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Interview mit MCH-Präsident Andrea Zappia

Was die Art Basel in Katar will

Basel goes Katar: Die Art Basel plant eine neue Kunstmesse im reichen Wüstenstaat. Warum? Der MCH-Präsident nimmt Stellung.

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Brigitte Ulmer

<p>Andrea Zappia, Präsident des Messebetreibers MCH: «Wir arbeiten in Katar auf einer fast weissen Leinwand.»</p>

Andrea Zappia, Präsident des Messebetreibers MCH: «Wir arbeiten in Katar auf einer fast weissen Leinwand.»

ZVG

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Es ist ein gewagter Schritt: Die Messe Art Basel expandiert nach Katar. Sie will im Golfstaat einen neuen Kunstmarkt erschliessen. Wie verträgt sich kritische Gegenwartskunst mit einem autoritär regierten Land?

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Der Kunstmarkt hat sich abgekühlt. Die Art Basel sucht neue Jagdgründe?

Über die Jahre haben wir eine starke Marke und den bedeutendsten Marktplatz für die Kunst der Moderne und der Gegenwart aufgebaut, und unser Ziel ist, uns stetig weiterzuentwickeln. Vor vier Jahren sind wir mit Paris+ gestartet, heute firmieren wir dort unter Art Basel Paris – und wachsen von Jahr zu Jahr. Nun war es an der Zeit, einen weiteren Schritt zu gehen.

Warum gerade Katar?

Die Vermögensentwicklung in der Golfregion ist derzeit enorm spannend. Mit einer Leitmesse wie der Art Basel in diesen Markt zu gehen, eröffnet aus unserer Sicht grossartige Chancen – nicht nur für bestehende Sammler, sondern auch, um neue Sammlerszenen und kunstinteressierte Communitys aufzubauen. Natürlich war es uns wichtig, starke Partner zu finden. In Katar haben wir sie gefunden.

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Zur Person

Doppelmandat auf Zeit
Andrea Zappia (61) ist Präsident und interimistischer Chef der Basler Messebetreiberin MCH Group. Zuvor war er Chef von Sky Italia (2011–2019), später bei Sky dann in der Gruppenleitung zuständig für neue Märkte und Geschäftsbereiche (2020–2023). Früher hatte Zappia leitende Positionen bei Ferrari, Maserati und Procter & Gamble inne. Zappia ist italienischer Staatsbürger und hat in Bologna Wirtschaft studiert.

Warum nicht in Dubai, wo es ein weit grösseres Galeriennetz gibt, oder in Abu Dhabi, das mit dem Louvre und dem Guggenheim lockt?

Die Entscheidung für Katar fiel nach langen Gesprächen mit der staatlichen Museumsbehörde Qatar Museums, Qatar Sports Investments und QC+. Das Vertrauen und die Professionalität dieser Partner waren ausschlaggebend. Katar hat gezeigt, dass es Grossveranstaltungen wie die Fifa-WM oder die Formel 1 auf Weltniveau organisieren kann. Unter der Leitung von Scheicha Al-Mayasa bint Hamad bin Chalifa Al Thani wurde in den letzten zwanzig Jahren ein beeindruckendes kulturelles Programm aufgebaut. Was dort derzeit geschieht, hat uns überzeugt. Hinzu kommt, dass wir in Katar auf einer fast weissen Leinwand arbeiten.

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Qatar Sports Investments ist vor allem für Fussball und Formel 1 bekannt. Kunst und Galerien sind doch eine ganz andere Welt?

Unsere Aussteller und Sammler erwarten erstklassige Rahmenbedingungen. Wir sehen in der Partnerschaft mit Qatar Sports Investments und QC+ ein ideales Zusammenspiel. Die beiden Partner bringen grosse Erfahrung in Eventorganisation und Hospitality mit. Diese Bereiche sind auch für unsere Kunstmessen entscheidend. Zugleich ist das Projekt eng mit den Qatar Museums verknüpft. Es geht uns um die Verbindung beider Welten.

Ohne eine massive Subventionierung durch die Kataris wäre so ein Projekt nicht tragfähig – schon gar nicht das angepeilte rasche Wachstum von fünfzig auf zweihundert Galerien.

Wir haben ein neues Geschäftsmodell entwickelt, das die Art Basel Katar ab dem ersten Jahr profitabel machen soll. Diese Partnerschaft ermöglicht es uns, eine langfristige und nachhaltige Präsenz in der Region aufzubauen, die auch das lokale Ökosystem unterstützen wird. In Katar können wir die Aufbauphase mithilfe unserer Partner schneller überbrücken, bis ein nachhaltiges Format entsteht.

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Katar steht wegen Verletzungen von Menschenrechten und Verbindungen zu extremistischen Gruppen in der Kritik. Wie passt das zur offenen Ausrichtung der Art Basel?

Die Messe in Katar wird durch zwei rechtlich unabhängige Einheiten unter voller Kontrolle der MCH Group geführt. Sie unterliegen zu 100 Prozent unserem Verhaltenskodex. Katar hat diesen mit grossem Enthusiasmus übernommen. Auch alle lokalen Lieferanten müssen sich danach richten. Bei meinen Besuchen in Katar habe ich im Übrigen eine grosse Offenheit und Professionalität erlebt. Programme wie das M7-Innovationszentrum fördern gezielt junge Kreative – insbesondere auch Frauen. Die neue Architektin des katarischen Pavillons in Venedig etwa ist eine Frau – es ist der einzige Pavillon in den Giardini, der von einer Frau gestaltet wurde. Wir haben gelernt, mit verschiedenen kulturellen Kontexten umzugehen – wie etwa in Miami oder Hongkong. Es geht uns aber nicht darum, westliche Massstäbe zu exportieren, sondern darum, Brücken zu bauen.

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Ist das Modell einer Kunstmesse angesichts ökologischer Bedenken und digitaler Alternativen überhaupt noch zeitgemäss?

Unsere letzte Art Basel in Hongkong war ein klares Zeichen dafür, dass das Modell noch immer funktioniert. Schauen Sie, die Art Basel ist weit mehr als ein Handelsplatz. Sie bietet Raum für persönliche Begegnungen. Ohne diese physische Interaktion droht die Leidenschaft für zeitgenössische Kunst zu erlahmen.

Laut dem Kunstmarktbericht der UBS und der Art Basel werden Messen aber doch regionaler. Hongkong hatte zuletzt weniger westliche Besucher.

Natürlich gibt es Wellen. Mal wird mehr gereist, mal weniger. Die regionale Besucherbasis ist immer der stabilere Faktor. Ob jemand nach Basel, Paris, Miami oder Hongkong reist, hängt von vielen Faktoren ab. Ich sehe aber keinen grundsätzlichen Trend zur Regionalisierung, sondern wechselnde Konjunkturen.

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Es wurde auch spekuliert, dass Paris der Messe Basel den Rang ablaufen könnte. Wie geht es dem Mutterschiff?

Basel bleibt das Herzstück – hier zeigen die Galerien ihre absoluten Highlights, oft Werke von musealer Qualität. Deshalb gilt sie ja auch international als führende Plattform für herausragende Kunst. Paris bringt Lifestyle, Basel Tiefe. Und jetzt freuen wir uns auf neue Impulse aus Katar.

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