Guten Tag,
Der Start in die E-Mobilität ist gründlich misslungen, CEO Oliver Blume steuert gegen. Jetzt sollen es neue Verbrennermodelle richten.
Martin Seiwert
Zölle, China, Selbstzweifel, hausgemachte Probleme und sonstige Widrigkeiten: Porsche kommt im Moment nicht vom Fleck.
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Es könnte so schön sein im Bau 70. Hier werden Autos gebaut wie in Utopia. Digital, mit Karossen, die auf autonom fahrenden Plattformen selbstständig die Monteure ansteuern. CO2-neutral, mit Strom aus Biogas und vom Solardach. Virtuos, mit eisernen Greifern, welche die tonnenschweren Wagen fast lautlos durch die viergeschossige Halle schweben lassen. Es ist die modernste Porsche-Fabrik für den modernsten aller Porsches, die E-Limousine Taycan. Ein 38 Meter hohes, hypertechnologisches Gesamtkunstwerk.
Es könnte alles so schön sein hier in der Montagehalle im Stuttgarter Werk – wenn nur die Stille nicht wäre: Noch vor nicht einmal zwei Jahren wurde der Taycan in zwei Schichten produziert. Später war es nur noch eine Schicht. Diese wiederum halbierte im vergangenen Sommer die Taktzahl. Man baue nur noch etwa 60 Taycans pro Tag, berichten besorgte Mitarbeiter. Eine Grossserienproduktion auf dem Weg in den Manufakturbetrieb.
Dabei sollte der Taycan die Zukunft von Porsche sein. Der grosse Wurf, der zeigen sollte, dass der Sportwagenbauer auch im Elektrozeitalter vorn mitspielt. Jetzt aber, erzählt ein Monteur beim Feierabendbier, sähen viele Kollegen das Auto als «sinkendes Schiff». Viele wechselten fluchtartig in andere Bereiche. Selbst Teamleiter. Sie wollten lieber Verbrenner bauen als die Elektrolimousine.
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Der Taycan ist Porsches Antwort aufs E-Zeitalter. Das erste Modell litt unter Qualitätsmängeln.
iStockphotoDer Taycan ist Porsches Antwort aufs E-Zeitalter. Das erste Modell litt unter Qualitätsmängeln.
iStockphotoDie Zukunft ist elektrisch? Die Losung, die Porsche-Chef Oliver Blume vor einigen Jahren ausgerufen hatte, hat auch bei Porsche viele Fussnoten und Fragezeichen bekommen. Porsche macht aber mehr durch, eine neue Erfahrung: Selbstzweifel. Eigentlich ist der Sportwagenbauer die sichere Bank der deutschen Autoindustrie, stolz und unerschütterlich.
Doch inzwischen erfasst die Krise der Branche auch die Luxusmarke: Porsche verkauft weniger Autos, der Absatz in China schwächelt, die Rendite sinkt – und nun ist auch das US-Geschäft durch Strafzölle bedroht. Die Transformation zum E-Auto? Voller Unwägbarkeiten.
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1900 Jobs sollen deshalb einem Sparprogramm zum Opfer fallen. Blume stimmt das Unternehmen auf Krise ein: Bislang lag der jährliche Absatz bei über 300'000 Fahrzeugen. Sinkt er auf 250'000, soll Porsche dank des schlankeren Apparats immer noch profitabel sein.
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Es brodelt in der Belegschaft – und in Österreich: Im Clan der Porsches und Piëchs, der die Mehrheit am Sportwagenbauer hält, macht sich Nervosität breit. In familieninternen Chatgruppen offenbaren die Milliardärssprösslinge ihre Sorge ums Familienerbe. Porsche sei, schreibt einer auf WhatsApp, «voll auf Crash-Kurs». Warum habe Blume nicht früher umgesteuert, fragt ein anderer verärgert.
Blume wollte zeigen, dass Porsche die legendäre Vergangenheit mit Boxermotoren und Weltklassedesign auch ins E-Zeitalter transferieren kann. Ende der Dekade sollten vier von fünf verkauften Porsches elektrisch angetrieben sein – mit diesem Versprechen führte Blume den Sportwagenbauer vor gut zwei Jahren an die Börse.
