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Zurich hui, CS pfui: Es tut sich was in der Schweizer Marken-Landschaft. Das zeigt die neue Liste der 100 wertvollsten Brands.
Marc Kowalsky
Der Markenwert von Brands wie Roche, Nestlé oder Novartis bewegt sich in Milliardenhöhe.
Getty Images / Stock PhotoWerbung
Die Logos über dem Eingang sind abmontiert, die Werbetafeln entfernt, die Schaufensterdeko ausgetauscht. Nichts erinnert in den zehn Ladengeschäften an jeweils bester Lage in den Schweizer Grossstädten daran, dass hier bis vor Kurzem der Telekom-Anbieter UPC zu Hause war. Einige der Läden wurden ganz geschlossen, über den anderen thront nun das Sunrise-Logo.
Vor zwei Jahren fusionierten Sunrise und UPC, seit Ende Mai tritt der Konzern jetzt nur noch unter der Hauptmarke Sunrise auf, UPC-Produkte werden nicht mehr vertrieben: stilisierter Sonnenaufgang statt Artischocken-Logo. Seit immerhin 2011 war die Marke UPC in der Schweiz aktiv, doch nur die wenigsten werden ihr eine Träne nachweinen: Zu technisch war sie und zu beschädigt von Anfang an, auch weil sie damals als Mäntelchen für die notorische Pannenfirma Cablecom dienen musste.
Sunrise hingegen profitiert von der Fokussierung: Ihr Markenwert hat gegenüber dem Vorjahr um 30 Prozent zugelegt. «Sunrise muss sich den Markenkuchen jetzt nicht mehr mit UPC teilen», sagt Nik Stucky, der mit seiner Agentur Adwired im Auftrag von BILANZ heuer zum zweiten Mal die Liste der 100 wertvollsten Schweizer Marken ermittelt hat. Sunrise steigt dort von Rang 68 auf 62 – wohl auch, weil die Fusion ohne viel Lärm über die Bühne ging und Mehrwert für den Kunden schafft.
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In den Top 10 gab es dabei relativ wenige Veränderungen gegenüber dem Vorjahr: «Diese Marken haben meist relativ stabile Geschäftsmodelle, auch in Krisenzeiten», so Stucky. Das freilich gilt nicht für alle: Die Credit Suisse verzeichnet ein Minus von 37 Prozent im Markenwert und ist von Platz 10 auf Rang 22 abgestürzt, weil sie von einer Krise in die nächste taumelt, Stichworte Beschattungsaffäre, Greensill, Archegos, Strafzahlungen. Auch Logitech, einer der grossen Corona-Gewinner, musste Federn lassen (–42 Prozent) und fiel von Rang 8 auf 19 – auch weil die Marktkonkurrenz aus den USA und Asien gross ist und der Aktienkurs massiv litt. Gleiches war der Fall beim Prüfkonzern SGS, der sogar aus dem SMI verstossen wurde – mit entsprechenden Folgen auch für den Markenwert (–12 Prozent). Bei der Industrieikone Sulzer (–30 Prozent) liegen die Gründe woanders: «Die Reputation ist bei der Bestimmung des Markenwerts der zweite Inputfaktor neben dem Finanziellen, da haben die Diskussion um Grossaktionär Viktor Vekselberg und die Sanktionen in Polen nicht geholfen», sagt Stucky. Auch die Nebengeräusche um den Wechsel sowohl im VR-Präsidium als auch auf dem CEO-Posten dürften dazu beigetragen haben, dass Sulzer fünf Plätze verlor. Gleich elf Ränge nach hinten durchgereicht wurde Schindler: Auch der Lift- und Fahrtreppenhersteller hatte im Januar einen abrupten Chefwechsel, zudem ist er durch sein starkes Asien-Exposure besonders von den Lieferkettenproblemen betroffen.
