Guten Tag,
Sika-Erbe Urs Burkard durchlitt eine extrem schmutzige Firmenschlacht. Wie glücklich ist er heute? Zweiter Teil des Buchvorabdrucks «Milliardäre».
Urs Burkard verkaufte nach vier Generationen den Anteil am Bauzulieferer Sika.
Illustration: Kornel Stadler für Milliardäre-BuchWerbung
Eigentlich hätte es ein Moment der Euphorie sein müssen. Doch es wurde ein Moment der Trauer. Der Schicksalstag war der 11. Mai 2018. Um fünf Uhr morgens unterschrieben die beteiligten Parteien die Verkaufsverträge, ganz regelkonform vor Börsenöffnung. Dann kam der grosse Moment: Die Baufirma Sika überwies die Summe von 3,2 Milliarden Franken an die fünf Geschwister des Burkard-Clans – auf einen Schlag, in bar. Selten ging eine grössere Summe in der Schweiz in einem Moment an Privatpersonen über.
Mehr als 600 Millionen davon landeten auf den verschiedenen Konten, die Urs Burkard bei Sika hatte deponieren lassen. «Das Geld ist da», kam als Bestätigung von den Banken. Und der freudige Bezieher? Ein Rausch an Glückshormonen? Die grosse Befreiung? «Mir sind die Tränen gekommen – aber nicht aus Freude, sondern aus Trauer. Ich habe mich gefragt: Habe ich mein Erbe verraten? Habe ich meine Seele verkauft?»
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Hinter ihm lag der schmutzigste Firmenkrieg der jüngeren Schweizer Geschichte. Dreieinhalb Jahre zuvor hatten sich die Burkard-Geschwister zum Verkauf ihrer Stimmenmehrheit an der Baufirma entschlossen – ihr Anteil von 51 Prozent des Kapitals und 17 Prozent der Stimmen sollte an den französischen Baukonzern Saint-Gobain gehen.
Eigentlich ein ganz normaler Vorgang in der Firmenwelt. Doch die sehr selbstbewusste Führung von Sika blockierte den Verkauf und karikierte die Burkard-Familie als gierig, inkompetent und verantwortungslos.
Heerscharen von Juristen und PR-Beratern verdienten viel Geld an dem Scharmützel, das Kantonsgericht in Zug gab dem Sika-Management in erster Instanz sogar recht, was die führenden Aktienrechtler der Schweiz mit grossem Erstaunen zur Kenntnis nahmen. In der höheren Instanz, da waren sie sich sicher, würde dieser frappante Bruch der Eigentumsgarantie nicht mehr Bestand haben.
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Doch so weit kam es nie: Weil die Sika-Aktie magische Flugkräfte entwickelte, stieg der Wert des Burkard-Anteils so stark, dass er das Saint-Gobain-Angebot deutlich überstieg. So bezahlte das Management schliesslich mit dem Geld der Aktionäre den Grossaktionär aus – und die Familie bezog gut 500 Millionen Franken mehr als bei dem Angebot aus Frankreich. Ein gutes Geschäft, gewiss. Aber eben auch das Ende von vier Generationen der Familie in der Firma.
«Zehn Schweizer Superreiche – und die grosse Frage: Macht Geld glücklich?» lautet der Titel des BILANZ-Buchs «Milliardäre» von Dirk Schütz. Zehn Prominente äussern sich erstmals persönlich zu diesem Thema: Christoph Blocher, Urs Wietlisbach, Hansjörg Wyss, Klaus-Michael Kühne, Michael Pieper, Samih Sawiris, Andreas Jacobs, Urs Burkard, Peter Spuhler und Roche-Erbe André Hoffmann. Wie wichtig war Geld in ihrer Kindheit? Wo liegt der Unterschied zwischen einer Million und einer Milliarde Franken? Wie geht man verantwortungsvoll mit einem so grossen Vermögen um?
Das Buch ist erhältlich unter shop.bilanz.ch/books und kostet 34 Franken. BILANZ-Leser erhalten 20 Prozent, Gutscheincode GRP20-0621.
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Ein Bürogebäude am Rande von Baar. Mehrere Handwerker sind im Einsatz, die Wände werden noch verputzt, es wird gehämmert und gesägt. «Das ist mein neues Reich», empfängt Urs Burkard. «Der Warhol im Entrée kommt noch.» Es ist zwar kein echter Warhol: Burkard, Jahrgang 1957, liebt die Werke des schillernden Kunstfälschers Wolfgang Beltracchi, mit ihnen hat er sein gesamtes Büro ausgestattet. Die Warhol-Inspiration wird demnächst angeliefert. «ADUR Management» prangt als Schriftzug in grossen Lettern im Entrée, das Logo elegant geschwungen. Es ist der Name seines neuen Family Office, benannt nach seiner Frau Adriana – und Urs Burkard.
