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XXXLutz: So mischen die Österreicher den Schweizer Möbelmarkt auf

XXXLutz-Konzernchef Andreas Seifert hat sich binnen vier Jahren zum Schweizer Möbelkönig hochgekauft. Und überholt nun Ikea. Die Österreicher profitierten dabei von den hierzulande schwach geführten Möbelhäusern.

Bastian Heiniger

XXXLutz Einrichtungshaus (KEYSTONE/CHROMORANGE/Ernst Weingartner)

GIGANTISMUS: XXXLutz stellt bis zu 30 Meter hohe Stühle vor die Filialen.

Keystone

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Plötzlich tauchte er auf. Der Patron soll etwas müde gewirkt haben, als er Ende Jahr eine Schweizer Mömax-Filiale besuchte. Andreas Seifert, Chef und Inhaber der österreichischen XXXLutz-Gruppe, oft als «Phantom» bezeichnet, weil keine öffentlichen Fotos existieren und ihn selbst die meisten Branchenkenner nie zu Gesicht bekommen, ging zusammen mit Tochter und Filialleitung durch die Ladenflächen, stellte Fragen, machte Notizen.

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Die Mitarbeitenden waren enttäuscht, dass der 67-Jährige mit ihnen keinen Schwatz hielt. Seifert aber ist nicht bekannt für Ansprachen. Weder vor dem Personal noch vor sonst wem. Sie dürften ihn ohnehin schnell wieder vergessen haben. Beschrieben wird er nämlich als ein eher kleiner, unauffälliger Mann ohne besonderen Merkmale; langer Mantel, keine Krawatte, keine Allüren, ein bodenständiger Macher. Zwar habe er Anweisungen für Verbesserung gegeben, doch wie ein Kontrolleur sei er nicht rübergekommen, sagt eine Person, die dabei war, aber nicht namentlich genannt werden will.

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Anonym bleiben, das wollen die meisten der mehr als ein Dutzend Insider und Branchenkenner, mit denen BILANZ gesprochen hat. In der Möbelwelt herrscht ein diffuses Gefühl aus Angst, Respekt und Bewunderung. Verscherzen will es niemand mit dem Möbelkönig aus dem östlichen Nachbarland. Wie schnell XXXLutz die Schweiz überrollte, ist beispiellos in der jüngeren Wirtschaftsgeschichte. Binnen vier Jahren hat sich Seifert hierzulande zum grössten Möbelhändler hochgekauft. Mit der XXXLutz-Filiale in Rothrist, mit Pfister, Mömax, Hubacher, Egger, Svoboda, Conforama und bald Lipo kommen die Österreicher auf 73 Filialen.

 Klaeger Dr. Andreas Seifert hinter der gelben Mappe

VERDECKT: Das einzige öffentliche Bild von Andreas Seifert: 2018 als Kläger bei einem Gerichtstermin in Dortmund (hinter der gelben Mappe).

Andreas Buck
 Klaeger Dr. Andreas Seifert hinter der gelben Mappe

VERDECKT: Das einzige öffentliche Bild von Andreas Seifert: 2018 als Kläger bei einem Gerichtstermin in Dortmund (hinter der gelben Mappe).

Andreas Buck

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Damit verdrängen sie Platzhirsch Ikea von der Spitze: Zwar weist Lutz keinen Umsatz für die Schweiz aus, gemäss Recherchen dürfte das Unternehmen mit allen Beteiligungen jedoch auf mehr als 1,4 Milliarden Franken kommen. Weltweit setzt die Gruppe nach eigenen Angaben 5,34 Milliarden Euro um – das Schweizer Geschäft ist darin noch nicht enthalten.

XXXLutz geht unzimperlich vor

Der Hunger ist damit nicht gestillt. Direkt an der Autobahnausfahrt in Dietikon entsteht derzeit die zweite mit XXXLutz gebrandete Filiale, wie ein Banner am Baugerüst verrät. Ende Sommer soll sie eröffnen, verrät der für die Schweiz zuständige Sprecher auf Anfrage. Vor drei Jahren sagte Meinrad Fleischmann, der damals für die Österreicher nach geeigneten Standorten suchte, dass man rund zehn Filialen anstrebe.

