Guten Tag,
Die Risiken an den internationalen Aktienmärkten sind massiv gestiegen. Nur eine Börse scheint dennoch unaufhaltsam zu boomen – die österreichische.
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Für gewöhnlich erhalte ich zwei Arten von Antworten, wenn ich Schweizer zum Thema Österreich befrage: Die einen kennen jede Menge Urlaubsziele, die sie bereits erkundet haben, die Namen jedes Hügels inklusive der abgefahrensten Skihütten, der billigsten Unterkünfte und besten Gasthäuser. Die anderen bereisten das Nachbarland höchstens mit dem Finger auf der Landkarte. Was mich als gebürtige Österreicherin zum Schluss kommen lässt: Schweizer lieben Österreich oder ignorieren es. Dazwischen gibt es nichts.
Neuerdings gibt es einen weiteren Grund, weshalb auch eingefleischte Ignoranten die Seite wechseln könnten: Der österreichische Bulle ist los! Seit Beginn des Jahres erzielte der Aktienindex ATX eine Performance von 30 Prozent. Und nicht nur in den schwachen Börsenjahren 2001 und 2002, sondern auch in der Phase der internationalen Kurserholungen seit März 2003 übertraf der ATX den amerikanischen S&P, den deutschen DAX und den Schweizer SMI um Längen.
Die Finanz-Lokalmatadoren haben für diese Entwicklungen jede Menge Begründungen parat. Stefan Zapotocky etwa, Vorstand der Wiener Börse, lobt die Wachstumsdynamik österreichischer Unternehmen wegen deren Geschäftsbeziehungen mit den benachbarten Ländern: «Vier von fünf Unternehmen aus dem ATX haben intensive Geschäftskontakte mit den rasch wachsenden Volkswirtschaften Mittel- und Osteuropas.» Günther Artner, Analyst der Ersten Bank, argumentiert mit der Körperschaftssteuer, die 2005 von 34 auf 25 Prozent gesenkt werden soll. Ein höheres Gewinnwachstum der Unternehmen wird die Folge sein.
Alles Erklärungen, die ihre Berechtigung haben. Doch der Initialzünder für diesen Boom war ein anderer. Vor einem Jahr wurde, ähnlich dem schweizerischen System, die dritte Säule zur Altersvorsorge eingeführt. Ein kleiner, protektionistischer Passus in diesen Regelungen verbietet es Fondsmanagern, Aktien von Börsen zu kaufen, deren Gesamtkapitalisierung in ihrem Land mehr als 30 Prozent des BIP beträgt. Darunter fallen nur wenige Börsen der neuen, osteuropäischen EU-Mitgliedsländer – und Österreich. Mit der Absegnung der EU generieren die Österreicher somit ihren eigenen Börsenboom.
Es stellt sich natürlich die Frage, wie lange mit diesem fragwürdigen protektionistischen Schachzug und der nicht vorhandenen Diversifikation für österreichische Anleger dieser Boom noch anhalten wird und ob sich die Wiener Börse den weltweiten Entwicklungen entziehen kann (Ölpreisschock, Querschläger in den Gewinnausweisen der Unternehmen, Wachstumsschwäche). Doch allen Unkenrufen zum Trotz sind die Aussichten auf weitere Kursgewinne gut. Man schätzt, dass bis Jahresende 500 000 Österreicher eine Eigenvorsorge besitzen werden. Letztes Jahr wurden 232 000 Zukunftsvorsorge-Verträge abgeschlossen. 120 Millionen Euro sollen bis Ende 2004 aus diesem System in Aktien fliessen. Die Verträge selbst basieren auf einem Ansparsystem, wodurch jedes Jahr neues Geld in den Markt fliesst. Das durchschnittliche Kurs-Gewinn-Verhältnis der Aktien ist mit 13 noch annehmbar. Ungewohnt, aber einträglich ist es also, auch ausserhalb der Ferienzeiten einmal über die Grenze nach Österreich zu blicken.
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