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Mr. Capri-Sun Hans-Peter Wild im Gespräch

«Verkauf? Schliesse ich nicht aus»

Der Zuger Unternehmer hat das Getränk Capri-Sun um die Welt getragen. Jetzt steht er vor der grössten ­Herausforderung: seine Nachfolge.

Dirk Schütz

Seit 30 Jahren lebt Wild in dem Innerschweizer Kanton, vor acht Jahren wurde er einge­bürgert.

Seit 30 Jahren lebt Wild in dem Innerschweizer Kanton, vor acht Jahren wurde er eingebürgert.

Herbert Zimmermann / HZ

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Das «Baur au Lac» in Zürich. Hans-Peter Wild ist gerade aus Paris gekommen, am Nachmittag fliegt er nach Cannes zu seiner geliebten Yacht. Er hat Capri-Sun zu einer globalen Erfolgsgeschichte gemacht, besonders Kinder lieben das Süssgetränk mit dem ikonischen Beutel. Doch den Multimilliardär treibt eine Frage um: Was passiert mit der Firma langfristig?

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Sie sind ein scheuer Milliardär: Seit 30 Jahren wohnen Sie in Zug, beschäftigen dort mehr als 60 Mitarbeiter, in unserer Reichsten-Liste schätzen wir Ihr Vermögen auf 3,5 bis 4 Milliarden Franken. Doch in der Öffentlichkeit sind Sie kaum präsent. Warum so zurückhaltend?

Capri-Sun gehört mir zu 100 Prozent, da bin ich niemandem Rechenschaft schuldig. Mein Vater sagte immer: Nur ein anonymes Leben ist ein gutes Leben. Ich brauche keinen Medienrummel.

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Den bekamen Sie aber ungewollt: Ihre 77-Meter-Yacht «Go» stiess vor zwei Jahren auf einer Karibikinsel gleich zweimal gegen eine Hafenmauer, das Video wurde danach über 500'000 Mal auf YouTube angeklickt.

Das brauchte ich auch nicht. Aber niemand wurde verletzt, die Versicherung hat gezahlt, der Schaden war gering. Also alles kein Drama. Es war ein Technikfehler, der Kapitän hat hervorragend reagiert.

Ihre Leidenschaft für das Boot hat darunter nicht gelitten.

Ich verbringe dort so viel Zeit wie möglich, kann von dort alles organisieren, auch wenn ich mich in Zug sehr wohlfühle. Viele Kinder kennen die Yacht mittlerweile und segeln nah an uns vorbei, weil sie wissen, dass sie von uns Capri-Sun geschenkt bekommen.

Mr. Capri-Sun

Als 33-Jähriger stieg der Jurist und Betriebswirt in die väterliche Firma Wild im baden-württembergischen Heidelberg ein und verschrieb sich einer Mission: den Orangensaft Capri-Sonne um die Welt zu tragen. Das ist ihm gelungen: Gegen sieben Milliarden Trinkbeutel stellt die Firma jedes Jahr her, der Umsatz wird auf 1,2 Milliarden Euro geschätzt. Der grösste Markt sind die USA, jetzt soll die Expansion nach China folgen. Wild lebt seit 30 Jahren in Zug, im Jahr 2015 wurde er Schweizer Staatsbürger und gab den deutschen Pass ab. Der 82-Jährige ist auch Eigentümer des Pariser Rugby Clubs Stade Français und umtriebiger Mäzen – unter anderem unterstützt er auch die Universität Zürich.

Hans-Peter Wild, Besitzer von Capri-Sun

Hans-Peter Wild, Besitzer von Capri-Sun

Herbert Zimmermann / HZ
Hans-Peter Wild, Besitzer von Capri-Sun

Hans-Peter Wild, Besitzer von Capri-Sun

Herbert Zimmermann / HZ

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Aber ganz anonym sind Sie dann doch nicht: Im letzten Jahr haben Sie Ihre Autobiografie veröffentlicht, um darzulegen, «was ich aus welchem Sieg oder welcher Niederlage gelernt habe», wie Sie in der Einleitung schreiben. Der Titel lautet: «Mr. Capri-Sun: Work hard, play hard – von der Freude, Unternehmer zu sein». Wie viel ist noch Work, wie viel ist Play?

