Guten Tag,
Lang leben und schön altern: Die Klinik Nescens lädt ein und zeigt, wie Longevity geht. Interessant wars.
Pamela Beltrame
Jungbrunnen, 1546: Lucas Cranach malte sein Bild mit 74 Jahren, war also durchaus selbst von den Leiden des Alters betroffen. Das Kunstwerk verrät: Die Sehnsucht nach ewiger Jugend ist uralt.
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Die S-Klasse vor dem Bahnhof Nyon ist ein echter Hingucker. Ebenso der uniformierte Chauffeur, der sich vor der Luxuskarosse positioniert hat, vor sich diskret ein Schild mit dem Schriftzug «Clinique Nescens». Die Fahrt dauert nur 15 Minuten, gepolsterte Gurte, zwei Bildschirme an den Rückseiten der Vordersitze und Wi-Fi sorgen währenddessen für Komfort. Vom urbanen Nyon geht es weiter ins ländlich-charmante Genolier, wo sich die Klinik Nescens ganz in Weiss in etwas erhöhter Lage erhebt – damit nichts den traumhaften Blick auf den Lac Léman und den Mont Blanc versperrt.
Blank, gar ein bisschen steril mutet das Gebäude von aussen an; im Inneren aber herrscht warme Noblesse. Gedämpftes Licht, dunkles Holz, lange Flure und überdimensionierte Privatsuiten erinnern an ein Luxus-Spa-Hotel. Doch hierher pilgert niemand, der nur Champagner im Whirlpool schlürfen will, sondern wer sich nach ewiger Jugend sehnt. Die Klinik verspricht Grosses: Die siebentägige Verjüngungskur «La Cure» soll einen Lifestyle-Reset bewirken und neue Kräfte entfachen.
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Das Klinik-Interieur mit wissenschaftlichem Anspruch erinnert eher an ein Wellness-Hotel.
ZVGBis hin zu den gepolsterten Gurten im Transportwagen sind die Nescens-Aufenthalte bis ins kleinste Detail durchdacht.
ZVGDie vitaminreichen Mahlzeiten sind bis auf die Kalorie genau auf den Kunden zugeschnitten.
ZVGDie Institution ist ein konsequentes Projekt der Marke Nescens, die sich ganz dem Anti-Aging verschrieben hat. Adeline Richard, Ärztin und Co-Designerin des Programms, nennt La Cure «die perfekte Woche». Denn in wenigen Tagen wird alles angepackt: Ernährung, Bewegung, Schlaf, Schönheit und Stressbewältigung – und zwar im Zeichen der Zellerneuerung, des entscheidenden Faktors des Alterungsprozesses. Hightechbehandlungen sorgen für den nötigen Effizienzschub. Das Verjüngungspaket trägt ein saftiges Preisschild: 9900 Franken pro Woche, was jedoch eher moderat ist im Vergleich mit Konkurrenten wie The Kusnacht Practice und La Prairie, die bis zu 100'000 Franken wöchentlich verlangen. Dennoch findet sich laut Richard «eher zahlungskräftige Klientel» in den Nescens-Suiten ein. Zahlen und Namen will die Klinik nicht nennen, aber «Manager, Sportler und Stars» würden hier ein und aus gehen.
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Mit der Klinik und La Cure trifft Nescens den Nerv der Zeit. Denn die jüngste Altersforschung, das bestätigt auch Adeline Richard, zeigt unmissverständlich: Die biologische Uhr lässt sich zurückdrehen. Entsprechend floriert das Business rund um das Buzzword «Langlebigkeit». Firmen werben mit Pülverchen und Pillen, die das Rezept der ewigen Jugend beinhalten sollen. In der 27-Milliarden-Dollar-Langlebigkeitsindustrie tummeln sich aber auch dubiose Akteure mit abstrusen Angeboten: Offeriert werden etwa teure und gefährliche Transplantationen von frischen Organen und Transfusionen von jungem Blut – ein paar Tech-Milliardäre versuchen bereits, auf diese Weise dem Tod zu entgehen. Denn dies könnte bald Realität werden. Eine bizarre Prognose für das Jahr 2030 gibt das «Escape Velocity»-Szenario ab: Wissenschaft und Technik werden dann so weit fortgeschritten sein, dass die Lebenserwartung für jedes vergangene Jahr um mehr als ein Jahr gesteigert werden kann. Mit anderen Worten: Der Tod wird überholt.
