Guten Tag,
Verlorenes Vertrauen, verhärtete Fronten, verärgerte Politiker: Wirtschaftsverbände sind so geschwächt wie nie zuvor. Eine Kursänderung tut not.
Florence Vuichard
Stürmische Zeiten für den Economiesuisse-Tanker: Verschiedenste Wirtschaftsakteure fahren lieber mit einem eigenen Boot.
Regina Vetter für BILANZWerbung
Immerhin 150 Jahre. Ein Jubiläum, das es zu feiern gilt und das auf den am 12. März 1870 in Bern besiegelten Zusammenschluss der kantonalen Handelskammern zum Schweizerischen Handels- und Industrieverein zurückgeht. Alles war schon organisiert für das Economiesuisse-Jubelfest: Wirtschaftsminister Guy Parmelin hatte zugesagt, versprochen wurden auch «Live-Musik», «kulinarische Leckerbissen» und natürlich das obligate Podium mit dem Allerweltstitel «Wirtschaftsverbände – gestern, heute und morgen».
Vielleicht kann ja der Rückblick auf die gloriosen Zeiten etwas von den Unzulänglichkeiten der Gegenwart ablenken, mögen sich die Organisatoren gedacht haben. Doch dann kam Corona, und alles wurde abgesagt.
Nun soll das Ganze in diesem Jahr nachgeholt werden, ebenso wie das Begleitprogramm mit Ausstellungen und Publikationen. Ohne Podium wird es wohl auch diesmal nicht gehen, aber das Grundproblem des Spitzenverbands der Wirtschaft lässt sich kaum zwischen zwei Apéro-Häppchen ausdiskutieren: der massive Bedeutungsverlust sowohl als politischer Akteur wie als Vertreter der wirtschaftspolitischen Interessen und als vertrauenswürdige Instanz.
Die Folgen: Mitglieder springen ab, Politiker prügeln auf Economiesuisse ein, und zusätzlich gibts immer häufiger Schelte aus den eigenen Reihen, von Managern und Unternehmern, die sich als Einzelmaske oder mit Pop-up-Wirtschaftskomitees gegen die offizielle Verbandsparole stellen. Die Mär der Allmacht der Wirtschaftsverbände wird höchstens noch von Linken verbreitet, zum Aufbau des Feindbildes und der Mobilisierung der eigenen Basis. Eine Art Schattenboxen zur Belustigung der eigenen Klientel.
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Die Probleme sind nicht neu, achtsame Beobachter hätten vielleicht bereits im Nein zum EWR vor rund 30 Jahren ein erstes Alarmsignal erkannt. Aber spätestens nach dem wuchtigen Ja zur Abzockerinitiative 2013 wäre es Zeit gewesen, eine Neubeurteilung der Situation vorzunehmen und sich mit dem tiefen Misstrauen in der Bevölkerung der Wirtschaft und insbesondere den Grosskonzernen gegenüber auseinanderzusetzen.
Die Economiesuisse-Spitze: Präsident Christoph Mäder und Geschäftsführerin Monika Rühl.
KeystoneDie Economiesuisse-Spitze: Präsident Christoph Mäder und Geschäftsführerin Monika Rühl.
KeystoneDoch Economiesuisse wechselte einfach das Spitzenpersonal aus, ersetzte den glücklosen Kurzzeitpräsidenten Rudolf Wehrli durch den sympathischen, auftrittsstarken Heinz Karrer. Damit hatte es sich, an der Zürcher Hegibachstrasse, wo der Spitzenverband seine Büros hat, ging alles weiter wie gehabt. Der Vorstand wurde immer breiter und unregierbarer, und die knapp 80 Angestellten arbeiteten unbeirrt an ihren Dossiers und publizieren am Laufmeter Studien, Positionspapiere, Communiqués, Blogs und betreiben seit Kurzem gar einen Youtube-Kanal, wo die Kunstfigur Hanna Cash im Stil einer Influencerin versucht, den Jungen das Wirtschaftsgeschehen näherzubringen.
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Doch das realpolitische Gespür ist ihnen abhandengekommen, gesellschaftliche und politische Verschiebungen werden entweder übersehen oder ignoriert, den wichtigen Job in Bundesbern überliess man jahrelang einer Zürcher SVP-Politikerin, die sich kaum getraute, den rechten Rand der Wandelhalle zu verlassen. Oder höchstens zusammen mit einer Kollegin vom Grosskonzernverband Swissholdings, die nebenbei als erste Ersatzrevisorin in dem von der SVP-dominierten «Bund der Steuerzahler» amtet.
