Guten Tag,
In einer ehemaligen Federnfabrik zeigen 60 Aussteller ihre handgefertigten Qualitätsprodukte: von Jeans über Ledergürtel bis zu Retro-Campern.
Dirk Ruschmann
Die alte Federnfabrik am Stadtrand von Düsseldorf bietet mit ihrem rauen Industriecharme das passende Ambiente für Aussteller und Besucher der Heritage Post Trade Show.
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Den Kleidungsstil muss man wohl «tendenziell rustikal» nennen. Filzhüte oder Schiebermützen, Westen über rustikalen Hemden oder T-Shirts, unten dann weite, aufgekrempelte Jeans aus dickem Denim mit weissen Selvedge-Kanten, kräftige Schuhe, dazu meist einen Rucksack aus Leder oder anderen Naturstoffen: «Rugged» oder «Workwear» nennen Modeleute solche Outfits gern, auch «Urban Cowboy» passt ganz gut. Halsketten und Armbänder vervollständigen den Stil, ab und an baumelt ein abgetragener Lederriemen vor dem Bauch. So viele Menschen mit Kopfbedeckungen wie hier bekommt man nur beim Militär zu sehen. Die zahlreichen Vollbärte allerdings sind kaum armeetauglich.
Doch hier kann jeder, wie er oder sie will, es hat auch zahlreiche Frauen. Einen Dresscode gebe es nicht, sagt Uwe van Afferden. Er findet auch die Kleidung der Schweizer Reporter, eher italienisch-klassisch, super – Qualität sei wichtig, der eigene Stil. Er selbst trägt eine Jacke in Bauarbeiter-Orange und leuchtet wie ein Verkehrsschild.
Kopfbedeckungen und Leder gehören zu den wichtigsten Themen der Messe.
Siggi WiestUnd das gilt auch für die vielen weiblichen Gäste.
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Das Areal Böhler im Westen Düsseldorfs, ein stillgelegtes Stahlwerk, ist eine Kleinstadt mit eigener Toreinfahrt. Auf 23 Hektaren versammeln sich Event Locations mit malerisch-historischen Namen wie Kaltstahl- oder Glühofenhalle, Altes Kesselhaus oder: Federnfabrik. Letztere beherbergt die Heritage Post Trade Show.
Die «Heritage Post», ein liebevoll gemachtes Magazin über handwerklich gefertigte Bekleidung, Schreibgeräte und weitere Utensilien des gepflegten Lebens, liegt in Geschäften auf, wo die Besucher der Trade Show ihre Garderobe zusammenstellen. Auch Zürcher Kontrollschilder finden sich nicht wenige auf dem Parkplatz vor der Halle. In Zürich heissen die einschlägigen Stores etwa VMC Original oder DeeCee Style, auch das St. Galler Jeanswerk spielt in dieser Liga. Von da beträgt die Strecke nach Düsseldorf immerhin gute 600 Kilometer.
Organisator Uwe van Afferden ist dank seiner orangen Jacke jederzeit auffindbar.
Siggi WiestOrganisator Uwe van Afferden ist dank seiner orangen Jacke jederzeit auffindbar.
Siggi WiestDer Herr der «Heritage Post» heisst Uwe van Afferden. Er ist ein Fixpunkt der Szene, für eine Lichtgestalt aber viel zu geerdet. Uwe (er ist ein Mann, den man unmöglich siezen kann) blickt sich um und sagt: «Guck ihn dir an, guck dich dir selber an, schau sie an und dann mich an» – wir kommen alle aus derselben Ecke, und er meint damit, dass sich alle um ein gutes Outfit bemüht haben, «aber jeder kleidet sich komplett anders». Vielleicht, sagt er dann, «häufen sich diese Betonjeans», aber was wolle man mit 32 Unzen schwerem Denim? «Damit scheuerst du dir offene Wunden auf, und zum Reparieren musst du zum Schreiner gehen.»
