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Skoda-Chef Thomas Schäfer: «Ich sollte vielleicht mal Aikido machen»

Der neue Chef Thomas Schäfer ist ein Senkrechtstarter – genau wie seine Automarke. Der VW-Konzern braucht beide.

Dirk Ruschmann

Dirk Ruschmann

Thomas SChäfer

EIN NEUER AM STEUER: Vor rund einem Jahr, mitten in den Corona-Wirren, trat Thomas Schäfer als Skoda-CEO an. 

PD

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Reisen Sie wieder, Herr Schäfer?

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Bisher nur eingeschränkt. Ich war im März in Südafrika, um meine Frau abzuholen. Wir sind ja getrennt hierher gezügelt, ich vor sieben Monaten, sie jetzt hinterher.

Früher mussten CEOs im VW-Konzern wöchentlich nach Wolfsburg. Und heute?

Läuft aktuell fast alles online.

Ihre Werke kennen Sie aber?

Hier in Tschechien schon. Unsere Standorte in Indien, Russland und China habe ich noch nicht besucht. Aber ich bin jetzt zwei Mal geimpft, es kann losgehen.

Wie waren die Nebenwirkungen?

Ich hatte absolut keine.

««Der Stromer ENYAQ iV kommt sehr gut an. Und der Allrad wird den Absatz in der Schweiz noch pushen.»»

2020 hatten Sie viele Produktionsausfälle, 2021 eine heftige dritte Corona-Welle. Wie ist die Lage?

Die ersten Monate waren durch Covid geprägt. Teils haben uns 1000 Leute in den Fabriken gefehlt. Dann kam der Mangel an Computerchips dazu, der die ganze Branche lähmt – der perfekte Sturm. Zudem sind wir bei Skoda grundsätzlich total ausgelastet, die Fabriken laufen im Schnitt auf 110, 115 Prozent. Jedes Auto, das wir nicht bauen können, fehlt in den Verkäufen.

Was heisst das fürs Gesamtjahr?

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Aktuell gehen wir davon aus, dass wir rund zehn Prozent der Kapazität nicht werden realisieren können.

Aber immer noch mehr als eine Million Autos bauen?

Ja, das wollen wir auf jeden Fall schaffen. Aktuell sieht es gut aus, hängt jedoch von der weiteren Entwicklung der Halbleiterverfügbarkeit ab.

Im ersten Quartal lag die Marge bei sensationellen 8,9 Prozent, Mutterkonzern VW hat die Jahresprognose erhöht. Superjahr 2021?

Für uns als Volumenhersteller ist alles, was über fünf Prozent liegt, super. Wenn alles läuft, können wir mehr als acht Prozent schaffen.

Wie verkauft sich Ihr erster reiner Stromer, der SUV Enyaq iV?

Hervorragend. Wir haben aktuell schon weit über 40 000 Bestellungen vorliegen, das Auto kommt bei Presse und Kunden sehr gut an. Ich kann mir den aber nicht ans Revers heften, er entstand vor meiner Zeit und ist ein supertolles Auto.

Thomas Schäfer und Enyaq

ZWEI HOFFNUNGSTRÄGER: Skoda-Chef Schäfer mit dem ersten reinen Stromer seiner Marke, dem Enyaq iV.

PD
Thomas Schäfer und Enyaq

ZWEI HOFFNUNGSTRÄGER: Skoda-Chef Schäfer mit dem ersten reinen Stromer seiner Marke, dem Enyaq iV.

PD

Skoda Schweiz plant mit immerhin 2000 Enyaq für 2021.

Und bald kommt der Allrad. Der wird die Verkäufe in der Schweiz noch anschieben.

Sie haben gerade, nach zwölf Monaten im Amt, Ihre Zukunftsstrategie «Next Level 2030» vorgestellt. Was ist Ihr Plan?

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Wir führen diese Marke, die ja schon heute sehr gut unterwegs ist, erfolgreich durch das neue Jahrzehnt. Die drei grossen Hebel nennen wir Expand, Explore und Engage.

Englisch klingt immer gut. Expand?