So verpasst Economiesuisse regelmässig Entwicklungen. Schmerzliche Niederlagen an der Urne bei den wirklich matchentscheidenden Dossiers und ein Imageverlust unter der Bundeshauskuppel sind die Folge. «Die Wirtschaft hat keine gute Rolle gespielt», sagte auch Justizministerin Karin Keller-Sutter im Frühjahr 2020 im Nationalrat im Rahmen der Debatte über die Konzernverantwortungsinitiative (KVI). Swissholdings und Economiesuisse «haben ja einen Gegenvorschlag von Anfang an verworfen und waren nicht sehr kooperationswillig». Bei einer späteren Gelegenheit fügte sie an, dass «diese Verbände auf stur geschaltet» hätten.
Die KVI ist ein Paradebeispiel für das Malaise. An warnenden Stimmen hätte es nicht gefehlt, etwa aus den in der Westschweiz domizilierten Multis, aus der Textilbranche oder dem Detailhandel: Sie alle haben immer wieder die Gefahr herausgestrichen, dass sich diese Initiative an der Urne durchaus Chancen ausrechnen kann – und dass der Abstimmungskampf hässlich wird.
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Bauernverbands-Präsident Markus Ritter, Gewerbeverbands- Präsident Fabio Regazzi und Arbeitgeber-Präsident Valentin Vogt (v.l.).
Keystone/13 PhotoBauernverbands-Präsident Markus Ritter, Gewerbeverbands- Präsident Fabio Regazzi und Arbeitgeber-Präsident Valentin Vogt (v.l.).
Keystone/13 PhotoDoch sie stiessen bei dem von der Deutschschweiz aus dominierten Spitzenverband und seinen Sekundanten von Swissholdings auf taube Ohren. Offenbar setzt man in der Schaltzentrale weiterhin lieber auf das altbekannte Mittel der Millionen-Kampagnen. Und so organisiert Economiesuisse einen Pitch nach dem anderen, hetzt von einer Kampagne zur nächsten, immer auf dem letzten Drücker, immer «hyperventilierend», wie es ein Freisinniger ausdrückt, und wird von aussen fast nur noch als Kampagnen-Vehikel wahrgenommen und bei den Parlamentariern als eine Art Schreibmaschine, die sich zu jedem und allem äussert und je nach Verlauf des Prozesses so oft die Meinung wechselt, bis allen schwindlig wird.
Und dann ist man bass erstaunt, wenn es mal nicht aufgeht. Oder wenn es mal härter war als gedacht, wie eben bei der Konzernverantwortungsinitiative. «Für uns war es sehr belastend», betonte Economiesuisse-Direktorin Monika Rühl am Abstimmungssonntag. Offenbar war es für sie eine neue Erfahrung, «zu den Bösen zu gehören», wie sie sagte. Ein verblüffendes Eingeständnis, das aber auch den zumindest partiellen Verlust des Realitätsbewusstseins aufzeigt. Konzern-Bashing gehört längst zum guten Ton, links sowieso, rechts auch. Und in der Mitte schämt sich deswegen – spätestens seit den Diskussionen um die hohen Boni und der Finanzkrise – auch keiner mehr.
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Viele setzen nun ihre Hoffnungen in den neuen Kapitän an Bord der Economiesuisse. Auch wenn Christoph Mäder betont, dass sein Verband «gut und solid» aufgestellt ist und dass er nicht vorhabe, «alles auf den Kopf zu stellen», räumt er ein, «ein paar Beobachtungen gemacht» zu haben, und stellt klar, dass es «Anpassungen» brauche in dieser veränderten Politlandschaft, in der es bei wirtschaftspolitisch relevanten Fragen keine festen Koalitionen mehr gebe. Oder anders formuliert: «Anliegen der Wirtschaft haben nicht mehr per se eine Mehrheit, heute haben gesellschaftliche und individuelle Interessen ein grösseres Gewicht als früher», betont Mäder. «Es ist alles fragiler, schwieriger und anspruchsvoller geworden.» Die Folge: «Wir müssen besser argumentieren und mehr Überzeugungsarbeit leisten.» Das sind neue, selbstkritische Worte aus der Schaltzentrale von Economiesuisse, bis anhin war eigentlich immer alles bestens.
