Guten Tag,
Vor sieben Jahren lancierte Sergio Ermotti die Übernahme des Rivalen. Jetzt kehrt er zurück – um sie endlich umzusetzen.
UBS-Granden am Ziel: Sergio Ermotti und Colm Kelleher.
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Da sass er also, im Morgan-Stanley-Hauptquartier hoch über dem New Yorker Times Square, und musste eine extrem schwierige Entscheidung fällen. Die amerikanische Regierung drängte auf einen Zusammenschluss seiner Morgan Stanley mit der taumelnden Grossbank Wachovia, dem viertgrössten Player auf dem grössten Bankenmarkt der Welt. Das Finanzsystem wankte in diesen dramatischen Tagen im September 2008, und Finanzchef Colm Kelleher hatte nur wenig Zeit, um die Zahlen des Übernahmekandidaten zu prüfen. Doch die reichte ihm, um den Deal abzublasen. Seine feingliedrige Begründung: «Das ist ein Shit-Sandwich, das nicht einmal in mein grosses Maul passt.»
Fast 15 Jahre später sass der 65-Jährige im nicht ganz so weltläufigen Berner Medienzentrum, wieder ging es um eine Zwangsheirat, und seine Botschaft (die UBS bleibe «rock solid») verband er mit einer speziellen Note an die deutlich weniger erfahrenen Mitstreiter auf dem Podium: Finanzchef sei er schon «während der Finanzkrise gewesen» – und das, so die Implikation, bei der heute erfolgreichsten Investmentbank der Welt. Klare Ansagen, kein Wort zu viel, perfektes Pokerface. Da wirkte selbst der gewichtigste Gegenspieler auf der Gegenseite verunsichert: Ob die CS-Aktie morgen früh noch gehandelt werde, könne er nicht sagen, schlingerte Nationalbank-Präsident Thomas Jordan. Er reichte die Frage an die neben ihm postierte Finma-Präsidentin Marlene Amstad weiter – und sie musste vor versammelter Weltpresse ihren Behördenchef Urban Angehrn fragen, der in der ersten Reihe sass. Er wusste es auch nicht. Kelleher schaute stoisch auf die Medienleute. Bern traf auf die Wall Street.
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Dieses Mal hatte Kelleher zugebissen. Für die Due Diligence war wieder wenig Zeit geblieben, und das deutlich aggressivere Geschäftsgebaren der CS machte auch dieses Sandwich eher unbekömmlich. Aber der Druck der Schweizer Regierung war zu gross, und vor allem: der Deal einfach zu gut. Natürlich vermied der Ire jegliches Triumphgefühl. Doch es wird in die Schweizer Wirtschaftsgeschichte eingehen, wie Kelleher mit seinem Team an diesem schicksalhaften Wochenende die Verhandlungskunst perfektionierte. Weil die Troika aus Bund, Nationalbank und Finma von Anfang an keinen Zweifel daran gelassen hatte, dass die Übernahme die einzige realistische Option war, konnte er die Bedingungen fast im Alleingang diktieren.
Sie verkündeten am 19. März die CS-Übernahme durch die UBS: Axel Lehmann, Colm Kelleher, Karin Keller-Sutter, Alain Berset, Thomas Jordan, Marlene Amstad, André Simonazzi (v. l.).
KeystoneSie verkündeten am 19. März die CS-Übernahme durch die UBS: Axel Lehmann, Colm Kelleher, Karin Keller-Sutter, Alain Berset, Thomas Jordan, Marlene Amstad, André Simonazzi (v. l.).
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Die kommunikativ eher anfälligen CS-Oberen um Präsident Axel Lehmann konnten da nur zuschauen, wie die UBS selbst den grotesk tiefen Kaufpreis von drei Milliarden Franken – zwei Jahre zuvor war die Bank noch mehr als 30 Milliarden wert – als Grosstat verkaufte. Kelleher hatte zunächst nur eine Milliarde Franken geboten, «vor einem Restaurant per Telefon», wie die «Financial Times» wusste, gemäss dem zentralen Verhandlungsgrundsatz: Mit dem Erstgebot die Gegenseite schocken. Auf wundersame Weise gelangte die Zahl am Sonntagmorgen zu dem Londoner Finanzblatt, genauso wie die Erhöhung auf zwei Milliarden. Als es am Abend bei der Pressekonferenz gar drei Milliarden wurden, stand die UBS plötzlich als grosszügig da – obwohl sie die CS für einen Spottpreis bekommen hatte. Die saudischen Aktionäre, die drei Monate zuvor noch das Dreifache für ihre Aktien bezahlt hatten, schäumten. «Kelleher konnte am Abend keinen Champagner aufmachen, sondern seinen teuersten Château Petrus» sagt ein Ex-CS-Geschäftsleitungsmitglied.
