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Die Übernahme von Bucherer durch Rolex zementiert die Vormacht der Krone. Mehr noch: Sie dürfte die Swatch Group und Richemont in Bedrängnis bringen.
Marcel Speiser
Die Krone der Krone: Detailansicht einer Rolex-Uhr.
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Man könnte es freundlicher und sachlicher formulieren, als es die Person tut, die Rolex-Chef Jean-Frédéric Dufour, Richemont-Konzernlenker Jérôme Lambert und natürlich auch Swatch-Group-Chefpirat Nick Hayek seit Jahrzehnten persönlich kennt. Aber das, was der Branchenbeobachter nach der Übernahme von Bucherer durch Rolex im Vertrauen sagt, trifft den Nagel eben auf den Kopf: «Jetzt macht sich Hayek in die Hose.»
Nach aussen gibt sich die Swatch Group zwar gelassen, gratulierte Rolex über einen Sprecher zum Kauf, der auch «im Interesse der Schweizer Industrie» sei und viel besser als ein Verkauf «an ausländische Gruppen oder an Private-Equity-Firmen». Fakt aber ist: Dass Rolex mit Bucherer nun einen wichtigen Absatzkanal der Swatch Group kontrolliert, ist für Nick Hayek ein Problem. Ein notabene erhebliches Problem.
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Auch eine knappe Woche nach dem Milliardendeal zwischen dem kinderlosen Patron Jörg Bucherer und Rolex, der mit Abstand wichtigsten Uhrenmarke der Schweiz, ist der Verkauf noch immer das dominierende Thema der Uhren- und Luxusindustrie. Die zahllosen Neuheiten, die Vertreter der Branche diese Woche an den Geneva Watch Days präsentieren, werden von der Debatte über die Folgen der Übernahme gnadenlos in den Schatten gestellt.
Und auch wenn die Einzelheiten des Verkaufs wohl noch lange unter strengem Verschluss stehen werden, wird immer klarer: Die ganz grossen Verlierer sind nicht die Händler, die mit Bucherer in Konkurrenz stehen. Sondern die Uhrenfirmen, die mit Rolex in Konkurrenz stehen. Namentlich die Uhrenmarken der Swatch Group. Und in zweiter Linie jene von Richemont.
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Um die Tragweite des Bucherer-Rolex-Deals zu verstehen, lohnt sich ein Blick zurück: 2017, also noch in jüngster Vergangenheit, war für Nick Hayek die Welt in bester Ordnung. Sein Konzern war klar die Nummer eins. Mit einem Marktanteil von 29,1 Prozent gab er im Konzert der Marken den Ton an. Richemont kam damals auf einen Marktanteil von 19,7 Prozent, knapp vor Rolex mit 19,4 Prozent.
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Heute sieht die Welt ganz anders aus: Hayek hat viel verloren, Richemont hat sich gehalten. Und Rolex hat sich klar vor alle anderen gesetzt. In Zahlen sieht das so aus: Rolex kommt 2022 auf einen Marktanteil von 30,9 Prozent, die Swatch Group auf 19,8 Prozent, Richemont auf 19,5 Prozent.
Swatch-Group-Chef Nick Hayek: Die Nummer eins von 2017 mit einem Marktanteil von 29,1 Prozent kommt 2022 nur noch auf einen Wert von 19,8 Prozent.
KeystoneSwatch-Group-Chef Nick Hayek: Die Nummer eins von 2017 mit einem Marktanteil von 29,1 Prozent kommt 2022 nur noch auf einen Wert von 19,8 Prozent.
KeystoneDas sind Verschiebungen von tektonischem Ausmass. Und das in nur sechs Jahren. Und es sind Veränderungen, die Hayek nicht zur Kenntnis nehmen mag. Noch immer sieht er sich und sein Unternehmen als das Mass aller Dinge. Der anhaltend grandiose Erfolg der Moonswatch – soeben hat Swatch wieder eine Version lanciert – hat seine manchmal seltsam anmutende Sicht der Dinge gar noch verstärkt.
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Ähnliche Dramen spielen sich bei der Swatch Group auf Markenebene ab. Während Rolex beim Umsatz seit 2017 um mehr als 4 Milliarden Franken zulegen konnte, kommt Hayeks Zugpferd Omega auf ein Plus von gerade einmal 130 Millionen. Das Duell der im gleichen Segment rivalisierenden Brands geht in dieser Zeitspanne also klar zugunsten der Krone aus.
Aber nicht bloss dieses Duell. Longines und Tissot, zwei der grossen Swatch-Group-Marken, haben seit 2017 gar Umsatz verloren. Umsatz in Millionenhöhe, notabene. Drei der vier grössten Umsatzverlierer gehören zu Hayeks Reich (siehe Grafik).
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Und just in dieser kommerziell schwierigen Situation für die Swatch Group kommt die Hiobsbotschaft, dass Rolex Bucherer kauft. In anderen Worten: Sobald die Weko ihr absehbares Plazet zum Deal gegeben hat, muss Nick Hayek zusehen, dass er künftig geschätzte 10 bis 12 Prozent des Umsatzes von Omega und Longines in Läden von Rolex respektive Bucherer macht. Das bedeutet in etwa, dass jeder Kunde, der sich bei Bucherer eine Speedmaster – das beliebteste Modell von Omega – kauft, auch die Kassen von Rolex füllt. Und das nicht zu knapp, sind doch im Uhrenhandel je nach Volumen Handelsmargen von 32 bis 40 Prozent üblich, wie Experte Oliver Müller in seiner Kolumne bei «Revolution Watch» schreibt.