Formal bin ich Vorsitzender des Verwaltungsrats, aber wenn Ihnen die Firma gehört, brauchen Sie keinen Titel. Ich bin operativ nicht mehr tätig. Ich habe bei Capri-Sun einen sehr guten CEO, der beim US-Konzern Mondelez einen 3,5-Milliarden-Umsatz im Eiscreme- und Kaffeegeschäft verantwortete. Der Finanzchef kommt von Unilever. Beide sind gestandene Manager. Da können Sie nicht den Obermanager machen. Ich lasse sie laufen.

Wie aktiv sind Sie noch?

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Ich bin pensioniert (lacht). Aber der Unterschied zwischen einem Unternehmer und einem Manager ist eben: Der Unternehmer kennt im Unternehmen alles von der ersten Minute an. Die Fachmanager haben Fachwissen, aber nicht den gesamten Überblick über die Industrie. Wenn ich zu Meetings komme, kann ich noch immer sagen, wie es geht. Ich habe mich am Anfang voll herausgehalten und die Manager fünf Jahre machen lassen. Sie haben das sehr gut gemacht. Manager können das Unternehmen operativ besser optimieren als der leidenschaftliche Unternehmer. Der will erst mal Grösse und Marktanteile. Den Gewinn steckt er in die Firma, auf die Dividende verzichtet er.

Wie intensiv ist das?

Wir telefonieren regelmässig. Wir haben ein gutes Verhältnis.

Entwickeln die Firmenchefs das Geschäft weiter?

Sie erzielen sehr gute Ergebnisse, aber wir haben in der Vergangenheit etwas zu spät in ein neues Maschinensystem investiert. Das ist jetzt korrigiert.

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Man hat das Gefühl, Sie rollen seit Jahren immer das gleiche Produkt aus. Woher kommt die Innovation?

Vom Marketing. Wir bieten Capri-Sun inzwischen in der Dose an, wir haben einen konzentrierten Sirup und Wassereis. Und eine hervorragende Werbekampagne.

Hans-Peter Wild: «Es gibt kein Land, in dem Kinder das Produkt nicht lieben.»

Hans-Peter Wild: «Es gibt kein Land, in dem Kinder das Produkt nicht lieben.»

Herbert Zimmermann / HZ
Hans-Peter Wild: «Es gibt kein Land, in dem Kinder das Produkt nicht lieben.»

Hans-Peter Wild: «Es gibt kein Land, in dem Kinder das Produkt nicht lieben.»

Herbert Zimmermann / HZ

Ist Capri-Sun nicht eine aus der Zeit gefallene Zuckerbombe?

Eine Zuckerbombe ist sie nicht, Capri-Sun enthält nicht mehr Zucker als ein Saft. Mein Vater hat das Produkt entwickelt, es war das erste zu 100 Prozent natürliche Getränk ohne künstliche Aromen, Farb- und Konservierungsstoffe. Es war dann meine Herausforderung, das Produkt um die Welt zu tragen. Das ist uns als kleiner Hersteller aus Heidelberg gelungen: Wir sind in 110 Ländern aktiv, fast die Hälfte unseres Umsatzes kommt aus den USA. Es gibt kein Land, in dem Kinder das Produkt nicht lieben.

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Aber dennoch: Liegen Sie damit nicht quer zum Zeitgeist?

Es gibt Capri-Sun mit, ohne und mit reduziertem Zucker. Und bei der Verpackung sind wir so modern wie niemand sonst.

Sie haben sogar den Strohhalm auf Pappe umgestellt. Doch das, so ist von Heavy Usern zu vernehmen, schade dem Geschmackserlebnis.

Das war eine Direktive der EU, stark getrieben von England, noch vor dem Brexit, dort war der Grosshändler Tesco der Treiber. Das Problem: Es gibt kein Papier, das so hart ist wie Plastik, also biegt sich der Strohhalm. Deswegen mussten wir ihn mit immer mehr Zusatzstoffen verstärken. Doch Papier und Plastik lassen sich nicht zusammen recyclen. Es war völlig hirnrissig. Aber das Problem wird sich bald lösen.

Wie denn?

Wir haben bereits zu 100 Prozent recycelbare Capri-Sun, inklusive eines recycelbaren Plastikstrohhalms. Was die Bürokraten produzieren, ist oft nicht vernünftig und kostet sehr viel Geld. Die Umstellung auf den Papierstrohhalm erforderte ein völlig neues Maschinensystem. Das wird sich in den nächsten zwei Jahren erledigen, dann ist alles recycelbar und die Capri-Sun mit Abstand der ökologischste Drink der Welt. Nach dem Trinkgenuss lässt sich der Beutel zusammenfalten und ist klein wie eine Briefmarke. Das geht mit keiner anderen Getränkeverpackung.

