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Ist Gier gut? Monopoly und seine kapitalismuskritische Erfinderin

Monopoly ist das beliebteste Brettspiel der Welt. Erfunden von einer Frau, die das Streben nach Reichtum spielerisch kritisieren wollte.

Andreas Güntert

<p>Möglichst viel Geld scheffeln und alle anderen in den Bankrott treiben: Das ist Monopoly.</p>

Möglichst viel Geld scheffeln und alle anderen in den Bankrott treiben: Das ist Monopoly. Oder?

Hasbro

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Wer kein Brett vor dem Kopf hat, weiss es längst: Bei diesem Gesellschaftsspiel wird der Sinn für den real existierenden Kapitalismus geweckt und geschärft. Seit neunzig Jahren schon. Auch wenn sich die Monopoly-Erfinderin eigentlich alles ganz anders vorgestellt hatte.

Management-Summary: So funktioniert Monopoly

Kann es sein, dass irgendein Erdenbürger nicht weiss, wie Monopoly funktioniert? Also gut, hier die Kurzversion, das Management-Summary, so to speak: Bei diesem Brettspiel ziehen Spielerinnen und Spieler durch Würfeln über die Spielfelder, kaufen Grundstücke, stellen Häuser und Hotels auf und erzielen damit Mieteinnahmen von ihren Mitspielern. Das Ziel: reichster Spieler zu werden und alle anderen in den Bankrott zu treiben.

Die Erfinderin wollte die Gier anprangern

Monopoly wird nicht nur am Familientisch gespielt, es bietet auch Stoff für Ökonomen. Derzeit thematisiert das der australische Wirtschaftsprofessor Andrew Leigh in seinem Buch «Die kürzeste Geschichte der Wirtschaft». Leigh rollt die Geschichte von hinten auf. Die US-amerikanische Autorin und Feministin Elizabeth Magie Phillips entwickelte mit «The Landlord’s Game» (Vermieter-Spiel), die Monopoly-Urversion, die sie «als interaktive Kritik an der Macht der Monopole» verstanden haben wollte. 1904 meldete Phillips ein Patent dafür an. Sie wollte den Menschen spielerisch aufzeigen, wie schändlich das monopolistische Handeln der Grossgrundbesitzer war und ist.

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500 Dollar und ein Rechtsstreit

Phillips verkaufte die Rechte an ihrem Spiel an den US-Spielwarenhersteller Parker Brothers (heute Hasbro). 500 Dollar erhielt sie dafür. Richtig bekannt wurde das Spiel aber erst 30 Jahre nach ihrer Patentanmeldung, wie das Österreichische Patentamt Jahre später in einem Beitrag erklärte. Der Spieleerfinder Charles Darrow aus Philadelphia (USA) adaptierte Phillips’ Grundidee, machte eine eigene Version daraus und verkaufte sie unter dem Namen «Monopoly» ebenfalls an Parker Brothers. 1935 lancierte Parker Brothers das Spiel – deshalb gilt 1935 als Geburtsjahr von Monopoly. Erst bei einem Rechtsstreit im Jahr 1976 wurde bekannt, dass Phillips die wahre Mutter von Monopoly ist.

Einfach, lokal – sogar für Luftibusse

Von der Kapitalismuskritik wandelte sich das Spiel ab 1935 zu einem Modell, das Gier belohnt. Was macht Monopoly so erfolgreich? Der deutsche Ludologe (Spielewissenschafter) Jens Junge erklärte das zum diesjährigen 90-Jahr-Jubiläum in einem ARD-Beitrag mit dem niederschwelligen Zugang: «Das Spiel ist einfach, man muss nicht so viele Regeln können, das Glück spielt eine zentrale Rolle.» Kommt hinzu: Monopoly triggert Mitspielende mit den universell wichtigen Lebensthemen Wohlstand und Reichtum.

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Monopoly-Spielbrett, Schweizer Ausgabe

Teil des Erfolgs: Monopoly gibts in unzähligen lokalen Ausgaben, hier diejenige für die Schweiz.

Hasbro
Monopoly-Spielbrett, Schweizer Ausgabe

Teil des Erfolgs: Monopoly gibts in unzähligen lokalen Ausgaben, hier diejenige für die Schweiz.

Hasbro

Wichtig für den Erfolg von Monopoly, das als das beliebteste Brettspiel der Welt gilt, ist die lokale Adaption. Angepasst auf Länder und Städte gibt es unzählige verschiedene Versionen, deren Spielbretter sich an örtlichen Strassen orientieren. Man kann seine Gier also auf bekanntem Terrain kultivieren. Oder seine Spielfiguren in der Fantasy-Welt von Harry Potter auftreten lassen. In der Schweiz brachte es das Spielderivat Airpoly zu einer gewissen Bekanntheit. Lanciert wurde es in den 1980er-Jahren von der Swissair, die 2001 im weltweiten Airline-Gier-Game leider unrühmlich ausschied.

Ein Spiel mit mathematischem Zugang

Nicht nur Ökonomen arbeiten sich an Monopoly ab. Das Spiel rief auch Mathematiker auf den Plan, die den Einfluss der Gefängnisregel (wer im Knast sitzt, kann trotzdem Miete kassieren) und «das damit verbundene Ungleichgewicht der summierten Aufenthaltswahrscheinlichkeiten zwischen dem oberen und unteren Spielfeldbereich» untersuchten. Für die Schnittmenge aus Mathe-Nerds und Monopoly-Fans bestimmt sehr wertvoll.

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Monopoly-App lässt Hasbros Kassen klingeln

Der Spielekonzern Hasbro verdient auch mit Handyspielen gutes Geld. Die App «Monopoly Go» folgt dem sogenannten F2P-Geschäftsmodell (free to play), was bedeutet: Die User können die App zwar kostenlos herunterladen und gratis spielen. Um aber wirklich weit zu kommen, sind In-App-Käufe nötig. Die Monopoly-Mutterfirma entwickelte das Handyspiel nicht selber, sondern lagerte diese Aufgabe an das kalifornische Mobile-Game-Unternehmen Scopely aus. Hasbro erhält dafür Lizenzgebühren. Diese belaufen sich gemäss US-amerikanischen Medienberichten auf rund 10 Millionen Dollar pro Monat.

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Andreas Güntert

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