Doch das erste und bislang wichtigste E-Auto, der Taycan, ist im freien Fall, erreicht in diesem Jahr wohl nur noch ein Drittel der Verkäufe des Jahres 2023. Die beim Börsengang angepeilte Rendite von rund 20 Prozent wird unerreichbar. 10 bis 12 Prozent, lautet die Prognose für das laufende Jahr. Im Branchenvergleich ist das ein sehr respektabler Wert – nicht aber für Porsche. Die Stuttgarter haben beim Börsengang Ferrari zum Vorbild erklärt.
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Blume, als Volkswagen- und Porsche-Lenker Chef von gleich zwei DAX-Unternehmen, muss seine Doppelrolle mehr denn je rechtfertigen. Es sei kein Machtstreben gewesen, auch die Führung bei VW zu übernehmen, sagt Blume: «Verantwortung war meine wesentliche Motivation», und: «Meine Doppelrolle ist für die anstehenden Aufgaben wichtig, aber nicht für alle Zeit ausgelegt.» Blume reagiert auf die Probleme mit einer Vorwärtsverteidigung: 800 Millionen Euro steckt er in eine Lebensverlängerung für Verbrenner und Hybride. Es ist nicht das, was Blume ursprünglich wollte, aber er anerkennt: Die Kunden müssen bei der Transformation mitspielen. Jede Strategie muss überprüft werden.
Einer Überprüfung muss sich auch das Topmanagement um Blume stellen. Finanzchef Lutz Meschke und Vertriebschef Detlev von Platen müssen in diesen Tagen ihre Büros räumen. Und das ist erst der Anfang. Blume plane einen «Generationswechsel im Vorstand», sagen Insider in Stuttgart. Nach und nach sollen auch andere Vorstände ausgetauscht werden. Mit dem neuen Team und einer nachgebesserten Produktpalette will Blume einholen, überholen – und wieder siegen.
Den Taycan-Monteuren in Bau 70 mag noch der Glaube fehlen. Doch Blumes Spurwechsel könnte aufgehen, denn im Unternehmen schlummern grosse Kräfte: Porsche hat die meisten Modelle überarbeitet und räumt viele Preise ab. Mit der jüngsten Version des Taycan spielt Porsche in der Elektroliga weit vorn mit. Die Stuttgarter passen sich zugleich dem verlangsamten Wachstum an, können künftig wieder mehr Verbrenner und Hybride verkaufen.
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Wenn alles gut läuft, könnte Porsche 2026 oder 2027 die Krise überwunden haben. Dann würde Blume das Thema Doppelrolle angehen und sich zwischen beiden Jobs entscheiden: für den schöneren (Porsche-Chef) oder den wichtigeren (Volkswagen-Chef). Auf Dauer, daraus macht er keinen Hehl, kann und will er die Doppel-DAX-Nummer nicht durchhalten. Dabei hatte das elektrische Zeitalter selbstbewusst und kraftvoll begonnen. Zu erleben war das im September 2021, an einem Tag in Leipzig. Der Himmel ist damals wolkenverhangen, aber es regnet nicht. Auf einer runden Holzbühne im Freien steht Blume und durchschreitet die Zukunft in klaren, entschlossenen Sätzen. «Dies ist die grösste Transformation, die unsere Industrie je erlebt hat», sagt er. Und: «Wir nehmen 15 Milliarden in die Hand für Zukunftstechnologien.»
Das Porsche-Werk Leipzig, wo der SUV Macan gebaut wird, fürchtet personelle Einschnitte.
AFPDas Porsche-Werk Leipzig, wo der SUV Macan gebaut wird, fürchtet personelle Einschnitte.