Das war jedoch vor der grossen Übernahmewelle. «Wir sind der Ansicht, dass es in der Schweiz noch ein bedeutendes Entwicklungspotenzial für die Marke XXXLutz gibt», sagt ein Sprecher nun. De facto hat Lutz hierzulande sein Ziel aber schon erreicht: in jedem Markt die Nummer eins zu werden. Wie viele Läden Seifert konkret noch hinstellen will, gibt der Konzern nicht preis. Abgelehnt wird auch die Anfrage für ein Gespräch mit dem Unternehmenssprecher Thomas Saliger, der als Einziger im Konzern sehr dosiert öffentlich auftritt und seit 27 Jahren an Bord ist.

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Bei seiner Expansion geht der Riese unzimperlich vor. Aber auch strategisch – und mit viel Geduld. Der Eintritt in die Schweiz habe lange auf der Wunschliste gestanden, sagt ein Insider. Erst aber mussten die Bedingungen stimmen. Also verblieb man in Lauerstellung und schlug dann umso heftiger zu. Um zu verstehen, wie der rasche Take-over möglich war, muss man tiefer in die Lutz’sche Welt eintauchen.

Das XXXLutz-Reich

Mit diesen Marken und Beteiligungen ist die XXXLutz-Gruppe in und um die Schweiz unterwegs.

sf
Eigene Recherchen
sf
Eigene Recherchen

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Im letzten Jahrzehnt nahm sich der Konzern Deutschland vor. «Jeder grössere Mittelständler wurde mit einem Kaufangebot konfrontiert», sagt ein süddeutscher Möbelhändler. «Es geht darum, die Konkurrenz zu verdrängen. Und dafür besetzen sie die Landkarte möglichst eng.» Mit der aggressiven Expansionspolitik sorgten die Österreicher für ziemlich viel Wirbel.

Bei XXXLutz gilt knallhartes Provisionsmodell

Thorsten Schulten forscht zum Thema Arbeitsbedingungen für die Hans-Böckler-Stiftung des Deutschen Gewerkschaftsbundes. 2018 veröffentlichte er als Co-Autor eine Broschüre mit dem Titel «Die mit dem rauen Stil». Auf 44 Seiten stellt er das «rücksichtslose» Vorgehen des Konzerns dar. So habe Lutz oft alteingesessene Möbelhäuser gekauft, umstrukturiert und sie ins Firmennetzwerk eingegliedert. Gewerkschaftsvertreter seien rausgedrängt oder mit Prämien zum Gehen motiviert worden, erklärt Schulten im Gespräch.

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Auch habe XXXLutz für übernommene Möbelhäuser teils mehrere neue Unternehmen gebildet: eins für das Verkaufspersonal, eins für die Verwaltung, eins für Lager und Verkauf. «Das Personal ist dann nicht mehr direkt beim Möbelhaus angestellt, sondern bei tariflosen Dienstleis„ tungsgesellschaften, und das zu deutlich schlechteren Arbeitsbedingungen», sagt Schulten.

Auf die Broschüre und das Medienecho reagierte XXXLutz mit der konzerneigenen Strategie: totschweigen. Bis heute hat Schulten nie etwas aus Österreich gehört. Völlig wirkungslos war der Bericht indes vielleicht nicht. Zumindest fuhr Seifert und seine Truppe in der Schweiz bisher mit keinen derartigen Methoden auf. Zwar gerieten jüngst die Arbeitsbedingungen bei Mömax in die Kritik. Gemäss einem Artikel der «SonntagsZeitung» berichten Mitarbeitende von «psychischem Stress», «diktatorischem Umgang» und einem «toxischen Arbeitsklima». Statt Fixlohn, wie beim Vorgänger Interio, gibt es nun ein knallhartes Provisionsmodell.

