Guten Tag,
Er ist der erfolgreichste Unternehmer der Welt, aber auch der kontroverseste. Wie das System Elon Musk funktioniert.
Die Welt ist nicht genug: Vom Unterirdischen über das Strassennetz bis ins Weltall: Elon Musk will das ganze Universum revolutionieren.
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Es brauchte nur eine Probefahrt vom Zürcher Escher-Wyss-Platz zum Flughafen, dann war es um Pierre Uhl geschehen. «Die Beschleunigung und die Technik» begeisterten ihn. Ein Jahr später, im Sommer 2009, stellte ihm der erste Schweizer Tesla-Mitarbeiter den Roadster vor die Haustür. Für Sacha Wittmann «spielte der Umweltgedanke die Hauptrolle», gerade war die Ölbohrplattform Deepwater Horizon explodiert. Seitdem fährt Wittmann Tesla – und präsidiert heute den «Swiss Tesla Owners Club», den Pierre Uhl 2012 gegründet hat. Zu siebt waren sie damals, heute zählt der Club über 1000 Mitglieder, davon zehn Prozent Frauen.
Eine ist Jana Riedmüller, für die seit Jahren «die einzigen schönen Autos auf den Strassen Teslas sind». Sie mag das knisternde Lagerfeuer auf dem Screen, während die Heizung hochfährt, den «Camping-Modus», der nachts das Auto warm hält, oder die kombinierten Modellbezeichnungen S, E (die 3 gespiegelt), X, Y. Und Bea Knecht, Gründerin des TV-Streamingdienstes Zattoo, auch sie unterwegs im Model S, hat «in erster Linie die Ingenieurskunst, die in dem Auto steckt», begeistert.
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Und viele, sagt Riedmüller, identifizieren sich mit Tesla-Chef Elon Musk, «erkennen sich in dem Pionier wieder». Andreas Herrmann, Leiter des Instituts für Mobilität an der HSG, drückt es so aus: «Musk polarisiert, provoziert und ärgert die Grossen dieser Welt, ein wenig von dieser Dreistigkeit hätten wir doch alle gerne.» Thorsten Hens, Finanzprofessor an der Uni Zürich, sagt: «Elon Musk ist nicht mit dem Silberlöffel im Mund aufgewachsen, er hat eine Erfolgsgeschichte aufzuweisen, ist innovativ und hat Mut.»
Elon Musk ist eine Reizfigur: Die einen halten ihn für ein Genie. Die anderen für ein Grossmaul. Manche gar für einen Grössenwahnsinnigen. Klar ist: Musk ist umtriebig wie kein anderer Unternehmer. Zwei Industrien hat er bereits transformiert, den Automobilbau mit Tesla und ihren Elektrofahrzeugen, die Raumfahrt mit SpaceX und ihren wiederverwendbaren Raketen.
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Bei zwei weiteren hat er die Disruption angestossen: Der Hyperloop soll Städte mittels Magnetschwebebahnen in Vakuumröhren so effizient miteinander verbinden, dass Kontinentalflüge überflüssig werden, seine Boring Company soll den Tunnelbau revolutionieren und so den Autoverkehr unter die Erde bringen. Mit Neuralink will Musk ein Gerät entwickeln lassen, das das menschliche Gehirn direkt mit Computern verbindet. Das Projekt Starlink, ein Netzwerk aus 34'400 Kleinstsatelliten, bringt schnelles Internet in die entlegensten Winkel der Welt und soll so die Gesellschaftsentwicklung voranbringen.
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Und dann sind da noch seine Pläne zur Marsbesiedelung: Musk will die Menschheit «multiplanetar» machen. 2027 soll es so weit sein; dass der Termin schon mehrmals verschoben wurde, stört angesichts der Monstrosität des Vorhabens niemanden. Musk selber will auf dem Mars sterben – «nur nicht bei der Landung». «Ich wollte einfach in Gebieten tätig sein, von denen ich annahm, dass sie die Zukunft der Menschen entscheidend beeinflussen.