Wir entwickeln Skoda zu einer der Top-5-Marken in Europa, fokussieren uns dabei auf attraktive Einstiegsmodelle und ein starkes elektrifiziertes Modellportfolio. Bis 2030 bringen wir mindestens drei weitere reine E-Modelle auf den Markt und planen mit 50 bis 70 Prozent Verkaufsanteil bei den reinen Stromern bis 2030 in Europa, und das ist eher konservativ gedacht.

Explore?

Wir brauchen weitere starke Verkaufsregionen in der Welt. Unser Ziel: die führende europäische Automarke in den Wachstumsregionen Russland, Indien und Nordafrika. Hier haben wir grosses Potenzial, für Skoda und den Volkswagen-Konzern neue Kunden zu gewinnen. Damit steigern wir das globale Absatzpotenzial von Skoda auf 1,5 Millionen Einheiten pro Jahr.

Und Engage?

Nachhaltigkeit und Diversity. Gerade beim Launch des Enyaq iV haben wir festgestellt, wie wichtig das Thema ist. Immer öfter sprechen uns Kunden auf kleine Themen an wie das Leder im Interieur. Beim Gerben nutzen wir statt Chemikalien ein Extrakt aus den Blättern des Olivenbaums.

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Die Kunden gehen wohl nur so lange mit, wie kein Verzicht damit verbunden ist.

Ja, klar. Gleichzeitig werden wir mittlerweile sehr oft gefragt: «Wofür steht ihr als Marke? Was macht ihr punkto Nachhaltigkeit oder Energieverbrauch?» Unser ambitioniertes Ziel: die Flottenemissionen bis 2030 um mehr als 50 Prozent im Vergleich zu 2020 zu reduzieren. Wir werden zudem unsere Fahrzeuge in unseren tschechischen und indischen Werken ab 2030 klimaneutral produzieren. Und klar ist auch, dass wir mehr Frauen im Management brauchen. Bis 2030 soll jede vierte Managementposition von einer Frau besetzt sein. Wir werden im Jahr 2030 eine komplett andere Firma sein. Nachhaltiger, elektrifizierter und internationaler.

Sie sagten vorhin, 50 bis 70 Prozent reiner Batteriefahrzeuge bis 2030 halten Sie für konservativ. Dabei werden die Autohersteller oft als Bremser des Umbaus kritisiert. Sind Sie noch im Abwehrkampf, den Verbrenner zu halten?

Nein. Das macht keinen Sinn. Es muss jetzt darum gehen, wie und wie schnell sich die Industrie transformiert. Die neuen EU-7-Abgasvorschriften sind extrem strikt – gerade im Hinblick auf das bevorstehende Ende des Verbrenners ist das eine riesige Herausforderung. Fakt ist, dass das hohe Kosten mit sich bringt. Gleichzeitig wollen wir unseren Kunden die Autos trotzdem zu zahlbaren Preisen anbieten.

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Zumal Sie nicht nur ins E-begeisterte Europa liefern.

Das stimmt. Wobei viele glauben, die E-Wende spiele sich nur in Europa, den USA sowie China ab und Indien oder Afrika seien viele Jahre hinterher – das glaube ich eben nicht. Weitere Regionen werden relativ schnell auf den Zug aufspringen, so wird sich das Ganze beschleunigen. Es geht darum, wie im asiatischen Kampfsport die Bewegung des Gegenübers nicht zu blocken, sondern zu nutzen.

««Ich renne auf gut Glück irgendwohin, zur Not fahre ich dann mit einem Scooter zurück.» »

Sie machen nicht zufällig Aikido?

Noch nicht. Vielleicht sollte ich mal …

VW-Chef Herbert Diess kritisierte ja vor Monaten, Skoda sei im Billigsegment nicht aggressiv genug. Ihr Vorgänger Bernhard Maier musste auch wegen dieser Streitfrage seinen Posten räumen. Sie aber haben schon gesagt, Skoda werde nicht zum Dacia des VW-Konzerns. Doch was dann?

Wer im Budget-Car-Segment mitmachen will, braucht gute Nerven, weil hier kein Geld verdient wird. Das ist Fakt.

Was ist die Alternative?