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Bei der Gewerkschaft Unia liegen aber derzeit keine Beschwerden vor. Und eine ehemalige Kaderperson sagt zu BILANZ, dass die Anstellungsbedingungen für die Mitarbeitenden von Beginn an klar und transparent gewesen seien. Dass «vielen Mitarbeitern der Übergang von Interio zum straff geführten Harddiscounter Mömax schwergefallen» sei, verstehe er gut. Den hohen Leistungsdruck waren sie nicht gewohnt, was bis ins Kader zu zahlreichen Abgängen führte.

Foto Manuel Geisser 21.10.2020 Schönbühl BE : Möbelhauskette Mömax in Schönbühl *** Photo Manuel Geisser 21 10 2020 Schönbühl BE furniture store chain Mömax in Schönbühl PUBLICATIONxNOTxINxSUI
imago images/Geisser
Foto Manuel Geisser 21.10.2020 Schönbühl BE : Möbelhauskette Mömax in Schönbühl *** Photo Manuel Geisser 21 10 2020 Schönbühl BE furniture store chain Mömax in Schönbühl PUBLICATIONxNOTxINxSUI
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  • Hauptsitz: Rothrist AG
  • Filialen: 6
  • Umsatz: um 100 Millionen Franken (BILANZ-Schätzung)
  • Geschäftsführer: Bertrand Lefort und Régis Paudex
  • Anzahl Mitarbeitende: ca. 200

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Es sind zwei unterschiedliche Welten: Hier die gemächliche Interio, die notabene in Spreitenbach, Luzern und Basel knapp profitabel und in den Westschweizer Filialen hochdefizitär war und wo sich das Personal genügend Zeit nehmen konnte für Kunden. Dort der raue Billiganbieter, der davon lebt, dass die Ware möglichst schnell dreht, wo jede Abteilung Umsätze bolzen muss und wo klar definiert ist, wie viel eine Abteilung mit welcher Personaleinheit erzielen soll. «Scheitert man, wird nicht lange gefackelt und Personaleinheiten abgebaut», so ein Insider.

Als promovierter Jurist weiss Andreas Seifert, wie weit er den gesetzlichen Spielraum ausreizen darf. Arbeitsforscher Schulten sagt: Das System Lutz sei so undurchschaubar wie perfekt gemacht. Er habe schon fast eine Faszination entwickelt für die Leute in der Zentrale, die sich das alles ausdenken. Eigentlich müssten Unternehmen in Österreich vieles offenlegen im Unternehmensregister. Die extreme Verschachtelung und die vielen Gesellschaften bilden jedoch einen Schutzschirm der Intransparenz.

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Am Schluss fliesst alles in die nicht einsehbaren Privatstiftungen LSW und WSF. Sie entstammen den beiden Familiensträngen um Andreas Seifert und seinen Bruder Richard, der 2017 verstorben ist und dessen Sohn Michael nun als Verantwortlicher gilt. Er steht mit Andreas Seiferts Töchtern Nikola und Nicole etwa der österreichischen XLCH Holding GmbH vor – der Besitzerin der 2017 im Handelsregister eingetragenen XLCH GmbH, in der das Schweizer Geschäft gebündelt ist. Michael und Nikola sitzen zudem im Verwaltungsrat der Möbel Pfister AG. Die nächste Generation ist also installiert, wenngleich der Patron noch immer die Fäden in der Hand hält.

Das Unternehmen sei stark von der Familienkultur geprägt, sagt eine Person, die sich in der österreichischen Möbelbranche auskennt. Es sei fast schon eine Sekte, ein kleiner Kreis, der stark zusammenhält. «Die Familie Seifert will immer die grösste, die mächtigste und die entscheidende sein», sagt ein Unternehmer, der mit ihr zu tun hatte. Das Familienvermögen wurde 2009 auf 650 Millionen Euro geschätzt. Damals erzielte das Unternehmen erst einen Umsatz von 2,35 Milliarden. Laut Branchenmagazin «Möbelkultur» waren es 2020 bereits 6,8 Milliarden, was wohl realistischer ist als die vom Unternehmen veröffentlichte Umsatzzahl. Entsprechend dürfte das Vermögen stark zugelegt haben. In einer anderen Liga spielen aber weiterhin die Ikea-Besitzer: Die Familie Kamprad kommt auf von BILANZ geschätzte 55 bis 56 Milliarden Franken.