Mäder sieht bei beiden Economiesuisse-Pfeilern Anpassungsbedarf – das heisst sowohl bei der langfristig angelegten Vertretung der wirtschaftspolitischen Interessen, die im Hintergrund stattfindet und folglich wenig sichtbar ist, als auch bei der Kampagnen-Maschine, die alles zu übertönen droht und nicht selten an der Glaubwürdigkeit der Basisarbeit kratzt. Auch deshalb fordern Kritiker der heutigen Konstruktion, dass der Spitzenverband wieder aufgespalten und die Fusion der beiden Vorläuferverbände Vorort und Wirtschaftsförderung rückgängig gemacht wird. Economiesuisse hat die Frage schon zigmal geprüft und jedes Mal wieder verworfen. Auch Mäder will nochmals über die Bücher, will das Ganze neu evaluieren. «Undogmatisch», wie er verspricht.
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Wichtiger dürften aber andere Fragen bleiben, insbesondere jene nach dem Ausweg aus dem ideologischen Schützengraben und dem Aufbau neuer Analysefähigkeiten, um besser, schneller und effektiver auf die neuen gesellschaftlichen und politischen Realitäten reagieren zu können, die sich mit dem altbewährten Links-rechts-Schema ebenso wenig in ihrer Komplexität erfassen lassen wie mit den Diskussionen über den ordnungspolitischen Reinheitsgehalt einer Lösung. Die Corona-Krise hat deutlich gemacht, dass auch der bewährte «Möglichst wenig Staat»-Ansatz nachteilig für die eigene Klientel sein kann, was wiederum zur absurden Situation geführt hat, dass die vom Staat zwangsgeschlossenen Unternehmen es letztlich den Sozialdemokraten verdanken, dass sie nun mit À-fonds-perdu-Beiträgen gestützt werden.
Wenn es darum geht, unliebsame Volksbegehren zu bekämpfen wie etwa die Konzernverantwortungsinitiative, dann schubst Economiesuisse gerne die sympathischen KMUs und Gewerbebetriebe in die erste Reihe; wenn es aber – wie jetzt in der Corona-Krise – um überlebenswichtige Beiträge geht, dann ist jeweils nicht mehr viel zu spüren von dieser Liebe zu den KMUs. Natürlich, die Konflikte zwischen den Grosskonzernen und den Kleinbetrieben wie auch zwischen den export- und binnenorientierten Branchen sind nicht neu, auch Austrittsdrohungen hat es immer wieder gegeben.
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Die Partners-Group-Gründer Alfred Gantner, Marcel Erni und Urs Wietlisbach (v.l.) betreten das politische Parkett.
Gian Marco Castelberg/13 Photo/Christian SchnurDie Partners-Group-Gründer Alfred Gantner, Marcel Erni und Urs Wietlisbach (v.l.) betreten das politische Parkett.
Gian Marco Castelberg/13 Photo/Christian SchnurDoch die Animositäten sind grösser geworden, und nun sind tatsächlich auch Mitglieder abgesprungen: Raiffeisen hat die Bankiervereinigung verlassen, Axa den Versicherungsverband, und der Verband der Autoimporteure Auto-Schweiz, die Erdölvereinigung Avenergy sowie der Detailhandelsverband Swiss Retail Federation haben Economiesuisse den Rücken gekehrt. Es rumpelt in der Verbandswelt.
Auf der anderen Seite schiessen neue Gruppierungen, meist Ein-Themen-Organisationen, wie Pilze aus dem Boden, für und gegen alles gibt es Wirtschaftskomitees. Bei Abstimmungen marschieren sie Seite an Seite mit den Wirtschaftsverbänden, stellen sich gegen sie oder springen ein, wenn diese gerade mal nicht auftreten wollen.
Wie etwa 2016, als sich Economiesuisse aufgrund ihres Burgfriedens mit der SVP nicht gegen die Durchsetzungsinitiative engagieren wollte und den Platz frei machte für Operation Libero, eine Bewegung von jungen, liberalen Kräften, medial in ihrer Bedeutung wohl überbewertet, aber mit dem festen Willen zu bleiben: Co-Präsidentin Laura Zimmermann und ihre Mitstreiter haben kürzlich über eine Million Franken via Crowdfunding gesammelt.