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Doch lange dürfte er nicht gefeiert haben. Denn das Geschenk der Schweizer Behörden war hochgefährlich: Zwei EU-Ausländer an der Spitze der neuen Mega-Bank boten im Wahljahr heftige Angriffsfläche. Die SVP schoss bereits. Es gab nur einen Mann, der ihn retten konnte: Ex-Chef Sergio Ermotti. Der Tessiner hatte Kelleher schon bei dessen Antritt von den Vorteilen eines CS-Kaufs vorgeschwärmt. Zudem hatte er bereits die UBS-Investmentbank heruntergefahren und bei den grossen Investoren einen besseren Ruf als der Retailbanker Ralph Hamers. Direkt am Tag nach der Deal-Verkündung nahm Kelleher mit Ermotti Kontakt auf – und präsentierte ihn neun Tage später als CEO.
Vorausgegangen waren die dramatischsten Tage auf dem Finanzplatz, die selbst die UBS-Staatsrettung übertrafen. Damals, im Oktober 2008, dauerten die Verhandlungen drei Wochen, alle grossen Finanzplätze arbeiteten nach dem Vorbild der Amerikaner an einer staatlichen Auffanglösung, und als die Rettung am 16. Oktober verkündet wurde, war die Überraschung gross. Jetzt musste alles viel schneller gehen, und vor allem: Die Welt schaute auf die Schweiz – die CS hatte sich ihren Ruf als schwächstes Glied der globalen Bankenkette durch episches Missmanagement und mannigfache Skandale hart erarbeitet. Eine Pleite würde das gesamte Finanzsystem bedrohen.
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Die Rekonstruktion der schicksalshaften Tage inspiriert zu drei zentralen Erkenntnissen. Erstens: Auf staatlicher Seite war Jordan der entscheidende Player. Natürlich platzierten in den Tagen nach der Deal-Verkündung die Berner Spindoktoren die Heldinnen-Geschichte von der prominenten Rolle der Finanzministerin, und zweifellos hat Karin Keller-Sutter ihre Rolle angesichts der Bedrohung kompetent ausgefüllt. Diese Rolle kam ihr schon qua Amt zu: Im Lenkungsgremium über die «tripartite Zusammenarbeit der Schweizer Finanzmarktbehörden», wie es im Memorandum von 2019 in bestem Amtsdeutsch formuliert wurde, hatte sie formal den Vorsitz, Jordan und Amstad waren nur reguläre Mitglieder. Doch Keller-Sutter, die einstige Dolmetscherin, war gerade zweieinhalb Monate im Amt, und dass sie später im «NZZ»-Interview ihre Erfahrung als Verwaltungsrätin der Baloise als Referenz nannte, war bezeichnend – die fünftgrösste Schweizer Versicherung hat mit Wall Street und Londoner City eher wenig Berührungspunkte. Und auch die wenig praxiserfahrene Finma-Präsidentin Amstad stand erst zwei Jahre an der Spitze der Aufsichtsbehörde. Die Inhaltskompetenz innerhalb der Troika lag unbestritten bei SNB-Langzeitlenker Jordan.
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Zweitens: Die UBS hat die Übernahme von langer Hand geplant. Natürlich betonte Kelleher pflichtschuldig, dass er diesen Deal nicht angestrebt habe. Doch BILANZ-Recherchen zeigen: Seit 2016 arbeitete die UBS an der Übernahme, und es war der alte und neue CEO, der das Projekt lanciert hatte – Sergio Ermotti. «Ich freue mich, meine Ideen umsetzen zu können», sagte er bei seiner Vorstellung.
