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Wie tickt der mexikanische Grosskonzern, und was hat er mit dem Kioskbetreiber vor? BILANZ befragt den Konzernchef nach seinen Plänen mit Valora.
Bastian Heiniger
VERTRIEBSZENTRALE Oxxo betreibt 20 Vertriebszentralen, wie hier in Toluca, wo die Bestellungen der einzelnen Läden abgepackt und verschickt werden.
Joseph Khakshouri für BILANZWerbung
Es geht vorbei am zweiten Pförtner und hoch in das gut abgesicherte Villenviertel mit seinen von Pinien gesäumten Strassen. Unten legt sich die Dämmerung über Monterrey, den mit rund fünf Millionen Einwohnern drittgrössten Ballungsraum Mexikos, unweit der amerikanischen Grenze, eingekesselt von der Bergkette Sierra Madre Oriental.
Hier startete der heutige Grosskonzern Femsa einst als Brauerei. Mit ihren insgesamt 25 000 Oxxo-Läden – kleine Convenience Stores – betreibt Femsa heute besonders in mexikanischen Städten ein ins Extreme verdichtetes Netz, neben dem die Präsenz von Migros und Coop in der Schweiz geradezu zurückhaltend anmutet. Der Konzern ist aber auch der grösste Apothekenbetreiber in Lateinamerika und mit 47 Prozent beteiligt an Coca-Cola Femsa, dem weltweit grössten Coca-Cola-Abfüller.
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Ferner hält Femsa eine Beteiligung an Heineken und ist im Besitz der Monterrey Rayados, eines Fussballteams, das fünfmal die zentral- und nordamerikanische Champions League gewonnen hat. Und: Seit dem 14. Oktober ist Femsa offiziell die neue Besitzerin von Kiosk, Press & Books, Avec, Brezelkönig, Caffè Spettacolo und Co. An diesem Tag hat Femsa-CEO Daniel Rodríguez den ehemaligen Tesla-Manager Sascha Zahnd als VR-Präsidenten von Valora abgelöst und mit drei weiteren Femsa-Grössen den Verwaltungsrat neu besetzt.
Die 1,1 Milliarden teure Übernahme der Schweizer Kioskbetreiberin ist nun abgeschlossen. Doch was wollen die Mexikaner in der Schweiz? In Europa? Und vor allem: Ist Valora mit ihren rund 3600 Angestellten in guten Händen?
Auf der Suche nach Antworten steuern wir Rodríguez’ Villa an. Ein kräftiger Mann steht vor dem Haus und deutet zur gut drei Meter hohen Eingangstür, «einfach eintreten», sagt er auf Spanisch. Rodríguez ist erst seit diesem Jahr CEO, davor leitete er jedoch bereits für fünf Jahre den Bereich «Comercio», in dem die Läden, Apotheken und Tankstellen gebündelt sind.
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Es ist heute die wichtigste Sparte und auch die am schnellsten wachsende – bis zu 1000 Oxxo-Läden hat Rodriguez in den letzten Jahren per annum in Ländern wie Mexiko, Chile, Kolumbien, Peru und Brasilien eröffnet; ein Wachstumsmonster, dem Lateinamerika und das reine Retail-Geschäft nicht mehr genügen. Denn nun forciert der Femsa-Lenker eine ambitionierte Digitalstrategie: Mit der Marke Spin by Oxxo will er ein Fintech aufziehen. Erstens hat die Hälfte der Mexikaner noch immer kein Bankkonto, zweitens scheinen sie der Marke Oxxo mehr zu vertrauen, da sie damit täglich in Berührung kommen.
TANKSTELLEN-KETTE Allein in Mexiko betreibt Oxxo 30 000 Tankstellen. Beim Tanken werden auf Wunsch die Reifen gepumpt und die Scheiben gewaschen.
Joseph Khakshouri für BILANZCOCA-COLA-ABFÜLLER Femsa ist mit 47,2 Prozent an Coca-Cola Femsa beteiligt, dem volumenmässig grössten Abfüller der Welt.
