Guten Tag,
«Dumme Kuh» ist als Schimpfwort für Frauen unbrauchbar. Denn Kühe verstehen viel von Prada, Hermès und Louis Vuitton.
Kurt W. Zimmermann
Kurt W. Zimmermann ist Verlagsunternehmer, Kolumnist und Buchautor zu den Themen Medien, Biologie und Outdoor-Sport.
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Ich erinnere mich noch genau daran, als er sie eine «dumme Kuh» nannte. Es war einer der heftigeren Ausbrüche, die ich je bei einer Aussprache im kleinen Kreis erlebte.
Die Chefin unserer Human Resources kritisierte unseren Werbeleiter für seine Jahresgespräche mit seinen Mitarbeitern. Statt sich an das interne Bewertungssystem zu halten, liess er es jeweils bei ein paar schlampigen Floskeln bewenden. Zugegeben, sie brachte ihre Kritik ziemlich pingelig und wieder und wieder vor.
Irgendwann hatte unser Werbeleiter genug: «Sie sind vielleicht eine dumme Kuh!», brach es aus ihm heraus.
Sie hätte ihn einklagen können. Die «dumme Kuh» hätte ihn bis zu 6000 Franken kosten können, wie wir noch sehen werden.
Zuerst aber zu den Kühen im Allgemeinen. Wir haben eine Wohnung im Berner Oberland bei Gstaad. Das Saanenland, wie man die Gegend hier nennt, hat 7000 Einwohner. Und es leben hier 7000 Kühe. Das ist eins zu eins. Man kann nicht aus dem Haus, ohne ständig auf Kühe zu treffen.
Der Höhepunkt des Kuhjahres ist jeweils die Züglete im September. Dann kehren die Kühe von den Alpweiden ins Tal zurück. Zur Züglete schmücken die Bauern sie mit prächtigen Blumenbouquets zwischen den Hörnern. Die Kühe ziehen dann durch die Promenade, die Fussgängerzone von Gstaad.
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Die Kühe ziehen vorbei an all den Läden von Prada, Hermès und Louis Vuitton. Vor den Läden von Prada, Hermès und Louis Vuitton scheissen sie dann demonstrativ auf den Boden. Mir gefällt das, denn es hat etwas Subversives. Die Kühe kommen zurück aus der einfachen Natur und zeigen als Erstes, was sie von der hochtrabenden Luxusindustrie halten.
Tatsächlich werden Kühe kognitiv unterschätzt.
Natürlich dauert es dann keine fünf Minuten, bis die Gemeindearbeiter von Gstaad mit ihren spezialisierten Spritzfahrzeugen anrücken, um die Spuren der subversiven Kühe zu beseitigen.
Kühe, wie man sieht, sind nicht dumm. Im Gegenteil, sie haben einen Sinn für subtile Gesellschaftskritik.
Tatsächlich werden Kühe kognitiv unterschätzt. Sie können zum Beispiel komplexe Prozedere meistern, indem sie etwa den Hebel für ihre Wasserversorgung umlegen oder auf einen Knopf drücken, um ihr Futter freizugeben. Solche Beherrschung mechanischer Abläufe gelingt sonst nur hochintelligenten Tieren wie Schimpansen, Raben und Delfinen.
Zudem haben Kühe eine sehr pragmatische Sozialstruktur. Ein besonders kluges, erfahrenes und selbstbewusstes Tier aus der Herde wählen sie demokratisch zu ihrer Leitkuh. Den Anweisungen der Leitkuh, etwa bei der Toilette vor den Luxusboutiquen, folgen sie dann ziemlich diszipliniert.
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Damit wären wir zurück beim Streit zwischen unserem Werbeleiter und unserer Chefin der Human Resources. Am meisten Konflikte in Firmen gibt es immer dann, dies meine Erfahrung, wenn zwei hierarchisch gleichrangige Mitarbeiter aneinandergeraten, etwa zwei Abteilungsleiter. Das war bei uns der Fall. Jeder der beiden will dann zeigen, dass er in dieser Gruppe die Leitkuh ist.
«Dumme Kuh» hätte er sie doch nicht nennen sollen. Dazu ist das Risiko zu hoch, wie kürzlich Gerichtsurteile zeigten. Im Rheintal beschimpfte ein Landwirt seine Nachbarin als «dumme Kuh». Das Gericht verurteilte ihn zu einer Busse von 4375 Franken. Zu gar 5800 Franken Busse verdonnerte das Gericht einen St. Galler, der seine Nachbarin ebenfalls als «dumme Kuh» betitelt hatte. In unserem Fall ging es billiger aus. Unser Werbeleiter lud die Chefin der Human Resources dann zu einem Apéro in die Bar neben unserem Firmengebäude ein. Er entschuldigte sich und spendierte ihr zwei Aperol Spritz. Es kostete ihn 32 Franken, und die Kuh war vom Eis.
Dieser Artikel erschien in der BILANZ 07/2025.
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