Und das führt zur dritten Erkenntnis, die eine fast schon skurril-tragische Note hat und als Besonderheit der so globalen und gleichzeitig so kleinteiligen Schweizer Wirtschaftsszene gelten darf: Die beiden CS-Steuermänner, Präsident Lehmann und CEO Ulrich Körner, waren lange Mitglieder der UBS-Geschäftsleitung und an den Planungen zur CS-Übernahme beteiligt. Sie wussten also von der industriellen Logik des Zusammenschlusses und dem starken Interesse der UBS. Doch sie versäumten es, auf ihren Ex-Arbeitgeber zuzugehen, als noch ein guter Deal möglich war. Am Ende mussten sie kapitulieren – und führten ihre Aktionäre und Mitarbeiter ins Desaster.
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Auslöser war die Pleite der bis dahin wenig bekannten Silicon Valley Bank, die nach einem Bank Run liquidiert werden musste. Der Zusammenbruch geschah am Freitag, dem 10. März, und sendete Schockwellen durch das globale Finanzsystem. Der Zufall wollte es, dass sich der mächtigste Club der Weltwirtschaft einen Tag später zu seinem hochgeheimen Treffen einfand – wie üblich in der Schweiz. In der Basler Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), dem Treffpunkt aller Notenbankchefs, waren die Währungslenker zu ihrem zweimonatlichen Rendezvous eingetroffen. Von Fed-Chef Jerome Powell über EZB-Lenkerin Christine Lagarde bis zum Briten Andrew Bailey – sie alle waren geladen. Und natürlich auch Thomas Jordan.
Im BIZ-Turm traf sich der mächtigste Wirtschaftsclub der Welt, inklusive Nationalbank-Chef Thomas Jordan, drei Tage vor der Liquiditätshilfe an die CS – und machte Druck.
keystone-sda.chIm BIZ-Turm traf sich der mächtigste Wirtschaftsclub der Welt, inklusive Nationalbank-Chef Thomas Jordan, drei Tage vor der Liquiditätshilfe an die CS – und machte Druck.
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Die Schweizer hatten in dem Gremium den Ruf von Strebern. Die Kapitalvorschriften, die der als Basler Ausschuss berüchtigte Regulierungskörper erliess, waren ihnen zu schwach, deshalb packten sie noch einen Swiss Finish obendrauf. Dass Jordan von der als Club-Med-Politik bespöttelten Strategie der EZB-Chefin Lagarde wenig hielt, war ein offenes Geheimnis, er verbündete sich am ehesten noch mit den Stabilitätsgefährten aus Deutschland und Holland, aber selbst die waren ihm oft zu soft. Normalerweise finden die Treffen in harmonischer Atmosphäre statt, alle sind per Du, es ist fast eine Art Kameradschaft. Am Abschlussdiner am Sonntagabend gibt es beste Bordeaux, man tauscht sich eng aus, keiner schickt einen Stellvertreter.
Doch diesmal war Feuer im System. Die Zündschnur hatte Leitwolf Powell im Gepäck, dem als weltmächtigstem Notenbanker der Vorsitz zukam. Durch die Pleite der Silicon Valley Bank drohe eine neue Finanzkrise, so der Tenor. Das entbehrte nicht einer gewissen Ironie, da das Desaster der kalifornischen Bank durch Powells extrem rasche Zinserhöhungen ausgelöst wurde, die wiederum notwendig waren, weil der Fed-Chef und mit ihm seine ganze Gilde die Inflation viel zu lange kleingeredet hatten und er zudem die Regulierung der Regionalbanken in den USA hatte schleifen lassen. Besonders alarmierend: Auch die Silicon Valley Bank verfügte über satte Kapital- und Liquiditätsquoten – wie die CS. Die Angst war gross: Wenn der Virus auf eine der 30 systemrelevanten Banken überspringt, taumelt das gesamte Finanzsystem. Und so lautete die ungewohnte Botschaft an den bisherigen Musterknaben Jordan: Thomas, fix your problem.