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Des einen Leid, des anderen Freud: Glencore steigert ihren Markenwert um gleich 49 Prozent und ihre Platzierung um zwölf Ränge. «Die Kritik am Rohstoffkonzern ist noch da, aber die Diskussion um die Bedeutung von Rohstoffen und deren Diversifizierung hat sich mit dem Ukraine-Krieg stark verändert», sagt Stucky. Zudem dürfte der Abgang von CEO Ivan Glasenberg zur Entspannung beigetragen haben: Nachfolger Gary Nagle macht Fortschritte in der Kommunikation und bei der Korruptionsbekämpfung. Auch der Pflanzenschutzmittel- und Saatguthersteller Syngenta, ebenfalls notorisch unbeliebt, konnte zulegen – auch weil er nach erfolgter Abstimmung über Pestizidverbots- und Trinkwasserinitiative etwas aus den Schlagzeilen verschwunden ist und zudem gute Finanzzahlen vorweisen kann.
Im absoluten Wert am meisten, nämlich um mehr als 1,5 Milliarden Franken, legte die Marke Zurich zu. Der Versicherungskonzern versucht sich ein neues Image zu geben, jünger, softer und humaner. Zudem bewirtschaftet er nun regelmässig das Thema Klimawandel. Auch finanziell läuft es gut. Ebenso wie bei Lindt, die um 26 Prozent bzw. sieben Plätze zulegte. Dort half zudem die Ankündigung eines neuen Chefs ohne Nebengeräusche, und dass der Konzern auf Medienkritik wegen des Russland-Engagements schnell reagierte und sich aus dem Markt zurückzog.
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Dass auch die Swisscom trotz all ihrer Pannen beim Markenwert zulegen konnte (plus 12 Prozent bzw. vier Ränge), erstaunt. «Es gibt negative Kommentare noch und nöcher, aber das Finanzergebnis reisst es raus», so Stucky. Nicht überraschend ist hingegen, dass Rolex sich unter den Aufsteigern befindet (Markenwert plus 21 Prozent). Letztes Jahr, so schätzen Branchenexperten, konnte der Umsatz um 30 Prozent auf rund acht Milliarden Franken zulegen. Rolex ist die einzige Marke, die mehr als eine Million Uhren pro Jahr herstellt und deren Produkte trotzdem wie Raritäten gehandelt werden. Immer mehr Modelle sind inzwischen nicht mehr im Laden erhältlich, sondern nur noch über Wartelisten, weshalb auch die Gebrauchtuhrenpreise steigen.Womit wir beim grössten Aufreger dieser Uhrensaison wären: der Swatch Moonwatch. Tausende warteten bei der Lancierung im März vor den Swatch Stores, um solch eine Plastikuhr im Look einer Omega Speedmaster kaufen zu können. Es war ein Hype wie in den besten (jungen) Tagen der Swatch: Binnen Kurzem wurden die 250-Franken-Ticker im Internet für bis zu 10 000 Franken angeboten. Die Moonswatch gab sogar den Verkaufszahlen von Omega einen Boost: Jene der Original-Moonwatch stiegen um über 50 Prozent, jene der Speedmaster-Serie immer noch «im zweistelligen Bereich» (Swatch-Group-CEO Nick Hayek).
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Was ist eine Marke wert? Die sonst übliche Marktmethode – Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis – fällt aus, werden reine Marken doch nur selten verkauft. Nik Stucky von der Agentur Adwired benutzt stattdessen künstliche Intelligenz: Der «Brand Ticker» durchforstet jeden Tag 460 Millionen Quellen im Internet, sowohl Social Media, Foren und Blogs als auch mehrere tausend Print- und Onlinemedien vor und hinter der Paywall in über 20 Sprachen. Die Aussagen und Kommentare in Bezug auf 1000 Marken (davon rund 100 aus der Schweiz) werden systematisch gesammelt und nach mehr als einer Million Suchdetektoren ausgewertet. Negative Aussagen werden dabei von den positiven abgezogen und ins Verhältnis zu allen Aussagen gesetzt, um kleine mit grossen Marken vergleichen zu können. Die Ergebnisse der Suchroboter werden mit aktuellen Finanzmarktdaten verbunden. Denn auch die Grösse einer Firma oder eines Produkts unter einer Marke hat einen Einfluss auf deren Wert. Ebenfalls wichtig: der Anteil des Brands im Markenportfolio des Unternehmens. Setzt eine Firma alles auf eine Marke, hat diese – bei gleicher Firmengrösse – einen höheren Wert als bei einer Portfoliostrategie. Und schliesslich der Markenbeitrag, der sich je nach Branche unterscheidet: In der Mode- oder Uhrenindustrie etwa ist die Marke deutlich wichtiger als im ÖV oder im Bauwesen. Aus all diesen, teils tagesaktuellen Faktoren errechnet Adwired den laufenden finanziellen Wert der Marke. Die Datenreihen reichen dabei zurück bis 2015.