AFPDie Bühne steht im Offroad-Testgelände neben dem Porsche-Werk. Der Sportwagenbauer erprobt hier seine Geländewagen. Der Ort soll beides ausstrahlen: Auto und Natur, Spass und Verantwortung. Hier gibt es auf sechs Kilometern Steintreppen, Walddurchfahrten und Schlammwege, Bunker- und Wallüberfahrten. Hier leben aber auch Wildpferde und Auerochsen, sogar eine eigene Bienenzucht betreibt Porsche. Der Name des Honigs: «Turbinchen». Man könnte sagen: alles Spielerei, Inszenierung. Aber es ist auch eine Botschaft: Porsche bereitet sich auf die grüne Zukunft vor. Blume hat an dem Tag Zahlen zur «Elektrifizierungsstrategie» mitgebracht. Die wichtigste: 2030 sollen 80 Prozent aller Neuwagen reine E-Autos sein.
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Blume, der seit 2015 über der Strategie gebrütet hat, spricht über CO2-Abscheidung, grünen Sprit, schnelle Ladestationen – und verkündet: Bis 2030 wolle Porsche CO2-frei sein, und zwar über die Produktion, die Lieferketten und sogar die Nutzung der Autos hinweg.
Später berichtet er, wie er dem Aufsichtsrat die Strategie verkauft habe, bei der E-Mobilität all-in zu gehen. «Nicht alle haben sofort gesagt: Ich bin sicher, dass das ein Erfolg wird», erinnert er sich. Doch die Transformation bedeute, im E-Zeitalter zu überleben. «Ich habe stets betont: Porsche ist immer Porsche geblieben, weil Porsche sich weiterentwickelt hat.» Klar, allein werde man die Welt nicht retten können, dazu sei man zu klein. «Aber wir haben eine Strahlkraft.»
Und tatsächlich, Porsche sollte in den kommenden Jahren strahlen. Es ist die Zeit von Greta Thunberg, des Green Deals der EU und der Ampel. Deutschland ist stolz auf den Taycan: Wir können auch elektrisch, wir können Tesla. Der weltweite Taycan-Absatz steigt 2021 auf über 40'000 Autos und überflügelt sogar den des benzingetriebenen 911er, der Porsche-Ikone. Die DNA-Übertragung, sie scheint gelungen.
Oliver Blume bekleidet seit 2015 den Chef-Posten bei Porsche und seit 2022 jenen bei VW.
PROliver Blume bekleidet seit 2015 den Chef-Posten bei Porsche und seit 2022 jenen bei VW.
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Doch mit den Stückzahlen häufen sich die Mängel, die Kundenbeschwerden, später auch die Produktrückrufe. Offensichtlich war Porsche mit der neuen Technik noch etwas überfordert. 2024 wachsen zudem die Zweifel, ob alle Fans bei der Elektrowende wirklich mitziehen. E-Auto-Bashing wird chic, viele Kunden sind verunsichert. Der Taycan wird vom Zukunftsbaustein zum Reputationsrisiko.
Zumal auch treue Kunden zweifeln. Zum Beispiel Konrad Weber (Name geändert), 59 Jahre, Porsche-Fan aus dem Berliner Süden, ein früher Taycan-Kunde.
Immer wieder stellt Weber fest, dass mit der Batterie etwas nicht stimmt, beim Aufladen fällt oft das ganze Fahrzeug aus. Seitdem schlägt er sich mit dem Kundenservice von Porsche herum. Einer der letzten Briefe aus Zuffenhausen warnte vor Fällen von einem «Kurzschluss innerhalb der Hochvoltbatterie», bei denen es «zum Brand des Fahrzeugs gekommen ist». Der Kunde dürfe die Batterie nur noch «auf maximal 80 Prozent» laden. Und: Die fortan nötige «Überwachung Ihrer Hochvoltbatterie wird ca. 3 Stunden in Anspruch nehmen und muss alle 60 Tage in Ihrem Porsche-Zentrum erfolgen».
