Guten Tag,
Der starke Mann des Waadtlandes kehrt auf die nationale Bühne zurück: als oberster Gewerkschafter und Nationalrat. Das sind seine Mitstreiter und Gegenspieler.
Florence Vuichard
Sozialdemokrat mit Machtanspruch: SGB-Präsident Pierre-Yves Maillard.
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Im Mai übernahm Pierre-Yves Maillard (51) von Paul Rechsteiner das Präsidium des Gewerkschaftsbundes (SGB), am 20. Oktober dürfte PYM, «Pym Il Sung» oder «Pierre-Yves le Rouge», wie er in der Romandie genannt wird, mit einem Glanzresultat in den Nationalrat gewählt werden.
Der langjährige Regierungsrat ist ein Sozialdemokrat mit Machtanspruch, einer, der klar links politisiert, der aber auch immer wieder Kompromisse eingeht. Unerbittlich hingegen gibt er sich bei der Privatisierung des Service public und beim Lohnschutz.
Unmissverständlich ist dementsprechend sein Nein zum vorliegenden EU-Rahmenvertrag: «Es braucht Neuverhandlungen mit Brüssel», betont Maillard. «Dieser Vertrag ist in seiner heutigen Form bei einer Volksabstimmung nicht mehrheitsfähig.»
Und er warnt vor den Konsequenzen: Wer an diesem Text festhalte, «steuert auf einen Bruch mit der EU zu» und stärke das Lager der Befürworter der SVP-Initiative, welche die Personenfreizügigkeit mit der EU kündigen will und indirekt die ganzen bilateralen Verträge aufs Spiel setze.
Sein Plan, der sich mit jenem von Justizministerin Karin Keller-Sutter deckt: Zuerst müsse die SVP-Initiative gebodigt werden, auch mit Hilfe der von den Sozialpartnern ausgehandelten Überbrückungsleistungen für ältere Arbeitslose, und erst danach könne eine neue Lösung mit Europa gefunden werden.
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Die Mitstreiter:
Sie waren das starke Duo der Waadtländer Regierung: Maillard und der FDP-Finanzdirektor Pascal Broulis. Das unzertrennliche Duo erhielt den Übernamen «Brouillard et Malice», Nebel und Schlauheit. Gemeinsam haben sie den Schuldenberg abgebaut, Sozialreformen durchgeboxt – und den Kanton wieder auf die Wachstumsstrasse geführt. Und sie haben trotz aller politischer Unterschiede und «harter interner Kämpfe», wie Maillard betont, immer wieder Kompromisse gefunden, etwa bei der Umsetzung der Unternehmenssteuerreform III.
Seit Mai führt Maillard mit Daniel Lampart den Gewerkschaftsbund (SGB). Seitdem reden die Sozialpartner wieder miteinander.
KeystoneMit Arbeitgeber-Präsident Valentin Vogt, dessen «industrielle Erfolgsgeschichte» Maillard gefällt, hat er bereits zwei Kompromisse ausgehandelt: eine Überbrückungsrente für ältere Arbeitslose sowie einen Reformvorschlag für die 2. Säule. Als Maillard zwischen 1999 und 2004 im Nationalrat sass, war er eher ein Einzelkämpfer – auch innerhalb seiner Partei.
KeystonePaul Rechsteiner, sein Vorgänger an der SGB-Spitze, war der Einzige, der Maillard von Anfang an beim Referendum gegen das Elektrizitätsmarktgesetz unterstützte, das 2002 an der Urne klar abgelehnt wurde.
KeystoneMenschlich gut verstand er sich mit Dominique de Buman (CVP) ...
Keystone... sowie den Bauernvertretern Hansjörg Walter (SVP) ...
Keystone... und Marcel Sandoz (FDP).
KeystoneWenn er nun – niemand zweifelt an seiner Wahl – nach Bundesbern zurückkehrt, gehört er von Anfang an zu den SP-Schwergewichten zusammen mit Parteichef Christian Levrat.
KeystoneDie Gegenspieler:
Wie alle Linken kämpft Maillard gegen die SVP: «Die Schweiz von Christoph Blocher gleicht einem Friedhof der Ideen und Perspektiven», sagte er etwa 1992 nach dem EWR-Nein.
Aber er legt sich auch immer wieder mit dem eigenen Lager an – im Waadtland mit Josef Zisyadis’ Partei der Arbeit, national mit Parteifreunden.
KeystoneSo geriet Maillard früher mehrmals mit der heutigen Bundesrätin Simonetta Sommaruga aneinander: bei seinem Kampf für die Einheitskasse oder seinem Widerstand bei der Strommarktliberalisierung. Maillard lehnt – anders als Sommaruga, ihr Vorgänger Moritz Leuenberger und Ex-Preisüberwacher Rudolf Strahm – beim Service public jegliche Marktlogik ab.
KeystoneSuspekt ist ihm auch der «Dritte Weg» des englischen Premiers Tony Blair oder des deutschen Bundeskanzlers Gerhard Schröder. Gegen Parteikollege Alain Berset (Bild) verlor Maillard 2011 die Bundesratswahl. Ihr Verhältnis gilt als distanziert, auch weil sie sich immer wieder in Abstimmungskämpfen gegenüberstanden: Maillard gewann beim Referendum zu Managed Care, Berset beim Kampf gegen die Einheitskasse.