Von der Trauer des Verkaufs ist gut zwei Jahre danach nichts mehr zu spüren. Seine Frau betreibt im gleichen Gebäude ein Reisebüro und hat sich auf hochwertige Afrikareisen spezialisiert. Gerade sind die beiden aus Tansania zurückgekommen, einem der wenigen Länder, in die man im Corona-Jahr noch relativ einfach reisen kann. Die Verschärfung der Maskenplicht und all die Einschränkungen in seiner Heimat sind da nicht so sein Fall. Für seine Frau hatte er eine grosse Überraschungsfeier zum Geburtstag organisieren wollen, wegen Corona musste er sie jedoch absagen.«Da habe ich gesagt: ‹Komm, fliegen wir doch gleich wieder nach Tansania zurück.›» Vor Weihnachten ging es wieder los. «Das ist meine neue Freiheit.»
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««Ich habe mich gefragt: Habe ich mein Erbe verraten? Habe ich meine Seele verkauft?»»
Urs Burkard
Sie zeigt sich auch in einem anderen Hobby. Seine Frau ist Italienerin, er hatte sie einst 1983 bei einem Sprachkurs in New York kennengelernt. Adriana stammt aus einer genuesischen Familie mit landwirtschaftlichen Genen. Schon lange wollte sie ein Gut in ihrer Heimat kaufen. Durch Bekannte erfuhr Urs, dass das edle Weingut Roberto Guldeners in der Toskana zum Verkauf stand: 200 Hektar Land, mit Wald, Olivenhainen – und einer Weinproduktion von 400 000 Flaschen pro Jahr.
Und so sind die Burkards seit Kurzem stolze Besitzer eines toskanischen Weinguts. «Das hätte ich zu Sika-Zeiten nie gemacht – da hätten mir Zeit und Fokus gefehlt», sagt der Hausherr. Drei der Flaschen stehen auf einem Tisch – «Campaccio» lautet der Name. Sein Ziel: ein Spitzenwein für 70 bis 80 Franken die Flasche. Die Hauptarbeit liegt bei seiner Frau: Sie ver- bringt viel Zeit dort und hält den Kontakt mit den Handwerkern. «Wir haben da eine sehr schöne Arbeitsteilung», lacht Burkard. «Ich habe ihr gesagt: Du machst die Arbeit, und ich degustiere die Weine.»
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Es war nicht immer so einfach. Zwar wuchs Burkard in einem behüteten Elternhaus in Küsnacht an der Zürcher Goldküste auf. Sein Grossvater Fritz Schenker war der mächtige Firmenpatron, der die Sika in zweiter Generation führte. Doch schon drängte die nächste Generation nach: Romuald Burkard, der Vater von Urs und Schwiegersohn von Fritz Schenker, war in die Firma eingetreten, und zwischen den beiden ging es nicht immer harmonisch zu – in den Unterlagen fanden die Kinder sogar einen Kündigungsbrief des Vaters an den Grossvater, der allerdings nie abgeschickt wurde.
Der Grossvater starb, als Urs 14 Jahre alt war, und jetzt etablierte sich der Vater – er wurde zum klassischen Patron alter Schule, der aus Sika eine internationale Firma mit Verkaufspunkten rund um die Welt machte. Doch es war nicht immer alles rosig. In der Wirtschaftskrise Ende der 70er Jahre etwa mussten die Eltern Geld aus ihrem Privatvermögen in die Firma einschiessen, um Sika zu retten. Die schönen jährlichen Dividendenzahlungen blieben aus. Doch das war nur eine kurze Episode.
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Urs Burkard wuchs in solidem Wohlstand auf («mit goldenem Löffel im goldenen Käfig mit goldenen Fesseln»), und so spielten Geldfragen auch keine Rolle bei der Berufswahl. Doch es kam schnell zum Konflikt: Die Eltern hatten für den ältesten Sohn ein Studium vorgesehen, und natürlich hätte es der Patron gern gesehen, wenn der Stammhalter ihm in der Firmenführung gefolgt wäre. Doch das passte Urs Burkard gar nicht.
