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Epigenetische Tests bieten Einblicke in den Alterungsprozess, indem sie DNA-Muster analysieren. Sie sind ein hilfreich, um potenzielle Gesundheitsrisiken zu erkennen.
Nina Ruge
«Epigenetik lässt sich beeinflussen. Bewegung, gesunde Ernährung, Stressabbau und guter Schlaf zeigen messbare Effekte» sagt Nina Ruge, Bestseller-Autorin.
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Das wahre Alter eines Menschen lässt sich nicht am Kalender ablesen. Die Medizin rückt zunehmend von chronologischen Zahlen ab und sucht nach Biomarkern, die präziser Aufschluss über den individuellen Gesundheitszustand geben. Einer der aktuell vielversprechenden Ansätze: die Messung des biologischen Alters über epigenetische Uhren. Unsere Gene tragen den Bauplan für unseren gesamten Körper – in jeder unserer Körperzellen. Aber ob dieser Bauplan auch ausgelesen und in Proteine, Enzyme umgesetzt wird, steuert ein zweites System: die Epigenetik. Man kann sich das vorstellen wie Markierungen auf der DNA, die sagen: «Dieses Gen bitte aktivieren» oder «dieses Gen bleibt aus.» Diese Markierungen sind kleine Moleküle, nämlich Methylgruppen. Sie sind sozusagen die «Stoppschilder» auf unserer DNA. Wo sie sitzen, bleibt die DNA «stumm».
Wo diese Stoppschilder sitzen, wird durch viele Faktoren gesteuert. Gesunde oder ungesunde Lebensweise verschiebt sie, Chemotherapien, chronischer Stress, akute Erkrankungen und vieles mehr. Die typischen Muster der Stoppschilder verschieben sich aber auch altersanhängig. Einige Gene werden zu stark, andere vielleicht gar nicht aktiviert. Diese zunehmende «Unordnung» auf der DNA gilt heute als ein zentrales Merkmal des Alterns. Genau hier setzen die epigenetischen Uhren an: Sie messen die Muster der Stoppschilder auf der DNA und können diese der Alterung zuordnen. Es kann also sein, dass sie ein höheres biologisches Alter misst – als das chronologische Alter eines Menschen im Pass ausgewiesen ist. Das ermittelte biologische Alter liegt natürlich idealtypisch unter dem chronologischen Alter. Ich war natürlich enorm neugierig und habe mit drei verschiedenen epigenetischen Uhren gemessen: Zwei Uhren zeigten an, dass ich biologisch sechs Jahre jünger sei – eine zeigte sogar ein Minus von elf Jahren. Darf ich mich glücklich schätzen, deutlich länger zu leben als andere? Nicht wirklich. Schauen wir uns erstmal die Messmethode noch etwas genauer an.
Epigenetische Tests untersuchen nur bestimmte Stellen auf unserer DNA, an denen sich nämlich Methylgruppen ablagern können. Solche Andockstellen für Methylgruppen gibt es zu Zehntausenden auf unserer DNA. Die modernen epigenetischen Uhren lesen aber nur einen Bruchteil von ihnen aus, nämlich nur die, die erkannt wurden als wesentlich im Zusammenhang von Alter und Krankheit. Meist sind es deutlich unter 1000 Andockstellen, die im Labor aus den Zellen des Speichels oder aus Blutzellen mit ihren Methylierungen ausgelesen werden.
Die Aussagekraft der epigenetischen Uhren hängt stark vom verwendeten Algorithmus ab. Tests wie «GrimAge» oder «DunedinPACE» gelten derzeit als am besten validiert. Sie zeigen in Studien eine hohe Korrelation mit der Entstehung chronischer Erkrankungen, der Gebrechlichkeit und der Lebensdauer. Dennoch: Eine punktgenaue Aussage über das individuelle Sterberisiko ist nicht möglich. Zu viele weitere «Biomarker» wie etwa Blutwerte, die Zusammensetzung der zehntausenden Proteine im Blut und des Mikrobioms sollten und werden auch in der modernen Diagnostik hinzugezogen. Also sollte ich meine persönliche «Uhrzeit» auf der Uhr, deren Zeiger letztlich durch das Geschehen in den Andockstellen auf meiner DNA getrieben sind, als Hinweise auf meinen Alterungsstatus nehmen. Sie macht Tendenzen sichtbar. Ja, ich darf mich freuen: Die Tendenz ist gut. Aber weiß ich, ob irgendwo in meinem Körper gerade Krebszellen beginnen, gegen mein Immunsystem zu gewinnen? Das können die epigentischen Muster auf meinen Blut- oder Speichelzellen beim besten Willen nicht offenlegen.
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Entscheidend für die Zuverlässigkeit von epigenetischen Uhren ist nicht primär die Anzahl der gemessenen Methylierungspunkte, sondern die wissenschaftliche Validierung des zugrundeliegenden Algorithmus, also auch die Menge der Referenzdaten. Wie soll das der Laie erkennen? Kann er gar nicht. Ich schaue halt, welche Uhren international in den großen Studien verwendet werden. Von diesen Uhren gibt es heute schon mehrere «Generationen», und das ist bemerkenswert, denn die erste epigenetische Uhr brachte Steve Horvath 2012 auf den Markt, heute ist er Projektleiter bei dem bestfinanzierten Longevity «Startup» der Welt: Altos Labs. Die Top Five der derzeit genutzten Uhren sind: Horvath, Hannum, PhenoAge, GrimAge, DunedinPACE. Wichtig: Die großen Longevity-Kliniken nutzen epigenetischen Uhren, aber auch etliche weitere Biomarker.
Für alle wichtig, die epigenetischen Uhren für sich testen wollen (man kann sie online bestellen): Immer denselben Testanbieter nutzen, um die Veränderung der eigenen Werte in diesem Messsystem zu erkennen. Das ist der wichtigste Nutzen.
Also: Epigenetische Alterstests ersetzen keine breite medizinische Diagnostik. Sie zeigen jedoch Tendenzen auf: Ein biologisches Alter, das deutlich über dem kalendarischen liegt, kann Hinweise auf Stress, Entzündungen oder Stoffwechselentgleisungen liefern – also auch schmerzhafte Hinweise auf einen eventuell ungesunden Lebensstil, aber auch über genetisch mitverursachte chronische Erkrankungen. Wer hier auffällt, sollte seinen Lebensstil reflektieren oder ärztlichen Rat einholen.
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Epigenetik lässt sich beeinflussen. Genetik nicht. Bewegung, gesunde Ernährung, Stressabbau und guter Schlaf zeigen messbare Effekte. In kontrollierten Studien konnte das biologische Alter durch gezielte Lebensstil-Interventionen stabilisiert oder sogar verjüngt werden. Noch spannender: In Tiermodellen lassen sich epigenetische Marker gezielt reprogrammieren. Erste Humanstudien laufen.
Im Gegensatz zu klassischen Blutparametern wie Cholesterin oder Leberwerten liefert ein epigenetischer Test kein isoliertes Einzelbild, sondern – ansatzweise - ein systemisches Signal. Er zeigt, wie gut der Organismus auf zellulärer Ebene funktioniert und altert. Damit wird die epigenetische Uhr zu einem Biomarker für Einsteiger. Gute Werte motivieren zu einem «weiter so!» und schlechte zu einem: «Achtung! Gesünder leben! – und auch «Arzt aufsuchen!» Epigenetische Uhren sind durchaus etwas mehr als ein Lifestyle-Gadget. Richtig eingesetzt, können sie helfen, Risiken frühzeitig zu erkennen, Lebensstilveränderungen zu überprüfen und den Alterungsprozess besser zu verstehen.
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