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Die erste Filiale des oesterreichischen Moebelhaendlers XXXLutz der Schweiz, fotografiert am 6. April 2018 in Rothrist, Kanton Aargau. (KEYSTONE/Patrick Huerlimann)
Keystone
Die erste Filiale des oesterreichischen Moebelhaendlers XXXLutz der Schweiz, fotografiert am 6. April 2018 in Rothrist, Kanton Aargau. (KEYSTONE/Patrick Huerlimann)
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  • Hauptsitz: Wels (Ö)
  • Filialen: 350 (inkl. aller Marken)
  • Umsatz: 5,34 Milliarden Euro
  • Inhaber und Chef: Andreas Seifert
  • Anzahl Mitarbeitende: 25'700

Seinen Ursprung hat der Ikea-Angreifer in der oberösterreichischen Provinz, wo der Name der Arztfamilie Lutz weit herum ein Begriff war. Die jüngste Tochter, Gertrude Seifert, gab deshalb 1945 der frisch gegründeten Möbelmanufaktur den Namen «Lutz Möbel». Ende der 1950er Jahre stellte sie vom Kunstgewerbe auf die Herstellung günstiger Möbel um, zwanzig Jahre später übernahm die nächste Generation um Andreas Seifert.

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Sparsamkeit gilt für Andreas Seifert als Tugend

Die Scheu vor der Öffentlichkeit ist längst Familientradition. Und sie geht so weit, dass Seifert in einer Videokonferenz mit einem möglichen Übernahmekandidaten explizit darauf hinwies, dass er inkognito bleiben wolle, wie eine involvierte Person schildert – ganz in der Tradition etwa der Lidl- und Aldi-Gründer. «Seifert ist es wichtig, in einem Laden einkaufen zu können, ohne erkannt zu werden.» Auch der Lebensstil ist unauffällig. Weder Prunkbauten noch Yachten oder Luxusautos sind, soweit bekannt, in seinem Besitz. Sparsamkeit gilt für ihn als Tugend, auch im Unternehmen.

Falsch wäre es jedoch, den Mann zu unterschätzen. In der Branche wird seine unternehmerische Leistung durchaus respektiert. Andreas Seifert sei einer, der noch an den stationären Handel glaube, heisst es. Einer, der auch möglichst die Immobilien der Möbelhäuser besitzen wolle und im Gegensatz zu vielen Managern die langfristige Perspektive über kurzfristige Profite stelle. So zählt er besonders auf Mitarbeitende, die sich über Jahre im Konzern hochgearbeitet haben und nun loyal zu ihm halten.

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Seifert kann auch unangenehm werden. Einer, der früher mit ihm in einem Einkaufsverbund zu tun hatte, sagt, dass Seifert an Sitzungen jeweils einen Riesenstapel Arbeit parallel erledigt habe. «Trotzdem war er präsent und intervenierte sofort bei allen Dingen, die Kosten hätten verursachen können.» Das sei ein wichtiger Erfolgsfaktor: alle Kosten auf ein Minimum zu reduzieren und dabei vor nichts haltzumachen. «So mancher, der mit Seifert verhandelte, hatte danach schon einmal das Gefühl, nicht mehr mit allen Körperteilen den Raum verlassen zu haben.»

Die Lutz-Crew

Conforama-Chef Bertrand Lefort
Meinrad Fleischmann (blaues Sacko) und Christian Kobler (jung, schwarzes Sacko). Aufgenommen am 23. Februar 2018 in Rothrist.
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Rudolf Obrecht, VR-Prasident Pfister Holding
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Bertrand Lefort Schweiz-Chef der XXXLutz-Gruppe.