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Natürlich hatte die Nationalbank die Schieflage der CS seit Monaten im Auge. Für den Krisenfall waren die Abläufe genau festgehalten, und die Troika hatte seit dem Herbst den Austausch deutlich verstärkt. Dem Ausschuss für Finanzkrisen mit den drei Behördenlenker war ein Leitungsausschuss unterstellt, dem die Finanzstaatssekretärin Daniela Stoffel, Nationalbank-Vize Martin Schlegel, Finanzverwaltungs-Chefin Sabine D’Amelio-Favez und Finma-Chef Urban Angehrn angehörten. Den Vorsitz hatte Stoffel – sie sollte auf operativer Ebene die Drehscheibe der Rettungsaktion werden.
Staatsekretärin Daniela Stoffel (im Bild) war die operative Drehscheibe der Rettungsaktion, unterstützt wurde sie von Finanzverwaltungs-Chefin Sabine D’Amelio Favez, Finma-Chef Urban Angerhn und Nationalbank-Vize Martin Schlegel.
Daniel Rihs / 13 PhotoStaatsekretärin Daniela Stoffel (im Bild) war die operative Drehscheibe der Rettungsaktion, unterstützt wurde sie von Finanzverwaltungs-Chefin Sabine D’Amelio Favez, Finma-Chef Urban Angerhn und Nationalbank-Vize Martin Schlegel.
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Doch auch ihre Chefin bekam die Macht des mächtigsten Wirtschaftsclubs der Welt zu spüren. Denn die US-Finanzministerin Janet Yellen war in ihrer Zeit als Fed-Chefin lange die starke Frau im BIZ-Turm gewesen, und der Draht zu ihrem Nachfolger Powell war gut. Sie meldete sich bei Keller-Sutter, wie auch der britische Finanzminister Jeremy Hunt, instruiert von seinem Notenbankchef Andrew Bailey. Der Auftrag war unmissverständlich: Löst das CS-Problem – sonst droht ein Meltdown.
Das Finale für die CS kam drei Tage nach dem BIZ-Meeting. CS-Präsident Lehmann war an eine Finanzkonferenz nach Riad geflogen, auch als Ehrerbietung für den neuen Grossaktionär Ammar al-Khudairy von der Saudi National Bank. Mit ihm hatte er sich zum Lunch verabredet, doch der Saudi gab vorher noch ein Interview auf Bloomberg. Dort wiederholte er nur seine stete Botschaft: Seine Bank wolle bei der CS nicht aufstocken, weil bei einem Anteil von zehn Prozent die Regulierungsschärfe zunehme. Nichts Neues, aber für die extrem nervösen Finanzmärkte eben schon: Der CS-Kurs brach ein. Dass viele Investoren den Satz «SNB does not stand behind Credit Suisse» in der Panik auf die Nationalbank bezogen, war wenig hilfreich – der saudische Investor und die Schweizer Nationalbank haben das gleiche Kürzel. Es passte in die fast schon tragische Pannenserie der Grossbank. Beim ersten Bank Run im Oktober wurde auf Social Media fabuliert, der Bankchef heisse ja Lehmann – und lautete der Name der Pleitebank von 2008 nicht Lehman Brothers?
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Der CS-Präsident selbst hatte morgens bei der Konferenz noch betont, dass seine Bank keine Staatshilfe brauche, was zu diesem Zeitpunkt auch stimmte. Den Lunchtermin mit seinem Investor nahm er noch wahr. Doch da war dieHölle schon losgebrochen, Riad hatte zwei Stunden Zeitvorsprung auf Zürich. Aus der Heimat erreichten ihn Meldungen, dass die Kunden in grossem Stil Geld abzögen – der Bank Run, drei Tage zuvor von Fed-Chef Powell als Horrorszenario skizziert, war Realität geworden. Der Bankspitze blieb nichts anderes übrig, als den Notfall auszurufen und gemäss vorher festgelegtem Szenario bei der Nationalbank Liquidität anzufordern. Das Communiqué dazu verschickte die SNB aber erst deutlich später, um 20.10 Uhr. Es sollte beruhigend wirken: Die CS erfülle die «Anforderungen an Kapital und Liquidität».
