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Tanken ohne Sprit

So geht Dry January

Alkoholfreie Alternativen: Drinks ohne Kopfschmerz- und Fahrausweisentzugsgefahr sind im Trend. Wir zeigen, was wie schmeckt.

Peter Jauch

Peter Jauch

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 Vanessa Brzezicha kreiert auch ohne Alkohol tolle Drinks. Hier an ihrer früheren Wirkungsstätte, der Zürcher «Bar am Wasser».

Suse Heinz für BILANZ

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Was 2015 in der Küche Ben Bransons, des Gründers von Seedlip, startete, hat sich zu einer grossen Bewegung entwickelt. Alkoholfreie Alternativen sind eines der Trendthemen im Getränkesegment. Das Thema ist inzwischen bei grossen Herstellern wie Diageo oder Pernod Ricard angekommen. Das heisst immer, dass ein Trend zusätzlichen Schub bekommt.Der trockene Januar (Dry January) ist seit Jahren in sozialen Netzwerken ein Trend-Hashtag. Über einen Monat hinweg komplett auf Alkohol zu verzichten, erscheint einer stetig wachsenden Anzahl Menschen sinnvoll. Und weil Konsumenten zu Hause auf keine Longdrinks oder Cocktails verzichten wollen, benötigen sie eben die Ersatzprodukte.

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BILANZ-Feintrinker Peter Jauch weiss: Auch Drinks ohne Alkohol können und sollen schmecken. Aber der Barkeeper muss seinen Job beherrschen.

Suse Heinz für BILANZ
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BILANZ-Feintrinker Peter Jauch weiss: Auch Drinks ohne Alkohol können und sollen schmecken. Aber der Barkeeper muss seinen Job beherrschen.

Suse Heinz für BILANZ

 

Es ist wie beim veganen Essen: Zu Beginn spielte man mit Begriffen wie Wurst- oder Lachsersatz, um die Klientel abzuholen. Schliesslich möchten die Konsumenten die bekannten Aromen geniessen. Ist es aber sinnvoll? Jein, sagt der kompromisssuchende Schweizer bestimmt. Aber der Reihe nach …

TRENDS – UND DIE SCHWEIZ

Genusstrends und die Schweiz können nicht so gut miteinander. Wenn ein Trend die Schweiz erfasst, ist er meist schon seit ein paar Jahren in anderen Ländern präsent und hat sich weiterentwickelt. Mit dieser Zeitverzögerung wird es für Schweizer Unternehmen häufig schwierig, im Ausland Fuss zu fassen. Im alkoholfreien Thema sind England und Deutschland schon auf der Überholspur, während wir Schweizer langsam in den ersten Gang schalten. Und doch gibt es bereits Unternehmen, die sich komplett den alkoholfreien Alternativen verschrieben haben – Rebels 0.0% und ADA Drinks aus Zürich, 9 Meadows oder Edition Dunkel aus Basel, um nur einige Beispiele zu nennen.

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Jede der Schweizer Firmen ist mit einem anderen Konzept unterwegs. Welches am Ende reüssieren wird – die Kunden, sprich der Markt, werden es regeln. Auch klassische Schweizer Spirituosenhersteller wie Lateltin, Diwisa, Drink Tom’s, Distillerie Studer und einige mehr sind ins Thema der alkoholfreien Ersatzprodukte eingestiegen. So haben sie etwa versucht, ihre Gin-Produkte als 1:1-Kopie ohne Alkohol nachzubauen. Keinem ist es richtig gut gelungen. Bei Produkten wie Wermut oder Bitter hingegen sind die alkoholfreien Alternativen sehr schmackhaft! Damit lassen sich auch mit gutem Gewissen Drinks und Cocktails geniessen.

Drinks ohne Nachwehen

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Basil Smash

  • 6 cl Gin-Alternative (Helsinki Nolla, andere Varianten passen auch)
  • 3 cl frischer Zitronensaft
  • 2 cl Zuckersirup (Verhältnis 1:1)
  • 20 g Basilikum (nicht nur Blätter)
  • Garnitur: Basilikumblatt
ZVG

