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Piaget meistert die Brücke zwischen Glamour und Purismus

Piaget: Ultraflache, filigrane Meisterwerke der Uhrmacherkunst für Puristen und opulenten Glamour für den Jetset – nur wenige Marken schaffen einen solchen Spagat.

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Pierre-André Schmitt

Piaget

Liebling des Jetset: Schmuck ist die zweite Kernkompetenz der Marke. Im Bild: die Limelight Gala Precious.

PD

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Die Seele des Unternehmens liegt auf 1041 Metern Höhe – im kleinen Dörfchen La Côte-aux-Fées im Neuenburger Jura. Hier wurde die Marke Piaget 1874 geboren, und hier baut sie nach wie vor ihre Uhrwerke. Nichts hat Piaget so stark geprägt wie dieser kleine Flecken mit seinen langen Wintern. 481 Menschen leben im Dorf und es gibt drei verschiedene protestantische Kirchen. Das prägt. «Understatement, Bescheidenheit und Sparsamkeit», sagt der ehemalige Patron Yves Piaget gerne, seien die Tugenden, die ihm in diesem tief protestantischen Milieu eingeimpft wurden.

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Doch Yves Piaget bewegte sich agil und munter auch im glamourösen Kontrastprogramm – in Gstaad, St. Moritz, Palm Springs und an der Côte d’Azur zum Beispiel. Hier verkaufte er seine Uhren den Schönen und Reichen, belieferte Wirtschaftskapitäne, Schauspielerinnen und Musiker. Bilder zeigen Yves Piaget zum Beispiel mit den Schauspielerinnen Ludmilla Tchérina, Gina Lollobrigida sowie Komiker Sammy Davis Jr. an einer Soirée im «Maxim’s» in Paris. Aber auch James-Bond-Darsteller Roger Moore und andere waren gern geladene Gäste – und der Jetset liebte die Marke.

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Der Erfolg hatte mit dem zweiten Standbein der Marke zu tun, mit Genf. Hier sind die Piaget-Ateliers daheim, welche die Marke in der Haute Joaillerie etablierten. Und hier werden aus Uhren glitzernde Preziosen, Kunstwerke aus Platin, Gold und Edelsteinen.

Zwei Welten

Man kann es auch so sagen: Eine Art Schizophrenie gehört zur DNA von Piaget. Auf der einen Seite – im ländlichen La Côteaux-Fées – herrschen die Abgeschiedenheit, die Ruhe, die Ernsthaftigkeit einer durch und durch konservativen Uhrenmanufaktur. Auf der anderen Seite – im quirligen Genf – macht man im durchgestylten Glasbau die sogenannte Ausstattung, «habillement» heisst das auf Französisch, zu Deutsch etwa das Einkleiden. Bei Piaget kleidet man die Werke mitunter in wahre Materialschlachten aus Diamanten, Saphiren und kunstvoll geschliffenen Edelmetallen. Oft mit einer gehörigen Portion von Seventies Glam.

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Für Piaget war dies das Rezept für den Erfolg – und für manchen Triumph. Zum Beispiel 2020, als die Marke gleich zwei Preise am Grand Prix d’Horlogerie de Genève einheimste: für die Altiplano Ultimate Automatic in der Kategorie «Mechanische Meisterleistung» und für die Limelight Gala Precious Rainbow in der Kategorie «Beste Damenuhr». Letztere brillierte mit einer spektakulären Aneinanderreihung von grünen Tsavoriten sowie roten, orangefarbenen, gelben, blauen, indigoblauen und violetten Saphiren – eingesetzt in einer atemberaubenden Regenbogenverlaufs-Technik.

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Ultraflache Uhren sind das Markenzeichen von Piaget. Zum Beispiel bei der neuen Altiplano Ultimate Concept. 

PD
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Ultraflache Uhren sind das Markenzeichen von Piaget. Zum Beispiel bei der neuen Altiplano Ultimate Concept. 

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Fast noch wichtiger: Ein Jahr zuvor hatte sich Piaget die Aiguille d’Or geschnappt, also den Hauptpreis, für die Altiplano Ultimate Concept, dannzumal die flachste Uhr der Welt. Zwei Millimeter Bauhöhe mussten bei dieser Konzeptuhr für alles reichen, für das Werk, das Gehäuse und das Glas. Vier Jahre waren für die Entwicklung nötig. Die Uhr selber war dann ein absolutes Leichtgewicht, wog ganze 21 Gramm.

Flache Uhren sind seit je eine Raison d’être der Marke. Viele Experten ziehen den Hut vor den filigranen Petitessen aus Zahnrädchen, Trieben und Federn. Paradoxerweise war der Grund für solche Meisterwerke der Miniaturisierung, dass Piaget im Grunde genommen an Werken gar nicht sonderlich interessiert war. Sie spielten die Nebenrolle, mussten die Showbühne dem Design überlassen.

Das bezirzte, wie erwähnt, auch eine illustre Kundschaft. Von Jazztrompeter Miles Davis weiss man, dass er immer ein Köfferchen mit diversen Uhren bei sich hatte – darunter etliche Piaget-Modelle – und jeweils kurz vor einem Auftritt seine Uhr des Abends auswählte. Oft, so wird berichtet, sei es bei wichtigen Konzerten eine goldene Skelettuhr von Piaget gewesen.