Joseph Khakshouri für BILANZVERTRIEBSZENTRALE Oxxo betreibt 20 Vertriebszentralen, wie hier in Toluca, wo die Bestellungen der einzelnen Läden abgepackt und verschickt werden.
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Abstimmen muss Rodríguez die Strategien mit einem Mann, der von vielen schlicht «El Diablo» genannt wird: José Antonio Fernández Carbajal, dem heutigen VR-Präsidenten. Als langjähriger CEO (2001 bis 2014) schraubte Carbajal den Konzern zur heutigen Grösse, sprich: zu mehr als 27 Milliarden Dollar Umsatz und zu mehr als 320 000 Mitarbeitern.
Nur der Aktienkurs hält mit dem Wachstum nicht Schritt, seit rund sechs Jahren läuft er flach, und als im Juli die Kaufabsicht für Valora öffentlich wurde, sackten die Papiere zwischenzeitlich um 14 Prozent ab. Für viele Investoren schien die Akquisition das ohnehin schon komplexe Geschäft weiter zu verkomplizieren. Die Erwartungen sind jedenfalls hoch an Rodríguez.
Er muss namhafte Investoren wie Bill Gates zufriedenstellen. Dessen Investmentfirma Cascade hält über ein ADR (American Depository Receipt) via New Yorker Börse Aktien im Wert von aktuell rund 1,7 Milliarden US-Dollar, Gates ist somit der zweitgrösste Anteilseigner. Das Sagen im Konzern haben aber noch immer die fünf Gründerfamilien. Mit einem Anteil von mehr als 36 Prozent besitzen sie dank einem komplexen Aktienkonstrukt rund 70 Prozent der Stimmrechte.
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Im Haus des Femsa-Chefs kommt als Erstes ein Zwergschnauzer um die Ecke, gefolgt von Rodríguez selbst. Er empfängt BILANZ zum gemeinsamen Dinner mit seinen Kollegen aus der Geschäftsleitung. Marmorböden, hohe Decken, Teakholzmöbel, Kunst, schwere Bücher, moderne Leuchten, im Garten schimmert der Pool im Abendlicht. Merke: Hier wohnt nicht nur ein Mann von Welt, sondern auch ein Mann mit Stil.
Seine Frau, wie er mit chilenischer Staatsbürgerschaft, ist nicht anwesend, und seine fünf Kinder studieren teils im Ausland, sie kommen nur noch sporadisch vorbei. Rodríguez selbst spricht etwas Deutsch. In Chile habe er eine Deutsche Schule besucht, seine Eltern hatten zwar keinen deutschen Hintergrund, es sei aber die beste Schule gewesen, sagt er.
Im Auftreten ist er keine Urgewalt wie etwa ein Peter Spuhler, der mit seiner Präsenz ganze Räume einnimmt. Der Femsa-Vormann pflegt die ruhige und freundliche Art, einer, der Souveränität ausstrahlt und nicht laut werden muss, um sich durchzusetzen. So wird er zumindest auch von anderen beschrieben.
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HERR IM HAUS Femsa-Chef Daniel RodrÍguez ist neu auch Präsident des Verwaltungsrats von Valora.
Joseph Khakshouri für BILANZHERR IM HAUS Femsa-Chef Daniel RodrÍguez ist neu auch Präsident des Verwaltungsrats von Valora.
Joseph Khakshouri für BILANZWährend inzwischen die anderen Gäste eingetroffen sind und ein Koch das Dinner zubereitet, erklärt Rodríguez in seinem mit vielen Büchern ausgestatteten Homeoffice, wie er überhaupt auf Valora aufmerksam wurde. «In Lateinamerika waren wir bereits extrem stark vertreten», sagt er. «Wir wollten jedoch unser Portfolio besser ausbalancieren und haben deshalb nach Übernahmemöglichkeiten in den entwickelten Märkten gesucht.»