Den Begriff «alkoholfreie Spirituosen» gibt es genauso wenig wie «alkoholfreien Gin, Rum, Wodka, Whisky» etc. Spirituosen enthalten gemäss Europäischer Spirituosenverordnung von Grund auf Alkohol. Die Anlehnung der Hersteller an die umdrehungsstarken grossen Vorbilder mit mehreren hundert Jahren Geschichte ist dem Marketing geschuldet. Nehmen wir als Beispiel die Trendspirituose der letzten Jahre – Gin. In aller Munde, und zwar in unterschiedlichsten Formen, selten pur, meist mit Tonic oder in einem Cocktail, ist Gin ein Produkt, bei dem sich Konsumenten ein Geschmacksbild vorstellen können. Mit «alkoholfreiem Gin» machen findige Hersteller Werbung. Totaler Blödsinn, denn Gin muss einen Mindestalkoholgehalt von 37,5 Voilumenprozent aufweisen. Ein weiterer Punkt: Gin besteht im Kern aus Wacholder, dieser lässt sich, geschmacklich in Alkohol eingelegt, sprich mazeriert, wunderbar lösen – aber nicht in Wasser.

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Pur schmecken diese Gin-Alternativen nicht, dafür sind sie aber auch nicht gemacht. Auch in einem Gin Tonic machen sie wenig Sinn. In einem klassischen Cocktail mit einem alkoholfreien Twist wie einem Negroni, Gimlet und vielen anderen kommen wir dem Einsatz der Alternativprodukte schon einen Schritt näher.

Bei diesen Drinks ist der Gin aber nicht der Geschmacksträger, sondern Unterstützer. Diesen Job erledigen die Produkte ganz gut, und ab da beginnt es spannend zu werden. Schliesslich ist es egal, warum der Konsument gerade keinen Alkohol trinken mag, darf oder sollte. Aber einige Kategorien der alkoholfreien Alternativen müssen in nächster Zeit geschmacklich besser werden, und vor allem preislich muss sich etwas tun.

Dafür sorgen letztlich die grossen Hersteller, weil sie in derart grossen Mengen produzieren, dass sich die Preise mindestens halbieren. So werden die Produkte auch für die Gastronomie interessanter. Bereits heute ist nämlich der Anteil an alkoholfreien Cocktails in Bars oftmals über zehn Prozent. Nur entstehen diese nicht immer auf Basis der alkoholfreien Alternativen.

ALKOHOLFREIE COCKTAILS

Dass leckere Cocktails auch ganz ohne Alkohol auskommen, kann man jederzeit in guten Bars, wie der «Bar am Wasser» in Zürich, ausprobieren. Natürlich kann man auch zu Hause nachmixen. Aber welche Cocktails funktionieren? Mit einem Nogroni (alkoholfreie Varianten von Gin, Bitter und Wermut) kann man definitiv nichts falsch machen, denn sowohl Wermut als auch Bitter bringen genügend Aromen mit in den Cocktail, dass der Gin nicht ganz so brillieren muss. 

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Hier ist nicht nur die Textur der Produkte, sondern auch ihr Design speziell: Freikopf aus Bochum.

Suse Heinz für BILANZ
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Hier ist nicht nur die Textur der Produkte, sondern auch ihr Design speziell: Freikopf aus Bochum.

Suse Heinz für BILANZ

Oder auch der Klassiker Daiquiri lässt sich wunderbar mit der alkoholfreien Polly Caribbean Classic, der ersten weissen Rum-Alternative, mixen. Vanessa Brzezicha hat fürs alkoholfreie Cocktail Shooting in der «Bar am Wasser» vier Cocktails mit unterschiedlichem Schwierigkeitsgrad zum Zu-Hause-Nachmixen kreiert.

DIE BESTE AUSWAHL

Seit der Ablehnung des Alkoholverkaufs beim orangen Riesen Migros steigt das Sortiment alkoholfreier Alternativen in den Filialen stetig. Dass nicht alle Produkte wie gewünscht verkauft werden, sieht man immer wieder bei den Aktionen. Im Gegensatz zur Spirituose, die nie verfällt, sind in den alkoholfreien Produkten Stabilisatoren verarbeitet, es gibt ein MHD ( Mindesthaltbarkeitsdatum).

Die Produktvielfalt ist heute online aber deutlich grösser als in physischen Stores. So hat sich David Bischof mit dem Onlineshop Dryalternative.com komplett alkoholfreien Produkten verschrieben. Bischof lebte über zehn Jahre in Frankreich, wo zurzeit viele neue alkoholfreie Produkte auf den Markt kommen. Aufgrund seiner Nähe zu Frankreich importiert er immer wieder Produkte von dort, zuletzt auch alkoholfreien Champagner.

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Dass er heute noch nicht vollumfänglich vom Handel mit den alkoholfreien Produkten leben kann, scheint nachvollziehbar, denn der Markt ist in der Schweiz noch nicht so weit entwickelt wie in anderen Ländern. Aber positive Tendenzen seien erkennbar, erzählt Bischof.