Der rote Faden ist also mein Interesse an Firmen, welche die Welt verändern», sagte er einst im BILANZ-Interview. Die grossen Fragen der menschlichen Existenz – darunter macht es Musk nicht. Bereits vorher war er Mitgründer der Software-Start-ups Zip2 und x.com – aus x.com wurde später der Bezahldienst PayPal –, er konnte sie für 307 Millionen bzw. 1,5 Milliarden Dollar verkaufen und so den Grundstock seines Vermögens legen.
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49 Jahre ist er erst alt und hat bereits eine Unternehmerkarriere hinter sich mit Höhen und Tiefen wie kaum ein anderer. Im Moment ist er ganz oben. Mit Amazon-Gründer Jeff Bezos liefert er sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen um den Titel des reichsten Menschen der Welt. Mit Sicherheit ist Musk der mächtigste Unternehmer der jüngeren Geschichte. Diese Macht nutzt er regelmässig und sorgt, manchmal unbeabsichtigt und häufig ganz gezielt, via Twitter für Verwerfungen an den Börsen: Rund 47 Millionen Follower zählt er.
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Manchmal reicht dazu ein einziges Wort. So hat er ungewollt mit seinem Tweet «Use Signal» eine Blase produziert: Spekulanten kannten den WhatsApp-Konkurrenten offenbar nicht und investierten Millionen in Signal Advance, einen maroden Hersteller von Medizintechnik aus Texas. Dass Musk die DIY-Plattform Etsy «irgendwie mag», wie er auf Twitter verkündete, steigerte den Firmenwert binnen Stunden um mehr als zwei Milliarden Dollar.
Mit «Gamestonk!!» und einem Link auf die Seite WallStreetBets mischte er sich in den epischen Angriff der per Reddit organisierten Kleinanleger gegen die Hedgefonds ein. Es ging nicht gut, schlussendlich blieben viele Privatanleger auf Verlusten sitzen. Ähnlich erging es Anlegern, die sich von Musk zu einem Investment verleiten liessen: in die eigentlich als Witz entwickelte und bis dahin unbedeutende Kryptowährung Dogecoin. Zwischenzeitlich war Dogecoin zehn Milliarden Dollar wert und damit die zehntgrösste Kryptowährung.
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Oder Bitcoin: Am 29. Januar änderte Musk seine Twitter-Biografie auf #Bitcoin. Binnen Minuten schoss der Kurs um 20 Prozent in die Höhe. Was dieses kryptische Posting zu bedeuten hatte, wurde zehn Tage später klar: Tesla hatte 1,5 Milliarden Dollar der Barreserven in die Währung investiert und akzeptiert Bitcoins als Zahlungsmittel – und das, obwohl Musk kurz vor Weihnachten Bitcoin noch als «fast so sehr Bullshit» wie traditionelle Währungen bezeichnet hat. Seither kennt die Bitcoin-Euphorie kein Halten mehr, und Tesla verbuchte auf ihrem Kryptoinvestment einen Buchgewinn von mehr als 600 Millionen Dollar.
PR-Gag: Vor drei Jahren schoss Musk einen Tesla Roadster ins All. Der hat seither rund 2,5 Milliarden Kilometer zurückgelegt – mehr als jedes andere Auto.
imago/UPI PhotoPR-Gag: Vor drei Jahren schoss Musk einen Tesla Roadster ins All. Der hat seither rund 2,5 Milliarden Kilometer zurückgelegt – mehr als jedes andere Auto.
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Der US-Ökonom Nouriel Roubini wirft Musk deshalb Marktmanipulation vor: «Das ist kriminelles Verhalten.» Gut möglich, dass Musks Twitter-Offensive juristische Konsequenzen haben wird. Ob es Sinn macht, dass Tesla acht Prozent der Barreserven in die vermutlich volatilste aller Anlagenklassen steckt, ist eine andere Frage – «Tesla ist doch kein Hedgefonds», wundert sich Julius-Bär-Analyst Roberto Cominotto. Und der massive Energieverbrauch der Bitcoin-Blockchain passt so gar nicht zum grünen Image des Elektroautobauers. Sowieso gelten Bitcoin und Tesla unter Experten als die beiden grössten Blasen an den Finanzmärkten. Nun sind sie eng verbunden und verstärken sich gegenseitig.
