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Mit dem Präsidentenwechsel beginnt eine neue Ära. Für den CEO stehen zwei Nachfolger bereit. Doch der ist stark.
Wachwechsel: Präsident Jörg Reinhardt (l.) übergibt an Giovanni Caforio (r.) – und CEO Vas Narasimhan steht im siebten Jahr an der Spitze.
Keystone, PD, Getty ImagesWerbung
Es war der wohl ungewöhnlichste Jobanruf der Schweizer Konzerngeschichte. «Bist du mir noch böse?», fragte Daniel Vasella seine frühere Nummer zwei Jörg Reinhardt, den er drei Jahre zuvor rüde vom Campus gejagt hatte. Der Befragte war erst konsterniert und dann überrascht: Vasella bot ihm seine Nachfolge als VR-Präsident an. Dass der obsessiv-autoritäre Langzeit-Lenker an der Spitze des Weltkonzerns Novartis sie im Alleingang löste, demonstrierte eindrücklich seine Machtbasis – und sein Machtverständnis.
Als Reinhardt zwölf Jahre später seine eigene Nachfolge regelte, lief alles geregelter und gemäss sauberer Corporate Governance ab – ein weiteres Signal, dass der Pharmazeut aus dem Saarland die Firma nach den Vasella-Drama-Jahren in deutlich gemächlichere Gewässer gesteuert hat. Doch einen Schuss Vasella gönnte sich auch Reinhardt noch.
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Dass er im Jahr 2025 abtreten würde, stand für ihn lange fest: Die Satzung setzte ein Limit von zwölf Jahren, valable Gründe für eine Ausnahme gab es nicht, und mit dann 69 Jahren und schon einem Enkelkind stimmte der Zeitpunkt. So ging dieser Auftrag an Egon Zehnder, und wie üblich produzierten die Kaderfahnder vom Zürcher Utoquai eine ansehnliche Liste.
Wende geschafft: Vas Narasimhan hat die Corona-Depression hinter sich gelassen.
BloombergWende geschafft: Vas Narasimhan hat die Corona-Depression hinter sich gelassen.
BloombergNatürlich hielt sich Jörg Reinhardt formal zurück. Das Nominationskomitee leitete der Nestlé-Veteran Patrice Bula fachkundig. Doch als ein Name auftauchte, den Reinhardt kannte, kam schon die Frage: Was hältst du von Giovanni Caforio?
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«Viel», lautete die Antwort. Für Reinhardt war es aussergewöhnlich, dass dieser Name überhaupt vorkam. Der gebürtige Römer hatte 2007 in die Konzernleitung des Pharmakonzerns Bristol Myers Squibb (BMS) nach New York gewechselt, war dort zum CEO und Chairman aufgestiegen und mehrere Jahre unumschränkter Herrscher. Im November 2023 hatte er sich auf den Chairman-Posten zurückgezogen, doch geteilte Macht liegt nicht in der US-DNA, und so stieg er im April komplett aus – um nach einem Jahr im Abkühlbecken frei zu sein für Novartis.
Und so kam es, dass ein Peer von Reinhardt auf dem Markt war: An Branchenanlässen hatten sich die beiden in den letzten Jahren ausgetauscht, wie Reinhardt ist Caforio kein ego-durchtränkter Lautsprecher, von denen es auch in der Pharmaindustrie so einige gibt. Vor allem bot er den perfekten Mix: Mediziner, exzellente Kenntnisse im Schlüsselmarkt USA, in dem Novartis das grösste Aufholpotenzial hat – und dennoch Europäer.
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Und dazu mit 60 Jahren im besten Chairman-Alter. Am Ende waren noch zwei Kandidaten übrig. Doch Caforio lag klar vorn – und wollte den Job. Er hatte noch etwas zu beweisen. Der Kurs von BMS hat sich in den letzten 18 Monaten halbiert, und der Druck auf Caforio war stark gestiegen, sodass Gerüchte aufkamen, dass sein Abschied kaum ganz freiwillig war. Jetzt bot sich eine neue Chance – und eine Premiere: Dass ein Big-Pharma-Chairman zu einem Wettbewerber wechselt, hat es in der Branche noch nicht gegeben.
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Grosse Wellen schlug die Wachablösung nicht, und auch das lässt sich aus Konzernsicht als Signal der Normalisierung sehen. Die Nachricht über die Nominierung vergrub die Kommunikationsabteilung Ende April in den Tiefen der Pressemitteilung vom ersten Quartal, und weil CEO Vas Narasimhan wie schon bei der Verkündung der Jahreszahlen Ende Januar nicht auftrat, entstand die skurrile Situation, dass der zwei Hierarchiestufen tiefer angesiedelte Finanzchef Harry Kirsch die Kür des obersten Firmenvertreters mit den üblichen Floskeln («grosse Branchenexpertise», «tiefes strategisches Verständnis», «globaler Erfahrungsschatz») versehen musste.