Daniel Balmat

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Die rabiaten Methoden, mit denen XXXLutz immer wieder in Negativschlagzeilen gerät, sind wohl nötig. Zumindest wenn der tollkühne Plan gelingen soll, den global unangefochtenen Möbelgiganten Ikea vom Thron zu stossen. Es ist etwa so, als käme ein Österreicher auf die Idee, Zuckerwasser mit einer leicht mysteriösen Ingredienz anzureichern, in silbrig-blaue Dosen abzufüllen und damit den Weltbrand Coca-Cola anzugreifen. Da bringt man besser einen starken Kampfeswillen mit. Doch Seifert ist tatsächlich auf gutem Weg, einen Gegenpol zu den Schweden aufzubauen. Vertreten ist die Lutz-Gruppe bereits in 13 europäischen Ländern.

Ikea eröffnete die erste nichtschwedische Filiale vor bald 50 Jahren in Spreitenbach. Dass Lutz den Konkurrenten an diesem Standort mit Pfister, Conforama und Mömax immer mehr einkesselt, hat auch symbolischen Charakter. Vom Grossraumbüro der Ikea-Zentrale aus sieht man ins benachbarte Dietikon, wo die Österreicher einen riesigen Laden hinknallen und wo bereits ein Lipo steht.

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Die Expansionswelle beunruhigt Ikea-Schweiz-Chefin Jessica Anderen aber nicht. Sie empfängt früh an einem Freitagmorgen auf einen Kaffee. Ohnehin hat sie derzeit andere Sorgen. «Wir schauen gerade, wie wir für die Flüchtlinge Nothilfe leisten können», sagt Anderen. Denkbar wäre etwa, gewisse Unterkünfte mit Möbeln auszustatten. Anders als bei XXXLutz sind die Hierarchien hier flach, und das Wohlbefinden der Mitarbeitenden hat höchste Priorität. Wie aber nimmt sie das Vorpreschen des Konkurrenten wahr? «Wir verfolgen eine andere Strategie», sagt Anderen. «Wir wollen organisch wachsen und nicht mit Übernahmen.»

In der Schweiz sieht sie noch Potenzial. Direkt beim Bahnhof in Chur eröffnet im Herbst eine neue Mini-Ikea auf 565 Quadratmetern. Ein Jahr später wird in der Walliser Gemeinde Riddes die zehnte grossflächige Filiale starten. Zwar hat der Onlineverkauf zuletzt stark angezogen, Anderen sieht aber, dass die Kunden noch immer Beratung und den direkten Austausch schätzen, und sei es nur zur Bestätigung, dass ein Möbel zu ihnen passe.

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Die Gegenspieler

Jessica Anderen, CEO Ikea Schweiz, posiert im Cabaret Voltaire anlaesslich der Jahresmedienkonferenz von IKEA, aufgenommen am Donnerstag, 15. Oktober 2020 in Zuerich. (KEYSTONE/Ennio Leanza)
Oliver Roth, Livique
Poirtig P
Roger Maerki mit Partnerin Jrina Kalentyeva.
1 / 4

Jessica Anderen Seit 2019 CEO von Ikea Schweiz.

keystone-sda.ch

Mit anderen Worten: Der Verkauf in den Läden, worauf die Lutz-Gruppe stark setzt, brummt weiterhin. Ikea, die im letzten Geschäftsjahr mehr als 1,2 Milliarden Franken umsetzte, könnte die Österreicher schon bald wieder einholen. Es ist ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Und es ist ein Kampf der Strategien: Die Schweden setzen auf Nachhaltigkeit, skan„ dinavisches Design und ein gutes Image. Die Österreicher primär darauf, ihren Kunden die grösste Auswahl zum kleinsten Preis anzubieten, wie ein eigener Slogan besagt.

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Schwaches Management 

Dass Andreas Seifert in der Schweiz derart leichtes Spiel hatte, ist auch von der Konkurrenz selbst verschuldet. Pfister zum Beispiel, sagt ein Experte, hätte nicht verkauft werden müssen, um eine Zukunft zu haben. Erstens war die Stiftung finanziell gut ausgestattet, zweitens hätte es die Grösse erlaubt, sich im E-Commerce Kompetenzen zuzukaufen.