Man muss seine Kunden kennen. Unsere schätzen unsere Value-for-money-Philosophie, das Bodenständige. Aber im Budget-Segment anzutreten, macht keinen Sinn. Was wir stattdessen tun …

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… jetzt wirds interessant.

Wir werden zum Beispiel bei unserem kleinen Fabia ein knackig bepreistes Einstiegsmodell anbieten. Unter 14 000 Euro.

Also in der Schweiz wohl gut 15 000 Franken, rund 2000 unterm bisherigen Preis. Was lässt sich aus einem Kleinwagen denn noch heraussparen?

Bei Themen wie Fahrwerk, Touch and Feel, Digitalumfänge und Ausstattung bietet sich Potenzial. Wir merken allerdings: Bisher greifen wenige unserer Kunden zu solchen Einfachmodellen.

Wo ist dann die Aggression?

Mit dem 14 000-Euro-Angebot sprechen wir neue, preissensitive Kunden an. Bisher sind unsere Fabriken überausgelastet, also verkaufen wir Autos, die sich für uns lohnen – eher im DACH-Raum als in Süditalien, wo wir pro Fahrzeug niedrigere Ergebnisbeiträge erzielen. Jetzt spielen wir allerdings durch Umschichtungen in unseren tschechischen Werken Kapazitäten frei – und können den Einstiegs-Fabia bauen.

Eine Zweitmarke à la Renault-Dacia wäre kein Thema für Sie?

Nein, absolut nicht.

Sie bauen doch einfachere Autos unter der Marke Skoda in und für Indien. Warum nicht die in Europa anbieten? Viele Kunden würden sagen: Der genügt mir!

Der Kushaq, das indische Pendant zu unserem kleinen SUV Kamiq, ist ein gutes Stück günstiger. Aber plus Transportkosten, Importsteuern und Anpassungen an unsere klimatischen Bedingungen würde er teurer als ein Kamiq.

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In Tschechien haben Sie einen gigantischen Marktanteil von 40 Prozent. Treibt das die E-Wende auch dort?

Grundsätzlich waren die Tschechen bisher nicht so E-affin. Doch seitdem der Enyaq iV zum Strassenbild gehört, wächst das Interesse schnell. Die E-Welle wird auch hier kommen. Ich bin froh, dass Volkswagen-Konzernchef Herbert Diess die Transformation treibt.

Man dachte anfangs, er suche ein Alternativprogramm, um die Dieselkrise zu überspielen.

Nichts da. Er ist da knallhart – Gott sei Dank. Er hat einmal gesagt, wir als klassische Autobauer hätten eine 50/50-Chance, den Transformationsprozess zum Erfolg zu führen. Gemeinsam im Konzernverbund arbeiten wir daran, dass wir zu den Gewinnern zählen.

Skoda liegt jetzt in der EU unter den Top  8 der Hersteller, was ist Ihr Ziel?

Wir wollen, wie gesagt, bis 2030 die Top 5 knacken. Das halte ich für absolut machbar, wenn ich mir unsere Produktpipeline und die Stärke der Marke anschaue.

Wie unterschiedlich sind Daimler und Volkswagen als Arbeitgeber?

(Lacht.) Ich hatte ja gedacht, Daimler und Volkswagen, zwei grosse deutsche Unternehmen, zwei globale Player … Aber das sind zwei grundverschiedene Firmen.

Inwiefern?

Bei VW ist der Produktfokus wahnsinnig gross. Da gibts detaillierte Fachkenntnis bis ins Topmanagement. Da kannst du nachts jeden aufwecken, alle können Drehmoment, Radgrösse, Kilowattstunden auswendig. Das kannte ich von Daimler so nicht. Und die schiere Grösse sowie das Mehrmarkenkonzept machen den Konzern recht komplex, jedoch auch unglaublich stark. Bei Daimler ist es eher familiär strukturiert, da kannte ich praktisch jeden Manager. Klar, nach 22  Jahren …

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Und bei VW?

Bis man mal verstanden hat, wer mit wem und wo auf der Welt – Wahnsinn. Aber inzwischen bin ich hier lang genug dabei.

