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Mann des Monats

Patrick Frost hat Swiss Life zum Immobilienriesen umgeformt

Marktführer in der Schweiz, Nummer vier in Europa: Patrick Frost hat aus der Swiss Life einen Immobilienriesen geformt. Wie gefährlich ist die Zinswende?

Dirk Schütz

Swiss-Life- CEO Patrick Frost

Seit acht Jahren oben: Drei Studienabschlüsse (Chemie, Jura, Ökonomie) – und Konzernchef mit Stamina: Swiss-Life-CEO Patrick Frost.

Vera Hartmann für BILANZ

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Eigentlich musste Patrick Frost Angst haben vor der Nationalbank. Fast schon klandestin hat sich der Lebensversicherer Swiss Life in den letzten Jahren unter seiner Ägide ein beeindruckendes Immobilienreich aufgebaut: klarer Marktführer in der Schweiz, Nummer vier in Europa, Nummer sieben in der Welt. Und da gibt es vor allem ein Gift: höhere Zinsen.

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Als die Nationalbank am historischen 16. Juni die Zinsen tatsächlich und auch noch überraschend stark anhob und damit den Einstieg des Ausstiegs aus dem Negativzins-Regime vollzog, hätte die Bedrohung für den Swiss-Life-Chef Realität werden müssen. Doch was passierte an dem Schicksalstag? Die Aktie zuckte etwas, am Tagesschluss hatte sie aber nicht mehr als gerade drei Prozent nachgegeben.

Eine Woche später prognostizierte die UBS einen Preisrückgang bei Schweizer Immobilien von zehn Prozent und senkte kurzerhand das Kursziel der Swiss-Life-Aktie um fast 20 Prozent. Doch der Einbruch blieb noch immer aus – offenbar genoss die Aktie an den Märkten mehr Vertrauen als bei manchen hoch dotierten Analysten.

Nach den guten Halbjahreszahlen von Mitte August hob die UBS das Kursziel schon wieder an. Die September-Depression an den Börsen setzte dem Titel dann zwar auch zu, aber da litt das Papier mit dem Markt. Die Zinswende? Schnell eingepreist.

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«Seit Frosts Antritt als Swisslife-Chef stieg der Aktienkurs um 115 Prozent.»

Patrick Frost empfängt am Hauptsitz am General-Guisan-Quai in Zürich. Das ikonische Gebäude war das erste, das sich an der historischen Versicherungsmeile einer Renovation unterzog, vor «Zürich» und Swiss Re. Doch heute wirkt es fast schon wieder aus der Zeit gefallen. Den Namen «Rentenanstalt» hat die Firma erfolgreich abgestreift, doch die langen Gänge mit ihren Einzelbüros verströmen noch immer wenig Hipness.

Auch Frost, seit acht Jahren an der Spitze des 10 000-Mitarbeiter-Konzerns, logiert traditionell: Vorzimmer, Sitzungstisch, Seeblick. Ein Mahnmal der Askese: Sein raumgreifendes Büro mit Holzvertäfelung wird durch keinerlei Bilder oder Pflanzen geschmückt, das Pult ist praktisch leer. Nur die Fotos der drei Töchter, die ältere zehn Jahre alt und das Zwillingspaar sieben Jahre, senden ein persönliches Signal.

«Ich kann mich so sehr gut konzentrieren», sagt der 53-jährige Basler, in seiner Heimatstadt durch eine asketische Fasnacht sozialisiert. Er ist unbestritten der bestausgebildete Konzernchef der Schweiz: drei Abschlüsse – Chemie, Jura, Ökonomie inklusive Dissertation. Sanfte Stimme, klarer Blick. Die ideale Verkörperung der Manager-Tugend «Clear mind – clear desk».

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Verabschiedet sich nach 10 Jahren als CEO durch die Vordertür: Patrick Frost.

Miet-Fan Patrick Frost ist der Immobilienkönig der Schweiz, wohnt aber selbst in Zug zur Miete.