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Also hielt er schon als Chef des Retail-Arms Ausschau in den USA und Europa. Noch bevor er Anfang 2020 mit Valora-CEO Michael Mueller Kontakt aufnahm, war er in die Schweiz gereist und hatte sich die hiesigen Convenience Stores angeschaut. Was er sah, gefiel ihm. Besonders, wie Valora ihre Avec-Läden auf «Foodvenience», das Angebot für frische Schnellverpflegung, getrimmt hat.
Oder auch, wie effizient die Brezelkönig-Stände betrieben werden. In der Schnellverpflegung wollen die Mexikaner nämlich zulegen. Statt Brezeln könnten es dann halt Tacos sein, wobei Rodríguez nicht ausschliesst, dass gewisse Valora-Produkte in manchen Regionen in Lateinamerika funktionieren könnten und umgekehrt.
Aber das sind Details. Entscheidender ist für ihn, dass Valora in den letzten Jahren bereits mit diversen Formaten im Ausland zulegen konnte. 2017 erwarb der Konzern Bretzel Baron in den USA und das deutsche Backwerk mit Filialen in Deutschland, Österreich, den Niederlanden, der Schweiz und Slowenien. 2021 kam die deutsche Back-Factory dazu und kürzlich das ebenfalls deutsche Frittenwerk, dessen 27 Filialen sich in den nächsten drei Jahren verdoppeln sollen.
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Mit dem Wachstumskönig Femsa im Rücken soll Valora noch schneller zulegen als geplant. «Valora hat starke Brands und ein starkes Management. Und damit können wir nun eine grössere Plattform in Europa aufbauen.» Dabei sollen auch weitere Zukäufe eine Rolle spielen. Abgesehen hat es Rodríguez besonders auf den deutschen Markt.
«Im Vergleich zur Anzahl Läden in der Schweiz sehen wir in Deutschland viel mehr Raum, um zu wachsen.» Auch sei dort der Markt im Convenience-Bereich noch stark fragmentiert. Und das will Femsa ändern, so wie sie es mit Oxxo in Lateinamerika vorgemacht hat oder der Konkurrent 7-Eleven in den USA und Asien. Oxxo-Läden in Europa dürfte es so bald aber nicht geben. Im ersten Schritt wird mit den Valora-Brands expandiert.
Dass Femsa nun einen Fuss nach Europa setzt, sorgt für Aufmerksamkeit in der Branche. Ein Insider, der nicht genannt werden will, bezeichnet Valora als ein gutes Eintrittsportal für Femsas Food-Convenience-Geschäft, da die Schweizer mit mehreren Marken schon eine gewisse Grösse erreicht haben. «Es gibt daneben vorwiegend kleinere, lokale Player und kaum durchgehende Markenkonzepte.»
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Valora sei zudem ein modern aufgestelltes Unternehmen mit zentralen Strukturen und schlanken Entscheidungswegen. «Valora hat nicht Hunderte von Franchisenehmern, die bei jeder Veränderung ins Boot geholt werden müssen.» An ein derartiges Wachstum, wie es Femsa in Übersee vorgelegt hat, glaubt der Experte jedoch nicht. Doch was bedeutet das nun für Valora als Konzern? Rückt hier ein Koloss an, der mit tiefen Löhnen und hochmargigen, aber ungesunden Lebensmitteln wie Bier und Tabak gross Kasse machen will?
Rodríguez betont im Gespräch, dass ihm «ökonomische und soziale Wertschöpfung» gleichermassen wichtig seien. Er spricht dann auch von Nachhaltigkeit und von Werten – im Einklang mit der Umgebung und der Gesellschaft. Klingt eigentlich nach den typischen PR-geschliffenen Sätzen, die zum Standard-Repertoire jedes modernen CEO gehören. Um herauszufinden, wie es tatsächlich aussieht, muss man tiefer in die Firmengeschichte eintauchen. Und die ist stark mit Monterrey verbunden.
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Die Stadt im Bundesstaat Nuevo León ist eine brodelnde Industrie- und Wirtschaftsmetropole. Überall wird gebaut, moderne Hochhäuser entstehen, und doch sind viele Strassen teils verlottert, selbst im Zentrum steht immer wieder mal ein verlassenes Haus. Und Taxis braucht man dort erst gar nicht zu suchen, internationale Touristen verschlägt es kaum hierher.
