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Centre Pompidou wird saniert

Last Call in Paris

Das Pariser Centre Pompidou schliesst für fünf Jahre. Letzte Chance für einen Besuch. Zu sehen ist der deutsche Fotograf Wolfgang Tillmans. 

Seraina Gross Handelszeitung

Seraina Gross

<p>Ein Kind seiner Zeit: Das Centre Pompidou in den 1970er-Jahren.</p>

Ein Kind seiner Zeit: Das Centre Pompidou in den 1970er-Jahren.

AFP/Getty Images

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Zugegeben, es gibt idyllischere Orte in Paris als das Centre Pompidou. Der Bau, der sein Innenleben wie ein Glas und Metall gewordenes Plädoyer für Transparenz und soziale Teilhabe vor sich herträgt, statt es hinter Mauern zu kaschieren, provoziert auch mehr als vierzig Jahre nach seiner Einweihung. Keine leichte Kost, diese sichtbar geführten Rohre, diese Rolltreppen, die die Besucherin in Glasröhren unter der gleissenden Sonne himmelwärts transportieren. Das gilt besonders jetzt, da der Bau unter dem Eindruck der bevorstehenden Schliessung den Charme der 1970er-Jahre erst ganz zu entfalten scheint.

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Auf der Place Georges Pompidou vor dem Kunst- und Kulturzentrum, wie sich die Institution in Abgrenzung zu den etablierten Museen nannte, wird bereits gehämmert, gebohrt und geschuftet, die Vorbereitungen für die grosse Erneuerung laufen auf Hochtouren. Die Generalüberholung des Baus, wegen klammer Kassen während Jahren auf die lange Bank geschoben, lässt sich nicht mehr länger vertagen. Umzugsstimmung hängt in der Luft, ein Grossteil der ständigen Sammlung mit Werken von Matisse, Kandinsky, Chagall und Giacometti ist bereits ausgelagert. Fast ein Jahr hat es gedauert, die zweitausend Werke aus dem Bau zu räumen; mit nur gerade zwei Andockstationen für Lastwagen im Untergrund des Centre war das nicht schneller zu schaffen.

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Es ist nur einer der konzeptionellen Bedienungsfehler, die einen heute schmunzeln lassen. Auch bei der Tiefgarage lief einiges schief. Die Besucher sollten mit dem Auto kommen, so der Plan damals, heute will man die Autofahrer aus der Stadt haben. Zudem sollten Reisecars Gäste zum Centre schaffen, doch das scheiterte daran, dass die Einfahrt um 5 Zentimeter zu wenig hoch gebaut wurde. Episoden aus einer Zeit, die das Tempo, mit dem sie die Welt umkrempeln wollte, manchmal selbst nicht mithalten konnte.

Eintauchen in die 1970er-Jahre

Für fünf Jahre geht das Beaubourg, wie die Pariser das Zentrum in Anlehnung an das Standortquartier nennen, im September auf Sendepause. Zeit, nochmals in die Vergangenheit einzutauchen, den Geist von damals, den die beiden Architekten Renzo Piano und Richard Rogers so einzigartig eingefangen haben, nochmals zu atmen. Zu sehen ist eine Ausstellung des Fotografen Wolfgang Tillmans. Das passt, denn das Werk des Deutschen steht für eine radikale Offenheit und einen neuen Blick auf das Alltägliche. In den 1990er-Jahren fotografierte er junge Menschen in Clubs, auch queere, roh, intim, unverstellt, was damals revolutionär war.

Zu sehen sind Werke wie «Moon in Earthlight», ein stimmungsvolles, poetisches, ausuferndes Foto, welches das Spiel zwischen Erde, Licht und Raum thematisiert. «Office Paper for Food Wrapping Recycling, Addis Abeba» zeigt eine Form der Wiederverwertung, die nicht von Lifestyle, sondern von schierer Not getrieben ist. Auch «Intermodal Container in Mongolian Landscape» von 2023 ist zu sehen. Das Foto thematisiert, annähernd eins zu eins, das Zusammentreffen eines industriellen Objektes mit der unberührten Natur, ein Bild der Isolation, das mit der Vorstellung einer vernetzten, globalisierten Welt kontrastiert. Auf 6000 Quadratmetern kann sich der Künstler hier austoben, in der alten Bibliothek des Centre Pompidou – das sich immer auch als Ort des Wissens verstand.

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Einer, der sich nicht aufdrängt

Tillmans sei ein Künstler, der sich dem Betrachter nicht aufdränge, sagt Lionel Aeschlimann, Managing Director bei Mirabaud und selbst Kunstliebhaber. Die Genfer Privatbank gehört seit ein paar Jahren zu den Habituées unter den Sponsoren des Centre Pompidou. Die Zusammenarbeit begann 2022 mit einer Ausstellung von Christian Marclay, einem schweizerisch-amerikanischen Sound- und Medienkünstler, 2023 unterstützten die Privatbankiers aus der Schweiz die Ausstellung «Picasso. Dessiner à l’infini», 2024 eine Ausstellung zu 100 Jahren Surrealismus. Und nun kommen die Genfer mit Tillmans bei der Dernière vor der Schliessung nochmals zum Zug.

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