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Der Eigentümer mit seinem Beutel: Capri-Sun wird in 110 Ländern vertrieben.

Der Eigentümer mit seinem Beutel: Capri-Sun wird in 110 Ländern vertrieben.

Herbert Zimmermann / HZ
Der Eigentümer mit seinem Beutel: Capri-Sun wird in 110 Ländern vertrieben.

Der Eigentümer mit seinem Beutel: Capri-Sun wird in 110 Ländern vertrieben.

Herbert Zimmermann / HZ

Was ist Ihr Geheimnis bei der Produktion?

Wir nutzen ein selbst entwickeltes und gebautes Maschinensystem, das wir mit niemandem teilen. Das verschafft uns einen Wettbewerbsvorteil. Und die Verpackung mit dem Beutel ist einmalig und ikonisch.

Und beim Geschmack?

Wir passen die Rezeptur an alle wichtigen Märkte an. In jedem Land haben die Käufer eine Idee, wie ein Orangengetränk schmecken soll. Also gehen wir in jedem Land so vor, dass wir ein Getränk kreieren, das den Marktführer schlägt, immer angepasst an den lokalen Geschmack. Den Zuckeranteil haben wir beständig reduziert.

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Wo expandieren Sie jetzt?

Hauptsächlich in China, da sind wir durch Corona zurückgeworfen worden. In den USA haben wir eine starke Position, unser Lizenznehmer ist Kraft Heinz. Wir werden einen Schub bekommen mit dem recycelbaren Beutel und den neuen Maschinensystemen. So wachsen wir weiter. Aber eigentlich gehört so eine Marke zu einem Konzern wie Coca-Cola oder Pepsi, der sie global ausrollen kann.

Würde ein Börsengang helfen?

Für Capri-Sun ist das sicher auch eine Alternative. Der Börsengang löst aber das Problem der geografischen Expansion nicht und schon gar nicht das der Penetration. Das lässt sich nur über bessere Distributionssysteme lösen, da nützt Ihnen der Börsengang nichts.

Bliebe der Verkauf. Sind Sie so weit?

Im Moment nicht. Aber ich schliesse es nicht aus.

Dann hätten Sie noch mehr flüssige Mittel. Was machen Sie damit?

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Ich bin in der Transition von Privatvermögen zur Stiftung. Wir üben das gerade mit allen Beteiligten.

Trotzdem gehört die Firma noch immer zu 100 Prozent Ihnen.

Ich bin nicht so gut im Teilen.

Wie üben Sie?

Wir haben seit einiger Zeit eine Stiftung in Liechtenstein. Es ist das einzige Land, in dem die ausländische Justiz keinen Durchgriff hat. Wenn ein Richter in Timbuktu etwas entscheidet, lässt sich das Urteil in der Schweiz vollstrecken. Das geht in Liechtenstein nicht. Zudem müssen Sie in der Schweiz mehrheitlich Schweizer Projekte unterstützen. Ich bin weltweit aktiv, da schaffe ich die 50 Prozent nicht. Aber ich mache auch in der Schweiz viel – beispielsweise unterstütze ich den Innovation Hub des Universitätsspitals Zürich.

Sie haben zwei Söhne. Wie steht es mit der Nachfolge?

Sie sind beide nicht in die Firma involviert. Das akzeptiere ich. Mein Bruder ist nach dem Tod des Vaters 1995 auch ausgestiegen. Man kann niemanden zwingen, eine Unternehmerkarriere einzuschlagen mit all der Verantwortung und harten Arbeit.

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Bedauern Sie das?

Ja, ich hätte das gern gesehen.

Bleibt also die Stiftung.

Am Ende gibt es nur zwei Lösungen: Man übergibt die Macht an Externe, eben in einer Stiftung. Oder man lässt auch dort der Familie stärkeren Einfluss, in der Hoffnung, dass später jemand im Unternehmen tätig sein kann, vielleicht ein Enkel. Wenn es Familienmitglieder gibt, die den Namen tragen, ist das sehr positiv.

Wie weit lässt sich das planen?

Es ist schwierig. Man muss auch flexibel bleiben. Was gestern richtig war, ist es heute oft nicht mehr. Da braucht man gute Entscheidungsträger. Ich kenne viele Stiftungen, da hängt alles voller Ölbilder, und die Führung hat nichts zur Weiterentwicklung der Unternehmen beigetragen.