Doch das Management von Pfister war stets von Turbulenzen geprägt. Erst ging 2015 der damalige Chef Meinrad Fleischmann. 2019 verliess auch sein Nachfolger Matthias Baumann fast schlagartig das Möbelhaus. Beide hatten Differenzen mit dem langjährigen Verwaltungsratspräsidenten Rudolf Obrecht. Fleischmann übernahm schliesslich in dieser Zeit ein Beratungsmandat, das inzwischen ausgelaufen ist, und ebnete Lutz den Weg in die Schweiz. Von der Pfister-Übernahme Ende 2019 erfuhr er aus den Medien; Deals werden nur in der obersten Etage und im kleinsten Kreis abgewickelt.

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Filiale von Moebel Pfister in Zuerich am Mittwoch, 21. Oktober 2015. Im Schweizer Moebelfachhandel kommt es zu einer grossen Fusion. Die Pfister Arco Holding uebernimmt per sofort Moebel Hubacher. Das teilte die Muttergesellschaft des groessten Moebelhaendlers Moebel Pfister am Mittwoch mit. (KEYSTONE/Walter Bieri)
Keystone
Filiale von Moebel Pfister in Zuerich am Mittwoch, 21. Oktober 2015. Im Schweizer Moebelfachhandel kommt es zu einer grossen Fusion. Die Pfister Arco Holding uebernimmt per sofort Moebel Hubacher. Das teilte die Muttergesellschaft des groessten Moebelhaendlers Moebel Pfister am Mittwoch mit. (KEYSTONE/Walter Bieri)
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  • Hauptsitz: Suhr AG
  • Filialen: 18
  • Umsatz: 600 Millionen Franken (BILANZ-Schätzung)
  • Geschäftsführer: Paul Holaschke
  • Anzahl Mitarbeitende: 1200

Obrecht sagt, dass die betriebswirtschaftlichen Zahlen bei Pfister zwischen 2011 und 2019 schlecht gewesen seien – aufgrund der Frankenstärke und der Globalisierung im Möbelmarkt. Das Unternehmen, damals im Besitz der F.G.-Pfister-Stiftung, musste in dieser Zeitspanne 400 Arbeitsplätze abbauen. Obrecht sah zwei Optionen: weiterschrumpfen und weitere Arbeitsplätze abbauen oder wachsen und Skaleneffekte nutzen.

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Der Stiftungs- und der Verwaltungsrat hätten sich schliesslich, gestützt auf die Stiftungsurkunden, für den Verkauf und damit die Sicherung der Arbeitsplätze entschieden, sagt er. «Die Entwicklung der Möbel Pfister AG seit dem Verkauf hat uns recht gegeben.» Der Umsatz sei wieder markant gewachsen, und man habe seit 2019 mehrere hundert Arbeitsplätze geschaffen. Im November eröffnete Pfister nun erstmals nach zehn Jahren eine neue Filiale, in Affoltern am Albis.

Der Conforama-Coup 

Noch leichteres Spiel hatte Seifert mit Interio. Migros wollte das unrentable Möbelhaus rasch aus dem Portfolio streichen, und fand mit dem Österreicher einen Abnehmer, der sich mit sechs Standorten noch so gerne die Rosinen für seine Discountermarke Mömax herauspickte.

Auch bei Conforama trat Seifert als lachender Dritter auf. Die in Schieflage geratene südafrikanische Gruppe Steinhoff wollte die Möbelhäuser loswerden. Dem Vernehmen nach wollte Seifert schon 2019 zuschlagen – der Deal mit dem französischen Mutterhaus kam aber nicht zustande. Darauf wurde das hiesige Management aktiv und suchte selbst nach einem Weg für ein Buy-out.

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Foto Manuel Geisser 14.01.2022 Aargau , Conforama Möbelhandelskonzern *** Photo Manuel Geisser 14 01 2022 Aargau , Conforama furniture retail group
imago images/Geisser
Foto Manuel Geisser 14.01.2022 Aargau , Conforama Möbelhandelskonzern *** Photo Manuel Geisser 14 01 2022 Aargau , Conforama furniture retail group
imago images/Geisser
  • Hauptsitz: Ecublens VD
  • Filialen: 22
  • Umsatz: 400 Millionen Franken
  • VRP: Matthias Ley
  • Anzahl Mitarbeitende: 1200

Mit Dan Mamame zogen sie einen willigen Investor an Land – einen Branchenfremden, der mit seinem Unternehmen Power Data Produkte wie Kopfhörer oder Drohnen importiert und sie an Supermärkte verteilt. Und dem es schliesslich gelang, im Sommer 2020 den Conforama-Deal alleine einzutüten.

