Guten Tag,
Nach turbulenten Monaten weckt der Börsenkurs von GAM verhaltene Hoffnungen auf die Kehrtwende. Doch vor dem Management liegt eine Mammutaufgabe.
Matthias Mehl
Am GAM-Hauptsitz im Zürcher Prime Tower muss die Geschäftsleitung einen neuen Kurs einschlagen.
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Zweieinhalb Jahre lang sackte der Aktienkurs von GAM praktisch kontinuierlich in die Tiefe. Kürzlich aber schlug die Kurve nach oben aus: Mit einem Wert von 48 Rappen (Stand: Oktober) konnte die Aktie ein Plus von 18,35 Prozent im Monats-Vergleich verbuchen. Damit sind die GAM-Anteile derzeit sogar satte 20 Prozent mehr wert als zum Zeitpunkt des Rekord-Niedrigststandes der letzten drei Jahre. Diese Talsohle hatte der Titel am 21. September dieses Jahres mit einem Wert von 40 Rappen pro Wertschrift erreicht.
Der Aktienkurs von GAM erscheint damit fast wie ein EKG, das plötzlich ein überraschendes Lebenszeichen offenbart – und auf diese Weise belegt, dass der Herzschlag des Fondshauses nicht verstummt ist. Diese Entwicklung markiert das jüngste Kapitel in einem dramatischen Machtpoker um die Zukunft von GAM. Als vorläufiger Sieger der Partie ging Ende August die Investorengruppe NewGAMe hervor: Das Anlegerkonsortium, welches vom französischen Salt-Milliardär Xavier Niel angeführt wird, hatte sich erfolgreich gegen den Willen der GAM-Geschäftsführung durchgesetzt und die Übernahme des kriselnden Wealth Managers durch die britische Liontrust verhindert.
Der Grund dafür: Xavier Niel, der mit einem Vermögen von fast sieben Milliarden Dollar zu den vermögendsten Personen Frankreichs zählt, sowie seine Mitstreiter erachteten das Angebot aus London als unattraktiv und sahen die Aktionäre deshalb übervorteilt. Ihrer Ansicht nach sei GAM, unter der richtigen Führung, durchaus in der Lage, als eigenständiges Fondshaus zu alter Grösse – und Profitabilität – zurückzufinden.
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Elmar Zumbühl, Ex-Risikochef bei GAM, hat als neuer CEO die Aufgabe, das Schiff zu wenden.
PDElmar Zumbühl, Ex-Risikochef bei GAM, hat als neuer CEO die Aufgabe, das Schiff zu wenden.
PDNewGAMe hebelte den britischen Deal mit einem Alternativangebot aus, welches 55 Rappen in bar pro Aktie für maximal 28 Millionen Wertpapiere vorsieht. Dies entspricht 17,5 Prozent des ausgegebenen Aktienkapitals, wodurch der Anteil der Investorengruppe an GAM auf insgesamt 27,1 Prozent ansteigt. Der Vollzug dieses Angebots ist per März 2024 zu erwarten und dürfte in trockenen Tüchern sein. Diesen September wurde an einer ausserordentlichen GAM-Generalversammlung der komplette Verwaltungsrat des Fondsverwalters ausgetauscht.
Die neue GAM-Crew schreitet nun mit dem Segen von Niels Anlegerkonsortium zur Tat und muss hohe Ansprüche erfüllen. Eine Schlüsselrolle kommt dabei dem neuen Verwaltungsratspräsidenten Antoine Spillmann zu, der David Jacob ablöst. Spillmann ist Chef und Partner des Genfer Vermögensverwalters Bruellan. In seiner neuen Funktion bei GAM sichert er den Anlegern erneut die finanzielle Absicherung des Unternehmens durch die Investorengruppe zu. «Ich freue mich darüber, dass Rock Investment weitere Mittel in Höhe von bis zu 100 Millionen Franken zugesagt hat, damit GAM weiter in Wachstum investieren kann.» Dies sei entscheidend, um das angekratzte Vertrauen von Kunden, Fondsmanagern, Aufsichtsbehörden und Mitarbeitern zurückzugewinnen.
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Im selben Atemzug betont Spillmann die Wichtigkeit des neuen Chefs von GAM: Elmar Zumbühl. Der frischgebackene CEO ist kein Unbekannter, sondern vielmehr ein «GAM-Urgestein». Zumbühl stiess 2010 als Senior Legal Counsel und Risikomanager zu GAM und war ab 2017 unter anderem als Group Chief Risk Officer tätig.
Vor seiner Zeit im Zürcher Prime Tower war er während zehn Jahren bei der Bank Julius Bär in verschiedenen leitenden Funktionen tätig gewesen, unter anderem für das Asset-Management-Geschäft, zu dem damals auch GAM gehörte. Für Antoine Spillmann ist der neue CEO dank seiner Mischung aus Erfahrung und operativem Fachwissen sowie seinen fundierten Kenntnissen über GAM genau der Richtige, um das Unternehmen zu stabilisieren und voranzubringen.
Zumbühl selbst betont, dass GAM über eine starke internationale Marke sowie eine aussergewöhnliche Anlageperformance verfüge. «Ich freue mich darauf, auf diesen Stärken aufzubauen, um GAM auf einen nachhaltigen Erholungspfad zu führen.»