Und ziehen die Kleinanleger mit hinein. Denn egal, was Musk empfiehlt: Seine Jünger folgen ihm wie dem Führer einer Sekte. «Papa Musk» nennen sie ihn, er wird ähnlich verehrt wie einst Apple-Gründer Steve Jobs: «Früher war Jobs der Star, heute ist es Elon Musk. Er ist der neue Guru für die Jugend. Mein Sohn findet ihn toll, seine Lehrer genauso», sagt Hens. Tatsächlich gibt es viele Parallelen zwischen Jobs und Musk: Beide waren Studienabbrecher, Visionäre, detailversessene Workaholics, beide führten zwei Grossunternehmen gleichzeitig (bei Jobs war es neben Apple das Zeichentrickfilmstudio Pixar).
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Und ebenso wie früher der Apple-Gründer ist Musk einerseits gnadenlos gegenüber Mitarbeitern, die seine Erwartungen nicht erfüllen, und schart andererseits hochkompetente Fachleute um sich, die für ihn durchs Feuer gehen würden. Beide machen aus Produktvorstellungen umjubelte Happenings. Denn Apple wie Tesla haben nicht einfach Kunden, sondern Anhänger, die die neuesten Produkte häufig blind bestellen, ohne die Details zu kennen.
In jeglicher Hinsicht ungewöhnlich ist auch die Art, mit der Musk seine Firmen führt. Legendär ist sein Drive: Der gebürtige Südafrikaner schläft nur vier Stunden pro Tag und manchmal gar nicht. Derartigen Arbeitseinsatz erwartet er auch von seinen Mitarbeitern. Und Musk hat einen ganz anderen Denkansatz: Best Practices interessieren ihn nicht, er stellt alles in Frage und versucht bei jedem Problem, es auf ganz neue Art zu lösen. Ein «Unmöglich» akzeptiert er nicht – ausser wenn es physikalisch unmöglich ist. Das ist auch ein Grund, warum Tesla kaum arrivierte Automanager anstellt (und wenn, bleiben sie meist nicht lange): Ihre Erfahrungen zählen dort als Ballast, nicht als Bereicherung. Dabei ist Musk extrem risikofreudig: «Wenn man nicht auf die Nase fällt, dann war man nicht innovativ genug», sagte er einst zu BILANZ.
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Feste Strukturen gibt es bei Tesla nicht, Jobbeschreibungen und -einführungen ebenfalls nicht – eine starre Organisation ist inkompatibel mit dem schnellen Wachstum. Wer seine Aufgabe im Griff und noch Kapazität hat, dem wird neue, zusätzliche Verantwortung gegeben. Hierarchien werden hinzugefügt und schnell wieder geschnitten, Teams aufgebaut und ebenso rasch wieder entlassen, wenn sich eine strategische Direktive als Irrweg erwiesen hat.
Die 2002 gegründete SpaceX ist inzwischen Marktführer bei Satellitenstarts und führt seit letztem Jahr auch bemannte Flüge durch – zu deutlich günstigeren Kosten als bisher. Der Trick: Die Startraketen gleiten nach Abtrennung zur Erde und können wiederverwendet werden. Gerade hat SpaceX 850 Millionen Dollar neues Eigenkapital eingesammelt.
UPI/laifDie 2002 gegründete SpaceX ist inzwischen Marktführer bei Satellitenstarts und führt seit letztem Jahr auch bemannte Flüge durch – zu deutlich günstigeren Kosten als bisher. Der Trick: Die Startraketen gleiten nach Abtrennung zur Erde und können wiederverwendet werden. Gerade hat SpaceX 850 Millionen Dollar neues Eigenkapital eingesammelt.
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Solange es funktioniert, führt Musk an der langen Leine. Wenn es nicht funktioniert, geht er bei den Problemen sehr in die Tiefe. Dank seines Physikstudiums, vor allem aber dank seines blitzschnellen Verstands kann er auch bei den technischen Details mitreden. Mit seiner exzentrischen Art schürt Musk den Personenkult weiter: In Kalifornien, wo Tesla, SpaceX und Neuralink ihre Hauptsitze haben, hat er seine Häuser verkauft und schläft nur noch bei Freunden auf der Couch oder in den Werken seiner Firmen. Im Hollywood-Blockbuster «Iron Man 2» hat er einen Kurzauftritt, auch weil Hauptfigur Tony Stark auf Musk basiert. Und das jüngste seiner sechs Kinder hat er auf den Namen X Æ A-12 (spricht sich «Ex Äsch Ai Twelf») getauft.
