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BILANZ-Briefing

Der neue Trend dieses Sommers

Die Krawatte erlebt ein Comeback als rebellisches Modeaccessoire. Sie wird zum anarchistischen Stilmittel, das Überraschungseinsätze ermöglicht.

Dirk Schütz

Bilanz

«Die Krawatte ist der neue Ersatzreifen, immer einsatzbereit».

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Es ist ein fast schon bizarrer Optimismus, der die US-Börsen anlässlich dem Fourth of July erfasst hat. Die Tiefen des «Liberation Day» liegen weit hinter der Börse, der S&P 500 steht auf Rekordhoch, und die Börsianer bejubeln sogar eine Zoll-Einigung mit der Sportschuh-Werkbank Vietnam: Der Nike-Kurs ist seit 2. April mehr als 40 Prozent gestiegen. Da ziehen auch die Zürcher Schlauchsohlen-Sneaker von On mit.
 
Doch die Zölle mit Vietnam liegen bei noch immer heftig rendite-schmälernden 20 Prozent. Und was immer bis zum grossen Zoll-Stichtag vom 9. Juli und darüber hinaus passiert: Der Zolldruck bleibt, natürlich wirkt er inflationsfördernd, weshalb die Zinsen auf hohem Niveau verharren, und sowieso kann an jedem Tag im Zeitalter des Don alles anders werden. Die Schuldentilgung steigt, die Gesamtlast liegt derzeit so hoch wie nie seit dem Zweiten Weltkrieg: 120 BIP-Prozent. Mit dem vermeintlichen BBB («Big Beautiful Bill») würde sie laut offiziellen Schätzungen bis 2034 auf nie dagewesene 131 Prozent steigen (auch wenn für derartige Prognosen nur mit Sicherheit gilt, dass sie nicht stimmen). Der Dollar dagegen, einstiges Symbol amerikanischer Wirtschaftsstärke, erleidet einen Rekord-Ausverkauf – er kostet gerade noch 80 Rappen.
 
Da könnte man den amerikanischen Börsen-Kaufrausch schon fast als Realitätsverweigerung bezeichnen. Offenbar gieren die US-Investoren mit aller Macht nach Champagner aus heimischer Produktion. Doch den gibt es bekanntlich nicht. In Europa und auch an der Schweizer Börse ist dagegen die Nüchternheit zurückgekehrt. Muss erstmal nicht schlecht sein.

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Liestaler Leiden 

Es bleibt immer wieder erstaunlich, wie oft sich Skandale wiederholen. Lang ist die Liste hochtouriger Bankchefs, die von aussen auf die Chefsessel der Kantonalbanken-Welt wechselten und ihr Ego zu Grösserem berufen fühlten – bis zum Crash. Der einstige ZKB-Star Hans Vögeli expandierte einst gross ins risikoreiche Derivategeschäft und fiel tief, die Basler Kantonalbank blamierte sich unter Hans-Rudolf Matter mit der Aargauer Finanzfirma ASE, bei der Graubündener Kantonalbank haute der Immobilien-Pleitier Benko den Präsidenten Peter Fanconi vom Stuhl. Und jetzt erwischte es im beschaulichen Liestal bei der Basellandschaftlichen Kantonalbank einen besonders hochfliegenden Bankchef, dessen Vorname amerikanische Verwegenheit signalisierte: John Häfelfinger.
 
20 Jahre war er bei der CS, da wurde dem eloquenten Empire-Builder, den Fans aus dem Raiffeisen-Reich sogar als neuen Chef der Genossenschafts-Gruppe portiert hatten, die Nebenrolle in der Bankenprovinz offenbar zu langweilig – mit dem Kauf der Online-Bank Radicant sollte der Quantensprung in der Metropole Zürich gelingen. Warnende Stimmen gab es von Anfang an. Jetzt folgte ein Abschreiber von 105 Millionen, und Häfelfinger, mit 1,1 Millionen bei der kleinen Kantonalbank üppig besoldet, zieht auch seinen VR-Präsidenten Schneider in den Abgrund. Die Lehre daraus: Berufsverbot für Grossbanker als Kantonalbank-CEO.

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Krawatten-Anarchie

Die Ferien nahen, die Sonne brennt, die Kleidungs-Ratschläge für heisse Bürotage schaffen es selbst in die Wirtschaftsspalten. Da braucht es eine spezielle Einordnung. Wer über die Wärme jammert, darf nicht auf unser Verständnis zählen – die hochsommerlichen Tage in dem Wasserland Schweiz bleiben die Wetter-Highlights des Jahres. Ein Kleidungsstück hat es im Hochsommer aber noch schwerer als sonst: die Krawatte. Und deshalb müssen wir hier einen gewissen Rafaele Napoleone zitieren, formvollendeter Italiener: «Die Krawatte ist ein Akt der Trasgressione geworden: eine gewollte Grenzüberschreitung», sagte der Chef der gerade zu Ende gegangenen Florenzer Männermoden-Messe Pitti Uomo der «Süddeutschen Zeitung». «Tragen sie mal eine, dann fragen die Leute sofort: Was ist los, warum trägst du jetzt eine Krawatte?»
 
Der neuste Trend: Die Krawatte am Abend mitnehmen – «da habe ich ein Upgrade in der Tasche.» Das sei wie beim Autofahren. «Die Krawatte ist der neue Ersatzreifen, immer einsatzbereit.» Der Binder als anarchistisches Stilmittel für Überraschungs-Einsätze: Gross – und ein kleiner Tipp im Hinblick auf kältere Tage.

Nächste Woche: Ninth of July

Am Mittwoch folgt nicht nur der nächste Akt im globalen Trumpschen Zolldrama, sondern es gibt auch den ersten Anlageausblick für das zweite Halbjahr –  Raiffeisen lädt ein. Immerhin: Dass die Inflation hierzulande im Juni wieder in den Positiv-Bereich gedreht hat, nach -0,1 Prozent im Vormonat, macht die bösen Negativzinsen unwahrscheinlicher.
 
Die Schweiz hat die niedrigsten Zinsen der Welt, das präsentiert Trump den bei ihm so verhassten Fed-Chef Powell genüsslich als Vorbild. Aber die Amerikaner haben eben mit einem Wert von 2,4 auch noch eine Inflationsrate über der magischen Zwei-Prozent-Grenze – und eine Fed-Zinssenkung würde den Dollar weiter schwächen und den Franken potenziell stärken. Hoffen wir auf Powells Standfestigkeit.

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Dieser Text ist ein Auszug aus dem BILANZ-Briefing von Chefredaktor Dirk Schütz – dem wöchentlichen Blick auf die Köpfe der Wirtschaft aus unserer exklusiven Insider-Perspektive.

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Dirk Schütz

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