Natürlich setzt auch Alexander Curiger vom Klassenprimus Drinks.ch auf ein breites Sortiment an alkoholfreien Alternativen. Auch wenn der Absatz schon grösser war, ist die Wichtigkeit der Kategorie unbestritten, meint Curiger. Seit die grossen Hersteller wie Diageo den Geschäftszweig für sich entdeckt hätten, sehe man die kleineren Marken, die den Markt erschufen, wieder kleiner werden, beobachtet er. Weil die Big Player mit einer anderen Kostenstruktur arbeiten können, sind deren Produkte um ein Vielfaches billiger. Das bringt die kleineren Hersteller arg in Bedrängnis. Wir können gespannt sein, was sich in diesem Markt künftig tun wird. Klar ist: Das Segment breitet sich aus, mehr und Besseres wird nachkommen.

Tankstellen für alkoholfreien Sprit

Rebels 0.0%
Das erste Schweizer Start-up, das auf rein alkoholfreie Produkte setzte. Christof Tremp und Janick Planzer stehen hinter der Zürcher Firma. Gestartet via Crowdfunding, steht heute Wachstum an. Ihre fünf Produkte überzeugen dank Doppeldestillation internationale Jurys. rebels00.com/de

ADA Drinks
Einen neuen Weg geht das Start-up aus Zürich um David Dominguez, Fabrice Aeberhard (Viu, Hair & Skin) und Kaspar Fenkart (The Cocktail). Sie entwickelten mit Forschern und Lebensmitteltechnologen Rezepturen aus Pflanzenextrakten. Das Elixier «Rise» wirkt belebend, «Rest» ist perfekt zum Chillen. Cocktailrezepte online. adadrinks.com

Edition Dunkel
Wer als «Best in Class» bei Craft Spirits Berlin ausgezeichnet wird, der kann was. Macher Jo Dunkel, Quereinsteiger aus Basel mit 60 Jahren, liess sich für Lain & Füm vom Wald inspirieren; passt super zu Tonic Water. Mehr online. editiondunkel.com

9 Meadows
Ihre Produkte klingen nach Schweiz: Alpine Sky, Citrus Fields, Morning Forest. Hinter der Marke stehen Dominic Howard, Pascal Jürgens, Donat Grossrieder und Benjamin James – insgesamt gute Produkte, die Potenzial haben. 9meadows.com

Freikopf
Timo Becker, Daniel Bergert, Andre Tanneberger und Rudi Dittmann geben der Kategorie mit ihrem Design, knallig und bunt, viel Aufmerksamkeit. Beim Mundgefühl kommen die Produkte nahe an klassische Spirituosen: Geschmacklich sind die Bochumer ganz weit vorn. freikopf.de

Polly
Die Gründer Philip Kahnis und Alexander Poljaschenko stehen mit Polly im zweiten Geschäftsjahr und sind bereits sehr erfolgreich online unterwegs. Erste nationale Listungen im Retail stehen vor der Tür. Produkte, die überzeugen. drinkpolly.de

Obsthof Retter
Wein durch hochwertige Säfte ersetzen können die vom Obsthof Retter schon. Sie schmecken super, Pairings mit Speisen harmonieren sehr gut. Und mit einem Wacholder Shrub – einem essigsäurigen Sirup – legen sie die Basis für einen alkoholfreien Wacholder Tonic. obsthof-retter.com/de

Siegfried-Wonder-Serie
Die deutschen First Mover im Alkoholfrei-Segment stammen aus Bonn. Die Gründer Raphael Vollmar und Gerald Koenen brachten nach einem Aprilscherz das erste Produkt Wonderleaf heraus, andere folgten. Getränkeriese Diageo ist inzwischen eingestiegen. hellosiegfried.com

Drink Tom’s
Die Gründer von Drink Tom’s beginnen immer wieder neu. Das rote Tonic stammt aus der Küche von Michael Hugi, Jakob Hostettler und Namensgeber Tom Häussler. Nun gibt es auch ihre erfolgreichen Bitter und Aperitivo di Berna als alkoholfreie Varianten. handcraftedbynature.ch

Distillerie Studer
Von der Distillerie Studer empfehlen wir die Wermutprodukte Si-Off, gemeinsam mit Cave Fin Bec Sion entstanden. Mit dem roten lässt sich alkoholfreier Negroni hinzaubern, der weisse ist toll für einen Wermut Tonic oder als «Basil Smash». distillery.ch/produkt-kategorie/alkoholfreie-spirituosen

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