Auf der anderen Seite schockiert er immer wieder mit seinen erratischen Tweets. Etwa wenn er Corona leugnet und den Shutdown als faschistisch bezeichnet. Wenn er Autokraten wie Wladimir Putin zum Online-Plausch auf Clubhouse einlädt. Wenn er einen britischen Höhlentaucher als pädophil bezeichnet, nur weil der sein Angebot ablehnte, für eine Rettungsmission ein Mini-U-Boot zur Verfügung zu stellen. Ein Tweet kostete Musk gar den Posten als Tesla-Chairman, als er im August 2017 öffentlich überlegte, Tesla von der Börse zu nehmen zum Preis von 420 Dollar (der Plan scheiterte, aber der Börsenkurs ging wegen der Ankündigung durch die Decke).
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420 gilt als die sagenumwobene Engelszahl bei Spiritualisten, bei Kiffern ist 420 Slang für Marihuana oder dessen Konsum. Auch die jüngste Finanzierungsrunde von SpaceX brachte Musk mit 419.99 Dollar je Anteil über die Runde. Klar ist: Der Personenkult um Musk ist Teil des Markenwerts von Tesla – und mit ein Grund für den aufgeblähten Börsenkurs. Doch er ist auch ein Klumpenrisiko: Nicht auszudenken, was mit dem Aktienkurs passieren würde, sollte Musk unter einen Tesla geraten.
Doch der Wahnsinn hat Methode – und Erfolg: Lange dümpelte der Wert von Tesla bei rund 50 Milliarden vor sich hin. Doch als das Geschäftsjahr 2019 erstmals mit einem wenn auch hauchdünnen Gewinn von 36 Millionen Dollar zu Ende ging, wechselte der Aktienkurs auf die Überholspur. Diesen Januar war der Elektroautobauer knapp 850 Milliarden Dollar wert. Anleger, die sich Tesla-Anteile schon beim Börsengang im Juni 2010 in ihr Depot legten, wurden reich: Aus 10'000 investierten Dollars wurden 2,39 Millionen.
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Dabei lag der Kurs noch 2011 und 2012 immer wieder unter dem Ausgabepreis. Mehrmals schrammte Tesla an der Pleite vorbei. Vom Hype profitiert keiner so wie Musk: Er hat seine Beteiligung immer weiter ausgebaut, weil er auf Fixsalär und Bonus verzichtet, dafür beim Erreichen gewisser Meilensteine Optionen erhält – zuletzt im Oktober zum damaligen Wert von 12 Milliarden Dollar. Aktuell hält Musk 22,4 Prozent der Firma: 168 Milliarden ist die Position wert (sein 54-prozentiger Anteil an SpaceX ist weitere 40 Milliarden Dollar wert).
Das Satellitennetzwerk Starlink aus – im Endausbau – 34'400 Himmelskörpern wird von SpaceX betrieben und soll schnelles Internet aus dem All in die entlegensten Winkel der Welt bringen. Derzeit befindet es sich im Betatest. In der Schweiz ist der Dienst ab nächstem Jahr erhältlich.
KeystoneDas Satellitennetzwerk Starlink aus – im Endausbau – 34'400 Himmelskörpern wird von SpaceX betrieben und soll schnelles Internet aus dem All in die entlegensten Winkel der Welt bringen. Derzeit befindet es sich im Betatest. In der Schweiz ist der Dienst ab nächstem Jahr erhältlich.
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Der Börsenhype liegt zu einem guten Teil an einem Trend. Klimaschutz-Aktien sind gefragt wie nie, gerade nach der Wahl von Joe Biden, der Hunderte Milliarden in grüne Technologien investieren will. «Gleichzeitig ist das Angebot nicht sehr gross. Tesla ist eine der ganz wenigen grossen, liquiden Aktien, die reine Elektromobilität anbieten», sagt Analyst Cominotto. Zudem wird Tesla von einer Horde von Privatanlegern bestürmt, erst recht seit dem Aktiensplit von 5:1 letztes Jahr.