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Doch die Wahrheit war eine andere: Es brannte lichterloh bei der CS, und Jordan hatte bereits den Exit-Knopf gedrückt. Am Mittwochnachmittag hatte die Troika Kelleher, der in der Zürcher Innenstadt fussläufig zum UBS-Hauptsitz wohnt, in das Finma-Büro am Platzspitz zitiert und ihn höflich, aber bestimmt gebeten, die CS zu übernehmen. Das nötige Pathos fehlte nicht: Es gehe um nichts weniger als die Rettung des Finanzsystems. Später folgte auch die Information der CS-Spitze, sie war dann aber nicht mehr ganz so freundlich: Weil Lehmann in Riad war, gab es ein Telefonat, zugeschaltet war auch Körner, und der Ton war deutlich schärfer: Ihr werdet von der UBS übernommen – oder ihr geht in Konkurs. Diskussionen gab es keine, es war ein Marschbefehl. Lehmann rief im Hotel in Riad seinen Verwaltungsrat per Videokonferenz zusammen. Dann organisierte er einen Nachtflug nach Zürich.
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Mit ihrer Festlegung auf die UBS-Lösung hatte die Troika noch vor Beginn der Rettungsaktion de facto alle Alternativen vom Tisch genommen, was ihre Verhandlungsposition gegenüber der UBS massiv schwächte. Warum? Die CS abzuwickeln anhand all der über Jahre von so vielen Theoretikern zusammengebastelten «Too big to fail»-Gesetzgebung, war schlicht keine Option: Bei einer systemrelevanten Bank war das Risiko eines Konkurses zu gross.
Und auch die zweite Möglichkeit hatte die Troika im Vorfeld verworfen: Eine Verstaatlichung der Bank, ganz oder teilweise, wäre nicht nur das Eingeständnis eines kolossalen Scheiterns von 15 Jahren Bankenregulierung gewesen. Sie hätte auch in einem Wahljahr einen politischen Orkan ausgelöst, den gerade eine FDP-Finanzministerin nicht brauchen kann. Zudem: Wer hätte die taumelnde Grossbank leiten sollen? Da fehlte es schlicht an Kompetenz. Und schliesslich: Auch die ausländischen Regulatoren drängten auf die UBS-Lösung. Wenn es starke Banken gab, wie etwa 2008 J.P. Morgan bei Bear Stearns oder 2017 Santander bei der Banco Popular, war die Zwangsvermählung der risikolosere und für Politikerkarrieren verträglichere Weg – mit dem schönen Nebeneffekt, dass ein globaler Wettbewerber verschwindet.
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Sie sahen das Finanzsystem in Gefahr – und drängten die Schweiz: EZB-Chefin Christine Lagarde (im Bild), Fed-Chef Jerome Powell (Fed), US-Finanzministerin Janet Yellen und Bank-of-England-Vorsteher Andrew Bailey.
DukasSie sahen das Finanzsystem in Gefahr – und drängten die Schweiz: EZB-Chefin Christine Lagarde (im Bild), Fed-Chef Jerome Powell (Fed), US-Finanzministerin Janet Yellen und Bank-of-England-Vorsteher Andrew Bailey.
DukasKelleher informierte am Mittwoch sofort seinen CEO Ralph Hamers, der am Morgen in London an der Morgan-Stanley-Konferenz noch betont hatte, dass die UBS auf organisches Wachstum setze und an der CS kein Interesse habe. Doch jetzt war alles anders. Hamers flog nach Zürich und wechselte in den Übernahmemodus. Am Donnerstag kontaktierte er Körner, um Zugang zu den Daten zu bekommen – eine Speed Due Diligence. Sein Team hatte nur 48 Stunden Zeit: Am Samstag sollte er seinem Verwaltungsrat eine Einschätzung inklusive Kaufpreis vorlegen.
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Die CS schickte die Entschlüsselungscodes für ihre Kerndaten, mehrere Dutzend Spezialisten aus den verschiedenen Bankbereichen analysierten erstmals intensiv die Daten des Rivalen. Alles lief digital, Treffen gab es keine. Während es für das erfolgreiche Heimgeschäft schnell grünes Licht gab, leuchteten vor allem bei manchen CS-Investmentbank-Transaktionen tiefrote Lichter auf – sie lagen deutlich über dem Risikoappetit der UBS. Hamers schlief nie mehr als drei Stunden. Am Samstag lieferte er seine Einschätzung an den Verwaltungsrat. Einen Deal-Killer habe sein Team nicht gefunden, aber: Als erstes Gebot solle die UBS nicht mehr als eine Milliarde Franken bieten. Der Verwaltungsrat gab grünes Licht, und so rief Kelleher abends erstmals in dem Prozess seinen Gegenpart Lehmann an. Der hatte den Tag damit verbracht, mit den Saudis oder Blackrock einen weissen Ritter zu finden, doch das war angesichts des Zeitdrucks und der Entschlossenheit des Troika-Taktgebers Jordan kaum mehr als eine Alibiübung. Ihm blieb nur der Protest gegen den Preis, den er schriftlich bei der Troika hinterlegte.