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Der Pop-Art-Künstler Andy Warhol wiederum liebte das 1972 lancierte Modell Black Tie, vor allem die Version aus Gelbgold mit anthrazitgrauem Zifferblatt und –wir kommen darauf zurück – dem Schweizer Quarzwerk Beta 21. Die Black Tie gehörte in die Reihe seiner sechs anderen Piaget-Uhren, von denen vier heute in der Piaget Private Collection aufbewahrt sind. Auch der französische Schauspieler Alain Delon oder die Stilikone Jacky Kennedy trugen Piaget-Uhren, und besonders wichtig war für die Marke der katalanische Maler und Exzentriker Salvador Dalí.

Uhrmacherischer Ehrgeiz
 

1966 hatte Dalí seine eigene Währung prägen lassen und Goldmünzen in verschiedenen Stückelungen herausgegeben, von ½ Dali d’Or bis 100 Dalí d‘Or. 1967 sicherte sich die Marke das Exklusivrecht für Uhren, Schmuck und Accessoires mit oder sogar in diesen Goldmünzen. Und die erste Präsentation bleibt ein unvergessener Anlass: Der Künstler sass auf einem aufblasbaren Plastiksessel, in der einen Hand hielt er einen Stock, in der anderen einen jungen Jaguar an der Leine.

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Andy Warhols Liebste: Der Pop-Art-Künstler liebte das Modell Black Tie ganz besonders.

Kesystone
saf

Andy Warhols Liebste: Der Pop-Art-Künstler liebte das Modell Black Tie ganz besonders.

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Uhren in Goldmünzen – das war nur dank hauchflachen Werken möglich. 1957 brachte Piaget das ultraflache Handaufzugskaliber 9P auf den Markt, 1960 folgte das Automatikwerk 12P. «Der Bau eines nur 2,3 Millimeter hohen Automatikwerks erschien als reinste Utopie», applaudierte das «Journal de Genève», das Entwicklungsteam in La Côte-aux-Fées dürfe stolz darauf sein, «eines der schönsten Kapitel der Uhrengeschichte geschrieben zu haben».

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Apropos Geschichte: Nächstes Jahr feiert die Marke ihr 150-jähriges Bestehen. Die Winter dauerten länger damals, und die Bauern fertigten in den kalten Monaten, wenn es auf den Feldern nichts mehr zu tun gab, als Nebenverdienst Uhrenteile, Zahnräder etwa. Doch Georges-Édouard Piaget, Vater von 13 Kindern, begnügte sich nicht mit der Rolle des Zulieferers – 1874 gründete er sein eigenes Uhrenatelier. Sein Motto wurde zum Wahlspruch der Marke: «Toujours faire mieux que nécessaire.» Deutsch: es stets besser machen als nötig.

Das half über manche Krise hinweg, und auf eine der grössten für die Branche war man ohnehin vorbereitet: Gemeinsam mit anderen Marken, darunter Rolex, Omega und Bulova, hatte Piaget das Centre Electronique Horloger gegründet und das erste Schweizer Quarzwerk für Armbanduhren entwickelt, das Beta 21. Es wurde auch in Piaget-Uhren eingebaut. Trotzdem: Über kurz oder lang, so erkannte Yves Piaget, würde die Marke nicht unabhängig weiterkommen. Und so kam es, 1988, zum wohl härtesten Job seines Lebens: «Ich wollte den Fortbestand des Unternehmens, notfalls ohne Familie.»

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18 Monate dauerten die Verhandlungen, lange 15 Monate mit der eigenen Familie, knappe drei Monate mit der Käuferin, der Richemont-Gruppe. Zum Richemont-Chef Johann Rupert, der ebenfalls aus einem protestantischen Milieu stammt, fand Yves Piaget schnell den Draht, zumal klar war, dass die Piaget-Standorte in Genf sowie La Côte-aux-Fées beibehalten würden – ebenso die «wahren Werte» der Marke: Gold, Platin, Schmuck und ultraflache Werke als Ingredienzen.

Das gilt bis heute. An der Uhrenmesse Watches & Wonders in Shanghai präsentierte die Marke, seit Juni 2021 von CEO Benjamin Comar geführt, eben eine neue Auflage der Altiplano Ultimate Concept – nach wie vor nur zwei Millimeter hoch. Und ins Rennen um den Grand Prix d’Horlogerie de Genève schickt die Marke im November einen ultraflachen Ewigen Kalender mit grünem Zifferblatt aus der Polo-Kollektion. Er baut 8,65 Millimeter hoch, was in Anbetracht der Komplikation sehr wenig ist. Der Ewige Kalender gehört zur Königsklasse der Uhrmacherei: Bis zum Jahr 2100 wird er, ohne dass man korrigierend eingreifen muss, immer das richtige Datum anzeigen.

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Und bis dahin, die Wette gilt, wird Piaget weiterhin ultraflache Uhren bauen.

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