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Foto: ZVG
Nescens verspricht keine Unsterblichkeit und hält sich von den eher frankensteinischen Auswüchsen der Longevity-Branche fern. Glaubwürdigkeitsdefiziten begegnet die Klinik – im Besitz von Luxushotelier Michel Reybier – mit dem Hinweis auf die Mitgliedschaft im privaten Schweizer Spitalverbund Swiss Medical Network. Einen professionellen Eindruck vermittelt jedenfalls schon das gesamte Prozedere vor dem Kuraufenthalt. Ein mehrseitiger Fragebogen erhebt erste Basisdaten wie Grösse, Gewicht, Sport- und Ernährungsgewohnheiten, Schlafstörungen, körperliche Gebrechen, Alkohol- und Suchtverhalten. Videokonferenzen mit Ärzten schärfen dann das individuelle Kurziel wie Gewichtsreduktion, Stressabbau oder Leistungssteigerung. Bei der Aufnahme in die Klinik erfolgen dann mehrere Blutentnahmen und Untersuchungen mit anschliessendem Befund. «Hier geht es nicht um Luxus», sagt Richard, «sondern um Selbstoptimierung – und das bedeutet Arbeit.» Das wird schon beim ersten Mittagessen deutlich.
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Kein saftiges Steak mit Kräuterbutter, sondern Vollkorn-Sobanudeln mit Gemüse und Gazpacho. Das vegane Gericht ist exquisit, keine Frage, auch dank «Michelin»-Starkoch Eric Canino. Die von ihm kuratierten und vom Inhouse-Chef zubereiteten Menüs à la «Blue Zone», inspiriert von der Ernährung der langlebigsten Völker, sind bei aller Gesundheitsorientierung ein wahrer Genuss. Das will was heissen: viel Fisch, gesunde Fette, wenig und glutenfreie Kohlenhydrate sowie Gemüse, so weit das Auge reicht. Dessert? Wenn, dann nur Obst, und auch davon nur ganz wenig. Die Portionen sind ärgerlich klein – was jedes Mal gemischte Gefühle auslöst, wenn der Zimmerservice die Abdeckhaube vom Silbertablett nimmt.
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Zum Glück nähren die vitaminreichen Mini-Mahlzeiten nachhaltig, sodass man frisch und motiviert an dem Programm teilnehmen kann, das aus unzähligen mehr oder weniger einstündigen Teilsitzungen besteht, die auf dem gesamten Klinikgelände stattfinden. Perfektionierte Diskretion und akribisch durchgetaktete Zeitpläne verhindern, dass man auch nur einem Menschen auf dem Gang begegnet. Nur weisse Kittel sind zu sehen, die von einem Raum in den nächsten huschen. Hinter den Türen lauern jeweils imposante, grell blinkende Maschinen. Man wähnt sich fast in einem dystopischen Film, dessen Handlungsstrang jedoch genau durchdacht ist.
Zuerst ertastet der Osteopath Verspannungen und Bewegungseinschränkungen, knackt hier und da blockierte Wirbel, damit der gelockerte Körper entspannt und mit guter Haltung in die weiteren Sitzungen gleiten kann – denn die haben es in sich. Entscheidend für Langlebigkeit ist nämlich der Balanceakt zwischen Stresssituationen und wohliger Entspannung.
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Die Klinik hat ihn ausgeklügelt – und so sieht er aus: Morgens um sechs Uhr beginnt eine Yogastunde, in der gedehnt und gestreckt wird. Leider hält der Zen-artige Zustand danach nicht lange an, denn in der Kryo-Sauna – einer Kältekammer, in der Temperaturen von minus 110 Grad herrschen – haben die Patienten in Badekleidung drei gefühlt endlos lange Minuten auszuharren. Der Kälteschock ist so intensiv, dass man mit der daraus gewonnenen Energie Berge versetzen könnte. In der Klinik wird sie aber in einer Sportstunde kanalisiert. Sie hat ein Ziel: an die Grenzen gehen – und das so schnell wie möglich.
Blinkende Apparate, so weit das Auge reicht. Im Verjüngungspaket spielen Hightechmaschinen eine zentrale Rolle. In der Kryo-Sauna herrschen eisige minus 110 Grad.
ZVGDie Fotobiomodulationstherapie mit warmem Rotlicht.
ZVGEntspannung auf dem Wellenbett stimmt täglich auf den Schlaf ein.
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Der «Vasper» zum Beispiel sieht auf den ersten Blick aus wie ein harmloser Hometrainer. Doch strampeln muss man in Kompressionsmanschetten, die Arme und Beine einengen und an einen Tank angeschlossen sind, der eiskaltes Wasser durchpumpt. Das Intervallprogramm dauert nur 21 Minuten, aber Druck und Kälte sollen die Intensität eines zweistündigen Ausdauertrainings simulieren. Die Erschöpfung ist entsprechend.
Es geht weiter mit Angenehmerem wie der Infrarot-Sauna zur Durchblutungsförderung und Muskelentspannung. Auch die zweistündige Ganzkörpermassage hilft, das Trauma des Vormittags zu verarbeiten. Den Abschluss bildet die «Wavebalance»-Therapie auf einer Liege, die mit 500 Litern warmem Wasser gefüllt ist und die natürlichen Schwingungseigenschaften des Ozeans nachahmt – pure Entspannung und perfekte Einstimmung auf das vielleicht wichtigste Langlebigkeitsrezept: ruhigen, erholsamen Schlaf. Mit Blaulichtverbot (keine Handys und Laptops), einer roten Lampe auf dem Nachttisch, dank Jalousien abgedunkelten Zimmern und einem herrlich weichen Kingsize-Bett kitzelt Nescens gezielt die Einschlafrezeptoren.