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CS-Chef Ulrich Körner (im Bild) schickte seinem UBS-Gegenpart Ralph Hamers die Entschlüsselungscodes für die Due Diligence – es blieben nur 48 Stunden.
Anne Gabriel-J�rgens/13PHOTOCS-Chef Ulrich Körner (im Bild) schickte seinem UBS-Gegenpart Ralph Hamers die Entschlüsselungscodes für die Due Diligence – es blieben nur 48 Stunden.
Anne Gabriel-J�rgens/13PHOTOAm nächsten Morgen fuhr die UBS-Delegation mit Kelleher und Hamers erstmals nach Bern und gab sich grosszügig – man könne schon mehr bezahlen, wenn es dafür mehr Sicherheitsgarantien gebe. Doch ein Punkt, das machte das Führungsduo unmissverständlich klar, war nicht verhandelbar: Die Wettbewerbskommission müsse ausgehebelt bleiben, die UBS das CS-Schweiz-Geschäft voll übernehmen dürfen. So kam es zur Einigung bei drei Milliarden Franken, die Lehmann von seinem Verwaltungsrat absegnen liess. Am Nachmittag fuhr auch er nach Bern und traf Kelleher erstmals physisch. Das Ende seiner Bank war besiegelt.
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Dass das noch immer frische UBS-Führungsduo die Übernahme nicht aktiv angestrebt hat, auch weil das organische Geschäft gut läuft, hatte die Verhandlungsposition sogar verbessert. Die Bank spielte die Übernahme schon im letzten Jahr durch, und der Heimvorteil schützte sie vor ausländischen Rivalen. Andere mögliche Interessenten in Europa wie etwa die Deutsche Bank, BNP Paribas oder HSBC stiegen im Herbst nicht ernsthaft in den Prozess ein. «Wir gingen alle davon aus, dass in einer Notsituation die Schweiz AG die Bank rettet, mit der UBS im Lead», sagt der Chef einer europäischen Grossbank. «Colm musste nur warten – er hat das brillant gespielt.»
Denn Fakt ist: In all den Strategieübungen der letzten Jahre war die CS stets das erste Kaufziel. Es war Anfang 2016, als die Pläne an der Bankspitze erstmals reiften. Beim Rivalen hatte der damalige CEO Tidjane Thiam einen ambitionierten Plan vorgestellt, der allerdings an der Börse genauso floppte wie der Plan von Lehmann und Körner sechs Jahre später. Der Kurs war eingebrochen, Thiam entzaubert. «Wer rettet die CS?», titelte BILANZ auf dem Cover. Ermotti sah die Schwäche des Rivalen und nutzte eine Retraite für eine erste vertiefte Übernahmeprüfung. Tatort: das Kempinski-Hotel in St. Moritz, inklusive der Bar, von der die Signal-Bahn abfährt. Daher auch der Name: Projekt Signal.
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Die Aufbereitung lag erst bei Dierk von Schuckmann, dem Leiter Corporate Development, später beim Strategiechef Michael Bonacker. Die Zahlen überzeugten: Im Kerngeschäft Wealth Management würde die Bank den Vorsprung global massiv ausbauen, besonders das starke CS-Südostasien-Geschäft lockte, und die Schätzungen für die Abflüsse hielt man mit 20 bis 30 Prozent für verkraftbar. Aus dem Investmentbanking könnte man sich starke Teile herauspicken, vor allem das führende Schweiz-Geschäft, und auch im Asset Management hätte man endlich die kritische Masse. Gewiss, die Kartellprobleme wären gerade im Heimmarkt gross, und so gab es genaue Berechnungen zur Wettbewerbslage in jedem Kanton. Gerade frisch dabei: Axel Lehmann, der aus dem UBS-Verwaltungsrat in die Konzernleitung gewechselt war und dort das Corporate Center leitete. Als Asset-Management-Chef amtete Ulrich Körner, lange bei der CS und jetzt seit sieben Jahren bei der UBS. Die treibenden Kräfte waren neben Ermotti die beiden anderen starken Männer der Bank: der heutige Unicredit- und damalige UBS-Investmentbanking-Chef Andrea Orcel, der als bester Dealmaker Europas galt und die Logik der Übernahme klar analysierte, und Finanzchef Tom Naratil, Ermottis engster Vertrauter.