Er war nie ein guter Schüler gewesen und hatte keinen Spass am Lernen, und dass die Eltern ihn zwei Jahre auf das Internat Zuoz schickten, verstärkte seine Aversion eher noch. Er ging von der Schule ab und machte eine Schnupperlehre bei einem Innenarchitekten in Bern, einem Bekannten seines Vaters. Der junge Mann war begeistert – kreative, körperliche Arbeit, bei der er am Abend das Geleistete vor Augen hatte. Als er nach der besten Ausbildung fragte, lautete die Antwort: Erst Schreiner, dann ein Innenarchitekturstudium.
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Die Eltern mussten es akzeptieren. Wenn sie sich in den Ferien mit ihren Bekannten in Fünf-Sterne-Hotels trafen, fragten diese schnell: «Und was studierst du?» – «Ich studiere nicht, ich mache eine Schreinerlehre», bekamen sie dann von Urs prompt und selbstbewusst zur Antwort, und das Unverständnis in den Blicken genoss er fast. Einmal hatte sein Unternehmen einen Auftrag in einer wohlhabenden Familie in Zollikon, er musste eine Küche montieren, und die Dame des Hauses behandelte den Lehrling von oben herab. Abends klingelte es an der Tür, die Auftraggeberin war bei den Burkards eingeladen, und Urs öffnete die Tür. «Die Dame wollte kaum noch ins Haus», erinnert sich Burkard amüsiert – die Anekdote erzählt er noch immer betont lustvoll.
Für ihn war es eine fantastische Lebensschule. Er wurde nicht anders behandelt als die übrigen Lernenden, die Stelle hatte er sich selbst gesucht, und sein Lehrmeister wusste am Anfang gar nicht, dass er aus einer wohlhabenden Unternehmerfamilie stammte. Urs fing ganz unten an, da hiess es dann: «Hey, Stift, feg mal den Boden» oder «Hey, Stift, räum hier mal auf». Er erlernte nicht nur ein Handwerk, sondern auch die Hochachtung vor körperlicher Arbeit. «Ich fühle mich wohl mit Handwerkern: Teppichleger, Sanitär – ich rede ihre Sprache. Das lehrt einen den Respekt vor den anderen Menschen und ihrer Arbeit. Das prägt.»
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Die privilegierte Familiensituation kam ihm dann nach der Lehre zugute: Die Innenarchitekturausbildung absolvierte er nicht in der Schweiz, sondern an der New York School of Interior Design. Vorher belegte er in New York einen Englischkurs – und traf dort 1983 auf die junge Italienerin Adriana, seine spätere Frau. Drei Jahre dauerte die Ausbildung, doch schon vor Abschluss hatte er sich in New York mit einem gewissen Herrn Denz getroffen, Inhaber der Firma Denz Büromöbel, der via Sika von dem kreativen Familienspross in New York gehört hatte.
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Nach seiner Rückkehr in die Schweiz übernahm Urs Burkard die Leitung der Designabteilung der Büromöbelfirma – bis er mit 32 Jahren sein eigener Chef werden wollte: Er gründete in Baar sein eigenes Unternehmen für Innenarchitektur und Büromöbel. Sika war da ganz weit weg – und wenn der Vater noch immer irgendwelche Ambitionen hegte, dass sein Sohn einmal einsteigen würde, so hatten diese sich spätestens jetzt verflüchtigt. «Das hatte der Vater begraben.» Doch Romuald Burkard war zu diesem Zeitpunkt schon Mitte 60, und langsam begann ihn die Nachfolgefrage umzutreiben.
Der älteste Sohn mit wenig Interesse an der Firma, auch die drei Schwestern kaum interessiert, der jüngste Sohn noch zu weit weg davon, Verantwortung zu übernehmen. Also kreierte der Senior eine Art Schulbank für die Geschwisterschar: Einführung in die Mysterien einer Weltfirma. Ein Anwalt und ein Treuhänder führten die Geschwister in Buchhaltung, Warenproduktion und Aktienrecht ein. Das war komplettes Neuland für sie: Anders als in vielen Unternehmerfamilien war bei den Burkards die Firma nie Thema gewesen am Familientisch.
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«Mein Vater war Fabrikant, das war alles, was ich wusste», erinnert sich Urs Burkard. «Wir wussten nicht einmal, was Sika herstellt.» Allerdings: So richtig gut lief der Schnellkurs nicht. Wenn er wirklich etwas von der Firma verstehen solle, so teilte Urs Burkard seinem Vater unmissverständlich mit, müsse er in den Verwaltungsrat eintreten. Doch da blockte der Vater, das war als Präsident sein Revier. Er steckte in dem ewigen Dilemma der Vollblutunternehmer: Er wusste, dass er loslassen musste – aber er konnte es nicht.
