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«Bilanz»-Liste der 300 Reichsten

Wie eine Handvoll Milliardäre zum Politfaktor wurden

Die reichsten Menschen der Schweiz mischen derzeit in den zentralen Themen der Schweizer Politik mit.

Céline Zahno, Ringier

<p>Kämpft mit anderen Politikern und Reichen gegen EU-Verträge: Alfred Gantner.</p>

Kämpft mit anderen Politikern und Reichen gegen EU-Verträge: Alfred Gantner.

keystone-sda.ch

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Sie gehören zu den reichsten Einwohnern des Landes, sind männlich und halten den Schweizer Politikbetrieb seit Monaten auf Trab. Die Zahl der Schweizer Superreichen, die in zentralen politischen Dossiers den Ton angeben, ist hoch. Das zeigt ein Blick auf die neue «Bilanz»-Reichstenliste.

So waren es sechs hochkarätige Schweizer Wirtschaftsführer, die im Oval Office mit US-Präsident Donald Trump (79) verhandelten und für den Durchbruch beim Schweizer Zolldeal sorgten. Davon sind auf der Reichsten-Liste mit dabei etwa der Unternehmer Alfred Gantner (57), Daniel Jaeggi (64), Mitgründer des Genfer Rohstoffriesen Mercuria, und Johann Rupert (75), Präsident des Luxusgüterkonzerns Richemont. Die Reederei-Familie Aponte ist ebenfalls gelistet – Diego Aponte (48) war zwar nicht selbst im Oval Office, aber massgeblich in die Vorbereitungen involviert.

Auch beim zweiten aussenpolitischen Dauerbrenner – den EU-Verträgen – sind eine Handvoll Unternehmer tonangebend. Die drei Gründer der Investmentfirma Partners Group, Alfred Gantner, Urs Wietlisbach (64) und Marcel Erni (59), stecken zusammen hinter der Initiative Kompass Europa, die gegen die EU-Verträge Stimmung macht. Im Parlament kreuzen im EU-Dossier ebenfalls zwei Milliardäre die Klingen: Der Ypsomed-Chef Simon Michel (48) gilt als Kopf der Vertragsbefürworter, Magdalena Martullo-Blocher (56) kämpft dagegen.

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Eigene ideologische Agenden

Manche Unternehmer rücken sich heute auf eine bemerkenswert selbstbewusste Weise ins politische Rampenlicht. Nichts von wegen Strippenzieher im Hintergrund!

«Das ist ein neuer Trend», sagt der Politologe Michael Hermann (54). «Früher gab es reiche Mäzene, die sich im Dienst der Gesellschaft sahen – man hat sich etwa karitativ in Stiftungen engagiert. Heute greifen superreiche Personen direkt in die Politik ein, um eigene ideologische Agenden zu verfolgen. Das ist stark inspiriert von amerikanischen Vorbildern wie Elon Musk oder Peter Thiel.» Die Akkumulation von unglaublichem Reichtum, verbunden mit medialer Präsenz, erlaube es, politische Themen zu setzen und Einfluss zu nehmen.

Innenpolitisches Gewicht

Dieses Phänomen lässt sich derzeit auch innenpolitisch beobachten. Mit viel Medienpräsenz kämpft Peter Spuhler (66) gegen die Juso-Initiative, die Erbschaften von über 50 Millionen Franken zu 50 Prozent besteuern will. Willy Michel (78), der die Medtech-Firma Ypsomed gegründet hatte, kündigte kürzlich an: Natürlich würde er bei einer Annahme der Initiative wegziehen.

Hermann betont allerdings: Die Juso-Initiative betreffe die Superreichen direkt, sie hätten sich daher auch früher schon lautstark dagegen engagiert. Allerdings habe es einen Kulturwandel gegeben: «Früher hat man eher versucht, sein Vermögen zu verstecken. Heute neigt man dazu, damit seine Wichtigkeit zu unterstreichen.»

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Wirtschaftsverbände unter Druck

Einzelne Milliardäre als Politfaktor, die eigene Anliegen auf die Agenda setzen: Dieses Phänomen setzt auch die klassischen Wirtschaftsverbände wie Economiesuisse unter Druck. Beim Zolldeal bleiben sie aussen vor, bei den EU-Abkommen muss der Verband gegen die Unternehmer um die Deutungshoheit kämpfen.

«Früher konnte Economiesuisse als Stimme der Wirtschaft dominieren», so Hermann. «Heute ist das schwieriger geworden: Die gemeinsame Klammer von Interessen ist aufgebrochen, die Wirtschaft ist pluraler.» Das politische Gewicht von Economiesuisse würde so nach und nach erodieren.

 

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Céline Zahno, Ringier

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