Dabei war es ein Signal: Bei Novartis beginnt eine neue Ära. Die Präsidentensuche, seit mehr als einem Jahr intern mit Spannung beäugt, ist abgeschlossen. Und jetzt richtet sich der Blick auf den Mann, der im siebten Jahr an der Spitze steht und sich zuletzt von der Öffentlichkeit seines Gastlandes bereits abgewendet zu haben schien. Denn mit dem Wechsel stellen sich nicht nur viele Mitarbeiter, sondern auch die Verwaltungsräte die Frage: Wie lange noch, Vas?
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Dabei hat der CEO einen entscheidenden Vorteil: Die Zahlen stimmen. Novartis ist in den letzten zwölf Monaten unerwartet zu einem Highflyer an der Börse aufgestiegen, der den schwächelnden Rivalen Roche distanziert. Seit Anfang 2023 übertrifft Novartis in jedem Quartal die eigenen Vorgaben. Der Grund: eine Outperformance sowohl bei etablierten als auch bei neuen Produkten – mit 15 Medikamenten im Blockbuster-Status, dem Heiligen Gral der Pharmabranche: mehr als eine Milliarde Umsatz. «Alle neuen Produkte laufen seit Anfang 2023 besser als erwartet – Novartis ist selbst überrascht», betont Vontobel-Pharma-Analyst Stefan Schneider.
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Die Kurshausse lässt auch die Abschiedsbilanz des Präsidenten heller strahlen. Unter Vasella war die Seitwärtsbewegung der Aktie über fast 15 Jahre ein Dauerärgernis, der Fusionskonzern galt als das ewige Versprechen der Pharmaindustrie, bei Vasellas Abschied 2013 dümpelte der Kurs unter der 50-Franken-Marke. Jetzt liegt er fast konstant über 90 Franken, und die Aktionäre haben zusätzlich noch die Papiere aus den Grossabspaltungen des Augenmittelproduzenten Alcon und des Generikaherstellers Sandoz erhalten.
Da hält der Präsident den Skeptikern durchaus genüsslich seine Chart-Analyse seit seinem Antritt 2013 entgegen. Novartis: plus 62 Prozent, mit den Abspaltungen von Alcon und Sandoz sogar 100 Prozent – besser als Roche (20 Prozent), Nestlé (45 Prozent) und der SMI (54 Prozent).
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Gewiss, das ist immer nur eine Stichtagsbetrachtung, zwei Jahre zuvor in den Tiefen der Corona-Depression war Novartis noch der Prügelknabe der Börse und Roche der Star, und die kurzatmigen Finanzmärkte überschiessen im Pharmageschäft mit seinen langfristigen und risikobehafteten Produktzyklen fast immer. Und viel ist auch Glück: Der Verkauf des Roche-Pakets gelang Ende 2021 fast zu Höchstkursen – heute gäbe es für das Paket nur noch 12 statt 19 Milliarden Franken.
Doch das ändert nichts daran: Der Präsident hat sehr viel richtig gemacht. Er übernahm einen Gemischtwarenladen mit sechs Sparten, von Vasella als «fokussierte Diversifizierung» verbrämt, bei dem die Bonsai-Sparte Animal Health in den Konzernleitungssitzungen genauso viel Raum einnahm wie das zentrale Pharmageschäft. Dass er das zu kleine Impfgeschäft in einem ersten Schritt wegen mangelnder Grösse verkaufte, sollte sich zwar in Corona-Zeiten als misslich herausstellen. Aber im Tausch gab es dafür vom Rivalen Glaxo das Krebsgeschäft, mit dem sich Novartis in die Top-Liga katapultierte. Alcon stiess er schnell ab, wenn auch mit einem erheblichen Abschreiber auf den überteuerten Kaufpreis. Die Sandoz-Abspaltung zog sich hin, auch weil die Generika-Tochter im Verwaltungsrat Fürsprecher hatte und Reinhardt nicht einfach befehlen wollte. Doch am Ende setzte er auch hier die Fokussierung durch.
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Nach aussen überliess er den Auftritt dem einzigen CEO, den er in seiner Amtszeit bestellt hat und als dessen grosser Förderer er von Anfang an galt. Doch die ruppige Achterbahnfahrt der letzten Jahre hat auch das Verhältnis der beiden Steuermänner leiden lassen – bis zu dem Tiefpunkt, an dem sich Reinhardt nach einem Nachfolger umsah.
