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Sergio Ermotti im Gespräch

«Wir sind keine Monsterbank»

Am Ende eines historischen Bankjahres zieht der UBS-Comeback-CEO Sergio Ermotti im BILANZ-Business-Talk Bilanz.

Dirk Schütz

Sergio Ermotti

Schärfere Aufsicht, bitte: Sergio Ermotti (r.) fordert im Gespräch mit Dirk Schütz härtere Ahndung bei grober Fahrlässigkeit.

 

 

Markus Senn für BILANZ

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Das erste Interview, das Sie BILANZ gegeben haben, war 2010 in Davos. Die erste Frage lautete: «Macht es eigentlich noch Spass, Banker zu sein?» Ihre legendäre Antwort: «Nur, wenn man Masochist ist.» Herr Ermotti, wie viele masochistische Elemente hat Ihr Beruf heute?

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Ja, seit ich zurück bin, schon einige (lacht). Aber damals, direkt nach der Finanzkrise, war es nicht einfach, Banker zu sein – die Banken waren berechtigter Kritik ausgesetzt. Heute hat sich die Situation deutlich gebessert. Aber es ist noch immer eine Herausforderung – vor allem die Balance zu erhalten zwischen den Anforderungen des Tagesgeschäfts und einer gewissen Handlungsflexibilität bei Opportunitäten.

Sie sagten, es sei ein «Call of Duty», gewesen, zur UBS zurückzukehren. Was hat Sie dazu bewogen?

Ich war immer der Meinung, dass für mich auch nach neun Jahren an der UBS-Spitze noch ein Kapitel offen war. Und ich bin überzeugt, dass wir mit der CS-Übernahme eine Erfolgsgeschichte schreiben können. Und schliesslich ist es auch eine Chance zu zeigen, dass wir nach der Staatsrettung in der Finanzkrise Teil der Lösung und nicht mehr Teil des Problems sein können.

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Für uns war es schon immer ein Thema: Wie können wir anorganisch wachsen, ohne unser Geschäftsmodell zu stark zu verändern? Und da war die CS ein optimaler Kandidat. Für uns war seit dem Jahr 2016 klar, dass dort etwas nicht ideal läuft. Und wir mussten uns auch vorbereiten, damit kein anderer Player zum Zug kommt.

Der Deal, den Sie damals anstrebten, wäre eine klassische Fusion gewesen. Das CS-Management hätte grösseren Einfluss gehabt, die Wettbewerbskommission hätte wohl gerade im Schweiz-Geschäft massiv eingegriffen. Jetzt können Sie den Rivalen ohne jegliche Widerstände integrieren und bekommen noch 30 Milliarden Eigenkapital in die Kasse – ein Traumdeal.

Der Wert der CS und die Franchise der CS wären damals aber auch grösser gewesen. Viele Probleme hätten wir damals vielleicht auch anders gelöst. Jetzt mussten wir innert 72 Stunden entscheiden.

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Sie sagten, Sie hätten seit 2016 gewusst, dass bei der CS nicht alles rund läuft. Haben die Schweizer Regulatoren, allen voran die Finma, nicht hart genug durchgegriffen?

Wir brauchen auf jeden Fall mehr Klarheit. Wenn es zum Beispiel um grobe Fahrlässigkeit geht, sollte es einfacher sein, diese über die Regulatoren zu adressieren. Das ist heute nicht einfach. Und dann müssen wir schauen, wer die einzelnen Verantwortlichen sind. Es kann nicht sein, dass die Aktionäre und die Mitarbeiter dafür zahlen müssen.

Haben Sie das Gefühl, dass die Regulatoren in der Schweiz schwächer sind als in England oder den USA?

Nein. Die Schweiz hat ein weltweit anerkanntes System. Aber es gibt Lücken. Wir mussten Notfallklauseln für verschiedene Bereiche einführen, die eigentlich schon lange adressiert waren, etwa die staatliche Liquiditätsversorgung über den Public Liquidity Backstop. Ich begrüsse die Arbeit der Parlamentarischen Untersuchungskommission, welche die Dinge genau unter die Lupe nimmt. Es geht aber mehr um die Qualität als die Quantität der Regulierung.