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Doch noch kam es zu keiner Kontaktaufnahme mit der Gegenseite. Thiam hatte keine Visionen mehr, sondern Sparziele, und der Kurs erholte sich. Dennoch stand das Projekt Signal in der UBS-Konzernleitung weiter oben auf der Agenda, etwa bei einer Retraite im «Suvretta House» in St. Moritz. Das erste Mal ging der damalige UBS-Präsident Axel Weber 2018 auf seinen CS-Gegenpart Urs Rohner zu. Der grosse Taktierer zeigte sich offen, doch sein CEO Thiam blockierte. Zwar sah er durchaus die Logik – es sei «der einzige Merger im europäischen Banking, der Sinn mache», betonte er intern. Doch ihm war auch klar: Es wäre eine Übernahme durch die stärkere UBS, bei der er kaum seinen Job behalten würde. Erst nach Thiams Abgang und der Bestellung Thomas Gottsteins nahm Weber 2020 einen weiteren Anlauf. Rohner war auf seiner Seite, für beide Präsidenten bot sich die Chance, ihre auslaufenden Amtszeiten zu verlängern. Erstmals wurde auch Bern eingeweiht. Lehmann war damals als Schweiz-Chef im Bild. Im September berichtete «Inside Paradeplatz» über die Verhandlungen. Doch da waren sie schon vorbei. Wieder hatte die CS abgesagt. Inhaltlich sahen die CS-Chefs vor allem die Überlappungen im Heimmarkt mit der Kartellthematik als zu gravierend an. Zudem: Das Austauschverhältnis war zu stark aus der Spannbreite für einen Merger of Equals von 55 zu 45 Prozent gefallen, und man wollte partout keine Übernahme. Bitter: Damals hätte man für etwa 1,5 CS-Aktien eine UBS-Aktie bekommen. Heute braucht es 22.
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Der neue UBS-Chef Hamers war über die Pläne informiert, seine Nominierung war im Februar 2020 verkündet worden. Die strategische Logik war auch für ihn unbestritten. Kein europäisches Land leistete sich noch zwei globale Grossbanken. Dass die Konsolidierung auch in der Schweiz schon aus Kostengründen irgendwann kommen musste, war unausweichlich. Und auch als Kelleher im letzten April begann, hatte sein Vorgänger Weber ihn über den Übernahmeplan gebrieft. Ermotti hatte ihm ebenfalls zugeraten. Zudem wusste er selbst um die Kraft von grossen Deals: Zwar hatte er 2008 bei Morgan Stanley dem Zusammenschluss mit Wachovia widerstanden, doch den grossen Sprung hatte sein Haus kurz danach mit der Übernahme von Smith Barney gemacht – die Citigroup musste den Wealth Manager auf staatlichen Druck zu einem Spottpreis abgeben. Seine Amtszeit bei der UBS hatte er auf zehn Jahre angelegt, und natürlich war die CS ein langfristiges Ziel. Es musste nur nicht gleich so schnell gehen – er war ja noch in der Einarbeitungszeit.