Obwohl: Das einst gefährliche Barrio Antiguo, das historische Zentrum, hat sich gemacht: In den bunten Gassen findet man heute hippe Cafés, Bars und Restaurants, Kunstläden oder Tätowierer.
SNACKS UND BIER Am meisten verdienen die zu Femsa gehörenden Oxxo-Läden mit dem hochmargigen Tabak- und Biergeschäft. Aber auch Snacks und Güter des täglichen Bedarfs sind beliebt.
Joseph Khakshouri für BILANZSNACKS UND BIER Am meisten verdienen die zu Femsa gehörenden Oxxo-Läden mit dem hochmargigen Tabak- und Biergeschäft. Aber auch Snacks und Güter des täglichen Bedarfs sind beliebt.
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Femsa ist in der Stadt allgegenwärtig – mit Oxxo-Läden, in denen es Produkte für den täglichen Bedarf, Snacks und Getränke gibt und in denen viele Mexikaner ihre Rechnungen zahlen, Geld überweisen oder Post abholen. Daneben gibt es zahlreiche Oxxo-Tankstellen, Apotheken und diverse Institutionen, deren Ursprünge weit zurückreichen.
Es war vor rund 130 Jahren, als fünf Unternehmer die Bierbrauerei Cuauhtémoc gründeten. Mit dem Wachstum kamen Produktionen für Glasflaschen und Stahlwerke dazu. Der Antreiber war ein gewisser Don Eugenio, Gründersohn und strenger, aber fleissiger Unternehmer mit grossem Hang zum Sozialen. Er wiederum gründete die Femsa-Vorgängerin VISA – Valores Industriales.
Mitte der 1930er Jahre vereinte die Holding ein Dutzend Unternehmen: Brauereien, Malzverarbeitungsbetriebe, Aluminiumdosenfabriken, Karton-, Kork- und Glashersteller sowie Vertriebsdienstleister. Was Migros-Gründer Gottfried Duttweiler («Dutti») für die Schweiz ist, ist Don Eugenio für die Mexikaner. Seine 17 Werte und Ideale, wie Anstand, Bescheidenheit, Pflichtbewusstsein, das Temperament zu kontrollieren, aber auch dafür zu sorgen, dass man Spass an der Arbeit hat, hängen heute überall in Büros und Vertriebszentralen. Zu seiner Beerdigung 1973 kamen 50 000 Personen.
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DIE BILDUNGSSTÄTTE Weil Femsa gut ausgebildete Mitarbeiter brauchte, gründete Don Eugenio einst das Tec de Monterrey.
Joseph Khakshouri für BILANZKLINIK Femsa-Angestellte und Familienmitglieder dürfen sich in der gut ausgerüsteten Klinik gratis behandeln lassen.
Joseph Khakshouri für BILANZFREIZEITANLAGE mit grossem Gym: Auch dieses Benefit bietet Femsa den Angestellten und deren Familienmitgliedern kostenlos.
Joseph Khakshouri für BILANZDon Eugenios wichtigster Baustein im Bestreben, die Gesellschaft als Ganzes zu verbessern, war mitten im Zweiten Weltkrieg die Gründung des Tec de Monterrey, einer heute hochmodernen Universität mit gigantischem Campus, die er nach dem Vorbild des Massachusetts Institute of Technology (MIT) aufbaute. Heute studiert hier Mexikos künftige Elite, die oft internationale Karrieren anstrebt.
Der Ursprungsgedanke war freilich auch, dass das Unternehmen top ausgebildete Mitarbeiter brauchte. Ein wichtiger Pfeiler war zudem das Wohlbefinden – dass die Mitarbeiter gesund und zufrieden bleiben. Und so entstanden zur selben Zeit in Monterrey eine erste firmeneigene Klinik und ein Freizeitcenter für die Angestellten, wobei Vergnügungspark heute eigentlich der treffendere Begriff ist.
