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Silicon-Valley-Legende Saeed Amidi über seine Expansion in die Schweiz, die Schwächen der hiesigen Start-up-Szene und warum die Swisscom heute grösser sein könnte als Amazon.
Marc Kowalsky
Saeed Amidi ist die Expansion in die Schweiz wichtig. In Basel befindet sich nun die 48. Niederlassung von Plug and Play.
Joseph Khakshouri für BILANZWerbung
Saeed Amidi, Sie haben einmal von sich selbst gesagt, als Mitarbeiter könne man Sie nie einstellen. Warum?
Ich hab in der Schule nie aufgepasst, vielleicht weil ich ein verwöhntes Kind war, ich habe den Unterricht geschwänzt. Aufgrund meiner Noten hätte mich nie jemand eingestellt. Also habe ich meine erste Firma schon im College gegründet, American Liquid Packaging Systems. Sie stellt Verpackungssysteme her und füllt Flaschen ab. Heute macht sie mit 2500 Mitarbeitern 500 Millionen Dollar Umsatz. Wenn mich also jemand anhand meiner harten Arbeit beurteilt, gewinne ich. Ich beginne jeden Tag um 7 Uhr 30 mit einer Gruppensitzung. Work hard, play hard!
Daneben haben Sie ein Immobilienbusiness aufgebaut, eine Baufirma – und den Accelerator Plug and Play, der jetzt auch nach Basel kommt. Warum expandieren Sie in die Schweiz?
Das wird die 48. Niederlassung von Plug and Play weltweit. Wir haben bisher schon mit Schweizer Grossfirmen als Partner zusammengearbeitet, mit Roche, Swiss Re, Zurich oder CS. Ich erinnere mich, als die Chefin der Schweizer Post …
Saeed Amidi (61), amerikanischer Geschäftsmann iranischer Herkunft, gründete 2006 im Silicon Valley den Accelerator Plug and Play mit heute 48 Niederlassungen und 700 Mitarbeitern. Er bringt Start-ups rund um die Welt zusammen mit Grosskonzernen auf der Suche nach einer spezifischen Technologie. Bis 2021 waren im Portfolio 15 Unicorns wie PayPal, Dropbox oder N26, allein letztes Jahr haben weitere 15 Beteiligungen die Milliardenbewertung erreicht.
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Plug-and-Play-Chef Saeed Amidi ist ein Quereinsteiger. Er legte den Grundstein seines Vermögens im Verpackungsbusiness, dann vermietete er Büroräume.
Joseph Khakshouri für BILANZPlug-and-Play-Chef Saeed Amidi ist ein Quereinsteiger. Er legte den Grundstein seines Vermögens im Verpackungsbusiness, dann vermietete er Büroräume.
Joseph Khakshouri für BILANZ… das muss Susanne Ruoff gewesen sein …
… mich im Silicon Valley besucht hat. Sie war fasziniert von Start-ups und Unternehmertum. Vor fünf Jahren haben wir sogar einen Drohnenlieferdienst gemeinsam aufgebaut. Das war sehr zukunftsgerichet. In den Schweizer Firmen gibt es sehr viel Energie, viele Talente, besonders bei den Ingenieuren. Das wollen wir nutzen, die Ingenieure unterstützen, den Unternehmern helfen bei der Verwirklichung ihres Traums. Wir hoffen, dass wir pro Jahr mindestens 100 Start-ups in der Schweiz unterstützen können und in mindestens zehn investieren.
In welchen Bereichen konkret?
Industrie 4.0, Maschinenbau, Pharma, und wir wollen mit innovativen Teams zusammenarbeiten in den Bereichen Supply Chain, Nachhaltigkeit und Produktionsoptimierung. In Stuttgart haben wir im Bereich Mobility vor fünf Jahren mit fünf Mitarbeitern angefangen, wir helfen Firmen wie Mercedes, Porsche, Bosch oder Deutscher Telekom und bringen sie mit Start-ups zusammen. Inzwischen haben wir dort 35 Mitarbeiter. So etwas planen wir auch für Basel. Und dann kommt Zürich.
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Saeed Amidi wird vorbereitet für seinen Auftritt an der Eröffnung der Plug-and-Play-Niederlassung Basel.
Joseph Khakshouri für BILANZSaeed Amidi wird vorbereitet für seinen Auftritt an der Eröffnung der Plug-and-Play-Niederlassung Basel.
Joseph Khakshouri für BILANZLassen Sie mich raten: Fintech?
Ich hätte eigentlich gewettet, dass wir zuerst nach Zürich kommen und erst dann nach Basel, hauptsächlich wegen Swiss Re, UBS und CS. Klar, Financial Services werden dort das grosse Thema – vor Ende des Jahres wird es so weit sein. Aber ich denke, obwohl die Schweiz sehr klein ist, können wir in jedem Office dort zwei bis drei Branchen adressieren.
