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Barryvox

Der Lebensretter aus der Schweiz

Inspiriert vom Lawinenhund Barry, wurde das Barryvox zum weltweiten Synonym für LVS-Geräte. Den Erfolg verdankt es auch geschicktem Marketing.

Tina Fischer

<p>Mithilfe der Anzeige führt das Barryvox die Suchenden so schnell wie möglich zur verschütteten Person.</p>

Mithilfe der Anzeige führt das Barryvox die Suchenden so schnell wie möglich zur verschütteten Person.

ZVG

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Eine Schweizer Armeebestellung, ein Mann mit Leidenschaft für Orchideen und der Lawinenhund Barry: So entstand das Barryvox. Seit den 70er-Jahren hat das Lawinenverschüttetensuchgerät (LVS) unzählige Menschenleben gerettet – und wurde dank Schweizer Marketing zum weltweiten Synonym für die Geräte.

Die Legende des Lawinenhundes Barry

Barry ist der berühmteste Bernhardiner. Der Rettungshund lebte von 1800 bis 1812 im Hospiz auf dem Grossen St. Bernhard und bewahrte der Legende nach vierzig Menschen vor dem Lawinentod – stets mit einem Fässchen Schnaps um den Hals, das die Lebensgeister wecken und warmhalten sollte. Gar ein halb erfrorenes Kind soll er bis ins Hospiz getragen haben. Der vierbeinige Retter steht heute im Naturhistorischen Museum Bern. Seine Geschichte inspirierte nicht nur Filmemacher – darunter 1977 die Walt Disney Studios mit «Barry of the Great St. Bernard» –, sondern gab auch den Ausschlag für ein bis heute erfolgreiches Lawinenverschüttetensuchgerät (LVS): das Barryvox.

Aber wie funktioniert ein Barryvox? Skifahrerinnen und Snowboarder tragen das kleine Gerät am Körper, wenn sie im Schnee unterwegs sind. Das LVS sendet Signale aus. Verschüttet eine Lawine Menschen, schalten die Nichtverschütteten ihr Gerät von «Senden» auf «Suchen» um. Es empfängt nun die Signale der Menschen unter der Lawinendecke und zeigt auf dem Display an, wo sie sich befinden. Sobald die Retter am nächstgelegenen Punkt zu den verschütteten Personen sind, lokalisieren sie diese mit einer Sonde unter der Lawinendecke und graben sie möglichst schnell aus.

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<p>Der berühmteste Rettungshund der Welt, Barry, steht heute in Bern.</p>

Der berühmteste Rettungshund der Welt, Barry, steht heute in Bern.

NMBE/Nelly Rodriguez
<p>Der berühmteste Rettungshund der Welt, Barry, steht heute in Bern.</p>

Der berühmteste Rettungshund der Welt, Barry, steht heute in Bern.

NMBE/Nelly Rodriguez

Von nordischen Göttinnen, Hotdogs und Felix Meier

Den Grundstein legte ein Amerikaner: John Lawton, Elektroingenieur, Pilot und freiwilliger Patrouilleur, tüftelte in den 1960er-Jahren an einem Gerät. Sein erstes Produkt hiess Skadi, poetisch abgeleitet von der nordischen Göttin des Skifahrens, Skaði. Es erhielt aber wegen der Farben der Verpackung bald auch den Übernahmen «Hotdog». Die erste offiziell verzeichnete Rettung mittels eines LVS respektive eben dieses Skadis erfolgte am 10. Januar 1972.

Den Eintritt in die Schweiz machte das Skadi im Jahr 1969. Bei einem Test des Instituts für Schnee- und Lawinenforschung schnitt es am besten ab. Das bemerkte auch die Armee – wollte aber ein Schweizer Produkt. Sie schrieb die Entwicklung national aus, die Firma Autophon erhielt den Zuschlag und musste innerhalb von 13 Monaten ein Produkt entwickeln. Daraus entstand das erste Barryvox. Die Armee testete es – und bestellte sogleich 30'000 Stück. Unter den Testern befand sich auch Felix Meier (Bild). Er ist ein Mann mit zwei Leidenschaften: Tüfteln und Orchideen. Noch heute ist er an der Weiterentwicklung des Barryvox beteiligt, mittlerweile im Auftrag der Schweizer Outdoormarke Mammut. Diese hatte Anfang der 90er-Jahre das Marketing übernommen, im Jahr 2008 dann alle Rechte. Dank der Marketingstrategie wurde das Barryvox weltweit bekannt und gilt mittlerweile als Synonym für LVS-Geräte.