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Verändert hat sich auch die Rolle der PR- und Kommunikationsagenturen. Klar, sie buhlen noch immer um die grossen Abstimmungskampagnen-Budgets und gründen am Laufmeter Verbände für vernachlässigte Branchen oder Branchenteile, deren Geschäftsstellen sie dann übernehmen. Zunehmend werden sie – im Namen ihrer Kunden – aber auch selber zu Akteuren im politischen Spiel. Und keine Agentur macht das so gut wie Furrerhugi – oder so unverfroren, wie Konkurrenten es ausdrücken.
So haben etwa die beiden Gründer Lorenz Furrer und Andreas Hugi mit dem Zürcher FDP-Ständerat und Unternehmer Ruedi Noser im Nachgang zur Annahme der Abzockerinitiative Succèsuisse gegründet, eine Art Kampagnen-Schnellboot mit einem wirtschaftsliberalen Kompass und einem losen Komitee von rund 1000 Personen, das punktuell und bei Bedarf in Abstimmungskämpfen eingesetzt werden kann, teilweise alimentiert von Economiesuisse.
Hans-Jörg Bertschi (l.) und Hans-Peter Zehnder von den gleichnamigen Familienunternehmen stemmen sich gegen das Rahmenabkommen. Industrieunternehmer Giorgio Behr, Helvetia-Präsidentin Doris Russi Schurter und Zugbauer Peter Spuhler (v.l.) haben sich ihnen angeschlossen.
Keystone/Markus Bertschi/13 Photo/Salvatore Vinci/Herbert ZimmermannHans-Jörg Bertschi (l.) und Hans-Peter Zehnder von den gleichnamigen Familienunternehmen stemmen sich gegen das Rahmenabkommen. Industrieunternehmer Giorgio Behr, Helvetia-Präsidentin Doris Russi Schurter und Zugbauer Peter Spuhler (v.l.) haben sich ihnen angeschlossen.
Keystone/Markus Bertschi/13 Photo/Salvatore Vinci/Herbert ZimmermannEtwas hoffnungsfroh dürfte die Wirtschaft stimmen, dass dank der Neubesetzung der Präsidien von Economiesuisse und dem Gewerbeverband (SGV) in Zukunft eine bessere Zusammenarbeit der grossen Verbände möglich sein könnte. Jedenfalls wollen Mäder, Neo-SGV-Präsident Fabio Regazzi und Arbeitgeber-Präsident Valentin Vogt die wirtschaftspolitischen Agenden ihrer Verbände «wirkungsvoll koordinieren», sodass alle an einem Strang ziehen.
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Und sie hoffen, dass auch Markus Ritters Bauernverband mitmacht. Als Zeichen des guten Willens hat sich der SGV gleich nach Regazzis Wahl eingereiht in die Abwehrlinie der Wirtschaft gegen die KVI, der Flirt von Verbandsdirektor Hans-Ulrich Bigler mit dem Ja-Lager wurde sofort unterbunden.
Doch einfach wird das alles nicht, bereits im Juni bei der Abstimmung zum CO2-Gesetz marschieren sie wieder getrennt, lehnt der Gewerbeverband dieses doch ab. Und auch bei der dringenden Reform der zweiten Säule zeichnen sich mehr Bruchstellen als Allianzen ab. Der vom Arbeitgeberverband mitgestaltete Sozialpartnerkompromiss stösst beim SGV auf Ablehnung und in der Economiesuisse-Zentrale auf Skepsis, sodass man lieber vornehm schweigt und tatenlos zuschaut, wie etliche Branchenverbände in alle Richtungen ausscheren.
Entglitten ist Economiesuisse auch die Diskussion um die wirtschaftspolitisch brisanteste Frage des Jahres, um das Rahmenabkommen mit der EU – trotz regelmässigen Umfragen, die aufzeigen, dass zwei Drittel der Unternehmen hinter dem bilateralen Weg stehen, trotz der ständigen Wiederholung der immer gleichen Argumente. Der Rückhalt bröckelt, in den eigenen Reihen.
