Guten Tag,
Der Porsche Turbo ist der Urmeter aller deutschen Hochleistungs-Sportwagen und bekannt als Witwenmacher. Er fordert selbst erfahrene Fahrer heraus.
Dirk Ruschmann
Fürchterlich schneller Fahrspass mit dem Porsche 911.
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Sie nannten ihn den «Witwenmacher». Und ich weiss jetzt auch, warum. Genauer gesagt, ich wusste es die ganze Zeit, aber jetzt konnte ich die Gefahr endlich selbst erleben, also: spüren, mit dem eigenen «Popometer» – das der nicht allzu legendäre frühere Audi-Chef Rupert Stadler immer gern ins Spiel brachte, wenn er, der Diplombetriebswirt, nach seinen ganz persönlichen Fahrkünsten gefragt wurde.
Ich will ja nicht behaupten, dass es mit meinem «Popometer» wahnsinnig weit her ist. Aber immerhin registriere ich, wenn die Traktion abnimmt und wenn Querbeschleunigung einsetzt. Und mit dem Turbo der ersten Generation setzt alles Mögliche ein, und zwar schlagartig. Vor allem auf den engen, kurvigen Strassen der Innerschweiz, mitten in einem geschmackvollen Platzregen. Erde, Staub und Laub auf dem nassen Asphalt verbinden sich zu einer wunderbar schmierigen Fahrbahn.
Die naheliegende Ausrede, dass die Ausbruchstendenzen des Hinterteils ohne Vorwarnung auftreten, gilt beim 911 Turbo 3.0 allerdings nicht. Die Leistung von 260 PS war damals, 1975, eine Sensation, unschlagbar beim Auto-Quartett, und das Gewicht von kaum mehr als 1,1 Tonnen bremst den Sechszylinder-Boxer nicht wirklich ein, der Turbo ist damals Deutschlands schnellstes Serienfahrzeug, sowohl längs (von null auf hundert in unter sechs Sekunden) als auch quer, und elektronische Fahrstabilisatoren kennt man damals nur von «Star Trek».
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Der Turbo setzt mit seinem Leistungsschub derart unvermittelt ein, überfällt vor allem nur die Hinterachse, dass ungeübte Fahrer oder solche, die zu Selbstüberschätzung neigen, schnell heckwärts in die Mauer der Tatsachen knallen – oder wahlweise in den Abgrund rauschen. So erwarb er sich schnell den Spitznamen «Witwenmacher». Walter Röhrl, Rallye-Gott und einer der besten Autofahrer des Jahrtausends, erklärte diesen Turbo schon früh zu seinem Lieblingsmodell, weil: «eine wunderbare Herausforderung für Könner». So kann man das sehen. Ich allerdings habe im Verlauf einer Dreiviertelstunde kein einziges Mal gewagt, das Gaspedal bis ans Bodenblech zu drücken – nichts wäre peinlicher, als im Regen abzufliegen mit dem wertvollen Oldtimer.
Der blaue 944 Turbo, der spektakuläre 911 und der glückliche Autor.
ZVGDer blaue 944 Turbo, der spektakuläre 911 und der glückliche Autor.
ZVGWas nicht heissen soll, dass es keinen Spass macht, diesen Turbo zu fahren, im Gegenteil: Etwas ruckelig, für heutige Verhältnisse, geht er zu Werk, leitet sehr direkt den Strassenbelag in den Innenraum weiter. Das dünne Stöckchen namens Handschaltung will mit Feingefühl bespielt werden, dafür erwartet das Steuer etwas robustere Kräfte, doch dann folgt das Auto willig auch kleinen Lenkeinschlägen. Immer spüre ich die Kraft im Heck, das unvergleichliche Anschieben von hinten. Dieser Turbo hat nichts von seiner Faszination eingebüsst – im Gegenteil. Während heute eine Ameisenarmee an Assistenzsystemen alles verhindert, was nicht in der Fahrschule gelehrt wird, liefert der erste Porsche Turbo unverfälscht rohe Kräfte an die Hinterräder. Schöner geht es nicht.
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Weiterentwicklung, aber auch krasses Gegenmodell – das ist der Taycan Turbo GT. Porsches stärkster Elektriker ist eine Monstermaschine der ganz anderen Art: mit 2,3 Tonnen Leergewicht doppelt so schwer, wenn auch für einen E-Sportler nicht übergewichtig. Dafür zerren beim Kavalierstart mehr als 1000 PS an den Rädern. Auf Landstrassen geht es, in kommodes Gestühl gebettet, unfassbar schnell vorwärts, packt auch die Bremse zuverlässig selbst auf abschüssigem, nassem Geläuf zu. In Kurven vermitteln sich die Kräfte deutlich über das kleine, schön griffige Lenkrad an den Fahrer, der (oder die) ansonsten aber keine Mühe hat, die schieren Kräfte zu verwalten. Und die kleinen Beschleunigungsfahrten zwischen zwei Serpentinen machen jedes einzelne Mal wieder Freude. Der Taycan Turbo GT verleitet zuverlässig dazu, viel schneller zu fahren, als man es eigentlich wagen sollte – der erste 911 Turbo sendet aus jeder Ritze seines Blechs: Mach das besser nicht!
Turbos hat Porsche viele im Angebot – weil «Turbo» bei Porsche traditionell für besonders leistungsstarke Varianten steht. Was dazu führte, dass nicht alle «Turbos» tatsächlich einen Turbo an Bord haben (der Elektriker Taycan produziert dafür schlicht zu wenig Abgas). Auch können sich nicht alle auf den 911 als Urvater berufen. Letzteres gilt ganz sicher für die SUV-Turbos Cayenne und Macan, aber auch für die Sportlimousine Panamera, die optisch zwar gekonnt die Dachlinie des 911 aufgreift, jedoch deutlich mehr Luftraum verdrängt. Ihre Topmotorisierung namens Turbo S E-Hybrid, die dem bärigen Achtzylinder-Verbrenner einen E-Motor zur Leistungssteigerung beistellt, rennt allerdings derart vehement los, dass auch sogenannte Supersportwagen oft nur noch die Endrohre sehen: Der Panamera gehört zur exklusiven Gruppe der «U3», erreicht also 100 km/h in weniger als drei Sekunden.
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Der Panamera mit eingebautem Turbopower zersägt auf Autobahn und Alpenpass alles, was sich «Sportwagen» nennt.
ZVGDer Panamera mit eingebautem Turbopower zersägt auf Autobahn und Alpenpass alles, was sich «Sportwagen» nennt.
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