zukunft untergebracht ist, vor kurzem gekauft werden konnte. Was erst unmöglich schien. Aber da telefonierte einmal ein Freund, und bei dem sass, Zufall, ein Freund, und der war, so stellte sich heraus, der Besitzer, und ... das sind Storys.

«F.P.Journe – Invenit et Fecit», das Logo seiner Uhrenmarke lehnt ans Goldene Zeitalter der Horlogerie an. Erfunden und ausgeführt, das durften die französischen Uhrmacher des 18. Jahrhunderts ihren Instrumenten eingravieren, wenn die königliche Akademie der Wissenschaft ihre Erfindung anerkannt hatte. 1999 gründete Journe, nach einem Abstecher ins ländliche Sainte-Croix, sein eigenes Unternehmen. Freunde, mit denen man dort einst gleichgezogen hatte, mussten verlassen werden. Journe schweigt.

1985 bereits, der Onkel und Mentor war in den Süden nach Marseille zurückgekehrt, war der Schritt zum unabhängigen Uhrmacher erfolgt. In Paris richtete Journe, mittlerweile Mitglied der legendären Académie des Horlogers Créateur Indépendants (AHCI), sein erstes eigenes Atelier ein, wo er im Lauf der Jahre im Auftrag von leidenschaftlichen Sammlern hochkomplexe Einzelstücke konstruierte. Jedes Jahr eine Uhr. Einer dieser Sammler, erzählt Journe, besass dreissig Uhren. Darunter eine von Abraham-Louis Breguet, eine von George Daniels – und eine von François-Paul Journe.

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Zwei Weltpremieren

Die aufsehenerregenden Neuheiten, die er erst 1999 der Öffentlichkeit vorstellte, «weil erst dann das Publikum reif dafür war», weckten auf Anhieb die Begeisterung und Begehrlichkeit der Sammler. Seine Armbanduhr Tourbillon, «Souverain» genannt, mit Remontoir d’égalité, das die Kraft der Hemmung vergleichmässigt und dafür sorgt, dass die Unruh immer mit der gleichen Amplitude schwingt. Die Schwingungszahl bleibt in etwa gleich, unabhängig davon, ob die Uhr voll aufgezogen oder am Ende ihrer Gangreserve ist. Die zweite «Weltpremiere»: Sein «Chronomètre à résonance». Bereits Antide Janvier und Abraham-Louis Breguet bedienten sich des Phänomens, dass die Resonanz der einen Uhr die Schwingung der anderen beeinflusst, wenn, in einem Gehäuse, zwei Uhren nebeneinander liegen. Sie schufen für den König Louis VIII zwei unabhängige Uhrwerke, deren Pendel phasenverschoben schwingen. Journe kam die Idee, als er die Uhr von Louis VIII in Paris restaurierte: Das Prinzip der Resonanz auf eine Armbanduhr zu übertragen.

Die Kollektion «Souverain», die Serie «Octa», deren Automatikwerke über eine chronometrisch exakte Gangreserve von fünf Tagen respektive 120 Stunden verfügen, ohne getragen zu werden: was immer den Stempel «Invenit et Fecit» trägt, ist von technisch ausgeklügelter Brillanz. «Jede Komplikation muss technisch einen Sinn machen», sagt Journe, kein l’art pour l’art, und dennoch jedes Stück ein Kunstwerk, jedes für sich.

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Mit Preisen und Anerkennung, vom Prix Gaïa 1994 des Musée de l’Homme et du Temps in La Chaux- de-Fonds bis zum «Grand Prix d’Horlogerie der Stadt Genf 2002» reich eingedeckt, will Journe so bleiben wie er begonnen hat: Unbeirrt, unabhängig, exklusiv, Einzelgänger, so meisselt er am grossen Ziel, ganz bescheiden eigentlich. Droge Uhrmacherkunst.

Evelyn Braun ist Juristin und freie Journalistin. Sie lebt in Basel und im Elsass.

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F.P.Journe – Invenit et fecit

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www.fpjourne.com

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