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«Nicht jeder, der sich Guru nennt, ist einer»

Die Präsidentin der US-Vermögensverwaltungsfirma Garzarelli Capital, Elaine Garzarelli, über ihr Leben als Wall-Street-Guru und darüber, wie man diesen Status über Nacht gewinnen und wieder verlieren kann.

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 Elaine Garzarelli begründete ihren Ruf als «Kassandra der Wall Street» mit der Vorhersage des Börsencrashs von 1987; heute ist sie regelmässiger Gast in TV-Sendungen.


BILANZ: Frau Garzarelli, erinnern Sie sich noch, wo Sie am 14. August vergangenen Jahres waren? Haben Sie auch wie viele Ihrer Kollegen verängstigt vor dem Computer gehockt und auf Meldungen aus Washington gewartet?
Elaine Garzarelli:


Albert Edwards, der Londoner Chefstratege der Investmentbank Dresdner Kleinwort Wasserstein, hat damals die weltweite Finanzgemeinde mit einer Crash-Prognose schockiert. An jenem Dienstag um 8.30 Uhr werde die weltweite Krise ausbrechen – nach Bekanntgabe extrem nach unten revidierter Produktivitätszahlen in den USA.


… und der falsche Prophet stand ziemlich blamiert da. Was ihn aber nicht daran hinderte, munter weiter zu warnen.



Die Angst vor einer peinlichen Fehlprognose ist offenbar geringer als die Aussicht auf grenzenloses Prestige. Ed Yardeni, der New-Yorker Chefstratege der Deutschen Bank, machte sich mit seiner Prognose lächerlich, dass um null Uhr am 1. Januar 2000 alle Räder still stehen, weil die Computerumstellung zum allgemeinen Chaos führen werde.



«Ich verspreche Ihnen, dass es keine weiteren Kreuzzüge mehr geben wird», schrieb Yardeni kleinlaut. Hat ihm das die Karriere gerettet?

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Ein Gefühl, das Ihnen ja auch nicht fremd ist. Die Liste der gefallenen Gurus ist lang …



Was definiert an der Wall Street einen Guru?



Und mit steigender Medienpräsenz wächst seine Macht?



Solche Ereignisse sind aber doch eher selten.


Wer war es dann?


Wer übernahm nach Kaufman das Zepter?


Nachdem Prechter mit seinen Wellen lange genug genervt hatte, schlug ja Ihre grosse Stunde.



… und Sie warnten in einer Fernsehsendung am 12. Oktober 1987, genau eine Woche vor dem Schwarzen Montag, vor einem dramatischen Kurseinbruch.


Warum haben Sie mit Ihrer Warnung bis Oktober gewartet?



Ach, wirklich? Wir dachten immer, Sie seien damals schon jene Femme fatale gewesen, die laut «Forbes» Ihr attraktives Äusseres gezielt für die eigene Public Relations einsetzt.


Nachdem sich Ihre Crash-Prognose als treffsicher erwiesen hatte, vollzog sich Ihr Aufstieg zur «Kassandra der Wall Street» unaufhaltsam.



Wenige Tage vor dem Golfkrieg empfahlen Sie massiv den Kauf von Aktien und lagen dabei goldrichtig. Warum wurden Sie 1992 bei Shearson dennoch vor die Tür gesetzt?


Sie landeten danach bei Lehman Brothers relativ komfortabel – Ihr Salär soll auskömmliche zwei Millionen Dollar betragen haben.


Plötzlich stand die ungekrönte Königin der Wall Street ohne Job da. Sind Sie da nicht in eine tiefe Depression verfallen?

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Im November 1996 überraschten Sie die Finanzwelt mit der Warnung vor einem grossen Crash in den USA und empfahlen den Verkauf aller US-Aktien. Wer Ihrem Rat folgte, verpasste kurzfristig einen Anstieg von mehr als 1000 Punkten.


Chapeau! Gleichwohl gab statt der glamourösen Elaine Garzarelli in den folgenden Jahren eine Frau den Ton an, die mit ihren fleischfarbenen Strümpfen und ihren biederen Kostümen eher aussah wie eine Sozialkundelehrerin aus Ohio: Abby Joseph Cohen, Chefstrategin der Investmentbank Goldman Sachs.



Wer könnte heute das Erbe von Cohen übernehmen?



Können die Finanzmärkte ohne Gurus leben?


Warum folgen vor allem Kleinanleger trotzdem immer wieder selbst ernannten Gurus?


Vielleicht können sie es gar nicht besser. Die Irrtümer waren noch nie so ausgeprägt wie in den letzten zwei Jahren. Analysten produzieren ohne Pause ungezählte Daten und Fakten, und doch gelingt es ihnen immer seltener, präzise vorauszusagen, in welche Richtung und mit welchem Tempo sich die Wirtschaft verändert.


Und heute?



Verraten Sie uns Ihren mittelfristigen Ausblick.



Was heisst das?



Wann ist damit zu rechnen?



Haben aber die Leute nicht generell die Nase voll von Aktien? Viele US-Investoren legen ihr Geld derzeit doch lieber in Immobilien an als etwa an der Nasdaq.

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Der Kleinanleger sieht, dass sich der Dow Jones ein paar Hundert Punkte hinauf-, dann wieder hinunterbewegt, und das mehrmals pro Woche. Kein Wunder, wenn ihm die Lust auf die Börse vergeht.


US-Treasury-Bonds haben sehr gute Erträge gebracht, während die Durchschnittsaktien absackten und die Wirtschaft sich bis zur Rezession verlangsamte. Wieso überhaupt Aktien?



Wo legen Sie an?



Und diese Branchenauswahl garantiert überdurchschnittliche Gewinne?



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