Ihr Sprung vom Regionenchef mit Sitz in Südafrika an die Spitze einer grossen Marke ist im VW-Konzern sehr ungewöhnlich. Kam das auch für Sie, quasi als Betroffener, überraschend?

Ich hatte Herbert Diess früh kennengelernt, als er zu VW stiess. Er war mal auf Besuch, und ihm gefiel wohl, was ich in Afrika machte.

Was war das?

Neue Geschäfte ausprobieren, Altes mal sein lassen. Wir haben Mobilität in Ruanda gefördert und vieles mehr. Und dann kam das Angebot, Skoda zu führen.

Klingt gut!

Ich habe spontan Ja gesagt. Hier bin ich mit Herz und Seele dabei und kann einen Mehrwert bringen, auch als Mensch. Ich habe eine tolle Mannschaft – da wird nicht lange herumdiskutiert, sondern noch eine Schippe draufgelegt! Das ist schon beeindruckend.

Ihre Ehefrau stammt allerdings aus Südafrika.

Sie hat einen Schreck bekommen, als sie von den Plänen gehört hat. Wir haben dort eine Pferdefarm. Wir lernten uns kennen, als ich 1998 zum ersten Mal in Südafrika gelebt habe.

Ein Durchstarter


Er stieg so zügig auf, dass er noch nicht einmal einen Wikipedia-Eintrag hat. Thomas Schäfer (51), geboren im deutschen Marburg, führt seit August 2020 den Autobauer Skoda. Nach einem dualen Maschinenbaustudium via Daimler blieb er dort und arbeitete für die Stuttgarter in Produktion und Qualitätsmanagement; in Deutschland, den USA, Südafrika und Asien, zuletzt in China. 2012 wechselte er zum VW-Konzern, führte ab 2015 mit viel Erfolg die Marktregion Subsahara-Afrika. Er ist mit einer Südafrikanerin verheiratet.

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Für Daimler.

Sie war dort im HR-Bereich tätig. Dann bin ich mit ihr einmal um die Welt gezogen – aber ich habe ihr versprochen, dass wir zurück nach Südafrika ziehen. 2015 sind wir dann für VW mit Hund, Katze und Pferden runter und dachten, hier bleiben wir jetzt. Tja (lacht).

Züchten Sie Pferde?

Nein, das ist nur Privatvergnügen. Meine Frau reitet, ich bin glorifizierter Stalljunge.

Der Thomas Müller der Autoindustrie?

Ja, genau (lacht)! Ich finde das ein tolles Hobby, mag auch die Pferde, setz mich aber nie drauf.

Was wird aus Ihrer Farm?

Meine Frau hat ein kleines Team, das danach schaut. Der Plan ist, dass wir irgendwann später wieder dauerhaft dort leben.

Und Hobbies – neben der Arbeit und zwei Wohnstandorten?

Ich mache viel Sport, sonst würde sich das tschechische Essen figürlich niederschlagen. Ich bin Frühaufsteher, immer gegen halb fünf, renne dann einmal durch Prag auf gut Glück irgendwohin, zur Not kann ich mit einem Scooter zurückfahren. Dann ist der Kopf klar, und ich halte dann schon morgens mein Team auf Trab (lacht).

Dann gehts nach Mlada an den Hauptsitz, das dürften so 70 Kilometer sein?

Ja, ich bin meistens gegen halb sieben auf der Strecke. Morgens Sport, duschen, Kaffee, Hunde raus und los. Freitags arbeite ich auch häufig in unserem Büro in der Prager Innenstadt.

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Hunde raus?

Wir haben drei Hunde, die müssen morgens eben einmal raus.

Verglichen mit Wolfsburg oder Ingolstadt ist Prag einer der schöneren Konzernstandorte, oder?

Ja, Prag ist eine super Stadt. Meine Frau und ich finden es beide toll, gefühlt ist jedes zweite Haus eine Kneipe oder ein Restaurant. Kultur gibts schon fast im Überangebot, wir sind ständig in Oper, Theater, Ballett. Und die Stadt ist noch überschaubar, ausserdem etwas hügelig.

Gut für den Frühsport.

Ganz genau.

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