Drei Jahre lang Ärger und nun auch noch alle 60 Tage drei Stunden lang beim Händler sitzen? Weber schrieb eine Wutmail an Oliver Blume. Er war mal ein Fan der Marke, fuhr die Modelle 924 und 944. Jetzt will er seinen Taycan nur noch loswerden. Porsche hat ihm ein Angebot gemacht: Er soll 52 500 Euro bekommen für ein Auto, für das er 105'000 Euro bezahlt hat. «50 Prozent Wertverlust nach drei Jahren», schimpft Weber. «Was sagt das über das Auto? Und über Porsche?»
Der Ärger, er wächst auch bei Porsche-Mitarbeitern – und ehemaligen Angestellten. «Mir blutet das Herz, wenn ich höre, was bei Porsche los ist», sagt ein Ex-Porschianer, und er ballt tatsächlich die Faust. Porsche war sein Leben, seine Familie. Und noch immer leidet er mit, sein Informantennetz ist intakt. Was ihn alarmiert: «Viele Leute sind nicht mehr stolz, bei Porsche zu sein», sagt der frühere Topmanager. «Stattdessen haben sie Angst.»
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Die Verunsicherung habe mehrere Gründe: Probleme wie beim Taycan – so etwas kannten die Porschianer von ihrem qualitätsversessenen Arbeitgeber nicht. Auch schwinde zunehmend der einst legendäre Zusammenhalt: «Es galt bei uns mal, dass zuerst der Kunde kommt, dann der Mitarbeiter, dann der Aktionär. Heute kommt zuerst der Aktionär, dann der Aktionär, dann der Aktionär.»
Tatsächlich gelten seit dem Börsengang für Porsche andere Regeln. Seither muss Blume Aktionäre und Analysten bei Laune halten und – so die Mutmassung eines Aufsichtsrats – manchmal mehr versprechen, als er später halten kann.
Schlimmer noch, aus Sicht des Ex-Porsche-Managers: «Man schüttet mehr Dividende aus, als man sich leisten kann.» Dennoch: «Der Olli» sei der Richtige an der Spitze, selbst wenn er nur freitags bis montags in Stuttgart sei: «Die Doppelrolle, die viele kritisieren, ist überhaupt nicht das Problem.» Wenn die Strategie stimme und man gute Leute um sich habe, die einen in Abwesenheit vertreten, könne man auch oft weg sein.
Die Sache mit der Vertretung war in den vergangenen Monaten schwierig geworden, denn die Nummer zwei bei Porsche, Finanzvorstand Meschke, habe zwar viel getan, berichten Insider, aber vor allem für sich selbst. Überall sei er zu machtbewusst aufgetreten, er habe, so heisst es, auf den Chefposten gestrebt. Dazu wird es wohl nicht mehr kommen. Der Aufsichtsrat hat ihn als Finanzvorstand durch Jochen Breckner ersetzt. Der hatte zuvor das Generalsekretariat und die Unternehmensentwicklung geleitet. Ausserdem muss Vertriebsvorstand von Platen Matthias Becker weichen, der bislang die Regionen Übersee- und Wachstumsmärkte leitete. Von Platen soll das schwache China-Geschäft auf die Füsse gefallen sein. Zu langsam, zu präsidial habe er agiert, heisst es, um das Ruder in dem wichtigen Markt herumzureissen.
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Schwache China-Absätze wurden Vertriebsvorstand Detlev von Platen zum Verhängnis.
BloombergSchwache China-Absätze wurden Vertriebsvorstand Detlev von Platen zum Verhängnis.
BloombergOliver Blume hat noch viel Rückhalt in der Belegschaft – weil er nicht diktatorisch führt, sondern eher kollegial. Und auch die Porschianer wissen: Autos zu verkaufen, ist ein schwieriges Geschäft geworden. Der Markt in China entgleitet allen westlichen Herstellern. Der Smartphone-Produzent Xiaomi verkauft dort sein erstes Auto, den SU7, der massiv an den Taycan erinnert, der ähnlich gut auf der Rennstrecke performt – aber nur ein Drittel kostet. Das Auto, das in Stuttgart Eindruck hinterlassen hat, dürfte in diesem Jahr allein in China eine viertel Million Mal verkauft werden. Porsche peilt mit dem Taycan maximal 15'000 Stück an – weltweit.