Und diesmal handelt es sich nicht einfach mehr um die üblichen Verdächtigen, die notorischen Querschläger, an die sich die Verbandswelt längst gewohnt hat. Also etwa an den «Gipfeli-König» Fredy Hiestand, der die KVI unterstützte und nun auch für die Trinkwasserinitiative kämpft. Oder an den Swiss-Life-Präsidenten Rolf Dörig, der am rechten Rand regelmässig mit antieuropäischen SVP-Anliegen ausschert. Denn mittlerweile hat sich das Lager der Oppositionellen massiv ausgeweitet. So sind jüngst mit Autonomiesuisse und Kompass Europa gleich zwei voneinander unabhängige Unternehmergruppen an die Öffentlichkeit getreten, die sich gegen das Rahmenabkommen und damit gegen die vorherrschende Meinung aus den Wirtschaftsverbänden stellen.
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Lorenz Furrer (l.) und Andreas Hugi von Furrerhugi.
Keystone/ZVGLorenz Furrer (l.) und Andreas Hugi von Furrerhugi.
Keystone/ZVGDie beiden, die je schon weit über 300 Mitglieder gewonnen haben, kommen aus zwei sehr unterschiedlichen Wirtschaftsmilieus, weshalb es auch nicht erstaunt, dass sie trotz Gesprächen nicht zusammengefunden haben. Gemeinsam ist ihnen aber der Groll auf den Wirtschaftsdachverband. «Economiesuisse ist nicht die Wirtschaft», heisst es trotzig aus ihren Reihen. Ihre Gründung sehen sie durchaus als «Schuss vor den Bug von Economiesuisse».
Beide Gruppierungen grenzen sich zwar verbal von der SVP ab, betonen ihre hohe Dichte an FDP- und CVP-Mitgliedern und Parteilosen, wiederholen aber mehr oder weniger die Argumente der Volkspartei. Autonomiesuisse ist in erster Linie ein Werkplatz-Verbund, ein von den beiden Aargauern Hans-Jörg Bertschi und Hans-Peter Zehnder initiierter Zusammenschluss von mittelgrossen Familienunternehmen, die Geschäftsstelle verantwortet die Kommunikationsagentur Basel West.
Ihnen angeschlossen haben sich unter anderem die emeritierten Wirtschaftsprofessoren Ernst Baltensperger und Franz Jaeger, der Kleinaktionär-Anwalt Hans-Jacob Heitz, der Ex-Mammut-Chef Josef Lingg, der Kurzzeit-GC-Präsident Stefan Rietiker, die Transportunternehmer Bruno Planzer und Benjamin Giezendanner, Zugbauer Peter Spuhler, Jean-Pascal Bobst, Chef des gleichnamigen Maschinenindustrieunternehmens, Helvetia-Präsidentin Doris Russi Schurter und Giorgio Behr. Der Schaffhauser Industrieunternehmer kritisiert die von Economiesuisse aufgebaute Drohkulisse, wonach «die Wirtschaft» das vorliegende Rahmenabkommen brauche. «Zu lange haben das alle nachgeplappert, eine saubere Analyse liegt aber bis heute nicht vor», sagt Behr.
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Die essenziellen Fragen seien nicht beantwortet. Nämlich: «Was gewinnen wir mit der aktuellen Fassung des Rahmenabkommens? Was verlieren wir?» Und natürlich: «Was verlieren wir, wenn wir auf ein Rahmenabkommen verzichten?» Behrs Vermutung: «Weniger, als man gemeinhin annimmt.»
Kompass Europa wiederum ist das Vehikel der milliardenschweren Partners-Group-Gründer Alfred Gantner, Urs Wietlisbach und Marcel Erni, die Geschäftsstelle führt Philip Erzinger, der frühere Stabschef von Ex-CS-Chef Tidjane Thiam, die Werbetrommel rührt die Grossagentur Farner, deren Lenker Roman Geiser auch gleich der Allianz beigetreten ist. Erzinger spricht von einer «Grassroots-Bewegung», eine etwas eigentümliche Umschreibung für einen Club von Wirtschaftsgrössen, die mehrheitlich aus der Finanzwelt und nicht selten aus dem Kanton Schwyz kommen und von denen nicht wenige in der BILANZ-Reichstenliste figurieren.
Mit dabei sind – nebst Cervelat-Prominenz wie Kurt Aeschbacher und Bernhard Russi – etwa der Investor und AKW-Unterstützer Daniel Aegerter, Julius-Bär-Verwaltungsrat und Digitalswitzerland-Präsident Ivo Furrer, Banker Eric Syz, Walter Berchtold, der frühere CS-Private-Banking-Chef und heutige Präsident der Finanzboutique Vicenda Group, Venture-Unternehmer Peter Friedli, das einstige Leonteq-Aushängeschild Jan Schoch, VZ-Gründer und NZZ-Verwaltungsrat Matthias Reinhart sowie die aktivistischen Investoren Gregor Greber und Rudolf Bohli.
