Abo
Nicole Platel liest «Tintenherz»

Eine Geschichte, die Kinder stärkt

Das Buch ist nicht nur ein spannendes Kinderbuch: Es zeigt auf, wie wertvoll Literatur für die Beziehung zwischen Eltern und Kindern sein kann.

<p>Nicole Platel ist Direktorin von Pro ­Juventute, der grössten Schweizer Stiftung für Kinder und Jugendliche.</p>

Nicole Platel ist Direktorin von Pro Juventute, der grössten Schweizer Stiftung für Kinder und Jugendliche.

PR

Werbung

«Tintenherz» von Cornelia Funke ist ein Werk, das Kindern zutraut, mit komplexen Figuren und schwierigen Themen wie Verlust, Angst und moralischen Dilemmata umzugehen. Das ist bemerkenswert für ein Kinderbuch und eine Herangehensweise, die mich sowohl persönlich als Mutter als auch beruflich als Direktorin der Stiftung Pro Juventute zutiefst anspricht. Ich habe «Tintenherz» gemeinsam mit meiner neunjährigen Tochter gelesen. Es wurde schnell zu einem besonderen Ritual: Wir haben uns Abend für Abend auf die Reise mit Meggie, Mo und Staubfinger eingelassen. Dabei entstanden intensive Gespräche, in denen wir über Mut, Loyalität, Angst, Schuld und Vergebung sprachen.

Partner-Inhalte

<p>«Tintenherz», Cornelia Funke, Dressler 2003, 576 Seiten.</p>

«Tintenherz», Cornelia Funke, Dressler 2003, 576 Seiten.

PR
<p>«Tintenherz», Cornelia Funke, Dressler 2003, 576 Seiten.</p>

«Tintenherz», Cornelia Funke, Dressler 2003, 576 Seiten.

PR

Werbung

Diese Dialoge haben mir einmal mehr gezeigt, wozu Kinder fähig sind, wenn man ihnen Raum gibt, ihre Gedanken und Gefühle auszudrücken. Kinder brauchen keine Geschichten, die alles vereinfachen. Sie sind in der Lage, Erzählungen zu geniessen, die sie herausfordern und ihnen zutrauen, komplexe Zusammenhänge zu erfassen. «Tintenherz» bietet genau das. Dies entspricht dem partizipativen Ansatz, den wir bei Pro Juventute leben: Kinder als eigenständige Persönlichkeiten zu sehen, ihnen viel zuzutrauen und sie als aktive Mitglieder der Gesellschaft ernst zu nehmen. Die Protagonistin Meggi handelt und hinterfragt, sie trifft Entscheidungen und übernimmt Verantwortung. Besonders faszinierend ist die Figur des Staubfinger. Seine Zerrissenheit, der Wunsch nach Rückkehr, die Angst, Fehler zuzugeben, und immer wieder der Versuch, das Richtige zu tun. Staubfinger eröffnete Gespräche über Gut und Böse. Denn Staubfinger ist kein klassischer Bösewicht oder Held. Seine inneren Konflikte zeigen, dass Menschen nicht einfachen Kategorien zuzuordnen sind.

Werbung

«Tintenherz» zeigte mir, dass Kinder nicht bloss Empfänger von Wissen sind, sondern aktive Gestalter ihrer Gedankenwelt. Für mich war das Buch nicht nur ein Leseabenteuer mit meiner Tochter, sondern ein lebendiges Beispiel dafür, wie wertvoll Literatur für die Beziehung zwischen Eltern und Kindern sein kann. Und wie Kinderrechte, etwa das Recht auf Partizipation, von einem abstrakten Prinzip zu etwas werden, das man im Alltag ganz konkret lebt. Indem man gemeinsam ein Buch liest.

Dieser Artikel erschien in der BILANZ 07/2025.

Bilanz-Cover 7/25
BILANZ
Bilanz-Cover 7/25
BILANZ

Werbung

Auch interessant

Werbung