Ausserdem droht mit Donald Trump Ungemach in den USA. Nordamerika ist der wichtigste Absatzmarkt für Porsche. Jedes Auto, das die Stuttgarter dort verkaufen, wird aus Europa importiert. Angesichts der US-Zölle muss sich Porsche überlegen, in den USA zu fertigen, sonst wird jedes dort verkaufte Fahrzeug zum Verlustgeschäft.
Angesichts der kleinen Stückzahlen lohnt sich eine volle US-Produktion aber nicht. In Stuttgart wird Insidern zufolge eine sogenannte CKD-Produktion für die USA durchgerechnet. Dabei werden fast fertig produzierte Autos in grosse Komponenten zerlegt, ohne Autozölle exportiert und im Zielland wieder zusammengefügt. Allein: Den amerikanischen Porsche-Kunden ist Made in Germany extrem wichtig. Sehen sie einen CKD-Porsche auch noch als deutsches Produkt? Lieber wäre es dem Vorstand, die USA würden Porsche als Teil des VW-Konzerns sehen und anerkennen, dass dieser gerade 15 Milliarden Euro in den USA investiert.
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Porsche ist mehrheitlich in VW-Hand. Als Ergebnis des Börsengangs gibt es aber keinen Beherrschungsvertrag zwischen den Unternehmen mehr, sondern nur noch einen Kooperationsvertrag.
Porsche schwimmt sich zunehmend frei von Wolfsburg und nimmt – strategisch gesehen – Kurs auf BMW. Die Münchner waren skeptischer bei E-Autos und bewahrten sich eine hohe Flexibilität in der Produktion. Statt ganze Werke auf E-Antriebe umzustellen, können die Münchner auf einem Fliessband alles bauen: Verbrenner, Hybride, E-Autos. Gerade für kleinere Hersteller wie BMW oder Porsche ist das sinnvoll, denn sie haben es nicht leicht, ganze Werke nur mit E-Autos auszulasten. Auch bei Porsche soll es deshalb, so sagen Insider, eine neue Maxime geben: Flexibilität.
Es waren zwei erfolgreiche Jahre für Porsche Schweiz. Nach dem Rekordjahr 2023 legte der Importeur der Sportwagenmarke im vergangenen Jahr noch einen drauf: ein Plus von 10,5 Prozent auf über 5000 Fahrzeuge. Damit performte Porsche deutlich besser als der Markt. Insgesamt wurden 2024 in der Schweiz und in Liechtenstein 239'535 neue Personenwagen in Verkehr gesetzt – fünf Prozent weniger als im Vorjahr.
Zuletzt drehte der Wind aber auch in der Schweiz für Porsche. Von Januar bis März brachen die Verkäufe um 16 Prozent ein, während der Gesamtmarkt lediglich rund 8 Prozent verlor. Porsche Schweiz, die am Sitz in Rotkreuz ZG rund 55 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Bereichen wie Vertrieb und Marketing beschäftigt, begründet den Rückgang unter anderem mit der gestaffelten Einführung neuer Modellvarianten. So werde der in der Schweiz beliebte Porsche 911 GT3 erst seit Kurzem ausgeliefert, so ein Sprecher des Unternehmens. Deutlich düsterer fiel der Kommentar des Branchenverbands Auto-Schweiz aus: Er sprach vom «schlechtesten ersten Quartal seit der Jahrtausendwende» für die Autobranche.
Global gingen die Verkäufe von Porsche im ersten Quartal 2025 im Vergleich zum Vorjahr um 8 Prozent zurück. Dramatisch war der Einbruch im weltweit grössten Automarkt: In China ging der Absatz um 42 Prozent zurück. Porsche begründete das mit der «angespannten wirtschaftlichen Lage» im Land. Ein fettes Plus von 37 Prozent wies Porsche bei den Verkäufen in Nordamerika aus. Dort spielten allerdings Sondereffekte mit. Im Vorjahreszeitraum hatte Porsche in den USA mit Problemen bei der Einfuhr zu kämpfen. Zudem lieferte der Autobauer in den letzten Monaten mehr Autos in die Vereinigten Staaten, um US-Importzölle zu vermeiden. Erich Bürgler
Erstmals ausgebreitet wurde die Anpassung an diese Realität im vergangenen Sommer in Weissach, im Entwicklungszentrum. Es war wieder einer dieser Tage, an denen Porsche glänzt und die alte Welt noch heil zu sein scheint.