Und auf Plattformen wie Robinhood oder Etoro, die enormen Zulauf haben, können Kleinanleger auch Minibeträge wie etwa 50 Dollar in Tesla investieren. Der Autobauer ist bei Robinhood die zweitmeistgehandelte Aktie, nach Apple. «Menschen sind Herdentiere. Sie wollen sich mit Personen identifizieren, auch wenn die ihnen irgendetwas vormachen. So entstehen Blasen», sagt Thorsten Hens. Teslas Aktienpreis sei «ein emotionales, nicht ein finanzielles Konstrukt», urteilte Bloomberg-Kolumnist Liam Denning schon 2019, als die Firma nur einen Bruchteil des heutigen Werts hatte. Der beträgt momentan 750 Milliarden Dollar, so viel wie die zehn grössten Autohersteller zusammen.
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An der US-Börse sind nur die Technologie-Giganten Apple, Microsoft, Amazon und Google grösser. Bär-Analyst Cominotto hält die Tesla-Aktie für deutlich zu hoch bewertet und rät deshalb zum Verkauf. «Mit den üblichen Bewertungsmethoden komme ich nie und nimmer auf so eine Bewertung», sagt er. Banken würden mittlerweile «völlig aus der Luft gegriffene Kennzahlen» verwenden, um ihre Kaufempfehlungen zu rechtfertigen. «Zudem werden viele Geschäftsfelder eingerechnet, die es heute noch gar nicht gibt. All das ist Zukunftsmusik.
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Oliver Oettli für BILANZSascha Zahnd war bis vor Kurzem einer der engsten Mitarbeiter von Elon Musk. Ohne den Berner gäbe es Tesla wohl nicht mehr. Hier lesen Sie mehr über ihn.
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Es kann sein, dass sich die Fantasien nie verwirklichen», sagt Cominotto. Zu den Fantasien zählt, dass Tesla irgendwann als eine Art fahrerloser Uber den Markt für Robotaxis dominiert oder mit der Solarsparte Dutzende Milliarden verdient. Auch ein globales Netzwerk aus Millionen Tesla-Batterien, die als Zwischenspeicher für Ökostrom dienen, ist eingepreist. Und dass Tesla mittlerweile mehr als eine Million Autos auf der Strasse habe und mit diesen Daten sammle, die später die Software zur Steuerung der Batterie und des ganzen Fahrzeugs optimieren, hält Colin Rusch, Analyst bei Oppenheimer, für einen «ausserordentlichen Vorteil». Der Konkurrenz sei man hier um Jahre voraus.
Schlussendlich aber müssen die Zahlen stimmen. Da lohnt es sich, genauer anzuschauen, wo Teslas – relativ geringer – Reingewinn von 721 Millionen Dollar tatsächlich herkommt: 1,58 Milliarden Dollar Einnahmen stammen aus dem Verkauf von Emissionszertifikaten an andere Autobauer. Ohne diese wäre Tesla nach wie vor in den roten Zahlen. Die Firma mit herkömmlichen Bewertungsmethoden zu vergleichen, macht angesichts eines Kurs-Gewinn-Verhältnisses von mehr als 1000 wenig Sinn. Das weckt böse Erinnerungen: «Bei Tesla ist es wie bei der Dotcom-Blase: Irgendwann rechnet jemand nach und entdeckt, dass die Zukunftspläne gar nicht realistisch sind», sagt Finanzprofessor Hens.
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Analyst Cominotto hat bereits nachgerechnet. Elon Musk will noch in diesem Jahrzehnt 20 Millionen Autos pro Jahr verkaufen. Dafür müsste 2030 jedes dritte Elektroauto ein Tesla sein. «Das ist sehr unrealistisch. Heute liegt der Marktanteil bei 20 Prozent – und das noch ohne ernstzunehmende Konkurrenz», sagt Cominotto. Doch die holt nun auf: VW liegt mit Tesla punkto weltweiter E-Auto-Produktion schon Kopf an Kopf und in Westeuropa bereits deutlich vorne. Unterdessen elektrisieren VW, Porsche, Daimler und BMW grosse Teile ihrer Modellpalette und investieren Milliarden in Software.