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Reparieren ist das passende Stichwort für die Stände auf der Messe. Wegwerfartikel finden sich hier keine, die Teile sind wie für die Ewigkeit gefertigt. Zum Beispiel bei Workwear Department 1920 von Holger Peckmann. Er studierte einst Modedesign, fertigte früher Theaterkostüme. Sein Store steht im ruhigen Hamburger Vorort Bergedorf, genäht wird ganz in der Nähe. Die Jahreszahl ist Programm – Holgers gemütliche, top verarbeitete Kleidung scheint aus der guten alten, verrückten Zeit der Roaring Twenties zu stammen, sieht nach Arbeit, Hafen und Unzerstörbarkeit aus.
Auch aus der Schweiz sind viele angereist, so die hart recherchierende BONANZA-Delegation.
Siggi WiestAllerdings per Auto, nicht mit dem Töff.
Siggi WiestDer Italiener Pierluigi Rocca war Mechaniker bei Mercedes, aber nachdem er einst einen Motorradsattel gefertigt hatte, besann er sich auf seine wahre Leidenschaft: Leder. In seiner Manufaktur nahe Stuttgart entstehen Kartenetuis, Zigarrenbänke, Schlüsselanhänger oder Lederschalen, seine Prunkstücke aber sind faszinierende Gürtel: aus hochwertigem, vollnarbigem Rind- oder Stierleder, die Nähte entstehen in Sattlertechnik und die teils komplexen Motive in reiner Handarbeit; mit seinen Stempeln schlägt Rocca die Muster in jeden einzelnen Gürtel und achtet penibel auf äusserste Präzision. Gemessen an dem Aufwand, den er treibt, sind seine Preise schon fast günstig zu nennen, die allerteuersten liegen bei 450 Franken.
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Leder nutzen auch die Jungs von Rohleder aus dem österreichischen Wels für ihre Taschen oder die Marke And Sons aus Rehau in Bayern, die seit 1926 in Familienbesitz ist: Schreib- und Ringbuchmappen, Weekender und Werkzeugrollen, auch Grillschürzen führen die Deutschen, handgemacht natürlich, genau wie die Teile der finnischen Kasperi. Natürlich war auch der weit herum bekannte Grieche Thedi mit seinem Arsenal an Lederjacken vor Ort. Und Kurzzug München lässt Taschen aus ehemaligen Sitzbezügen der heimischen U-Bahn nähen. Pflegen lässt sich das Ganze mit den höchstwertigen Lederölen von Tapir, zu Hause in einem Dorf namens Amelsen im Nirgendwo Niedersachsens.
Aus ganz Europa sind Aussteller angereist.
Siggi WiestAus ganz Europa sind Aussteller angereist.
Siggi WiestMichael Messner vom südwestdeutschen Grüngefühl hingegen destilliert spektakuläre Schnäpse, Esther Pfaff serviert «Chocolate in a Bottle», ein erstaunlicherweise wirklich gut schmeckender Chardonnay-Sekt mit einem feinen Geschmack von belgischer Schokolade.
Unbedingt erwähnenswert ist auch Baturina Homewear. Natalia, geborene Baturina, näht in Hamburg mit Tochter Anna Morgenmäntel und andere Unikate, in denen sich Träger wie ein orientalischer Pascha oder, wie man früher noch hätte sagen dürfen, wie ein russischer Zar fühlen. Ein Stück von Baturina tritt an Ed Sheeran auf in dessen Musikvideo «Merry Christmas». Und vor dem Hallentor parkiert Caravan-Händler Grebner seine Retro-Camper, die dank einer Lizenz von Citroën an die vergangenen futuristischen Glanzzeiten der Franzosen anknüpfen.
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Die schicken Retro-Camper können dank einer Lizenz von Citroën gebaut werden.
Siggi WiestDie schicken Retro-Camper können dank einer Lizenz von Citroën gebaut werden.
Siggi WiestInsgesamt rund 60 Aussteller hat Uwe van Afferden nach Düsseldorf gelockt, die Standmiete ist überschaubar, der Eintrittspreis, das Tagesticket zu zehn Euro, ebenfalls – «ich bin zufrieden und nicht gierig», sagt van Afferden, «wenn ich gierig wäre, hätte ich im Magazin jene Anzeigen, die ich aber ablehne». Ihm geht es um die Sache, um die gute Qualität und das Handwerk, das in den Produkten steckt. An die 6000 Besucher kommen zur Trade Show, die er in Zukunft zwei Mal pro Jahr steigen lassen will, auch Standorte in weiteren Städten wie München oder Hamburg könnte er sich vorstellen; Berlin findet er mangels passenden Publikums weniger geeignet. Zürich dafür umso mehr, aber dafür bräuchte es einen Partner vor Ort.