Vera Hartmann für Bilanz
Verabschiedet sich nach 10 Jahren als CEO durch die Vordertür: Patrick Frost.

Miet-Fan Patrick Frost ist der Immobilienkönig der Schweiz, wohnt aber selbst in Zug zur Miete.

Vera Hartmann für Bilanz

Eine klare Meinung hat der Immobilienkönig dann auch zum heimischen Liegenschaftenmarkt, und für das Wohlbefinden seiner Aktionäre ist diese Botschaft zentral: «Ich erwarte keine Korrektur im Immobilienmarkt, weder in der Schweiz noch in Deutschland.» Die Börse glaubt ihm, wie die milde Reaktion auf die Zinswende eindrücklich demonstriert – auch weil er sich in all den Jahren ein grosses Vertrauen aufgebaut hat. «Das Management hat sich eine hohe Glaubwürdigkeit bei Analysten und Investoren erarbeitet», befindet Vontobel-Analyst Simon Fössmeier.

Diversifizierte Szene

Während sich die grossen Banken von Zürich bis Genf ein Gefecht um die gleichen Reichen dieser Welt leisten, was zu zu hohem Angebot und zu tiefen Margen führt, haben sich die Versicherer geschickt ihre Nischen gesucht: Die «Zürich» als globaler Player mit starkem Brokerage-Geschäft in den USA, die Swiss Re als exklusiver Rückversicherungsplayer, die Helvetia mit Kranken- und Kunstversicherung, die Baloise mit starkem Standbein in Belgien, der heimische Marktführer Axa mit dem Instrumentenkasten eines Weltkonzerns, die Mobiliar mit genossenschaftlichem Flair und der ersten Frau an Spitze.

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Die Konkurrenten von Patrick Frost

Mario Greco, CEO der Zurich Insurance Group..
Gert De Winter, CEO Baloise, am Hauptsitz in Basel, 16.08.2022, Foto Lucia Hunziker
Philipp Gmür
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Mario Greco: Der «Zürich»-Chef leitet den internationalsten Schweizer Versicherer, ist aber im Leben-Geschäft Rivale der Swiss Life.

Daniel Winkler / 13 Photo

Liebling der Börse

Und dann ist da die Swiss Life. Frauen in der Konzernleitung hat sie zwar nicht zu bieten, und wer sich auf der Konzern-Webpage einen Blick auf die aufgereihte Konzernleitung gönnt, findet auch sonst eher wenig Diversität: sieben weisse Männer aus Mitteleuropa zwischen 51 und 62 Jahren, mit dunklem Anzug und dunkler Krawatte.

Jedoch: Was den Geschäftsmix angeht, hat sie zweifellos die grösste Transformation der letzten Jahre in der wenig beleuchteten Szene hinter sich. Ein klassischer Versicherer war sie nie, die Schadensfälle von Auto bis Hausrat überliess sie schon immer anderen. Sie konzentrierte sich auf Lebensversicherungen und Pensionskassenlösungen und ist hier mit einem Prämienvolumen von mehr als neun Milliarden Franken und einem Marktanteil von mehr als 40 Prozent der unbestrittene Marktführer (siehe Grafik unten).

Doch das genügt dem Traditionsunternehmen nicht mehr. Das Geschäft wird seit Jahren von Tiefzinsen und staatlichen Garantievorgaben gequält, sodass die Axa aus dem vollregulierten Bereich ausstieg und die Konkurrenten von Baloise bis «Zürich» es nur noch halbherzig betreiben. Die Swiss Life blieb zwar dabei, die Renditen sind als Marktführer noch in Ordnung.

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«Wir sind voll engagiert im traditionellen Leben-Geschäft», betont Frost dann auch. Doch für das hoch regulierte Zweite-Säule-Geschäft signalisiert auch er bereits Distanz: «Wir prüfen laufend, ob sich die Vollversicherung für uns noch lohnt. Wir hatten immer die höchsten laufenden Renditen im Markt und immer die komfortabelste Zinsmarge. Wenn das Ganze nicht mehr aufginge, würden wir mittelfristig aussteigen.»