Ausserdem bedeutet es, dass Rolex sehr genau nachverfolgen kann, wer was für wie viel bei Omega kauft. Aggregiert und clever ausgewertet, sind solche Daten über kurz oder lang äusserst wertvoll.
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Mit dem Rolex-Bucherer-Deal rächt es sich, dass es Hayek versäumt hat, die Distribution seiner wichtigsten Marken auf die Höhe der Zeit zu bringen, also eine direkte Beziehung zwischen Konsumentin und Unternehmen aufzubauen. Das geht online und in eigenen Stores. Omega aber ist nach wie vor zu rund 70 Prozent ein Wholesaler, also eine Marke, die ihre Produkte über Dritte, über Händler, verkauft. Bei Longines liegt dieser Wert bei 90 Prozent.
Was also tun? Hayek hat nur die Wahl zwischen Regen und Traufe. Er kann mithelfen, den Rivalen zu bereichern. Oder seine Marken aus den Bucherer-Läden nehmen und dadurch Umsatz verlieren, den er wohl nie in den Ladennetzen von Bucherer-Konkurrenten wird kompensieren können. Klar ist, wie Gregory Pons vom Fachmagazin «Business Montres» festhält: «Die Notlösung, nun schnell ein Netz von eigenen Läden aufzubauen, ist unrealistisch, ineffizient und kostspielig. Zudem hat die Gruppe schon genug bewiesen, dass sie das eigene Retailgeschäft nicht besonders effizient führt.»
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Richemont-Chef Jérôme Lambert: Seine bestes Pferd im Stall, Cartier, kommt nicht auf die gleich Dynamik wie Rolex.
ZVGRichemont-Chef Jérôme Lambert: Seine bestes Pferd im Stall, Cartier, kommt nicht auf die gleich Dynamik wie Rolex.
ZVGDass Hayek mit einer von diesen Perspektiven froh wird, ist zu bezweifeln. Sein Trost: Auch Jérôme Lambert, Chef von Richemont, wird keinen Gefallen finden am Verkauf von Bucherer an Richemont. Immerhin aber ist Lambert ist in einer besseren Ausgangslage.
Erstens, weil seine Marken – das stärkste Pferd im Stall ist Cartier – mit Ausnahme von IWC weit weniger stark über den Handel verkaufen als die Swatch-Group-Brands. Und zweitens, weil Richemont den Marktanteil hat halten können, weil die grossen und mittleren Richemont-Marken im Mittelfristbereich wachsen.
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Das Problem allerdings, bei einem Vertrieb in Bucherer-Läden dem Rivalen Rolex die Kassen und die Datenbanken zu füllen, hat auch Lambert. Hinzu kommt: Lamberts von jeher einigermassen seltsame Idee, mit einem eigenen Multimarken-Konzept namens Time Vallée bei der Konkurrenz zu punkten, ist mit dem Deal zwischen Bucherer und Rolex quasi vom Tisch, als Fehlschlag identifiziert.
Schon lange versucht Lambert, Rolex-Chef Jean-Frédéric Dufour zu bezirzen, dass er die Marke mit der Krone führen darf. Bislang erfolglos. Und nun, wo Rolex selbst zu einem der grössten Uhrenhändler der Welt wird, erst recht. Und Lambert weiss natürlich: Im Uhrenhandel überlebt niemand, der nicht auf Rolex oder Patek Philippe vertrauen kann. Gewisse Ketten machen allein mit Rolex gegen 60 Prozent des Umsatzes.
Rolex-Chef Jean-Frédéric Dufour: der König der Krone.
Getty ImagesRolex-Chef Jean-Frédéric Dufour: der König der Krone.
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Eigentlich also könnte sich Jean-Frédéric Dufour ins Fäustchen lachen. Er, der mit Rolex bereits alles dominiert, wird nochmals mächtiger und wichtiger. Selbst die Gesandten von LVMH-Patron Bernard Arnault, im Uhrenbusiness ein überraschend kleiner Fisch, hat Dufour per Handschlag mit Jörg Bucherer geschlagen. Arnault soll auch an Bucherer interessiert gewesen sein, ist zu hören. Aber seine Leute haben nicht begriffen, dass es im Verhältnis zwischen Bucherer und Rolex nicht um Milliarden ging, sondern um wirtschaftlichen Patriotismus, um langjährige Beziehungen zwischen zwei selbstständig gross gewordenen, patronalen Unternehmen.
Wie immer bei Rolex wird es nun langsam, schrittweise und behutsam weitergehen. Strategische oder personelle Schnellschüsse sind nicht zu erwarten. Und Rolex-Chef Dufour weiss: Mit der Übernahme von Bucherer hat sich Rolex neben grossen strategischen Chancen auch eine grosse Verantwortung eingekauft. Die Verantwortung, als absolut dominierende Marke der Schweizer Uhrenindustrie für die ganze Branche ein Leuchtturm und Anwalt zu sein.
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