Blockchain ist kein Thema? Das Crypto Valley ist gleich nebenan.
Ich hatte gestern ein Meeting mit einem Zuger Blockchain-Start-up, es heisst Nobank. Da wollen wir investieren. Letztes Jahr habe ich den Zuger Stadtpräsidenten getroffen und Vertreter zahlreicher Blockchain-Firmen. Weltweit sind wir in 43 Blockchain-Firmen investiert. Die grösste, Blockdaemon, ist derzeit drei Milliarden wert. Als der Gründer zu uns kam, waren es drei Millionen. Wir hatten die ersten Blockchain-Events bei Plug and Play vor zehn Jahren. Damals bezahlten wir noch den Kaffee mit Bitcoin! Aus jener Zeit habe ich noch fünf Bitcoin – Wechselgeld quasi. Die sind heute knapp 200 000 Dollar wert.
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Saeed Amidi: «Ich hätte eigentlich gewettet, dass wir zuerst nach Zürich kommen und erst dann nach Basel, hauptsächlich wegen Swiss Re, UBS und CS.»
Joseph Khakshouri für BILANZSaeed Amidi: «Ich hätte eigentlich gewettet, dass wir zuerst nach Zürich kommen und erst dann nach Basel, hauptsächlich wegen Swiss Re, UBS und CS.»
Joseph Khakshouri für BILANZWie sieht es aus mit Biotech? Am Genfersee ist ein starker Cluster entstanden.
Wir arbeiten mit Novartis, Roche, Sanofi und Bayer zusammen. Aber wir denken, wir können in Biotech nicht so viel Wert beisteuern wie , sagen wir mal, im Bereich Diagnostik. Mit unserem Silicon-Valley-Background sind wir da stark, wo Software auf eine Industrie trifft. Wir lieben Healthtech, aber lieber Digital Healthtech als die Suche nach einem neuen Medikament.
Sie kennen die Schweizer Start-up-Szene gut. Wo sehen Sie ihre Stärken, wo ihre Schwächen?
Wir sind in etwa 20 Schweizer Start-ups investiert, als ich das letzte Mal kurz vor der Pandemie hier war, habe ich 50 Schweizer Jungfirmen getroffen. Es gibt viele Anreize hier mit Seed Money und Series-A-Kapital, auch staatlich gefördert, mit dem die Start-ups schnell wachsen. Und man kann seine Produkte hier auch schnell verkaufen, das ist ein toller erster Schritt. Aber das Problem, das ich bei vielen Start-ups hier festgestellt habe: Sie tun sich schwer, danach nach Deutschland, Frankreich oder Italien zu expandieren, obwohl es die gleiche Geografie, Kultur und Sprache ist. Und sie tun sich noch viel schwerer, in die USA oder nach Japan zu gehen.
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Woran liegt das?
Viele Schweizer Firmen denken zu klein. Sie müssten global denken! Schauen Sie, als vor ungefähr sechs Jahren Cloud Computing das grosse Thema wurde, hat die Swisscom in unserem Rechenzentrum im Silicon Valley eine Cloud eingerichtet. Ich habe sie gefragt, was sie damit machen würden. Die Antwort war: eine Private Cloud für die fünf grössten Schweizer Banken. Das taten sie, und sie haben es auch sicher toll gemacht. Aber die Swisscom hätte grösser als Amazon Web Services werden können, hätten die Leute einen anderen Mindset. Denn die Swisscom war Amazon voraus! Schweizer Unternehmen müssen global denken. Und da kann Plug and Play eine Brücke bauen.
Die Ansprüche von Schweizer Start-ups sind vielleicht auch deshalb bescheiden, weil sie nach der Anschubfinanzierung hierzulande keine grossen Kapitalrunden für das Wachstum stemmen können. Obwohl die Schweiz ein reiches Land ist.
Die Schweizer Start-ups müssen aufgeschlossen sein gegenüber Geldern aus dem Ausland, speziell aus Deutschland. Und wenn man 10, 20 oder 100 Millionen Dollar Kapital aufnehmen will, dann muss man ins Silicon Valley kommen und die dortigen Investoren treffen.
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Wie kann man Schweizer Banken, Family Offices, Pensionskassen dazu bringen, mehr in Start-ups zu investieren?
Das ist eigentlich selbstredend: Vor dreissig Jahren waren die zehn wertvollsten Firmen Konzerne wie Shell oder Exxon, dann vielleicht noch ein paar Grossbanken. Heute sind neun von zehn Technologiefirmen. Ich dränge jedes Family Office dazu: Wenn ihr Geld gemacht habt mit Immobilien oder in der Produktion, müsst ihr in Technologie investieren, mindestens 10 bis 20 Prozent des Vermögens. Und auch in Kryptowährungen investieren. Ich selber will fünf Prozent meines Vermögens darauf setzen.