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Daniel Graf verschafft der Zivilgesellschaft eine Stimme.
KeystoneDaniel Graf verschafft der Zivilgesellschaft eine Stimme.
KeystoneEbenfalls eingereiht haben sich der frühere DKSH-Lenker und heutige Präsident von Kühne + Nagel, Jörg Wolle, Hilti-Präsident Heinrich Fischer, YB-Besitzer Hans-Ueli Rihs, Headhunter Armin Meier, Unternehmerin Adriana Ospel, «Nebelspalter»-Besitzer Markus Somm sowie Multiverwaltungsrat Andreas Schmid, der bis vor Kurzem als Avenir-Suisse-Präsident noch hinter dem Rahmenabkommen stand. An Geld fehlt es hier nicht, das Motto lautet: «Whatever it takes. Wir sind kampagnenbereit», sagt Erzinger.
Beim Ziel sind sich Autonomiesuisse und Kompass Europa einig: Das Rahmenabkommen in seiner heutigen Form ist inakzeptabel. Bei der Formulierung von Alternativen hingegen gibt es Differenzen. Aber das sind Details, weshalb etliche Unternehmer und Manager in beiden Gruppen mitmischen – etwa das Swiss-Life-Duo bestehend aus Präsident Dörig und Verwaltungsrat Ueli Dietiker, der frühere Bankenprofessor und Gründer des Finanzberatungsunternehmens Ecofin, Martin Janssen, der zuletzt für die SVP-Begrenzungsinitiative gekämpft hat, oder Industrieunternehmer Behr, obwohl seine Unterstützung für Kompass Europa darauf zurückgeht, dass er Urs Wietlisbach kennt: aus der Zeit, als dieser in der Juniorenmannschaft von Behrs Handball-Kadetten spielte.
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Die Wirtschaftsverbände reagieren brüskiert, ihre Reaktionen fallen unterschiedlich aus, meist aber nicht sehr positiv. Viele sehen bloss ein paar erfolgreiche Unternehmer am Werk, die sich bemüssigt fühlten, die Schweiz zu retten. «Sie haben Geld, Kontakte und glauben deshalb, dass sie sich nicht um die langwierigen demokratiepolitischen Prozesse kümmern müssen», sagt einer, der schon lange im Geschäft ist. Also um das juristische Kleinklein, das Dossierkenntnis voraussetzt und einen langen Atem. Aber anders als die traditionellen Wirtschaftsverbände müssen sich Autonomiesuisse und Kompass Europa nicht um diese Finessen kümmern. Denn sie sagen einfach Nein.
Und nur Nein zu sagen, ist immer einfacher, als einen konstruktiven Beitrag zu leisten. Das muss auch Rehau-Lenker Jobst Wagner feststellen, der mit seiner Stiftung StrategieDialog21 immer wieder versucht, Wege für eine freiheitliche, weltoffene und wettbewerbsfähige Schweiz aufzuzeigen. Und das weiss auch Netzaktivst Daniel Graf. Mit der von ihm gegründeten Plattform Wecollect ergreift er im Namen der Zivilgesellschaft das Referendum, wo Unmut ist und kein etablierter Akteur den Aufwand auf sich nehmen will. Er «grätscht wo nötig rein», wie er sagt, zuletzt beim Referendum gegen das vorliegende Gesetz für eine elektronische Identität.
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Doch Graf will mehr. Mit der Stiftung für die direkte Demokratie will er «Strukturen aufbauen, um beim Demokratie-Marathon mitzuhalten», das heisst: von der Einspeisung einer Reformidee aus der Zivilgesellschaft über den gesamten parlamentarischen Prozess bis hin zu einer allfälligen Abstimmung, also über Jahre hinweg. Dafür baut er Crowdlobbying.ch auf, nur so erhalte die Zivilgesellschaft in der parlamentarischen Beratung mehr Gewicht, quasi als Gegengewicht zum Konzernlobbying.
Grafs Ambitionen sind hoch. Und wenn Economiesuisse nicht bald den Kurs ändert, wird der Verband auch von diesem Unwetter überrascht.
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