Als Harvard-Absolvent mit wenigen Jahren McKinsey-Erfahrung kam der Mann, dessen Eltern aus dem südindischen Tiripati in die USA gekommen waren, als 29-Jähriger zu Novartis. Übervater Vasella setzte damals auf medizinisch ausgebildete McKinsey-Vertreter, und Narasimhan stand auf einer Liste von High Potentials. Reinhardt lernte ihn besser kennen, als Narasimhan in den USA ins Impfgeschäft einstieg, das Reinhardt damals leitete. Harvard-Mediziner, kommunikativ stark, mit natürlicher Autorität, dazu ausgestattet mit einem fotografischen Gedächtnis: absolut beeindruckend.
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Als es 2017 um die Nachfolge des Konzernchefs Joe Jimenez ging, stand der Verwaltungsrat vor der Wahl zwischen einem konventionellen Kandidaten in Person des englischen Pharmachefs Paul Hudson und einem wagemutigen Anwärter in Person von Narasimhan. Dass der damals 41-Jährige bis dahin nur wenig operativ-kommerzielle Erfahrung hatte, wurde intern als ein Manko benannt – die Leitung des US-Impfgeschäfts galt nur als kleines Pflänzchen. Doch Reinhardt setzte darauf, dass sich sein hochintelligenter Zögling auch hier entwickeln könnte.
Der dachte gross: Die Welt verändern, kleiner ging es nicht, und gleich auch die Medizinwelt dazu, unter dem eigens kreierten Mantra «Reimagine Medicine», das auch er zum Titel seines LinkedIn-Auftritts kürte. Mit seiner ebenfalls indischstämmigen Frau, auch sie Harvard-Absolventin, hatte er in den Slums von Kalkutta gearbeitet, in Botswana Impfprogramme organisiert, und dass ihn seine Mutter in jungen Jahren regelmässig in die arme, aber spirituell inspirierende Heimat Südindiens geführt hatte, erzählte er voller Stolz.
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Das grosse Denken machte auch vor dem Managementstil nicht halt. «Iron Dan» Vasella hatte Novartis maximal top-down geführt, der Patron suchte sogar die Zimmerpflanzen aus. Dass dieser Stil nicht mehr zeitgemäss war, wusste auch Reinhardt. Doch statt den Kulturwandel wie andernorts «Empowerment» oder «Unlock» zu nennen, suchte der neue Chef nach etwas Aussergewöhnlichem. Er fand es in «Unboss», einem Programm, das er bei dem dänischen Autor und Manager Lars Kolind entdeckt hatte. Seine Reise zum «Servant Leader» breitete Narasimhan detailliert auf LinkedIn aus – einmalig in der Konzernwelt.
Gleichzeitig dachte er auch bei den Medikamenten gross. Die Pipeline war ausgetrocknet, und er setzte auf Akquisitionen von Produkten im Phase-3-Stadium – Medikamente in der fortgeschrittenem Entwicklung. Die fünf Akquisitionen für insgesamt mehr als 25 Milliarden Dollar sollten aber nicht nur neue Medikamente, sondern gleich neue Forschungplattformen hervorbringen: Gentherapie, Radioliganden, RNA. Der Markt frohlockte: Die Aktie schoss auf 95 Franken hoch.
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Der CEO und sein Präsident Reinhardt (r.) setzte auf Narasimhan – doch in der Corona-Zeit kühlte sich das Verhältnis ab.
KeystoneDer CEO und sein Präsident Reinhardt (r.) setzte auf Narasimhan – doch in der Corona-Zeit kühlte sich das Verhältnis ab.
KeystoneDoch dann kam Corona, und sie traf den Himmelsstürmer wie wohl niemanden sonst in der Schweizer Wirtschaft. Beim Impf-Hype war die Firma nicht dabei, eine Diagnostiksparte wie Roche hatte sie nicht, die Akquisition Xiidra im Augenbereich floppte, auch die anderen Zukäufe harzten. Der Kurs fiel wie ein Stein. Narasimhan sass im Zimmer seines jüngeren Sohnes in seinem Stadthaus am Basler Rheinufer und grübelte.
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Und jetzt traten eben auch seine Schwachstellen zutage. Operative Exzellenz war kein wirklicher Antrieb für den CEO, seine Kritiker sahen hier einen Mix aus Desinteresse und Unerfahrenheit, und «Unboss» bedeutete eben auch eine gewisse Entscheidungsschwäche an der Spitze mit einem Verschleppen von harten Schnitten. Noch immer leistete sich Novartis viele Doppelspurigkeiten – dass etwa Onkologie und Pharma getrennt geführt wurden, erhöhte die Kosten.