US-Riese General Motors will bis 2035 nur noch rein elektrische Autos bauen, Jaguar schon ab 2025, Volvo feiert Erfolge mit der E-Tochter Polestar. Im Elektro-affinen China gelten die Hersteller BYD und Nio als heisseste Wetten. Und Hyundai aus Korea gilt als möglicher Branchenpartner für ein E-Auto-Projekt von Apple. Der Wettlauf wird dazu führen, dass sich die beiden Welten, Tesla und Traditionelle, «annähern und am Ende in der Mitte treffen», erwartet Klaus Stricker, Partner und Co-Leiter der weltweiten Praxisgruppe Autoindustrie und Mobilität bei der Unternehmensberatung Bain.
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Keine Musk-Firma, aber das Konzept von Hyperloop hat er vorangetrieben: Magnetschwebebahnen in luftleeren Röhren entlang der Autobahntrassen sollen Städtereisen günstiger und vor allem schneller machen: Für die 570 Kilometer von Los Angeles nach San Francisco etwa sind 35 Minuten versprochen. Im November glückte die erste bemannte Testfahrt.
KeystoneKeine Musk-Firma, aber das Konzept von Hyperloop hat er vorangetrieben: Magnetschwebebahnen in luftleeren Röhren entlang der Autobahntrassen sollen Städtereisen günstiger und vor allem schneller machen: Für die 570 Kilometer von Los Angeles nach San Francisco etwa sind 35 Minuten versprochen. Im November glückte die erste bemannte Testfahrt.
KeystoneIn der Autobranche schütteln zwar viele den Kopf über die Aktienrally, aber zumindest ein Bewertungspremium halten viele für verdient: Die Vertikalisierung der Produktion ist für Serienhersteller einzigartig – Tesla kennt sich mit Geometrie und Chemie der Batterien aus, fertigt gemeinsam mit Panasonic selber die Zellen, gilt als führend punkto Batteriesteuerung. Tesla entwickelt bisher die Chip-Hardware für den Zentralrechner im Auto selber und brilliert bei der komplexen Integration von Hardware und Software. Eigene Versicherungen und Leasing ergänzen die Wertschöpfungskette. «Diese hohe Entwicklungs- und Fertigungstiefe bei zentralen Elementen bedeuten heute eine klare Alleinstellung für Tesla», sagt Stricker. Welche Tücken gerade in der Verheiratung von Hardware und Software liegen, musste Deutschlands Marktführer VW bei der Einführung seines als Volks-Stromer gedachten ID.3 erleben: Monatelang quälten Softwareprobleme die genervten Kunden.
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Und trotz E-Raketen wie Porsche Taycan oder Audi e-tron GT liegen Teslas punkto Leistung und Reichweite nach wie vor in der Spitzengruppe, dank ihrem Vorsprung bei Software und Batterie-Management. Hinzu kommt das eigene Ladenetz, weltweit das einzige profitable übrigens: Während Teslas praktisch überall laden können, auch bei der Konkurrenz, sind die Tesla-Supercharger für Autos anderer Marken gesperrt.
Zwar kann Musk nicht alle seine grossen Versprechungen auf Punkt und Eichstrich genau halten. Aber es kommt eine Menge davon. «EST» nennen sie im Club die Zeitspanne zwischen versprochener und tatsächlicher Ankunft einer Neuerung: «Elon Standard Time». Denn Musk hat mit Tesla das Automobil grundsätzlich neu gedacht: Es entsteht um einen Zentralcomputer herum, der «over the air» regelmässig Updates empfängt und Fahrverhalten, Bedienung oder Gadgets verbessert.
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In deutschen Autos surren oft mehr als 100 elektronische Steuergeräte, weil der Fahrwerksingenieur die Hoheit über seinen Bereich nicht dem Motoreningenieur überlassen möchte – daher ist zwar «over the air» auch bei ihnen eingezogen, aber eben teilweise statt ganzheitlich. Die Integration all dieser Elemente macht dieE-Wende für VW, Daimler und Co. so schwierig. Diese «traditionellen Wertschöpfungsketten der Autoindustrie hat Tesla aufgebrochen, vielleicht auch, weil es für einen Newcomer gar nicht anders möglich war», bilanziert Klaus Stricker.
