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«Eigene Werke dirigieren kann sehr peinlich sein»

Stardirigent und Komponist Pierre Boulez über den Drang zur schöpferischen Zerstörung und über sein Verhältnis zum Mäzen Paul Sacher.

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Pierre Boulez über Unterhaltungsmusik:
«Bum, bum, bum ...
Auf solche Muster kann
jeder reagieren.»


Pädagoge und Provokateur




BILANZ: Ist es vertretbar, in den Terrorakten vom 11. September – abgesehen vom Leid, das sie über die Betroffenen gebracht haben – auch etwas Befreiendes zu sehen? Gibt es positive Aspekte der Zerstörung?
Pierre Boulez:


Der Komponist Karlheinz Stockhausen hat den Anschlag auf die New Yorker Zwillingstürme als «Gesamtkunstwerk» bezeichnet.



Zu Beginn Ihrer Karriere hatten Sie den Ruf eines Radikalen. Als Sie in den Sechzigerjahren in einem Gespräch mit dem «Spiegel» forderten, man solle die Opernhäuser in die Luft sprengen, wurde das von vielen als Aufruf zur Gewalt aufgefasst.


Glauben Sie an die Existenz gesellschaftspolitischer Konstellationen, in denen die Zerstörung der einzig gangbare Weg ist, um Raum zu schaffen für etwas Neues?



Sie haben zeit ihres Lebens den Fortschritt gepredigt. Sind Sie in dieser Beziehung mit den Jahren skeptischer geworden?



In einer dynamischen, wettbewerbsorientierten Wirtschaft werden bestehende Produktionsmethoden laufend durch neue Technologien und Innovationen in Frage gestellt und verdrängt. Glauben Sie, dass diese Entwicklung an Grenzen stösst?

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Gibt es auch in der Kunst einen Zwang zur schöpferischen Zerstörung?



Auf dem Gebiet moderner E-Musik herrscht ein erheblicher Angebotsüberhang, während die Leute von aktueller U-Musik – und sei diese noch so banal – nie genug zu bekommen scheinen. Stimmen Sie dem zu?



Welche Rolle spielt hier die Erziehung?



Vom Anspruch, kreatives Schaffen sollte möglichst spontan und unverstellt sein, scheinen Sie nichts zu halten?



Sie mögen damit wohl Recht haben, setzen sich aber dem Vorwurf aus, elitär zu sein.



Sie selbst können sich in Sachen Unter- stützung wenig beklagen. Über Jahre hinweg konnten Sie auf finanziellen Support aus der guten Basler Gesellschaft bauen.



Mit dem Resultat, dass sich die meisten Ihrer Originalpartituren heute in der Paul-Sacher-Stiftung in Basel befinden.


Was hat Paul Sacher an Ihrer Arbeit so sehr interessiert?


Was hat diesen aussergewöhnlichen Menschen sonst noch angetrieben?


In den Sechzigerjahren haben Sie eine Zeit lang in Basel gewirkt. Entsprachen Sie damit einem Wunsch von Sacher?


Als Komponist sind Sie dafür bekannt, dass Sie Ihre Werke in grösseren Abständen immer wieder überarbeiten. Gibt es in diesem Prozess ein Optimum, einen Endpunkt, bei dem Sie sich sagen müssen, wenn ich jetzt noch weiter daran schleife, dann wirkt sich dies womöglich kontraproduktiv aus?

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Halten Sie die letzte Fassung eines Werks jeweils für gelungener, oder ist sie einfach anders?



Inwiefern?


Kommt es vor, dass Sie nach diversen Überarbeitungen zur Erkenntnis gelangen, dass die frühere Version eines Stücks eventuell auch ihre Vorzüge hatte?

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