Eine Heritage Post Trade Show in Zürich hätte den Charme, dass dann zwei ähnlich gelagerte Messen ums Interesse kämpften: die heimische Man’s World, etwas grösser als van Afferdens Trade Show und deutlich stärker spass-und konsumlastig mit ihren Rennsimulatoren, Streetfood-Ständen und Bars, und van Afferdens traditionellerer Ansatz, wo sich der Verzehr auf zwei Wagen im Freien beschränkt, die kühle Biere und Weine ausschenken und nahrhafte Pulled-Pork-Burger (für sehr faire zwölf Euro) servieren. Diese beiden Konzepte könnten sich nicht nur ergänzen – etwas Konkurrenz belebt zudem die Kreativität der Macher.
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Uwe van Afferden ist garantiert als «Kreativer» zu bezeichnen, schon aus historischen Gründen. Er kommt ursprünglich aus der Werbung, hat als Illustrator angefangen, Möbel designt und Inneneinrichtungen gestaltet. Seinen nach ihm benannten Store für Kleidung und schöne Dinge in Düsseldorf hat er zwar vor einigen Jahren geschlossen («zu viel Bürokratie und zu viele Idioten, die Sachen geklaut haben»), damit hat die Szene den wohl wichtigsten Fixpunkt im deutschsprachigen Raum verloren – aber die Liebe zu schönen Dingen liess ihn dennoch nie los. Zumal er beobachtet, dass sich in einem wachsenden Teil der Bevölkerung das Bewusstsein für Qualität und Originalität auszubreiten beginnt. Das Beispiel folgt in klassischem Rheinländer Klarsprech: «Irgendwann merken die Leute, dass ein Kupfertopf einfach mehr Sinn macht als ein Eimer von Ikea.»
So entstand auch sein Magazin, die «Heritage Post», für die er das Logo selbst zeichnete, denn irgendwann war es ihm in seinem Store verleidet, immer erklären zu müssen, warum ein Shirt oder eine Tasche mehrere Hundert Euro kosten können – superbe Handarbeit und Materialien haben nun mal ihren Preis, dafür halten die Teile dann ewig bis immerwährend. Das Magazin gibt es glücklicherweise weiterhin, auch wenn er sich, ü70 inzwischen, allmählich etwas zurückziehen will, aber er müsse eben die Miete bezahlen.
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Die Trade Show zieht mehrere Tausend Besucher an.
Siggi WiestDie Trade Show zieht mehrere Tausend Besucher an.
Siggi WiestNach wie vor kann er sich für Menschen wie für Dinge begeistern. Er schwärmt vom Frankreich-Marokkaner Ramdane Touhami, einem Designer und Multi-Unternehmer, der den ältesten Kerzenhersteller weltweit, Cire Trudon, entstaubt und zu einem Global Player für Raumdüfte ausgebaut und in Mürren das alte «Bellevue» als höchst lässiges «Hotel Drei Berge» wiederbelebt hat. Und von seinem neuen, letzten Projekt: Ein weiteres Magazin will er lancieren, Titel: «Oppa», für Grossvater, stilecht wie im Ruhrgebiet mit zwei «p». Hinten können Anzeigen für Arzneimittel, Anwälte oder Treppenlifte werben, vorne regiert Lebenshilfe satt für Opas, die ihr Alter voll geniessen wollen, «vererbt nichts, haut alles raus, lasst andere arbeiten, gönnt euch alles», so ähnlich soll das Motto lauten. «Ich werde 73», sagt Uwe, und er will sich nicht von verschlissenen alten Weggefährten runterziehen lassen.
Gäbe es Uwe van Afferden nicht, man müsste ihn erfinden. Und kann es bessere Gründe geben, die nächste Heritage Post Trade Show wieder zu besuchen? Oder gleich in der Schweiz einen eigenen Ableger zu starten? Schwer vorstellbar.
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Dieser Artikel ist im Bonanza, dem Magazin der BILANZ, erschienen (Sommer 2025).
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