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Editorial: Mehr kritische Töne, bitte!

Privataktionäre nehmen seit jeher an Generalversammlungen das Management unter Beschuss, während Fondsmanager nur dasitzen und schweigen. Ein Armutszeugnis.

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Man hat es schon schwer als Firmenchef. Da plagt man sich das ganze Jahr mit schweren Entscheidungen und der ganzen Verantwortung herum, und an der Generalversammlung hagelt es dann nur Kritik. Jahr für Jahr tauchen dieselben pensionierten Kleinaktionäre an den Hauptversammlungen auf und lassen Dampf ab. Fehlentscheidungen des Managements, dessen zu hohe Gehälter oder eine schwache Geschäftsentwicklung werden bei dieser Gelegenheit der Chefetage gründlich unter die Nase gerieben. Und als hätte man noch nicht genug Ärger mit den Aktionärsschützern und Journalisten, tauchen auch noch die Fondsgesellschaften mit erhobenem Zeigefinger auf.

Der Trend aus Deutschland: Vertreter von Fondsgesellschaften erscheinen an der Generalversammlung und machen mal so richtig Rabatz. Wie unangenehm das ist, musste zum Beispiel DaimlerChrysler-Chef Jürgen Schrempp an der letzten Haupt- versammlung erleben. Gleich drei Gesellschaften, nämlich DWS, Union Investment und Deka, bliesen Schrempp den Marsch. Seit der Fusion des deutschen Automobilkonzerns Daimler-Benz mit dem amerikanischen Autoproduzenten Chrysler sackte der Aktienkurs auf weniger als die Hälfte ab, und bisher ist keine Besserung in Sicht. Dennoch wurde der Vertrag des Firmenchefs Schrempp bis zum Jahr 2008 verlängert, zum Ärger von Union Investment, DWS und Deka. Die Zeiten, in denen Fondsgesellschaften still und leise den Vorschlägen des Verwaltungsrates zugestimmt haben, scheinen nun endgültig vorbei zu sein, zumindest im Nachbarland Deutschland.

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Hier zu Lande übt man sich dagegen weiter in vornehmer Zurückhaltung. Lautstarke Auftritte der Anlagefonds an Generalversammlungen sind eine Seltenheit. Wenigstens sind die Gesellschaften seit einigen Jahren dazu gezwungen, bei den jährlichen Abstimmungen Farbe zu bekennen. Die Standesregeln des Schweizerischen Anlagefondsverbandes (SFA) schreiben nämlich vor, dass bei relevanten Abstimmungen auch die Fondsgesellschaften ihre Hand heben müssen. Leider animiert dies die Schweizer Fondsmanager noch lange nicht dazu, an der Generalversammlung auch mal die Stimme zu erheben. Ein schwaches Bild, das die Vertreter zahlreicher Kapitalgeber hier präsentieren. Denn kritische Fragen oder bei Gelegenheit auch mal ein Tadel wären durchaus angebracht.

Deka monierte, dass der Vorstand des Autobauers DaimlerChrysler mit 40 Millionen Euro über Gebühr entschädigt wird. Während man in Deutschland wegen unangemessen hoher Managergehälter tobt, bringt dies Fondsgesellschaften in der Schweiz noch lange nicht aus der Ruhe, obwohl man weiss, dass die bestbezahlten CEOs Europas ihr Geld hier zu Lande verdienen. Ist es den Fondsgesellschaften denn egal, wofür die Unternehmen das Kapital der Anteilseigner ausgeben? In der Schweiz gehen Fondsgesellschaften immer noch allzu pfleglich mit den Firmenchefs um. Ihre Aufgabe wäre es, für die Interessen ihrer Anteilseigner das Wort zu ergreifen. Denn wer, wenn nicht die grossen Fondsgesellschaften, kann den nötigen Druck ausüben, um Missstände zu beseitigen?

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Vielleicht halten sich die Fondsmanager mit ihrer Kritik ja zurück, weil sie Angst haben, bei der Führungsriege der Firmen in Ungnade zu fallen. Schliesslich wurde Analysten bereits der Zugang zu Unternehmen verwehrt, weil sie sich allzu garstig über deren Management geäussert hatten. Besonders vorlaute Kritiker äussern sogar den Verdacht, dass manchmal die Fondsgesellschaft selbst ihren Managern das Wort verbietet. Schliesslich will man es sich mit diesen Kunden, die regelmässig Grossaufträge vergeben, nicht verscherzen.

Doch vielleicht ist diese Kritik ja nicht gerechtfertigt, weil Schweizer Fondsgesellschaften erst gar nicht in Firmen investieren, mit deren Management sie nicht zufrieden sind. Unwahrscheinlich? Allerdings. Ein kurzer Blick auf den Leistungsausweis der Schweizer Aktienfonds bestätigt es. Weniger als ein Fünftel schaffte es in diesem Jahr, den Index zu schlagen.

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