KeystoneBei diesem Thema traf er auch immer wieder auf die Chefs von Helsana oder CSS, auf Daniel Schmutz (Bild) respektive Philomena Colatrella, oder auf ...
Keystone... den ehemaligen Gesundheitspolitiker und Kassenverbandsvertreter Ignazio Cassis (Bild). Nun streitet er mit Bundesrat Cassis und dessen Staatssekretär Roberto Balzaretti über den EU-Rahmenvertrag.
KeystoneMaillards Gegenkandidatin fürs SGB-Präsidium war SP-Nationalrätin Barbara Gysi.
KeystoneMaillards Eltern stammten aus Porsel FR, zogen dann aber nach Lausanne, wo er am 16. März 1968 geboren wurde. Er und seine Schwestern, eine Lehrerin und eine Krankenschwester, wuchsen in bescheidenen Verhältnissen auf: Der Vater arbeitete als Garagist, dann als Hauswart in der Gemeindeverwaltung, die Mutter war Fabrikarbeiterin.
Als Erster in der Familie ging Maillard an die Uni, studierte in Lausanne Philosophie, Geschichte und Französisch. Heute lebt er im Lausanner Vorort Renens – mit seiner Frau Enrica und den Kindern, die bei der Hobbywahl dem Vater folgten: Sowohl der Sohn (12) als auch die Tochter (10) spielen Fussball.
Stürmer Maillard war einst stark beim FC Porsel engagiert, heute spielt er «altersbedingt mit mehr Schwierigkeiten» in einer Ü- 40-Gruppe mit. Wegen seiner Liebe zum Fussball wollte er einst Sportreporter werden und gewann mit 18 Jahren gar einen Preis als bester Jung-Kommentator. Bei der Musik schwört Maillard seit Jahren auf Bruce Springsteen.
Maillard im Kampf um den Ball gegen Italiens Ex-Nationalspieler Giancarlo Antognoni.
Jean-Guy PythonMaillard im Kampf um den Ball gegen Italiens Ex-Nationalspieler Giancarlo Antognoni.
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Nach dem Studium arbeitete Maillard als Lehrer, dann – ermuntert durch GBI-Chef Vasco Pedrina – schlug er eine gewerkschaftliche Karriere unter SMUV-Präsidentin Christiane Brunner ein.
Früh stieg Maillard auch in die Politikein: 1990 wurde er ins Lausanner Parlament gewählt, 1998 ins Kantonsparlament, 1999 in den Nationalrat und 2004 in die Waadtländer Regierung. Dort leitete er über 14 Jahre das Gesundheits- und Sozialdepartement.
2008 übernahm er vom Luzerner Regierungsrat Markus Dürr (CVP) das Präsidium der Gesundheitsdirektorenkonferenz und gab dieses 2012 an den Basler Carlo Conti (CVP) weiter. Im Mai gab er seinen Regierungsratsjob auf, um die Nachfolge von Paul Rechsteiner an der SGB-Spitze anzutreten.
Unter Hans-Jürg Fehr (Bild) war Maillard von 2004 bis 2008 Vizepräsident der SP.
KeystoneUnter Hans-Jürg Fehr (Bild) war Maillard von 2004 bis 2008 Vizepräsident der SP.
KeystoneDie SP des Kantons Waadt steckte Ende der 1990er Jahre in einer tiefen Krise, niemand wollte Verantwortung übernehmen, keiner wollte bei den Wahlen antreten. Und so traten die Jungen ins Vakuum und eroberten mit der SP nach und nach die Macht im Kanton zurück.
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Namentlich sind das nebst Maillard Fabrice Ghelfi und Michel Cambrosio, die beide mittlerweile in der kantonalen respektive der Lausanner Verwaltung Karriere gemacht haben, André Mach, der heute Professor an der Uni Lausanne ist, und natürlich Grégoire Junod, der heutige Stadtpräsident von Lausanne und Ehemann der Ständerätin Géraldine Savary.
Grégoire Junod: Stadtpräsident von Lausanne.
ZVGGrégoire Junod: Stadtpräsident von Lausanne.
ZVGZu Maillards Generation, zur «Bande à Maillard», gehören auch die Nationalrätin Ada Marra und Philipp Müller, der langjährige Finanzchef des Lausanner Uni-Spitals CHUV.
Müller wiederum ist mit der Regierungsrätin Cesla Amarelle verheiratet, mit der sich Maillard aber nicht wirklich verstehe, wie es heisst. Er hatte bei der SP-internen Ausmarchung im Vorfeld der Regierungsratswahlen deren Gegenkandidatin Roxanne Meyer Keller unterstützt – und für einmal in der Partei verloren. Maillards Sitz in der Waadtländer Regierung hat Rebecca Ruiz für die SP verteidigt. Die 37-jährige frühere Nationalrätin und ihr Mann, der Politiker Benoît Gaillard, stehen für die nächste Waadtländer SP-Generation.
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Dieser Text erschien in der September-Ausgabe 09/2019 der BILANZ.
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