Guten Tag,
Der Microsoft-Gründer hat sich Problemen wie dem Welthunger verschrieben. Doch innovative Lösungen würden dabei zu wenig Beachtung finden.
Horst von Buttlar
Allein 2024 will Bill Gates mit seiner philanthropischen Stiftung 8,6 Milliarden Dollar investieren – vor allem im Gesundheitsbereich.
John Keatley/Redux/laifWerbung
Ohne Frage leben wir in schwierigen Zeiten, aber ich bleibe optimistisch. Es gibt so viele Innovationen! Nicht alle machen so grosse Schlagzeilen wie ein Bombenangriff oder produzieren Bilder, die um die Welt gehen – was nicht heissen soll, dass darüber nicht berichtet werden muss. Wir übersehen dabei aber oft die positiven Dinge. Das Innovationstempo war noch nie so hoch wie heute! Forscher machen grosse Fortschritte bei Problemen wie Alzheimer, Übergewicht und anderen Krankheiten, die das Leben von Millionen Menschen verbessern werden. Nehmen Sie etwa die HPV-Impfung, um viele Fälle von Gebärmutterhalskrebs zu verhindern.
Es passiert eine Menge guter Dinge in der Welt. Einer meiner Freunde, der verstorbene Hans Rosling, pflegte zu sagen, dass «die Dinge schlecht sein können und trotzdem besser werden». Die Menschheit ist klüger darin geworden, bestimmte Güter bereitzustellen. Ein Beispiel: Als wir um die Jahrhundertwende mit der Arbeit der Stiftung begannen, starben jedes Jahr über zehn Millionen Kinder vor ihrem fünften Lebensjahr. Im Jahr 2000 haben wir die Impfstoffinitiative Gavi mit ins Leben gerufen, die Impfstoffe für Kinder in armen Ländern kauft. Inzwischen sterben weniger als fünf statt zehn Millionen Kinder. Die Pandemie hat leider viele Bemühungen zurückgeworfen. Bis 2040 kann die Weltgemeinschaft diese Zahl sicher noch einmal halbieren. Es sind allmähliche Verbesserungen über Jahre. Leider fahren viele Staaten ihre Ausgaben für Gesundheit wieder zurück.
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Die Todesfälle bei Kindern unter fünf Jahren sind weltweit um mehr als die Hälfte zurückgegangen.
PDDie Todesfälle bei Kindern unter fünf Jahren sind weltweit um mehr als die Hälfte zurückgegangen.
PDGenau: Kosten für Energie, das Militär, Flüchtlinge. Deshalb hat die Aufmerksamkeit vieler Regierungen nach der Pandemie nachgelassen. Die Gates Stiftung wird nicht nachlassen und im laufenden Jahr 8,6 Milliarden Dollar investieren.
Einige spannende Innovationen, die das Leben vieler Menschen verbessern werden. (Er nimmt ein kleines Ultraschallgerät in die Hand.) Mit diesem Gerät kann man überall zu geringen Kosten einen einfachen Ultraschall machen, man schliesst das Gerät einfach ans Smartphone oder ans iPad an, das Ganze ist KI-gestützt. (Er greift nach einem weiteren kleinen, kreisrunden Gegenstand.) Oder nehmen Sie dieses Pflaster. Es gibt Impfstoffe durch die Haut ab und benötigt keine Nadeln, keine Kühlkette und nicht einmal eine medizinische Fachkraft. Mit diesen sogenannten Vaccine Microarray Patches (VMAPs) können lebensrettende Impfungen überallhin gelangen. In ersten Versuchen hat ein VMAP Masern-Röteln-Impfstoffe so sicher und wirksam wie eine Spritze verabreicht.
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Bill Gatesʼ Rucksack voller innovativer medizinischer Produkte.
PDBill Gatesʼ Rucksack voller innovativer medizinischer Produkte.
PDNein, das Problem ist eher, dass wir uns nicht mehr genug um Innovationen und Hilfe für arme Länder kümmern. Nehmen Sie etwa Moskitonetze zum Schutz vor Malaria. Die finanziert fast nur noch unsere Stiftung.
Ja, unser Malaria-Team sagt mir, sie könnten locker doppelt so viel ausgeben. Geld ist der begrenzende Faktor, wenn es darum geht, wie schnell wir dafür sorgen können, dass 500'000 Kinder pro Jahr Malaria überleben. Die Welt stellt nicht genügend Ressourcen bereit, die Verteilung stockt – viele Länder in Afrika kommen nicht mehr so leicht an Kredite, und die Zinsen sind gestiegen. Es gibt einfach viele Krankheiten, für die Unternehmen keinen Markt sehen. Dabei sind die Innovationen so unglaublich! Allein was bei der genetischen Sequenzierung inzwischen möglich ist – dadurch erfahren wir mehr über den Einfluss des Mikrobioms, der Billionen von Mikroorganismen in unserem Darm, die bei der Verdauung helfen und unser Immunsystem regulieren.
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Wenn ich nur ein Problem lösen könnte, so wäre es das der Unterernährung. Eines von vier Kindern ist weltweit betroffen. Wer in den ersten zwei Lebensjahren nicht ausreichend ernährt wird, kann sich nicht richtig entwickeln. In den vergangenen zehn Jahren haben wir mehr über das Darmmikrobiom gelernt als in den 1000 Jahren davor. Man weiss nun mehr über Entzündungen im Darm – und dass das Mikrobiom unterernährter Säuglinge Nährstoffe nicht so gut verarbeitet wie das gesunder Kinder, selbst wenn das Kind genügend Kalorien zu sich nimmt. Mit unseren Partnern entwickeln wir Nahrungsergänzungsmittel mit Mikronährstoffen, die das Mikrobiom verbessern, damit die Kinder gesünder aufwachsen.