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Waren Sie überrascht, dass die Fusion im Wahlkampf keine grosse Rolle gespielt hat?

Wir haben die Staatsgarantie zurückgezahlt und damit das Problem vom Steuerzahler genommen – und deshalb ist wahrscheinlich etwas Luft aus dem Thema gewichen. Ich bin froh darüber, denn ich glaube, dass die Schweiz ganz andere Probleme hat.

Trotzdem ist das Thema aktuell. Gerade wurde der Ausdruck «Monsterbank» in der Deutschschweiz zum Wort des Jahres gewählt.

Schlagzeilen sollten mit etwas mehr Verantwortung gemacht werden. Die UBS wird nach der Integration der CS 40 Prozent grösser sein als Anfang März. Sie wird in der Schweiz so gross sein wie die CS 2004. Wir schaffen Mehrwert, nicht nur für den Arbeitsmarkt. Die Finanzindustrie trägt 10 Prozent zur Wirtschaftsleistung bei und zahlt 40 Prozent der Unternehmenssteuern. Konkret hat die UBS letztes Jahr 2,3 Milliarden Franken Steuern bezahlt. Uns einfach auf die Grösse zu beschränken, ist falsch. Man muss auch die Qualität der Bilanz anschauen und die Tatsache berücksichtigen, dass wir bei der CS-Rettung Teil der Lösung waren. Wir sind keine Monsterbank.

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Auch global nicht.

Wir sind nach Börsenwert die Nummer 21 oder 22.

Warum haben Sie bereits so früh auf die Staatsgarantien verzichtet?

Es war keine taktische Entscheidung. Wir hatten im März nur 72 Stunden Zeit, um die Lage zu beurteilen. Es wäre für die Bank, für die Aufsichtsbehörden, für den Bundesrat und für alle unverantwortlich gewesen, am Montag nach der Verkündung der Übernahme ohne eine gewisse Sicherheit an die Finanzmärkte zu gehen. Ab Mitte Juli haben wir uns vertieft mit den Risiken auseinandergesetzt und sind zum Schluss gekommen, dass die Garantie nicht mehr notwendig ist. Die UBS musste die ersten fünf Milliarden Verlust sowieso übernehmen. Und die Wahrscheinlichkeit, dass der Bund noch Geld verliert, war sehr gering. Da war es einfach richtig, die Garantie zurückzuzahlen – nicht nur gegenüber unseren Aktionären, sondern auch gegenüber dem Steuerzahler.

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Dieser Schritt belegt auch, dass die CS kein Kapitalproblem hatte.

Ja, sie hatte genug Kapital. Sie ist untergegangen, weil sie ein falsches Geschäftsmodell hatte und einen Vertrauensverlust.

Sie haben auch sehr früh die Zahl der Entlassungen bekannt gegeben und sie auf 3000 Stellen beziffert. Schnell kam es zu Spekulationen, dass diese Zahl viel zu niedrig sei.

Die Zahl der proaktiven Kündigungen, die wir in der Schweiz vornehmen werden, liegt bei 3000. Das ist schmerzhaft, aber unvermeidbar. Die CS hat strukturell drei bis vier Milliarden pro Jahr verloren. Durch Synergien allein lässt sich das nicht kompensieren.

Wie interessant war es für Sie, Einblick in das genaue Zahlenwerk des langjährigen Rivalen zu erhalten? Haben Sie Überraschungen vorgefunden?

Nichts Aussergewöhnliches. Wir haben ähnliche Geschäftsmodelle, aber nicht unbedingt immer die gleichen Kunden. Und selbst wenn die Kunden gleich sind, sind sie nicht unbedingt gleich gross. Aber wir haben gute Mitarbeiter angetroffen, und ich hoffe sehr, dass sie jetzt die Motivation haben, ihre Leistung in die neue Bank einzubringen.