Viele Schweizer Start-ups entstehen im Umfeld von ETH und EPFL. Die sind vom EU-Forschungsprogramm Horizon ausgeschlossen worden. Was sind die langfristigen Folgen für die Start-up-Szene?
Ich sage meinen Unternehmern immer: Eine staatliche Anschubfinanzierung ist gut, aber man darf kein Subventionsjunkie werden. Zählt nicht drauf, sondern sucht euch lieber Smart Money von Investoren. Das ist die beste Bestätigung für eure Idee und für eure Technologie! Was die Universitäten angeht: Jene, die ich in der Schweiz gesehen habe, sind so gut, die werden immer genug Geld finden.
Ausser SAP, die schon ein halbes Jahrhundert alt ist, Spotify und ein paar Fintechs wie Revolut oder Checkout hat Europa keine digitalen Weltkonzerne hervorgebracht. Warum?
Es gibt unglaublich smarte Leute in Europa. Trotzdem kommen sieben der zehn innovativsten Firmen aus dem Silicon Valley. Es ist eine Mentalitätsfrage: Die Gründer dort haben keine Angst zu scheitern. Ich habe drei Mal in den gleichen Unternehmer investiert, Adrian Nazari. Die ersten beiden Male ist er gescheitert. Jetzt ist seine dritte Firma, Credit Sesame, kurz davor, ein Einhorn zu werden. Und eben, in Europa denken viele zu klein, siehe Swisscom. Das sage ich auch immer den Schweizer Gründern. Wenn hier einer 50 Millionen macht, ist er happy. In den USA will jeder der grösste der Welt werden. Vielleicht ist es Gier! Aber Europa hat deshalb nicht mehr globale Tech-Firmen hervorgebracht, weil man zu konservativ ist.
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Die EU-Kommission hat gerade den Digital Markets Act verabschiedet, der hauptsächlich die amerikanischen Tech-Giganten wie Google, Facebook oder Amazon in Schach halten soll. Wie sehen Sie diesen Konflikt?
Weniger Regulierung ist immer besser als viel Regulierung, wenn man Innovationen und Technologie hervorbringen will. Aber auch der Datenschutz des Individuums ist ein Faktor. Und da ist man in Europa viel strenger als sonst irgendwo in der Welt.
Im historischen Schorenareal, einem früheren Industriegebiet, ist Plug and Play beim Standortförderer Uptown Basel einquartiert. Gut 200 Gäste, viele aus der Region, konnten bei der Eröffnung begrüsst werden.
Joseph Khakshouri für BILANZIm historischen Schorenareal, einem früheren Industriegebiet, ist Plug and Play beim Standortförderer Uptown Basel einquartiert. Gut 200 Gäste, viele aus der Region, konnten bei der Eröffnung begrüsst werden.
Joseph Khakshouri für BILANZIst das ein Trumpf oder eine Bürde?
Natürlich eine Bürde. Wenn man den Gründern in Europa zu viel vorschreibt, dann entsteht das nächste Google, Apple oder LinkedIn halt woanders.
Eines der Argumente für den Digital Markets Act ist, dass die Tech-Giganten jedes Start-up zertreten oder aufkaufen, das ihnen gefährlich werden könnte. Würden Sie in Firmen investieren, die auf einem Gebiet aktiv sind, wo auch Microsoft oder Facebook mitspielen?
Aber klar. Wir hatten in eine Firma investiert, die eine unglaubliche Technologie für Videosuche entwickelt hatte. Man konnte sagen: Ich will Tore von Lionel Messi sehen, und dann hat sie die letzten 50 Tore gefunden und die zehn Sekunden davor und danach. Mein Sohn hat für die Firma gearbeitet. Schliesslich hat sie Google für 80 Millionen gekauft, was aus der Technologie geworden ist, weiss ich nicht. Der Exit kam zu früh. Schade, denn die Firma hätte auch alleine überlebt. Aber es gibt über 4000 Start-ups, die von Ex-Googlern gegründet wurden. Die wissen, welche Löcher es in diesen Tech-Giganten noch gibt und wie man sie füllen kann.
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Was ist The Next Big Thing im Silicon Valley?