Kurz nach dem Coup gab er Anteile an die Lutz-Gruppe ab. Gemäss einem Dokument, das BILANZ vorliegt, ging im September 2021 bei der Wettbewerbskommission (Weko) eine Meldung über den Zusammenschluss ein: auf der einen Seite die Sems CH 2 AG (XXXLutz), auf der andern die Arole Holding SA (Conforama). Laut Insidern besitzen die Österreicher inzwischen 50 Prozent an Conforama Schweiz.

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Das Sagen haben sie sich auch längst gesichert, wie Recherchen zeigen: Präsidiert wird das Unternehmen neu vom Österreicher Matthias Ley, einem engen Mitarbeiter Seiferts. Dass die Österreicher früher oder später Conforama ganz schlucken werden, ist vorgespurt.

Lipo wiederum sollte bis zum Sommer an die Lutz-Gruppe übergehen. Da dank den konkurrierenden Möbelhäusern von Ikea, Livique (Coop), Micasa (Migros) und Möbel Märki keine Monopolstellung entsteht, wird die Weko die Lipo-Übernahme durchwinken. Lutz stellt sich auf für ein Powerplay. Und deckt vom Billiganbieter bis zum Premiumsortiment die ganze Palette ab.

Das Logo der Lipo Einrichtungsmaerkte AG bei der LIPO Filiale in Emmen im Kanton Luzern, am Montag, 10. Januar 2022. Die oesterreichische XXXLutz-Gruppe uebernimmt Lipo: nebst den 23 Lipo-Filialen uebernimmt XXXLutz auch den Online-Shop, das Logistik-Team in Derendingen sowie das Service-Center in Pratteln. (KEYSTONE/Urs Flueeler)
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Das Logo der Lipo Einrichtungsmaerkte AG bei der LIPO Filiale in Emmen im Kanton Luzern, am Montag, 10. Januar 2022. Die oesterreichische XXXLutz-Gruppe uebernimmt Lipo: nebst den 23 Lipo-Filialen uebernimmt XXXLutz auch den Online-Shop, das Logistik-Team in Derendingen sowie das Service-Center in Pratteln. (KEYSTONE/Urs Flueeler)
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  • Hauptsitz: Pratteln BL
  • Filialen: 23
  • Umsatz: 200 Millionen Franken
  • Geschäftsführer: Adrian Grossholz
  • Anzahl Mitarbeitende: 635

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Das rasant zusammengebaute Möbelreich wirkt zwar wie ein grosser Flickenteppich. Zusammengehalten wird dieser aber durch die starke Naht des hauseigenen Einkaufsverbands Giga International. «Das ist der grosse Hebel des Unternehmens», sagt ein Experte.

Lutz bündelt darin für alle Möbelhäuser und Beteiligungen die Einkäufe. «Dank der grossen Volumina haben sie eine starke Position gegenüber Lieferanten.» Und die wird auch ausgespielt, wie verschiedene Möbelhersteller bestätigen. Die Österreicher feilschen nicht um Preise, sondern geben klar vor, was sie bereit sind zu bezahlen – «friss oder stirb», heisse es dann.

Forciert werden besonders die hochmargigen Eigenmarken, die inzwischen auch bei Pfister den grössten Anteil ausmachen. Während sich Händler oft mit tiefen einstelligen Margen begnügen, komme der Konzern laut Experten mit seinen eigenen Brands in den hohen zweistelligen Bereich. Doch gleichzeitig entsteht so die Gefahr des Einheitsbreis. Ein ehemaliger Mömax-Kader sagt, dass er letzthin bei Pfister mehrere Sofas sichtete, die es in ähnlicher Variante schon bei Mömax gegeben habe.

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