Sie haben auch ein Family Office.

Ja, mit einem eigenen Anlageteam, das aber auch für die Stiftung tätig ist.

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Dennoch investieren Sie viel selbst.

Ich setze hauptsächlich auf Technologie und Biotech. Das mache ich seit mehr als 40 Jahren und schlage sie alle. Wir haben UBS, J.P. Morgan, Citibank und Credit Suisse als Portfolio-Manager. Meine Performance ist erheblich besser.

Schwarz oder weiss, Herr Wild?

Tesla oder Ferrari? Eigentlich keinen von beiden – ich fahre Mercedes.

Bordeaux oder Rioja? Auch keinen von beiden: am liebsten Burgunder.

Austern oder Blutwurst? Austern.

Macron oder Scholz? Wahl zwischen Pech und Schwefel: Macron.

Trump oder Biden? Trump.

Berlin oder Paris? Ich liebe Paris. Habe dort studiert und verbringe jetzt dort sehr viel Zeit.

Aktien oder Anleihen? Klar Aktien.

Zug oder Zürich? Natürlich Zug.

Wozu brauchen Sie die denn?

Ich brauche sie nicht, ich könnte sie alle rausschmeissen. Aber dann hat mein Family Office nichts mehr zu tun (lacht). Im Ernst: Sie decken die zentralen Investments ab. Meine eigenen Anlagen laufen da nebenbei.

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Worauf setzen Sie?

Ich bin breit unterwegs. Aber besonders begeistert bin ich von der Fusionstechnologie. Da geht es um die Energieprozesse, die Sonne und Sterne antreiben. Der Energiewert pro Einheit ist zehn Millionen Mal so hoch wie bei Kohle. Es wird die wertvollste Technologie des Jahrhunderts werden.

Wie investieren Sie?

Ich habe über 50 Millionen Pfund in die britische Firma Tokamak Energy investiert, die mehr als 250 Patente eingereicht hat. Sie hat mir ein Metallstück übergeben, das 30 Zentimeter entfernt war von 100 Millionen Grad Celsius – der siebenfachen Wärme des Sonneninnenkerns.

Die Banken umschwärmen Sie weiter.

Als Axel Weber noch UBS-Präsident war, gingen wir regelmässig essen – ich war einer der Kunden, die er direkt betreute. Der Input der Bank war sehr hilfreich. Allerdings habe ich die Credit Suisse immer als innovativer erlebt, aber eben auch als aggressiver. Dass sie jetzt nicht mehr existiert, ist eine Schwächung für den Finanzplatz Schweiz. Die Kantonalbanken können das leider nicht ersetzen. Jetzt drängen die Ausländer wie BNP Paribas, Citi oder J.P. Morgan in die Lücke. Ich bin gespannt, ob das funktioniert.

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Wie wohl fühlen Sie sich in Zug?

Sehr wohl. Die Kantonsregierung ist sehr offen und unternehmerfreundlich. Am Anfang hatte ich als Ausländer diese Pauschalbesteuerung. Da hat der Steuerverantwortliche gesagt: Sie zahlen mir diesen fixen Betrag pro Jahr, und ich möchte, dass Sie 150 Jahre alt werden. Da habe ich gesagt: Das ist ein Deal. Wir haben dann sogar Geld zurückbekommen. Seit ich Schweizer bin, geht das nicht mehr. Wir mussten erstmals eine Weltvermögensaufstellung machen. Die Schweiz ist eines der besten Länder der Welt, keine Frage.

Sie sind 82 Jahre alt – mit wie viel Sorge schauen Sie auf die Welt? Haben Sie gar Angst, wie Propheten der künstlichen Intelligenz, dass die Menschheit vom Aussterben bedroht ist?

Als ich mich als 20-Jähriger mit Religion beschäftigte, beschrieb eine der Theorien, dass das Ergo sum (ich existiere) ein Fehler der Evolution ist. Wie kam es in unser Hirn? Vielleicht ist es ein Fehler der Natur, der uns einmal eliminieren wird. Und sonst ist es vielleicht wirklich die künstliche Intelligenz. Nicht schon 2050, wie mancherorts prophezeit, das erscheint mir zu früh. Aber im Jahr 2300? Das halte ich für möglich.

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Über die Autoren
Dirk Schütz

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