Zudem galt er in seiner Führungsmannschaft als zunehmend abgehoben. Widerspruch tolerierte er eher schlecht, der Zusammenhalt litt, auch verstärkt durch die Corona-Absenz. Und das führte zu einem ernüchternden Reality-Check: Unter dem dienenden CEO war die Abgangsquote so hoch wie in keinem anderen Pharmakonzern.
Von den zwölf Mitgliedern der Konzernleitung bei seinem Antritt sind nur noch drei dabei. Der interne Rivale Hudson etwa wechselte auf den Chefposten von Sanofi, der hochgelobte Forschungschef und Harvard-Mitstreiter Jay Bradner ging frustriert nach sanftem Druck. Doch selbst die von ihm ausgewählten Schlüsselspieler blieben nur kurz: Entwicklungschef John Tsai, Onkologiechefin Susanne Schaffert, Pharmachefin Marie-France Tschudin. Für jeden Fall gab es eigene Gründe, aber ein Grundzug bleibt: Niemand ging wirklich im Guten. Selbst Weggefährten, die lange von Narasimhans unbestrittener Brillanz beeindruckt waren, verliessen den Konzern desillusioniert und konstatierten narzisstische Züge.
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Der Heimat verbunden: Vas Narasimhan und seine Frau Srishti Gupta (Mitte) bei einem Talk in Boston.
PDDer Heimat verbunden: Vas Narasimhan und seine Frau Srishti Gupta (Mitte) bei einem Talk in Boston.
PDDer Abgang des operativen Baumeisters von «Unboss» hatte da Symbolkraft: HR-Chef Steven Baert verliess den Konzern Mitte 2021 angesäuert und wechselte zu einem Start-up in Boston, kaum ein Aufstieg. Heute wird «Unboss» höchstens noch im Kleingedruckten benutzt und gilt auch im Verwaltungsrat als Überschiessen eines CEO-Anfängers.
Reinhardt war gefordert. Im Verwaltungsrat vermissten Ex-CEOs wie Frans von Houten (Philips) oder Ton Büchner (Sulzer) beim CEO das operative Flair und drängten auf eine stärkere Fokussierung. Narasimhan musste im April 2022 die Sparten Onkologie und Pharma zusammenlegen. Einen klassischen COO wie einst Reinhardt unter Vasella wollte Narasimhan nie. Aber immerhin: Mit dem Umbau übernahm Novartis-Urgestein Steffen Lang den gesamten Operations-Bereich mit seinen 25'000 Mitarbeitern. Mit seinem zuweilen schroffen Auftreten gilt er als «Unboss»-Gegenpol. Beziehungsstatus mit Narasimhan: angespannt.
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Doch damit nicht genug: Reinhardt teilte seinem Schützling offen mit, dass er den Markt nach Nachfolgern sondiere, und führte im Sommer 2022 auch Gespräche mit Kandidaten. Das musste für den Überflieger ein Affront sein, zumal Gerüchte über die Suche einige Monate später ihren Weg in die «NZZ» fanden, was wiederum die Aversion des Chefs gegen die als aggressiv-provinziell empfundene Schweizer Presse verstärkte. Die Suche versandete, auch weil es keine geeigneten Kandidaten gab.
Doch, und das ist eben das Spezielle an dieser Industrie: Plötzlich drehte der Wind. Narasimhan, dem bis zu seiner Berufung alles so spielend gelang, entpuppte sich einmal mehr als Sonnenkind. Vier der fünf Akquisitionen liefern plötzlich überzeugende Resultate, vor allem das Brustkrebsmittel Kisqali und das Prostatamedikament Pluvicto schlagen an, und auch altgediente Topseller wie Entresto (Herz) oder Cosentyx (Haut) laufen stark. «Wir sehen weiter Kurspotenzial: Die Wachstums-Guidance von fünf Prozent bis 2028 liegt über den Markterwartungen von 3,2 Prozent», betont Vontobel-Analyst Schneider.
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Die Frage bleibt jedoch, wie viel Narben die Scharmützel bei dem stolzen CEO hinterlassen haben. Er wehrte sich auf seine Art. Mit der verordneten Zusammenlegung von Onkologie und Pharma erwuchs ihm mit der selbstbewussten Spartenleiterin Tschudin eine Rivalin, und es kam schnell zu Reibereien. Da war er dann gar nicht «Unboss»: Er macht die Räume eng, es kam letzten September zum Abgang, und wie zerrissen das Verhältnis war, lässt sich an der Kühle des Abschieds-Communiqués ablesen.