Ich glaube, die Welt ist so agil heute, dass man das für jede Branche getrennt anschauen muss. In jeder Industrie entsteht gerade eine Schicht von Newcomern, die die Hälfte des Markts einnehmen oder die bestehenden Player gar völlig zerstören können. Im Tourismus ist es bereits passiert mit Airbnb, in der Werbung mit Google. Im Banking sind es gerade Fintechs wie Robin Hood oder N26, eine unserer Portfoliofirmen. Im Handel passiert es im Moment durch Schnelllieferdienste wie Instacart oder Gorillas. Jede einzelne Branche wird disrumpiert.
Glauben Sie ans Metaverse?
Das ist für mich ein Déjà-vu: Vor 18 Jahren hatten wir Second Life. Ich habe in einen Klon davon investiert, der ist wieder verschwunden. Jetzt kommt das wieder zurück mit etwas mehr Computerpower und digitalen Produkten auf NFT-Basis.
Also glauben Sie nicht daran.
Ich habe kürzlich eine sehr bekannte Modeikone getroffen. Er hat mir gesagt: Die Hälfte der Ladies, die eine Handtasche für 7000 Dollar kaufen, benutzen sie nie. Sie kaufen die Tasche, um anzugeben, aus Freude am Besitz und wegen des Einkaufserlebnisses. Und er hat gesagt: Wenn das Metaverse so gut wird, dass es diese Emotionen auch bei einem digitalen Produkt wecken kann, ohne dass man es physisch besitzt, dann kann das Metaverse relevanter werden als alles andere. Und die Handtasche ist dann sogar noch nachhaltiger, weil sie nur digital existiert.
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Die Idee des Internets ist global. Aber China blockiert seit Jahren westliche Websites, seit dem Ukraine-Krieg sehen wir das auch in Russland. Die USA wiederum zwingen Firmen wie Huawei mit ihren Sanktionen dazu, sich auf den Heimmarkt zu fokussieren. Erleben wir gerade die Nationalisierung des Internets?
Die schnelle Antwort ist: ja. Wobei ich keine Regierung kenne, der das so konsequent gelingt wie der chinesischen. Und auch diese Regulierung verhindert den technischen Fortschritt.
Was sind die Folgen für die Start-ups? Schlieslich beruht auch das Geschäftsmodell von Plug and Play auf dem weltweiten Austausch zwischen Start-ups und Konzernen.
Unternehmer respektieren keine Grenzen. Technologiefirmen werden immer Wege finden, Märkte zu penetrieren, ob mit oder ohne Segen der Regierung. Und in grossen Märkten wie China oder Indien können Start-ups riesengross werden, auch wenn sie nicht international expandieren.
Sie investieren pro Jahr in rund 200 Start-ups. Woran erkennen Sie zukünftige Unicorns?
Ich bin kein Technologiemensch, ich bin ein Geschäftsmann. Ich prüfe deshalb den Gründer und sein Team auf ihre Leidenschaft, ihren Fokus und ihr Wissen über den Markt und ihre Konkurrenten. Gerade der Gründer muss die passionierteste, meistwissende, am härtesten arbeitende Person im Raum sein. Und dann habe ich tolle Kollegen, die die Technologie prüfen.
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Ein leidenschaftlicher Unternehmer ist noch lange kein fähiger Unternehmer.
Ich frage einen Gründer immer: Was passiert, wenn deine Idee nicht funktioniert? Wenn er einen Plan B hat, investiere ich nicht. Und ich frage ihn: Was hast du vorher gemacht? Wie bist du auf die Idee gekommen? Und warum hast du diesen Firmennamen gewählt? Wenn er keine guten Antworten hat, ist das ein schlechtes Zeichen. Und ich will, dass die ersten drei, vier Mitstreiter wegen des Gründers und der Idee ins Team kommen, nicht wegen des Geldes. Die Chemie und die Energie innerhalb der Kernmannschaft sind sehr wichtig. Deshalb investiere ich ungern in One-Man-Shows.
Sie hatten einst in Zong investiert, die Firma von David Marcus. Das war eine One-Man-Show. Marcus machte später als CEO von PayPal und bei Facebook Karriere, bevor er mit der Kunstwährung Libra scheiterte.
Er hatte die Kapitalmehrheit, das stimmt, aber er war nicht alleine. David ist ein sehr netter Kerl, wir haben bis heute Kontakt. Eine andere Geschichte, die mich mit der Schweiz verbindet: Als ich 1997 im Silicon Valley mein Unternehmen gründete, hatte ich ein Büro von vielleicht 40 Quadratmetern. Im Büro nebenan, das 60 Quadratmeter gross war, sass Pierluigi Zappacosta. Ich fragte ihn: «Was machst du?» Seine Antwort war: «Ich suche Kapital für meine Firma.» Die Firma hiess Logitech, er hatte sie mitgegründet und brachte sie gerade an die Börse. Der Rest ist Geschichte. Pierluigi ist immer noch einer meiner besten Freunde.
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