Es bedurfte intensiven Zuredens des Familienanwalts, bis Urs Burkard dann schliesslich 1999 in den Verwaltungsrat eintrat – und bis zum Verkauf 2018 blieb. Zwar hatte auch eine der beiden Schwestern das Mandat übernehmen wollen, doch der Vater entschied sich für den Sohn. Nun musste er sich mit all den schwierigen Unternehmensthemen beschäftigen – und das gelang ihm gut und machte ihm sogar Spass.
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2004 starb Romuald Burkard im Alter von 78 Jahren, das Präsidium überliess Urs Burkard einem externen Verwaltungsrat. Ein Verkauf der Familienbeteiligung war damals noch kein Thema. Das änderte sich erst, als 2013 auch Mutter Franziska starb. Plötzlich fehlte die Klammer, die alles zusammenhielt, und die Eintracht unter den fünf Kindern litt weiter. Die Geschwister entschieden sich für den Verkauf.
Am 11. Mai 2018 war die Geschichte dann abgeschlossen. Und nach der ersten Trauer kam auch langsam die Freude. Denn die dreieinhalb Jahre Stellungskampf hatten auch etwas Zermürbendes. Es war nicht nur der giftige Widerstand des Sika-Managements, der den Verwaltungsrat zerriss. Auch unter den fünf Geschwistern war man sich nicht immer einig: Der Bruder und eine Schwester hatten das Verhalten Urs Burkards im Verwaltungsrat mehrfach in Frage gestellt. Schon vorher hatte er sich oft für seine Entscheidungen rechtfertigen müssen.
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Besonders mit dem jüngeren Bruder Fritz, der selbst einmal für Sika als Italien-Chef gearbeitet hatte, kam es häufiger zu Spannungen. Die 28 Jahre im Verwaltungsrat hatte Burkard deshalb oft auch als sehr enges Korsett empfunden. Jetzt hatte er sich endlich davon befreit – und konnte für seine Frau und seine beiden Söhne etwas Eigenes aufbauen. Und das tat er mit grosser Freude.
Statt sich einfach an eine bestehende Vermögensverwaltungsfirma für Familien anzuhängen – «Multi-Family Office» im Fachjargon –, baute er sich sein eigenes Konstrukt: ein schönes «Single-Family Office». Zwar bot er seinen Schwestern an, bei ihm einzusteigen, das würde die Kosten für beide Seiten senken. Doch er machte sofort klar: Das würde zu 100 Prozent seine Firma sein. Wieder alles abstimmen zu müssen, wenn auch nur mit den ihm wohlgesonnenen Schwestern, das war absolut ausgeschlossen.
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Seine Frau und die Söhne band er jedoch von Anfang an mit ein – er wollte nicht den Fehler seines Vaters wiederholen und die engsten Angehörigen ausschliessen. Er warb einen Top-Private-Banker von der Credit Suisse ab und machte ihn zum CEO. Zusätzlich zum Verwaltungsrat, in dem alle Familienmitglieder Einsitz nahmen, schuf er noch einen Beirat aus Vertrauten und Investmentprofis.
Und selbst die Assistentin seines Vaters, die mehr als 30 Jahre für die Familie gearbeitet hatte und schon pensioniert war, betraute er mit einem Teilzeitpensum – so viel Familientradition muss sein. Inhaltliche Vorgaben für die Investments gibt es nicht, aber es sollten schon ein paar Direktinvestments in Firmen dabei sein und auch Spass machen – einfach irgendeinen Fonds kaufen ist nicht das Ziel.
Fühlte er sich nach dem Verkauf reicher? Lange nachdenken muss er nicht. «Wissen Sie, jeder von uns hat schon vor dem Verkauf gut gelebt, das rein Finanzielle war nicht die Motivation für den Verkauf.» Jedes der fünf Geschwister habe ein eigenes Einkommen gehabt, und die Firma warf für jeden von ihnen jährlich einen ordentlichen siebenstelligen Betrag nach Steuern ab.
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«Aber was jetzt anders ist: Ich muss nicht jede Entscheidung mit der Familie absprechen. Ich bin endlich vollkommen mein eigener Chef.» Man könnte auch sagen: Er hat sich ein neues Lebensgefühl gekauft – die grosse Freiheit. Und die geniesst er in der Tat, und das durchaus auch materiell. Die Ferienwohnung in Celerina hatte er schon vor dem Verkauf, zusätzlich zu seinem stattlichen Anwesen in Oberägeri. Auch ein Motorboot besass er bereits, doch jetzt lässt er ein grösseres Modell bauen, mit dem er die Welt bereisen will – auch ein Lebenstraum seiner Frau.
««Ich muss nicht jede Entscheidung mit der Familie absprechen. Ich bin endlich vollkommen mein eigener Chef.»»