Für den Verwaltungsrat war der Abgang ein Alarmsignal, aber auch eine Chance: denn Reinhardts Nachfolgesuche hatte gezeigt, dass es intern keine valablen Kandidaten gab – auch Tschudin traute man den CEO-Posten nicht zu. Und so sitzt seit Ende Jahr mit Patrick Horber ein potenzieller Nachfolgekandidat auf dem Pharma-Posten, der sogar Zürcher ist. Er bringt viel mit: langjährige US-Erfahrung beim dortigen Marktleader AbbVie, Medizinstudium, gewinnendes Auftreten. Der zweite Kandidat ist der spanische US-Chef Victor Bulto.
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Nachfolge-Kandidat: Pharmachef Patrick Horber, Zürcher.
PDNachfolge-Kandidat: Pharmachef Patrick Horber, Zürcher.
PDDen Einfluss des mächtigen Operationschefs Lang neutralisierte Narasimhan mit dem neuen Strategiechef Ronny Gal, einem lautsprechenden Ex-Analysten des New Yorker Geldhauses Sanford Bernstein, der jeden Montag die 250 Top-Mitarbeiter mit seinem Strategiebericht beglückt. Die US-Perspektive wird immer dominanter. Dazu passt auch, dass die neue Kommunikationschefin nicht mehr in Basel, sondern in New Jersey sitzt. Und auch die Kritik an seinem 16-Millionen-Salär liess die Liebe Narasimhans zu seinem Gastland kaum anschwellen – an der Lohnformel hat sich seit seinem Antritt nichts geändert, durch die guten Geschäftszahlen stieg einfach der variable Anteil. Seinem künftigen Chef Caforio dürften derartige Zahlen ohnehin kaum den Puls hochtreiben: Er bezog pro Jahr gegen 20 Millionen Dollar.
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Dass Narasimhan die Pressekonferenz zu den Jahreszahlen schwänzte, war da auch ein Signal einer gewissen Zermürbung gegenüber der Schweiz. Und auch dass er noch zur Miete wohnt, lässt sich als Signal interpretieren: Heimisch werden will er nicht in Basel. Mit seiner Frau Srishti Gupta demonstrierte er unlängst bei einer Fragerunde in Boston die tiefe Verbundenheit zur Heimat. Anders als Europäer, die nach einer hiesigen Karriere gern in der Schweiz bleiben, kehren Amerikaner meist zurück. Das wird auch bei ihm so sein, da sind sich langjährige Mitarbeiter sicher. Die Frage ist nur: Wann?
Um den Eindruck der Amerikanisierung nicht weiter zu befeuern, war es eine Auflage des Verwaltungsrats, dass Caforio seinen Wohnsitz in New Jersey aufgibt und zurück nach Europa zieht. Derzeit wohnt er mit seiner belgischen Frau in Frankreich, in Basel wird er zunächst eine Wohnung beziehen.
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Aber eben: Er kennt den Schlüsselmarkt USA bestens, und hier liegt für Novartis das grösste Potenzial. Mit dem Ex-Pfizer-Mann John Young soll er aus dem VR die Expansion forcieren. In Europa ist der Konzern Marktführer, in Asien unter den Top 3, nur in den USA reicht es nicht einmal unter die Top Ten.
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Wo können da für Narasimhan noch die Herausforderungen liegen? Wenn er in naher Zukunft geht, hat er allen gezeigt, dass er es kann. Die nächste Stufe wird schwierig. «Als nächster Schritt müssten von den neuen Plattform-Technologien weitere Medikamente kommen» fordert Vontobel-Analyst-Schneider. Und die Pharmawinde drehen schnell. Beim Hype um die Abnehmprodukte etwa ist Novartis nicht dabei, während Roche verzweifelt den Anschluss sucht.
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Und sieben Jahre an der Spitze, das hat Reinhardt auch bei der Swiss Re demonstriert, sind eine lange Zeit: Dort leitete er das Nominierungskomitee, das im April den CEO Christian Mumenthaler nach acht Jahren verabschiedete. Caforio soll nach der Sommerpause auf dem Campus aktiv sein und sich mit Narasimhan näher beschnuppern. Bis zum Antritt des Italieners wird der CEO sicher noch bleiben. Doch dann kann es schnell gehen.
Und Reinhardt? Wohl kein Geschäft lehrt Demut wie Pharma. Doch die Nachfolge mit einem Profi gelöst, den Konzern fokussiert, zwei valable Kandidaten für die CEO-Nachfolge aufgebaut: Man darf ihn sich als einen zufrieden abtretenden Präsidenten vorstellen.
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