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Louis Vuitton schraubt die Kosmetik-Preise auf ein neues Level. Und tritt damit eine Kontroverse los.
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Der kürzlich verstorbene Leonard Lauder, der Gentleman, der aus der elterlichen Firma den Kosmetikgiganten Estée Lauder geformt hat, sah im Lippenstift eine Art Konjunkturindikator. Je höher der «Lipstick-Index», befand Lauder, desto schlechter die Stimmung der Konsumentinnen und Konsumenten. Denn Lauder deutete den erhöhten Absatz von Lippenstiften als Ersatzhandlung für den Kauf von wesentlich teureren Produkten wie Mode, Schmuck oder Uhren. Weil sich Frauen trotzdem etwas gönnen möchten, würden sie eben zu Erschwinglichem greifen – also Lippenstiften.
Die Stichhaltigkeit von Lauders Theorie wurde schon von diversen Seiten infrage gestellt; selbst seriöse Ökonomen haben sich mit dem «Lipstick-Index» befasst. Nun aber stellt ausgerechnet ein Neuling im Kosmetikbusiness alles, was Lauder einst hochgehalten hat, auf den Kopf.
Mitten in der grossen Luxuskrise lanciert mit Louis Vuitton die grösste Luxusmarke der Welt eine Kosmetiklinie, die sich komplett vom etablierten Preisgefüge verabschiedet. Louis Vuitton verlangt für einen Lippenstift 160 Dollar, für ein Döschen mit Lidschatten 250 Dollar. Zum Vergleich: Hermès verlangt für einen Lippenstift rund 80 Dollar, Chanel und Dior rund 50 Dollar. Im Handel gibt es die Produkte auch für unter 5 Franken.
Was also haben sich die Verantwortlichen bei Louis Vuitton und beim Mutterhaus LVMH gedacht, die neue Linie namens La Beauté so exorbitant teuer zu machen? Ist das clever, dreist oder kurzsichtig?
Klar ist: Die meisten Luxusbrands nutzen Kosmetik, Parfüm und Kleinlederwaren als Einstiegsdrogen. Sie sollen Konsumentinnen und Konsumenten ins Gravitationsfeld einer Marke führen, die nicht die Mittel haben, 10'000 Franken für eine Tasche oder 3500 Franken für eine Hose zu bezahlen. Sie sollen die Basis legen für die Kundenbindung, den Anfang einer Upselling-Geschichte begründen.
Die Frage ist allerdings: Ist ein Markenuniversum, in dem ein Lippenstift-Refill so teuer ist wie ein neuer Lippenstift der Edelmarke Hermès, wirklich noch ein Universum oder bereits eine Parallelwelt für die Insta-Selbstdarstellung der Superreichen? Ist die «neue Liga der Unerschwinglichkeit», wie es «Business of Fashion» formuliert, noch zeitgemäss?
Zwar haben sich Beauty-Käuferinnen und -Käufer teilweise an atemberaubend hohe Preise für bestimmte Artikel gewöhnt; für Luxushautpflege bezahlen Gutsituierte regelmässig 300 Franken oder mehr. Aber: All die Produkte wurden in einer anderen Ära lanciert.
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Bis vor kurzem war die Vorstellung akzeptiert, dass Luxusmarken höhere Qualität bieten und daher höhere Preise gerechtfertigt sind. Heute haben Skandale um Arbeiterausbeutung oder Fälschungen dieses Bild wenn nicht zerstört, dann aber doch arg strapaziert.
Und die Luxusmarken sind mitschuldig: Nach Covid haben sie im Zeichen des Revenge Buying die Preise dermassen stark erhöht, ohne aber die Qualität zu verbessern, sodass vielen die Lust auf überteuerten Luxus vergangen ist. Dass die Aktie von LVMH heute weniger kostet als vor fünf Jahren, spricht Bände.
Doch Louis Vuitton versucht alles, um aus den Produkten von La Beauté veritable Trophäen zu machen. Die Marke hat die bekannteste Visagistin der Modebranche, Pat McGrath, als Kreativchefin engagiert. Ebenso den deutschen Stardesigner Konstantin Grcic, der – anstatt wie sonst Möbel – für einmal edle Verpackungen mit LV-Motiven gestaltet hat. Für die Lancierungskampagne, die in China gestartet wurde, hat der Konzern eine ganze Armada von Superstarmodels unter Vertrag genommen. Es wird geklotzt, nicht gekleckert.
Und den Kundinnen wird versichert, dass die Produkte nicht herkömmliche Kosmetika seien, sondern seltene Inhaltsstoffe aus exklusiven Regionen wie dem französischen Parfümzentrum Grasse enthielten.
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Und vielleicht ist es gerade dieser irrationale Überschwang, der das beste Verkaufsargument sein könnte. Denn im Vergleich zu den anderen Louis-Vuitton-Produkten sind selbst exorbitante 160 Dollar für einen Lippenstift noch im erschwinglichen Bereich. Und könnten so noch höhere Preise für Handtaschen und Mode legitimieren.
La Beauté ist also vor allem eine heisse Wette.
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