Dieser Pfad dürfte allerdings für den neuen CEO selbst sowie den frisch formierten Verwaltungsrat deutlich weniger erholsam werden. Im Kern ihrer Bemühungen muss das Zurückgewinnen des Vertrauens von Anlegern, Partnern und Märkten stehen. Und genau an diesem Punkt flackern Fragezeichen auf: So regten sich kurz nach Zumbühls Ernennung kritische Stimmen, die seine Tauglichkeit für den Chefposten relativierten. Tatsächlich muss sich der neue CEO die Frage gefallen lassen, warum er als ehemaliger Group Chief Risk Officer nicht auf gewisse Entwicklungen reagiert habe, die GAM letztlich in die heutige Bredouille brachten. Diesen Umstand kommentiert man bei GAM nicht direkt, sondern betont die Tatsache, dass Zumbühl als Mitglied der Konzernleitung damals daran beteiligt gewesen sei, die Firma durch eine Phase voller Herausforderungen zu führen.
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Eine wesentliche Aufgabe von Elmar Zumbühl in seiner heutigen Rolle als CEO wird auch darin bestehen, GAM bei den Anlegern wieder en vogue zu machen. Lange Zeit lebte man vom Mythos und Glanz von David Solo, welcher als Ziehsohn von Ex-UBS-Chef Marcel Ospel gefeiert wurde. Solo stiess 2004 zur Gesellschaft und führte GAM zehn Jahre lang.
Salt-Milliardär Xavier Niel und seine Investorengruppe geben bei GAM den Ton an.
PDSalt-Milliardär Xavier Niel und seine Investorengruppe geben bei GAM den Ton an.
PDDort genoss er letztlich fast unangefochtenen Kultstatus. Dies führte dazu, dass er den GAM-Entscheidungsträgern nach seinem Rücktritt Geschäfte mit Greensill Capital als lukratives Investment ans Herz legen konnte. Tim Haywood, seinerseits gefeierter Star-Fondsmanager bei GAM, investierte 2016 rund 110 Millionen Pfund in eine Tochterfirma von Greensill Capital. Das Ende der Geschichte ist bekannt: Greensill ging 2021 pleite und erwies sich sowohl für GAM als auch für die Credit Suisse als Portfoliogift.
Erschwerend kam hinzu, dass Haywood bei GAM interne Regeln missachtet hatte. Mit seiner Suspendierung begann der Geldabfluss durch GAM-Kunden, und die Abwärtsspirale beim Asset-Managementhaus, das lange als Perle des Schweizer Finanzplatzes galt, nahm ihren Anfang. Und sie dreht sich noch immer: Allein zwischen Juni und September sanken die durch GAM verwalteten Vermögen von 68 auf 64,9 Milliarden Franken. Der Vergleich mit der Situation vor drei Jahren macht das Ausmass des Geldschwundes greifbar: Im September 2020 war GAM noch Hüter über 120,4 Milliarden Franken an Vermögen gewesen.
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Diese Ereignisse sind auch deswegen brisant, weil sowohl David Solos Wirken als auch die Tätigkeit von Haywood während der Amtszeit von Elmar Zumbühl als Riskmanager bei GAM geschahen. Hinzu kommt ein weiterer kritischer Faktor, nämlich der, dass es sich bei Zumbühl keineswegs um die erste Wahl der Investorengruppe NewGAMe handelt. Noch am 30. August kommunizierte diese, dass sie den Posten dem Branchenveteranen Randel Freeman zuschanzen wolle.
Der Amerikaner mit britischen und schweizerischen Wurzeln verfügt über 35 Jahre Erfahrung in der Hedgefonds- und Vermögensverwaltungsbranche und war von 2017 bis 2023 Mitglied des Investmentausschusses von Sterling Strategic Value – einem Hedgefonds, bei dem der Tessiner Financier Tito Tettamanti das Amt des Ehrenpräsidenten innehat. Aufgrund von unvorhergesehenen familiären Umständen musste Freeman aber sein Interesse am GAM-Chefposten kurzfristig zurückziehen, und Zumbühl wurde eingewechselt. Nun muss er beweisen, dass die Vorschusslorbeeren durch Präsident Antoine Spillmann verdient sind.
Natürlich bedeuten die genannten Altlasten keineswegs, dass es der neuen GAM-Führungsriege nicht gelingen könnte, das Steuer herumzureissen. Der sich langsam auf tiefem Niveau erholende Aktienkurs ist zwar ein zaghaftes Signal, lässt aber dennoch zunehmendes Anlegervertrauen in die neue Ausrichtung des Vermögensverwalters erahnen.
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Laut Daniel Regli, Senior Equity Research Analyst bei der Zürcher Kantonalbank und GAM-Kenner, sei vor allem eine Rückkehr zu positiven Geldzuflüssen für das Fondshaus essenziell. Die Zusicherung einer Finanzspritze durch Rock Investment sollte helfen, Vertrauen zu schaffen. «Die Herausforderung wird aber sein, eine Rückkehr zu positiven Geldzuflüssen zu bewerkstelligen, während gleichzeitig die Kosten im Griff gehalten oder sogar weiter gesenkt werden müssen», sagt Regli.
Eine deutliche Outperformance der Fonds stellt dafür einen wesentlichen Faktor dar. Viele der grössten Fonds von GAM liegen im laufenden Jahr vor dem Durchschnitt der Peergroups. Doch es gibt Ausnahmen: Die Credit Opportunities und Local Emerging Bond Funds liegen in diesem Jahr hinter dem Durchschnitt der Vergleichsgruppe. «Und diese sind nach wie vor verhältnismässig wichtige Fonds für GAM», sagt Regli.
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