Nun, bei der Klimakonferenz in Dubai waren immer noch ganz schön viele Menschen aus vielen Ländern, oder? Klar, nicht jeder Teilnehmer brachte eine bahnbrechende Innovation mit. Aber die Technologien im Kampf gegen den Klimawandel werden, trotz aller Rivalität, global sein – die Kernfusion, die Herstellung von grünem Stahl und Zement, die Herstellung von Wasserstoff. Der Streit dreht sich um die Frage von Lieferketten, ob sie in den USA, Europa oder China liegen. Da geht es um Fabriken, Jobs und Resilienz. Und ja, wenn wir nicht aufpassen, kann das den Kampf gegen den Klimawandel verlangsamen. Aber die Welt steckt da gemeinsam drin. Wir müssen so innovativ sein, dass die «grüne Prämie» – also die Mehrkosten, eine grüne Technologie zu nutzen – auf null sinkt. Es sind die reichen Länder, die über die Innovationskraft verfügen und diese Projekte finanzieren sollten, mit denen die Umweltprämien sinken. Erst dann werden Länder wie Indien sie auch nutzen. Wenn die reichen Länder kooperieren – China ist wohl ein Sonderfall –, werden Technologien weltweit genutzt werden.
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Neue Technologien verbreiten sich meistens in reichen Ländern. Ärmere Länder erreichen sie meist mit deutlicher Verzögerung. Das dauert zu lange. Ich möchte diese Zeitspanne verkürzen oder sogar beseitigen. In Ländern wie den USA sind wir noch etwa 18 bis 24 Monate davon entfernt, dass die Bevölkerung künstliche Intelligenz in nennenswertem Umfang nutzt. In afrikanischen Ländern rechne ich mit etwa drei Jahren.
Für die reichen Länder ist es eine grossartige Sache, dass künstliche Intelligenz beispielsweise die Arbeit von Ärzten erleichtert und darin unterstützt, bessere Entscheidungen zu treffen. Microsoft ist voll mit dabei, und es macht Spass, das zu sehen. Doch in Afrika gibt es Gegenden ohne Ärzte, da kann die KI bei Diagnosen unterstützen – wie beim Ultraschall. Arme Länder werden andere Anwendungen haben. Anbieter im Westen würden nicht über einen Tutor für Bildung in einer afrikanischen Muttersprache nachdenken. Sie würden auch nicht über einen KI-Gesundheitsberater nachdenken, welcher sich mit Malaria und Würmern auskennt. Ich war im Herbst im Senegal und habe tolle Ansätze gesehen; die werden wir unterstützen.
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Microsoft-Gründer Bill Gates (68) startete mit seiner Frau im Jahr 2000 die Bill & Melinda Gates Foundation. Sie gehört zu den wichtigsten Geldgebern und Partnern in den Bereichen Gesundheitsvorsorge und Entwicklungszusammenarbeit. 2024 wird sie ihr Budget auf die Rekordsumme von 8,6 Milliarden Dollar ausweiten.
Bill Gates im Rahmen der Bill & Melinda Gates Foundation.
PDBill Gates im Rahmen der Bill & Melinda Gates Foundation.
PDDas wird noch Zeit brauchen. Aber im besten Fall wird KI uns alle sehr viel produktiver machen. Bei allen technologischen Revolutionen haben die Leute gefragt, was aus bestimmten Jobs wird – etwa in der Landwirtschaft. Die Bauern wussten nicht, dass es einmal Jobs in Massagesalons und Nagelstudios geben würde. Es wird auch diesmal ganz neue Bedürfnisse geben.
Ich verstehe viele Bedenken. Viele Technologien bringen Nutzen und Gefahren, das haben wir schon bei der Atomenergie erfahren. Wir müssen sicherstellen, dass die Guten noch vor den Bösen über bessere Mittel verfügen. Wie die meisten Technologien ist auch KI sehr verführerisch. Auch privat muss man sich überlegen: Okay, mein Kind sitzt da und spricht mit der KI. Wie soll ich das regeln? Aber ist es nicht das Gleiche wie mit den Videospielen? Also: Es braucht noch eine Menge Überzeugungsarbeit. Man muss die Kosten im Hintergrund senken. Aber allein schon bei der Programmierung sind die Leute um 40 Prozent effizienter. Klar ist: KI wird unsere Innovationspipeline massiv erweitern.
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In jedem Unternehmen gibt es Fähigkeiten, die es einzigartig machen, und Dinge, die jedes andere Unternehmen auch tut: die sogenannten zentralen und horizontalen Tätigkeiten. Bei den horizontalen sollten Unternehmen ihre Mitarbeiter – insbesondere die jüngeren, die aktiver sind – ermutigen, ChatGPT oder andere KI-Tools zu nutzen und zu sehen, wo dies wirklich gut ist, etwa beim Zusammenfassen oder bei der Suche, sei es im Verkauf oder im Service. Da muss man immer auf dem neusten Stand sein, denn die Konkurrenz wird dasselbe tun. Was aber macht man in seiner Kernkompetenz? Was tue ich, wenn ich Autos entwerfe, ein Anwalt oder ein Architekt bin? Da muss man wirklich strategisch überlegen: Muss ich eine spezielle Ausbildung machen? Muss ich mit anderen Organisationen zusammenarbeiten? Gibt es ein vertikales Softwareunternehmen, das sich mit Recht oder Architektur befasst? Die meisten vertikalen Unternehmen bauen eine Plattform auf. Darum sollte sich jede Firma kümmern.
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