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Ihr Präsident Colm Kelleher hat kurz nach der Übernahme von einer «rotten culture» bei der CS gesprochen. Die Mitarbeiter dort müssten erst mal eine Art Kulturcheck machen.

Diese Aussage bezog sich vor allem auf Teile der Investmentbank. Ich sehe durchaus positive Teile der Kultur der CS. Beide Banken haben mehr als 160 Jahre Geschichte hinter sich und ähnliche Geschäftsmodelle.

Zum Beispiel ein bisschen mehr Unternehmertum?

Das ist der Teil, an dem wir arbeiten wollen, denn am Ende des Tages kann Unternehmertum in zu grossem Ausmass auch gefährlich werden, weil die Risiken in Relation zum möglichen Ertrag zu gross werden. Die Nachhaltigkeit in vielen Bereichen der CS wurde durch diese unternehmerische Kultur gefährdet.

Wann wird die Marke Credit Suisse komplett verschwunden sein?

Wahrscheinlich wird es sie 2024 noch geben. Aber wir werben nur noch mit dem Namen UBS.

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Und die Filialen?

Die rechtliche Fusion der Schweizer Einheiten kommt sicher nicht vor dem dritten Quartal 2024. Dann kommt die Migration der Kunden von der CS-Plattform auf die UBS-Plattform. Das wird Ende 2024, Anfang 2025 sein.

Sie haben gerade den Hauptsitz der UBS an der Bahnhofstrasse 45 renoviert. Aber wäre der CS-Sitz am Paradeplatz 8 nicht das repräsentativere Gebäude?

Der Hauptsitz der UBS ist an der Bahnhofstrasse 45. Und das bleibt so. Was mit dem CS-Gebäude passiert, werden wir prüfen.

Dirk Schütz und Sergio Ermotti

 Nachfolge-Überlegungen: «Wenn die Bank erfolgreich ist, ist es immer besser, wenn jemand übernimmt, der die Bank gut kennt.»

Markus Senn für BILANZ
Dirk Schütz und Sergio Ermotti

 Nachfolge-Überlegungen: «Wenn die Bank erfolgreich ist, ist es immer besser, wenn jemand übernimmt, der die Bank gut kennt.»

Markus Senn für BILANZ

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Wo liegt das Hauptrisiko für ein Scheitern der Fusion?

Es ist sicher nicht das Bilanzrisiko, nicht die Qualität der Aktiven. Das grösste Risiko ist aus meiner Sicht die Migration der Daten. Wir haben Hunderte von Millionen Gigabyte an Daten zu transferieren. Die CS hat 3000 IT-Applikationen. Wir werden 300 behalten. Die Frage ist auch, wie lange es dauert, diese Integration zu bewerkstelligen. Wenn es zu lange dauert, bedeutet das, dass wir parallele Kosten haben, und das schadet unserem Finanzergebnis.

Sind Sie als Comeback-CEO entspannter als bei Ihrer ersten Amstzeit?

Es ist ganz anders. Es geht nicht mehr primär darum, die UBS zu positionieren, sondern eine Integrationsübung zum Erfolg zu führen. Ich kenne die UBS sehr gut.

Haben Sie Ihre Entscheidung, zurückzukehren, jemals bereut?

Nein, überhaupt nicht. Dafür habe ich auch keine Zeit.

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Ihr Präsident hat bereits die Nachfolgefrage eröffnet. Finden Sie es gut, dass jetzt schon darüber gesprochen wird?

Ich finde es gut. Ich bin 63 Jahre alt, wir müssen uns vorbereiten.

Als Sie damals gegangen sind, präsentierte der Verwaltungsrat eine externe Lösung. Jetzt strebt der Präsident eine interne Lösung an.

Wir haben gute Kandidaten bei uns. Eine externe Besetzung ist nicht ideal. Wenn die Bank erfolgreich ist, ist es immer besser, wenn jemand übernimmt, der die Bank bereits gut kennt.

Über die Autoren
Dirk Schütz

Dirk Schütz

Dirk Schütz

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