Das Herzblut fliesst woanders: im Immobiliengeschäft. Von dem riesigen Anlageschatz aus dem Lebensversicherungsbereich von zuletzt 153 Milliarden Franken sind allein 40 Milliarden direkt und auf eigene Rechnung in Immobilien investiert. Der Anteil ist von 15 Prozent im Jahr 2014 auf heute 27 Prozent gestiegen, die Helvetia kommt als Nummer zwei auf einen Anteil von gerade 14 Prozent.

Zusätzlich bewirtschaftet die Swiss Life für Drittparteien Immobilien – in der Schweiz und in den anderen Kernmärkten Deutschland und Frankreich. In beiden Ländern ist sie auch in grossem Stil als Immobilienentwickler tätig. In der Schweiz wurde ihr grosses Engagement vor allem bekannt, als sie ihren Mieter Manor unter heftigem Mediengetöse aus dem edlen Haus an der Zürcher Bahnhofstrasse vertrieb.

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Derzeit baut sie den sogar mit eigenem Namen versehenen «Swiss Life Brannhof» aufwendig um. In Basel entwickelt sie das historische Klybeck-Areal neu. Doch diese Prestigebauten sind nur ein kleiner Teil: Die Swiss Life hat sich flächendeckend im heiss laufenden Immobilienland Schweiz ausgebreitet. Der Anteil von Geschäftsimmobilien und Privatobjekten ist ungefähr gleich gross, was einen guten Mix zwischen höher rentierenden und sicheren Anlagen garantiert.

Ihre Verwaltungstochter Livit ist ebenfalls Platzhirsch – für das neue Eishockeystadion in Altstetten etwa, als Swiss Life Arena ebenfalls prominent gebrandet, kann sie gleich die Verwaltung übernehmen.

Die Immobilien-Bonanza bringt sichere Mieteinnahmen für das eigene Kapital und schöne Gebühreneinnahmen aus dem Drittgeschäft. 700 Millionen Franken, ein Drittel des Jahresgewinns, spülte das Geschäft schon letztes Jahr in die Kasse, für 2024 ist eine Steigerung auf 850 bis 900 Millionen angepeilt. Das traditionelle Lebensversicherungsgeschäft wird da fast zu einer Art Bad Bank, wie Kohlekraftwerke bei einem Stromanbieter oder Printprodukte bei einem Medienhaus. Bei jeder Pressemitteilung wird die Steigerung der Fee-Einnahmen explizit herausgestrichen.

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Die Mitstreiter von Patrick Frost

Markus Leibundgut
Matthias Aellig
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Markus Leibundgut: Ex-McKinsey-Mann, Quantenphysiker – und als Schweiz-Chef der wichtigste Spartenchef.

PD

Die Börse freut es. Wer bei Frosts Antritt vor acht Jahren einstieg, kann einen Zuwachs von 115 Prozent verbuchen – die beste Performance auf dem Schweizer Versicherungsmarkt. Die «Zürich» schafft auch starke 50 Prozent, Baloise liegt bei 25 Prozent, Helvetia bei 18 Prozent, die Swiss Re ist sogar negativ (siehe Seite 78).

Die Aktie sei «ein attraktiver Investment Case», befindet die UBS dann auch und nennt als besondere Pluspunkte: die «sehr starke strategische Positionierung», das «einzigartige Immobilienportfolio» und das «effiziente Risikomanagement». Transformator Frost macht die Anleger happy.

Stille Revolution

Es ist eher eine stille Revolution. Eigentlich war für Patrick Frost eine Wissenschaftslaufbahn vorgezeichnet. Beide Grossväter Chemiker, der Vater Immunologe, verbrachte er die Kindheit in Detroit und Basel und studierte dann, ganz in der Familientradition, an der ETH Chemie. Doch die grosse Leidenschaft war das nicht, und so schrieb er sich auch für Ökonomie ein und schloss in Basel ab.