Michael Mauer, der Chefdesigner, spricht an dem Tag vor einer grossen LED-Wand über seine Designstrategie, an den Seiten stehen, noch verhüllt, die neusten Modelle – die im Anschluss den Besuchern stolz präsentiert werden. Doch es fallen auch neue Töne. «Der Wechsel zum E-Auto dauert länger, als es Experten vor fünf Jahren unterstellt haben», sagt Blume. «Die Transformation wird noch Jahre andauern.» Also sei «ein flexibles Antriebsangebot sehr wichtig», je nach Nachfrage in den verschiedenen Märkten.
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Was heisst das? Die Verbrenner sollen «noch bis weit in die 2030er-Jahre hinein» in allen Fahrzeugkategorien angeboten werden, sagt ein Insider, und sie sollen, zweitens, flexibel auf gemeinsamen Produktionslinien gefertigt werden. Auf der Elektroseite hingegen steht Porsche auf der Kostenbremse: Bei der Batterieentwicklung, die Porsche mit Varta und der Tochter Cellforce betreibt, «wird es eine Konsolidierung geben».
Im Bau 70 rätseln die Mitarbeiter derzeit, was diese Entwicklung für den Taycan bedeutet. «Der Taycan hat keine Zukunft mehr», sagt einer von ihnen. Es gebe Pläne, so wird in Stuttgart spekuliert, die Verbrennerlimousine Panamera mit reinem E-Antrieb anzubieten und den Taycan mittelfristig einzustellen. Beschlüsse dazu gibt es noch nicht. Blume will dem Taycan erst noch eine Chance geben: «Der Taycan ist weiter ein aussergewöhnliches Auto», gibt er sich kämpferisch, «für uns der beste Elektrosportler, den es auf dem Weltmarkt gibt.»
Aber reicht das, um in der Taycan-Halle den Betrieb in der heutigen Form aufrechtzuerhalten? Für 2025 sehen die Planungen nur noch 15'000 bis 20'000 verkaufte Taycans vor. Diese Produktionsmenge könnte man auch woanders unterbringen, etwa im Werk Leipzig, wo auch der elektrische SUV Macan gebaut wird. Dort allerdings hoffe die Belegschaft weniger auf den Taycan als auf eine Verbrennervariante des Macan, wie ein Porsche-Aufsichtsrat sagt.
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Diese Antriebsvariante war von Blume bislang ausgeschlossen worden – das Auto, das als Verbrenner ein Bestseller war, sollte nur noch in der E-Variante gebaut werden. Sie ist laut Autotestern zwar rundum gelungen, dennoch fürchten sie in Leipzig, dass sie das Werk nicht auslasten kann und ein Stellenabbau ins Haus steht.
Und der hochmoderne Bau 70 in Stuttgart? Dort soll, so die Überlegungen im Management, die «Exklusivmanufaktur» ausgebaut werden. Sie macht aus den Modellen noch kostspieligere, individualisierte Autos, etwa mit seltenen Sonderausstattungen oder eingravierten Namen des Besitzers. Porsche erzielt damit Gewinnmargen, die jede andere Aktivität in den Schatten stellen. «Die Marktnachfrage», sagt ein Manager, «ist extrem.»
Die zweite Lehre aus den Taycan-Problemen ist ein neuer Fokus auf Produktqualität. «Wir haben bei der ersten Taycan-Generation viel Lehrgeld bezahlt», sagt ein Verantwortlicher. Bei der Neuauflage aber seien die Schwächen ausgemerzt, es gebe bislang keine Beschwerden und schon gar keine Rückrufe. Und tatsächlich listet der ADAC den neuen Taycan als bestes E-Auto der Oberklasse, vor Modellen von Mercedes, BMW, Audi oder der chinesischen Marke NIO.