Noch ein Projekt gegen den Stau: The Boring Company will mit ihren Bohrgeräten den Tunnelbau zehn Mal günstiger und deutlich schneller machen. Ziel ist es, ein unterirdisches Transportnetz für Autos zu entwickeln. Boring («Langweilig», aber auch «bohrend») finanziert sich unter anderem durch Merchandising-Artikel wie Baseballkappen, aber auch Flammenwerfer.
Bloomberg via Getty ImagesNoch ein Projekt gegen den Stau: The Boring Company will mit ihren Bohrgeräten den Tunnelbau zehn Mal günstiger und deutlich schneller machen. Ziel ist es, ein unterirdisches Transportnetz für Autos zu entwickeln. Boring («Langweilig», aber auch «bohrend») finanziert sich unter anderem durch Merchandising-Artikel wie Baseballkappen, aber auch Flammenwerfer.
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Der Unterschied ist: Klassische Hersteller bauen weiterhin Autos, neuerdings eben mit Batterieantrieb. Tesla jedoch kleidet einen Zentralrechner mit Rädern, Sitzen und einer Karosserie ein. Im Zentrum standen von Anfang an Autopilot und Software, erst in zweiter Linie ein verlässliches Fortbewegungsmittel. «Wir haben keinen After-Sales-Service», bekam Pierre Uhl seinerzeit von Tesla zu hören, nachdem er den Roadster gekauft hatte. Diese Prioritätensetzung mündet in umfangreiche Mängellisten.
In den zahlreichen Tesla-Foren klagen Besitzer über falsche oder falsch montierte Teile im Innenraum, unsauber eingehängte Türen oder zentimeterbreite Lücken zwischen den Blechfalzen in der Aussenhaut. Über Bildschirme, die hartnäckig schwarz bleiben, Heizungsausfall, Störgeräusche sowie jede Menge weiterer exotischer Probleme. Legendär sind auch die «Phantombremsungen», kurzzeitige Temporeduktionen, wohl ausgelöst durch eine Verwirrung des Autopiloten. Aber «das wird mit jedem Update ein bisschen besser», lächelt ein Schweizer Tesla-Fahrer. Jana Riedmüller hatte mit ihrem Model 3 jedenfalls «nie ein Problem».
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Weil Tesla eigene Pannenhelfer beschäftigt, zudem die Zahl der Teslas auf den Strassen immer noch tief sind, finden sich kaum Daten zur Fehleranfälligkeit. Die einzige Statistik stammt vom US-Marktforscher JD Power: Tesla landete auf dem letzten Platz. Da rächt sich, dass Tesla lange Zeit auch unperfekte Fahrzeuge auslieferte, um jedes Quartal die Verkaufsziele zu erfüllen.
Und dass Tesla nur die ersten hundert Exemplare jedes Modells an Mitarbeiter und wohlgesinnte Investoren abgibt und danach sofort auf den Markt geht, während etwa deutsche Autohersteller teils Tausende Fahrzeuge vor der Marktreife produzieren. Ein weiteres Ärgernis, gerade in der Schweiz: die Logistik. Oft standen Fahrzeuge über Monate in der Werkstatt, weil Tesla gar keine oder falsche Ersatzteile geliefert hatte. Doch mittlerweile, versichert ein Marktkenner, sei die Lieferkette ziemlich zuverlässig, auch dank des neuen Werks in Shanghai.
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Viele Fans der Muskulären Fortbewegung werden dennoch der Marke Tesla treu bleiben. Jene, die neben dem Auto auch die Aktie gekauft haben, können es sich gut leisten. Während Sacha Wittmann und Jana Riedmüller ausgestiegen sind, sind Pierre Uhl und Bea Knecht noch investiert. Uhl stiess einen Teil seines Pakets ab und kaufte sich davon ein Model S. Knecht investierte 2016: «Ich hätte nicht gedacht, dass ich so gut verdiene mit der Aktie», sagt sie: «Alle meine zukünftigen Teslas sind durch die Gewinne gedeckt, das ist mal sicher.»
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