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Auf einer Fläche von zwölf Fussballfeldern gibt es Mensen, wo sich auch die Familienmitglieder verpflegen dürfen, es gibt ein topmodernes Gym auf zwei Stockwerken, es gibt zwei grosse Aussenpools, Grillplätze, diverse Sportanlagen, Spielplätze und Einrichtungen, wo die Kinder nach der Schule hingehen dürfen.
An das Areal angrenzend steht auf vier Stockwerken eine Klinik, die für die Mitarbeiter und ihre engsten Familienmitglieder diverse Behandlungen gratis anbietet: von Psychologen, Zahnärzten bis zur Entbindung und komplexen Operationen. Der Klinikleiter versichert während der Führung, dass der Datenschutz gewahrt werde und Femsa als Unternehmen keinen Zugriff darauf habe.
Die Behandlungen werden heute staatlich mitfinanziert, alles funktioniere gemäss den geltenden Regularien. Die gesamte Anlage in Monterrey, gebündelt in der von Femsa getragenen Stiftung Sociedad Cuauhtémoc y Famosa (SCYF), ist die grösste im Land. In den anderen Regionen betreibt SCYF kleinere, sogenannte Social Development Centers und Arztpraxen.
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Eine solche stand etwa direkt bei einem Oxxo-Vertriebscenter etwas ausserhalb von Mexico City, das BILANZ besuchte. Es sind denn auch solche Benefits, die dafür sorgen, dass viele Mitarbeiter das Unternehmen nicht mehr verlassen. Oder wieder zurückkommen. Guillermo Hernández, ein stattlicher Mann und Leiter des Oxxo-Vertriebscenters in Toluca, arbeitet nun seit 15 Jahren für Femsa. «Ich konnte mich bei meinem vorherigen Arbeitgeber nicht weiterentwickeln», sagt er.
FEMSA-PROTOTYP Manuel Filizola ist in Femsas Spital geboren, hat im Konzern Karriere gemacht und leitet heute das Tankstellengeschäft.
Joseph Khakshouri für BILANZFEMSA-PROTOTYP Manuel Filizola ist in Femsas Spital geboren, hat im Konzern Karriere gemacht und leitet heute das Tankstellengeschäft.
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Im Vertrieb von Oxxo startete er als gewöhnlicher Lagermitarbeiter und wurde inzwischen achtmal befördert. Oberhalb der Garderoben hängt ein riesiges Plakat, das die verschiedenen Beförderungswege aufzeigt und so die Mitarbeiter motivieren soll. Besonders gefällt Guillermo, dass die eigene Familie stark integriert wird und es Tage gibt, an denen die Kinder vorbeikommen dürfen.
«Dank der Unternehmenskultur möchte ich hier in Pension gehen.» Das Gleiche sagt Manuel Filizola, der seit fünf Jahren Femsas Tankstellengeschäft leitet. «Ich hoffe, dass ich mein Arbeitsleben hier beenden werde», sagt er an einer viel befahrenen Oxxo-Tankstelle etwas ausserhalb von Monterrey. Im Unternehmen ist der 54-Jährige aber schon seit 32 Jahren.
Bereits sein Vater arbeitete für den Konzern. Zur Welt kam Filizola in Femsas Klinik in Monterrey, dank eines Stipendiums von Femsa studierte er an der von Don Eugenio gegründeten Universität, und heute ist er zudem Boardmitglied von Femsas Fussballclub, den Monterrey Rayados. Ein Club, mit dem sie nicht das grosse Geld verdienen würden, aber der wichtig sei als gesellschaftlicher Kitt in der Region.
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Wie CEO Daniel Rodríguez spricht auch Filizola von den ökonomischen und den sozialen Werten, die ihm gleichermassen wichtig sind. Benefits und Kultur sind Aspekte, die allseits betont werden, egal ob man mit einer Person spricht, die im Oxxo-Laden, im Vertriebscenter oder in der Coca-Cola-Fabrik arbeitet.
DER NEUE VALORA-VR Carlos Arenas Cadena, Salvador Alfaro Hernández, Daniel Rodríguez Cofré, Francisco Camacho Beltrán (v.l.).