Da müsste also auch der Markenwert von Omega und Swatch deutlich gestiegen sein. Doch das Gegenteil ist der Fall: «Einen durchschlagenden Erfolg kann ich nicht mit Daten belegen», sagt Stucky. Im Gegenteil: Viele kritische Stimmen im Internet sorgten für eine negative Wahrnehmung. Zwar verzeichneten beide Marken unter den Aspekten Kommunikation und Innovation jeweils einen Boom, doch nach einem Monat war der schon wieder verschwunden – «ein Strohfeuer», so Stucky. Das Resultat: Omega verliert 15 Prozent Markenwert und sechs Plätze im Ranking, Swatch 14 Prozent und zwei Ränge.
Dabei haben die meisten anderen Uhrenmarken zugelegt – wohl auch, weil die Läden nach den Lockdowns wieder geöffnet sind und von Touristen geflutet werden. Gerade Marken, die nicht zu grossen Konzernen gehören, konnten gewinnen: Ausser Rolex auch Patek Philippe, Chopard, Breitling (plus 49 Prozent!), Festina und Audemars Piguet, daneben aber auch die Richemont-Brands Piaget, IWC und Jaeger-LeCoultre.
Etwas erholt hat sich auch die Swiss, deren Markenwert um 23 Prozent stieg – schliesslich läuft das Geschäft nach der Pandemie wieder einigermassen. Doch seit dem Frühsommer steht die Airline wegen der zahlreichen Flugausfälle wieder in der Kritik. Seither ist sie auch markentechnisch wieder auf dem absteigenden Ast. Spannendster Neuzugang unter den Top 100 ist sicher die Turnschuhmarke On auf Rang 49. Eigentlich ein für die Schweiz untypischer Brand: «Als Konsumgut ist On in der hiesigen Markenlandschaft etwas einsam», sagt Stucky. On startete mit dem Börsengang letzten Herbst furios. Doch seither sind Aktienkurs wie Markenwert im freien Fall. «Wenn das so weitergeht, weiss ich nicht, wie lange die sich noch in den Top 100 halten können», so Stucky.
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Auch dieses Jahr hat Adwired erhoben, welche Marken von der Presse und in den sozialen Medien am kritischsten gesehen werden. Dafür wurde die Anzahl der negativen Konnotationen von den positiven abgezogen (Media-Net-Promoter-Score) und dieser Wert auf einer Skala von 1 bis 100 normalisiert (siehe «Shitstorm» unten). Glencore (Arbeitsbedingungen, Umweltverschmutzung) und Stadler Rail (Milliardendeals in Weissrussland) waren schon letztes Jahr in der Hall of Shame vertreten, neu kommen etwa Pictet (Oligarchengelder), Novartis (Stellenabbau, gescheitertes Unbossing) oder Raiffeisen (Vincenz-Prozess) hinzu.
Deutlich stabiler sind dagegen die Listen jener Firmen, die als besonders innovativ und als besonders umweltfreundlich wahrgenommen werden. Ricola und Swisscom gehören neu zu den in der Wahrnehmung grünsten Firmen, herausgefallen ist dafür Holcim: Die Zementindustrie bleibt eine CO2-Schleuder, die Kommunikationsbemühungen von Holcim in Sachen Nachhaltigkeit hatten nur den Effekt eines Strohfeuers. Als besonders erfindungsreich gelten neu auch der Hörgerätehersteller Phonak und Hublot. Sunrise gehört laut der Untersuchung noch nicht zu den innovativsten Firmen. Was aber wichtig wäre für eine Telco, wie auch die als notorisch innovationsschwach geltende Swisscom leidvoll erfährt. Jetzt, da die Integration von UPC abgeschlossen ist, kann sich Firmenchef André Krause ja darauf konzentrieren.
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