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Doch die Schwäche des Rivalen bot ihm eine einmalige Gelegenheit. Als Lehmann im letzten Jahr übernahm, war es noch ruhig. «Es braucht keine neue Strategie», hatte der frisch gekürte Präsident kurz nach dem Hauruck-Abgang seines Vorgängers António Horta-Osório noch verkündet. Doch dann brachen im zweiten Quartal die Zahlen ein, vor allem das Investmentbanking entpuppte sich einmal mehr als Schönwettermodell. Im kleinen Kreis plante Lehmann den Abbau der Problemsparte, die die letzten 15 Jahre aggregiert nur Kapital verbrannt hatte. Als Einflüsterer kam der New Yorker Finanzhai Michael Klein ins Spiel, seit 2018 CS-Verwaltungsrat – eine verhängnisvolle Personalie. Klein organisierte nicht nur den reputativ schwierigen Aktionär aus Saudi-Arabien. Vor allem bestätigte er die Vorurteile über die Wall-Street-Haie, die die biederen Schweizer über den Tisch ziehen – der langjährige Versicherungsmanager Lehmann selbst hatte keine Erfahrung mit den US-Investmentbankern. Klein arbeitete im Frühsommer die Strategie für den Abbau des Investmentbankings aus, und als Körner im August den glücklosen Gottstein ablöste, stand der Plan in grossen Teilen schon. Er gab der Sanierung eine massive Schieflage: Durch die grosse mediale Aufmerksamkeit für die Wiedergeburt der Marke First Boston war es die «New Credit Suisse», die fast als Resterampe dastand – verkehrte Welt. Der Plan zu kompliziert, das Ziel von sechs Prozent Kapitalrendite zu tief, die Märkte zu turbulent – der Befreiungsschlag von Ende Oktober floppte an der Börse kolossal. Spätestens seit dem 9. Februar, nach Bekanntgabe der horrenden Abflüsse, hätte es einen radikalen Schwenk gebraucht. Doch die Oberen versicherten bis zum letzten Tag: Weder kurzfristig noch langfristig gebe es einen Plan B. Dabei hätte es eine einfache Lösung gegeben: Lehmann und Körner wussten vom Interesse der UBS. Körner hatte sogar die Strategiechefs Bonacker und von Schuckmann, die bei der UBS die CS-Übernahme vorbereitet hatten, zur CS geholt.
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Doch sich vom Ex-Arbeitgeber übernehmen zu lassen, wäre offenbar eine zu grosse persönliche Schlappe gewesen. Und auch die psychologische Konstellation dürfte eine Rolle gespielt haben: Lehmann und Körner hatten es beide erst spät an die Spitze geschafft. «Beide standen immer im Schatten, jetzt wollten sie die Helden der Rettung werden», bestätigt ein langjähriger UBS-Konzernleitungskollege.
Und so überreichten sie ihren Ex-Kollegen die CS zu Traumkonditionen. Einfach wird es für die UBS dennoch nicht. Der Prügelknabe CS ist weg, jetzt steht die «Monsterbank» («NZZ») voll im Rampenlicht, und die restriktive Kommunikatonspolitik der letzten Jahre hat medial eher wenig Goodwill geschaffen. Der politische Sturm nach der Deal-Verkündung beginnt erst, das Parlament fährt schärfstes Geschütz auf: Sondersession und Untersuchungskommission. Jetzt muss sich zeigen, ob das Konstrukt für die heimische Beziehungspflege funktioniert – verantwortlich sind Vizepräsident Lukas Gähwiler und Schweiz-Präsident Markus Ronner. Selbst FDP-Chef Thierry Burkart fordert eine Abspaltung des CS-Schweiz-Geschäfts. Doch die UBS wird das hart erkämpfte Geschäft kaum wieder aus der Hand geben, zumal auch unklar ist, wie überlebensfähig eine abgespeckte Schweizer Einheit überhaupt wäre. Der CS-Brand soll noch einige Zeit bleiben, mehr aber nicht.
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Ermotti kann auf bewährte Schlüsselplayer setzen, aber auch sie stehen vor ihrem grössten Stresstest – vor allem Wealth-Management-Leiter Iqbal Khan und Schweiz-Chefin Sabine Keller-Busse. Bei der letzten Grossbankenfusion zur heutigen UBS stand 1997 ein gestähltes Übernahmeteam unter Marcel Ospel an der Spitze, und das Motto lautete: «Speed, Speed, Speed» – harte Entscheide müssen schnell fallen, um Klarheit zu schaffen. Jetzt droht Lähmung. Dass die Börse trotz des Traumdeals bislang nicht jubilierte, liegt nicht nur an den US-Bankturbulenzen. Auch das Exekutionsrisiko drückt den Kurs.
Kelleher hat das Projekt Signal zum Abschluss gebracht – Ermottis Traumdeal. Jetzt beginnt der schwierige Teil.
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