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Und so ziehen die Tage vorbei, und eines wird immer deutlicher: die Dimension des Hightech-Rummelplatzes, den die Klinik bietet. Die Preise für die Maschinen bewegen sich nicht selten im fünfstelligen Bereich. Die Überdruckkammer beispielsweise kostet 50'000 Franken. Im röhrenförmigen Tank wird der Luftdruck stark erhöht, damit die Lunge über eine Maske 100 Prozent reinen, gefilterten Sauerstoff aufnehmen kann – nichts für Klaustrophobiker. Der «Luftsarg» soll die Zellerneuerung und den Heilungsprozess anregen und wird auch in alternativen Krebstherapien eingesetzt.
Bitterer Beigeschmack: Trotz des wissenschaftlichen Anspruchs der Klinik kommt eine sehr umstrittene Maschine zum Einsatz – der BioCharger. Das Gerät erzeuge mittels unterschiedlicher Frequenzen, Obertöne und Lichtstrahlen ein «elektrisches und magnetisches Feld», das die gesunde Zellfunktion unterstütze. Im Internet gilt der BioCharger als Schnickschnack für 15'000 Mäuse.
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Eine angenehme Abwechslung zwischen den blinkenden Apparaten bieten dafür die wirklich interessanten Beratungsstunden. Denn wer sich ein wenig mit gesunder Lebensführung beschäftigt, kennt die üblichen Verdächtigen: Schlaf, Ernährung, Bewegung und Stressbewältigung. Doch Nescens geht einen Schritt weiter: Die Klinik informiert über neue Aspekte wie Atmung, ihre Bedeutung und wie tiefes Bauchatmen Stress abbauen und Ängsten vorbeugen kann. Die Klinik zeichnet auch ein Bild des grösseren Zusammenhangs der Langlebigkeitsforschung, wo zum Beispiel auch soziale Kontakte als relevant erkannt wurden. So kostet Einsamkeit etwa 15 Jahre an Lebenserwartung.
Diese Bildungsbausteine sind das Rüstzeug für die weitere Arbeit: Denn «das Wichtigste passiert ausserhalb der Klinik», betont Adeline Richard immer wieder und kann nur hoffen, dass Teilnehmer das Gelernte auch im Alltag, gänzlich unbeobachtet, umsetzen. Für die Luxusapparate gibt es jedenfalls viele natürliche Alternativen: Kein Geld für eine Kryo-Sauna? Ein Sprung in den eiskalten Bergsee tut es ihr gleich. Auch Infrarot-Therapien ersetzen eigentlich nur das natürliche Sonnenlicht, von dem der Büromensch zu wenig bekommt. Barfusslaufen auf der nackten Erde statt teurer Akupunktur und Meditation sowie gezielte Atemübungen können die Sauerstoffkammer ersetzen.
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«Die Fancy-Shmancy-Maschinen beschleunigen die Ergebnisse», erklärt Richard, aber sie seien am Ende doch nicht das Entscheidende. Auch die Gene, auf die viele ihre Krankheiten schieben wollen, machten nur 20 Prozent aus. «Letztlich hat alles mit dem Lebensstil zu tun», sagt Richard und proklamiert: «Lifestyle is the new medicine.» Im Gesundheitswesen sei das leider noch nicht angekommen. «Wir machen nicht Health Care, sondern Sick Care», sagt Richard. Ressourcen werden dafür verwendet, Symptome zu lindern, Krankheiten zu heilen, Operationen durchzuführen. Mit anderen Worten: Reaktion statt Prävention. «Das Denken ist auf den Kopf gestellt», sagt Adeline Richard und hofft wie viele andere auf einen Paradigmenwechsel im Gesundheitswesen: Prävention und Gesundheitsförderung als Leitmotiv und grundlegender Bestandteil jeder Behandlung. Wer glaubt, damit das ohnehin schon überlastete Gesundheitssystem zu überfordern, sei daran erinnert, dass allein ein Diabetespatient jährlich Kosten von rund 8000 Franken verursacht. «Wer gesund ist, kostet nichts», hält Richard Kritikern entgegen.
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Über Gesundheitsmodelle lässt sich streiten, aber der Präventionsgedanke regt zum Nachdenken an – und zum Handeln: Es gibt keine schnelle Lösung, keinen magischen Jungbrunnen, die eigene Gesundheit steckt in jeder Entscheidung des Alltags. Mit dieser Message verlässt man die Nescens-Blase und landet zurück in der Realität – zurück im Dschungel der Versuchungen, in dem die Eigenverantwortung zählt. Die S-Klasse hält wieder am Bahnhof Nyon. Der Strassenlärm erschreckt das an sanfte Wellnessmusik gewöhnte Ohr. «Zwei Cheeseburger zum Preis von einem», wirbt der McDonald’s gegenüber der Haltestelle. Was für ein Angebot.
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