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<p>Felix Meier, der Mann mit zwei Leidenschaften – Tüfteln und Orchideen –, testete den ersten Wurf des Barryvox.</p>

Felix Meier, der Mann mit zwei Leidenschaften – Tüfteln und Orchideen –, testete den ersten Wurf des Barryvox.

PD
<p>Felix Meier, der Mann mit zwei Leidenschaften – Tüfteln und Orchideen –, testete den ersten Wurf des Barryvox.</p>

Felix Meier, der Mann mit zwei Leidenschaften – Tüfteln und Orchideen –, testete den ersten Wurf des Barryvox.

PD

Gezänk um die Frequenz

Die ersten Geräte verwendeten die Frequenz von 2,275 kHz. Das Problem: Die Gebrauchsreichweite reduzierte sich wegen technischer Gegebenheiten auf 25 bis 30 Meter – Lawinen erstrecken sich jedoch über Hunderte von Metern. Die Hersteller des Barryvox entschieden sich damals, auf 457 kHz zu senden. Nur: Die beiden Frequenzen waren nicht kompatibel. Doch zuerst wollte kein Anbieter nachgeben. In den 1970er-Jahren setzten sich dann 457 kHz in Europa durch – 1987 auch in den USA. Dank der technologischen Entwicklung und der Frequenz schafft das Barryvox heute einen Suchradius von bis zu 100 Metern.

Unabhängig vom Gerät: Mithilfe des LVS sollen verschüttete Menschen in der Lawine möglichst schnell lokalisiert werden. Denn die Überlebenschancen sinken nach 15 Minuten markant. Die Schweiz verzeichnet laut dem Institut für Schnee- und Lawinenforschung jährlich 24 Lawinenopfer. Eines davon war im Jahr 1988 der britische Major Hugh Lindsay, ein enger Freund des heutigen Königs Charles III. In den Skiferien in Davos Klosters fuhr Lindsay in einer Gruppe mit einem Skilehrer nach frischen Schneefällen abseits der Piste. In der Ferne löste sich eine gigantische Lawine, die den Major und Patti Palmer-Tomkinson, die Frau des ehemaligen Skirennfahrers Charles Palmer-Tomkinson, unter sich begrub. Der Skilehrer aktivierte sofort sein Barryvox: Während Lindsay seinen schweren Kopfverletzungen erlag, konnte die Gruppe Palmer-Tomkinson lebend bergen.

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Marktpotenzial, Konkurrenz und Zukunftsmusik

Europa und Amerika dominieren den Markt der Lawinenausrüstung. Dazu gehören neben dem LVS auch eine Sonde und eine Schaufel; viele tragen dazu einen Airbag-Rucksack. Wer in eine Lawine kommt, löst den Airbag aus. Er füllt sich mit Gas und hält den Skifahrer ähnlich einer Boje an der Oberfläche der Lawine. Marktstudien fassen diese vier Produkte gemeinsam in der Kategorie Lawinensicherheitsausrüstung zusammen. Im Jahr 2024 soll diese den Anbietern rund 1,481 Milliarden Dollar eingebracht haben. Bis 2030 erwarten Analysten ein jährliches Wachstum von 5 Prozent, da immer mehr Leute abseits der Pisten Ski fahren. Der europäische Markt gilt mehrheitlich als bereits gesättigt, Wachstum prophezeien Studien dem asiatischen Markt, wo die Mittelschicht wächst und die Beliebtheit des Wintersports zunimmt.

<p>Das Skadi, das erste Lawinenverschüttetengerät, trug den Übernahmen «Hotdog».</p>

Das Skadi, das erste Lawinenverschüttetengerät, trug den Übernahmen «Hotdog».

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<p>Das Skadi, das erste Lawinenverschüttetengerät, trug den Übernahmen «Hotdog».</p>

Das Skadi, das erste Lawinenverschüttetengerät, trug den Übernahmen «Hotdog».

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Heute beherrscht das Barryvox den Schweizer Markt. Auf europäischem Boden mischen das österreichische Pieps sowie die deutsche Ortovox mit, in den USA gehören Backcountry Access und Black Diamond zu den grossen Anbietern. Die Hersteller verkaufen ein Standardprodukt mit intuitivem Handling für Snowboarderinnen und Skifahrer und weitaus kompliziertere Geräte für die professionelle Rettung – die zusätzlich auf das Können der heutigen Lawinenhunde vertraut.

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Über die Autoren
Tina Fischer

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