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Doch es geht um mehr als gute Produkttests. Es geht um die Porsche-Identität: Ein Porsche kann – vor allem der 911er – auch eine Wertanlage sein. Wie eine mechanische Armbanduhr. Es gibt Modelle, die nach Jahrzehnten kaum an Wert eingebüsst haben. Doch was wird ein Taycan 2040 wert sein? Wenn auch E-Porsches an Kinder vererbt werden, muss die Technik wertstabil sein. Um das Uhrenbeispiel zu bemühen: Die Smartwatch muss so wertbeständig sein wie eine Rolex.
Wie soll das gehen? Im Entwicklungszentrum in Weissach werden nach und nach all jene Komponenten überarbeitet, die schnell an Wert verlieren. So viele seien das gar nicht, sagen sie bei Porsche: die Batterie, die Software. Die meisten anderen E-Auto-Teile seien sogar langlebiger als Verbrennerkomponenten. Die Software will Porsche mit Partnern aktuell und attraktiv halten, etwa im Schulterschluss mit Apple. Die Batterien sollen so konzipiert werden, dass bei Defekten einzelne Zellen ausgetauscht werden können.
Allerdings müsse sich Porsche sehr genau überlegen, an welcher Stelle ein maximales Qualitätsniveau heute noch wirklich wichtig sei und wo nicht, meint ein Mitarbeiter aus der Taycan-Produktion.
Blume verfolgt hier einen pragmatischen Kurs: Die Autos sind nach Zonen unterteilt: A, B, C. Zu A zählt alles, was sichtbar ist, da soll es keinerlei Kompromisse geben. In der Zone C aber, unter einem Sitz etwa, darf eine Naht optisch auch mal ein bisschen weniger exakt sein. Das akzeptierten auch anspruchsvollste Porsche-Kunden, sagt ein Manager. Überhaupt, der Kunde. Stimmt etwas an dem Vorwurf, Porsche sei zu sehr auf Aktionäre fixiert? In Zuffenhausen widersprechen sie energisch. Es gelte die alte Losung: der Kunde zuerst. Und der dürfe von Porsche künftig das schlichtweg Beste erwarten, bei den röhrenden Verbrennern wie den agilen E-Modellen.
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Gut möglich, dass Blumes Rechnung aufgeht. Denn für Porsche gilt das Gleiche wie für die anderen deutschen Autobauer: Sie mögen gerade mit Dellen und Kratzern unterwegs sein, unterm Blech aber schlummert immer noch eine Kraft, die ihresgleichen sucht. Denn die hiesigen Autobauer – und mit ihnen die Zulieferer – können nicht nur die wieder stärker nachgefragten Verbrenner liefern. Sie haben auch bei E-Autos inzwischen eine gute Position im Markt. Durch die Milliardeninvestition sind in Deutschland neue Kraftzentren der Elektromobilität entstanden, die – China mal ausgenommen – weltweit ihresgleichen suchen.
Inzwischen haben die Hersteller aus Fehlern gelernt und setzen sich bei Absatz und Qualität an die Spitze, bringen sogar den Pionier Tesla in Bedrängnis. Im E-Auto-Qualitätsranking des ADAC führen deutsche Hersteller in der Mittelklasse, in der oberen Mittelklasse und in der Oberklasse. Die einstige Benchmark Tesla dagegen ist nur noch Mittelmass – und beim E-Auto-Absatz in Deutschland auf Rang drei hinter VW und BMW zurückgefallen.
Weil die deutschen Hersteller zugleich ihre führende Rolle bei Verbrennern bewahrten, sind sie nun für wirklich alle denkbaren Szenarien gewappnet. Wie Porsche muss die deutsche Autoindustrie zu ambitionierte Elektropläne gerade nachjustieren, was viel Geld kostet. Danach aber gilt: Es kann geliefert werden, was gewünscht ist.
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