Urs Burkard
Autofan ist er seit Kindheitstagen, und so hat die neue Freiheit auch seine Sammlung wachsen lassen: Drei edle Lamborghini hatte er schon vor dem Verkauf, dazu auch einen Aston Martin, einen Porsche-Klassiker und einen Lamborghini Espada. Doch dann legte er sich einen Lamborghini Miura SV zu, Baujahr 1971. «Das war fast eine Belohnung nach der Trauer durch den Verkauf.» Und natürlich das Weingut in der Toskana, auch wenn er das nicht als reines Hobby deklarieren will, dazu ist er dann doch zu sehr Geschäftsmann: «Da will ich wenigstens eine schwarze Null schaffen.»
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Ist da noch Platz fürs Spenden? Auch da ist er erfrischend ehrlich. «Um es ganz direkt zu sagen: Das Geld, das sich die Familie über mehr als hundert Jahre erarbeitet hat, jetzt zu verschenken – das kommt für mich nicht in Frage.» Und auf Bill Gates, den Begründer der «Giving Pledge», ist er ohnehin nicht gut zu sprechen. Die Gates-Stiftung war eine der grossen Aktionärinnen, die sich zusammen mit dem Management gegen den Verkauf des Burkard-Anteils an Saint-Gobain gestellt hatten. Der Multimilliardär und Grossspender habe sich in jungen Jahren das Patent für seine Software erschlichen und musste sich mit zahlreichen Klagen herumschlagen, so Burkard: «Der ist für mich absolut kein Vorbild.»
Langfristig kann Burkard sich aber schon vorstellen, dass er einen Prozentsatz vom Gewinn seines Family Office in wohltätige Projekte steckt. Doch noch ist die Firma zu jung. Privat macht er jetzt schon etwas: Zusammen mit seiner Frau unterstützt er etwa in Tansania einen Jungunternehmer beim Aufbau einer Safari-Unternehmung. 14 Jeeps betreibe der jetzt, 50 Mitarbeiter könnten von der Firma leben. Aber natürlich: Bei einem so grossen Vermögen hat er die Verwendung des Geldes schon vorgespurt, sollte ihm etwas zustossen. Seine erwachsenen Söhne sind voll in seine neue Familienfirma integriert. Der ältere hat gerade eine Autosport-Firma übernommen, der jüngere hat eine Firma für Innenarchitektur gegründet – ganz in der Tradition des Vaters.
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Doch Vorschriften will er der nächsten Generation nicht machen, da setzt er auf Vertrauen. Es habe vier Generationen gebraucht, um dieses Vermögen aufzubauen, teilte er ihnen lediglich zum Firmenstart mit – und jetzt wäre es schön, wenn es für mindestens vier weitere Generationen reichen würde. «Die Verantwortung liegt bei ihnen: Wenn sie es verprassen, habe ich als Vater einen Fehler gemacht. Wenn sie etwas Gescheites machen, habe ich es als Vater nicht schlecht gemacht.»
Und, Herr Burkard, macht Geld jetzt glücklich? Lange überlegen muss er nicht. «Das Geld allein sicher nicht. Glücklich machen mich meine Frau und meine beiden Söhne und mein Enkel. Doch Geld verleiht mir Unabhängigkeit: Das ist der wahre Wert.»
Aber das Herzblut für eine Firma – fehlt ihm das nicht? Vier Generationen leben und leiden mit Sika, und plötzlich ist alles vorbei? Spürt er sie noch, die Trauer des Verkaufs? «Natürlich gräme ich mich manchmal schon, dass wir unsere Firma aufgegeben haben», gibt er offen zu.
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Es ist wie eine Droge, von der er sich Abstand verordnet hat: Er liest keine Berichte mehr, er vermeidet den Kontakt mit der aktuellen Führung. Doch es gärt noch in ihm. Immer wenn er irgendwo das rote Sika-Logo sieht, kommen die Emotionen wieder hoch. Der Schmerz des verkauften Erbes lässt sich auch mit den schönsten Sportkarossen und Spitzenweinen nicht ganz abschütteln.
Und so bleibt als Fazit für unsere Glücksreise: Das Familienerbe zu verkaufen, ist emotional deutlich belastender als der Verkauf einer selbst aufgebauten Firma – die Schuldgefühle sind immer da. Kompensiert wird der Schmerz durch die grosse Unabhängigkeit: Es ist sehr befreiend, ganz allein über das Vermögen entscheiden zu können – und sich auch Schönes zu gönnen. Aber dieses Glücksgefühl hält nie lange an.
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