Joseph Khakshouri für BILANZDER NEUE VALORA-VR Carlos Arenas Cadena, Salvador Alfaro Hernández, Daniel Rodríguez Cofré, Francisco Camacho Beltrán (v.l.).
Joseph Khakshouri für BILANZIm Haus von Rodríguez tischt nun ein Kellner nach der Vorspeise (Thunfisch-Tatar) ein Rindsfilet auf. Dazu gibt es Rotwein und Coca-Cola. Am Tischende sitzt Rodríguez und auf den Seiten die neu gewählten Valora-Verwaltungsräte: Da ist Francisco Camacho Beltrán, Femsas Chief Corporate Officer, da ist Carlos Arenas Cadena, Chef der Proximity Division, zu der nun Valora gehört, und da ist Proximity-CFO Salvador Alfaro Hernández.
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Es herrscht eine professionell-heitere Stimmung. Man spricht über die Schweiz, über Coop und Migros; die kürzlich durchgeführte Alkohol-Abstimmung fanden sie amüsant. Man spricht über die Inflation; die acht Prozent in Mexiko bereiten ihnen überhaupt keine Kopfschmerzen. «Das ist für uns völlig normal», sagt Proximity-Chef Arenas. «Da wir Produkte des täglichen Bedarfs verkaufen, spüren wir keinen Einbruch im Konsumverhalten.» Man spricht über Politik. Ob denn der erratische Präsident – manche bezeichnen ihn als linken Trump – Probleme bereite? Ein Thema, das man lieber umschifft.
Und die Kartelle? Erst kürzlich konnte man lesen, dass in Zentralmexiko Gangster Strassen blockierten, Taxi, Busse und 25 Oxxo-Läden in Brand setzten, nachdem das Militär mehrere Kartellgrössen verhaftet hatte. Auch damit müsse und könne man zurechtkommen, heisst es am Tisch. Im Alltag seien die Kartelle wenig spürbar, und oft würden sie sich gegenseitig ins Visier nehmen.
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Und sowieso: Femsa habe in ihrer Geschichte Revolutionen und Kriege überstanden. No hay problema. Die Herren sind sogar überzeugt, dass Mexiko in einer ökonomisch vielversprechenden Lage sei, da zwischen den USA und China die Spannungen steigen. Davon könne man profitieren. Kurz nach dem Nachtisch klopft Rodríguez mit den flachen Händen auf den Tisch und bedankt sich für den netten Abend.
Alle hätten morgen viel zu tun. Die Gäste verabschieden sich, ein Gläschen Rotwein ja, aber Tequila und rauschende Nächte liegen für Konzernchefs eben doch nicht drin. Femsa – ein hochprofessionelles Unternehmen mit einer starken sozialen Ausrichtung? So scheint es. Und was ist mit einem VR-Präsidenten, den viele nur «El Diablo» nennen? Femsa-Historiker Roberto Lara erklärt, dass dieser ein etwas wildes Kind gewesen sei und ihn seine Eltern so genannt hätten. Und so hafte ihm der Spitzname bis heute an.
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Auf dem Rückweg von der gigantischen Coca-Cola-Abfüllanlage nahe Mexico City erreicht BILANZ in einem Starbucks Valora-CEO Michael Mueller per Videocall. Er war schon mehrmals in Mexiko und hat sich vor Ort ein Bild gemacht. «Beim Verkauf ging es ja nicht allein um den Preis, den Femsa zahlte.» Ebenso wichtig sei gewesen, dass Strategie und Kultur zu Valora passten.
«Wir sind in guten Händen», bekräftigt Mueller, der bei Valora an Bord bleiben wird und sich auf die nun forcierte Wachstumsstrategie freut. Wie die genau aussehen wird, soll in den kommenden VR-Sitzungen gemeinsam erarbeitet werden. Zwar verschwindet nun die Valora-Aktie von der Börse; wann genau, ist noch unklar. Dafür aber wird die Schweiz zum Europa-Hub eines Grosskonzerns, der etwas mexikanisches Temperament auf den alten Kontinent bringen will.
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