Guten Tag,
Russlands Börsen sind auf Boom gestimmt. Die Chancen für weitere Kursgewinne sind gut. Doch Vorsicht vor dem wilden Osten.
Werbung
Privet Max, ti znaech kto pokupaet rinok segodnya?» Der Mann im Zürcher Altstadthotel Rössli schreit ins Handy, als ob er auch ohne Telefon bis nach Russland gehört werden wollte, durchmisst dabei mit hastigen Schritten den winzigen Frühstücksraum, macht an der Wand rechtsumkehrt, und vorwärts marsch! Max, wer kauft denn an diesem Morgen? Die Frage von Anton Khmelnitski an seinen Mitarbeiter, der in Moskau die Börse verfolgt, ist an diesem Mittwoch im vergangenen März nur Auftakt zu etlichen lautstarken Telefonaten. Dabei hat Khmelnitski, der im Solde von Brunswick Asset Management in Moskau ein vierköpfiges Investment-Team leitet, mir bei Kaffee und Gipfeli eigentlich die Vorzüge russischer Aktien schildern wollen. Doch dazu bleibt kaum Zeit. Die Börse boomt.
Will heissen: hat geboomt. Die von Amerika ausstrahlende Angst vor steigenden Zinsen hat auch an den russischen Börsen Kurskorrekturen hervorgerufen. Was Khmelnitskis Optimismus keinen Abbruch tut. Der Schweizer mit dem unschweizerischen Namen erwartet zwar kurzfristig weiteren Druck auf die Aktien, doch wird «die Hausse schon bald weitergehen». Dabei strebt der Moskauer Markt bereits seit langem steil nach oben; alleine seit Anfang 2003 gewann der Index rund 80 Prozent.
Angesichts dieser Performance fällt es schwer, an weiteres Potenzial zu glauben. Nur sehen die ökonomischen Rahmenbedingungen tatsächlich sehr gut aus. So ist über die letzten vier Jahre das Bruttosozialprodukt im Schnitt um über sechs Prozent gewachsen, in den nächsten zwei Jahren werden Wachstumsraten von deutlich über fünf Prozent erwartet. Die Industrieproduktion nimmt stark zu, der Konsum steigt, die Unternehmen glänzen mit kräftigen Gewinnfortschritten. Die Inflation bewegt sich auf etwas über zehn Prozent, für russische Verhältnisse ein Vorzeigewert. Jedenfalls hat der Rubel Boden gefunden, und sogar der einst volkswirtschaftlich mörderische Kapitalabfluss gehört der Vergangenheit an.
Moskau als beste aller Investorenwelten? Für ein frisches Ja kommen mir die Begleitumstände verdächtig bekannt vor. Die gleiche Euphorie, untermalt von ähnlichen Argumenten, war vor Jahren schon zu vernehmen gewesen beim Börsenrausch in Hongkong, später in Bangkok, gefolgt von Manila. Da wurde immens viel Geld verdient – und beim Absturz wieder verloren. Zu den Verlierern zählen vor allem Privatanleger, die gewöhnlich in der letzten Phase eines Aktienbooms noch aufspringen. Der internationale Investorentross ist mobil – gestern China, heute Indien, morgen Russland.
Werbung
Dabei bin ich eigentlich positiv gestimmt für russische Aktien. Doch wer sich einen Einstieg überlegt, muss sich der Risiken bewusst sein. Wohl und Weh der Moskauer Börse ist stark abhängig vom Ölpreis. Zudem weist die Mehrheit der Papiere eine gefährlich schmalbrüstige Liquidität auf. Russlands Märkte sind denn auch kein Ort für Einzelkämpfer. Halten Sie sich deshalb an Anlagefonds. Wir haben für Sie eine Auswahl an Russlandfonds (PDF 34.27 kb) aufgeschaltet. Doch warten Sie mit einem Einstieg zu, bis sich die Wolken über dem Finanzplatz verzogen haben. Und nochmals: Russland ist ein Emerging Market, die Risiken sind überdurschnittlich hoch. Wer sich engagiert, sollte dies auf lange Sicht tun. Sonst bezahlt man im wilden Osten ein hohes Lehrgeld.
Werbung