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Doch damit nicht genug: Er holte sich auch noch einen Jura-Abschluss. Ein verbissener Karrierist war er jedoch nie. Der Studienweg war vor allem eine Suche nach dem richtigen Weg. Am Ende war es doch die Wirtschaft, die ihn am meisten faszinierte.

Frost hatte bei dem Basler Wirtschaftsprofessor Erwin Heri dissertiert. Als Finanzchef der «Winterthur» holte Heri seinen Schützling an Bord. Frost übernahm dort später das gesamte Obligationengeschäft. Als die Swiss Life 2006 einen neuen Anlagechef suchte, landete Frost über den Zürcher Headhunter Bjørn Johansson dort in der Konzernleitung.

«Ein Truppenführer ist er bis heute nicht. Auf die Bühne muss er geschoben werden.»

Die entscheidende Weichenstellung nahm dann im Jahr 2014 Langzeit-VR-Präsident Rolf Dörig vor. Der damalige CEO Bruno Pfister wurde für die nächste Phase für begrenzt wachstumstauglich bewogen, und dass er sich als permanenter Weltenerklärer in allen Belangen gerierte, hatte seine Halbwertzeit zusätzlich verkürzt. Dörig schob seinen langjährigen Zahlenmann eher unsanft zur Seite, nicht einmal ein Platz im Verwaltungsrat wurde ihm gewährt.

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Zur Auswahl standen der erfahrene Frontmann Ivo Furrer, als Schweiz-Chef Herrscher über den wichtigsten Einzelmarkt und durchaus mit Truppenführer-Gen, und der eher stille und zurückhaltende Anlagechef Frost, der sich tief in Obligationen-Laufzeiten hineinbohren konnte.

Dass Frost in dieser Gemengelage den Vorzug bekam, war Programm: Er sollte den Lebensversicherer zu einem Asset Manager umbauen. Dass er selbst in der Finanzkrise beim Anlageergebnis nicht geglänzt hatte und durch risikoreiche Investitionen im Private-Equity-Bereich einiges Geld verloren hatte, ging als Lehrgeld durch.

Patrick Frost

Asketische Ausstattung, keine Bilder, keine Pflanzen, aber Seeblick: Patrick Frost in seinem Büro.

 

Vera Hartmann für Bilanz
Patrick Frost

Asketische Ausstattung, keine Bilder, keine Pflanzen, aber Seeblick: Patrick Frost in seinem Büro.

 

Vera Hartmann für Bilanz

Ein Truppenführer ist er bis heute nicht. Auf die grosse Bühne muss er eher geschoben werden, das Ego-Shooter-Gen, das ein CEO auch immer haben muss, ist bei ihm eher schwach ausgeprägt. «Interessiert Sie das?», fragt er seine Gesprächspartner schon mal, wenn das Gespräch zu versicherungstechnisch zu werden droht. Fast alle CEOs sind permanent auf Sendung, er kann auch Empfang.

Mittags reiht er sich in die Schlange im Mitarbeiterrestaurant ein und sucht das spontane Gespräch. «Alle mögen ihn», heisst es aus der Kommunikationsabteilung, und das scheint wirklich zu stimmen. Vor allem mit seiner Wohnsituation vermittelt er ungewöhnliche Normalität für einen SMI-Chef: Die Swiss Life mag der grösste Eigentumsbesitzer des Landes sein, und Präsident Dörig gönnt sich eine standesgemässe Villa in Küsnacht an der Zürcher Goldküste. Frost, mit einem Jahressalär von 4,3 Millionen Franken durchaus anständig besoldet, wohnt dagegen weiterhin zur Miete in der Innenstadt von Zug.

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Der Titel des prominentesten Mieters der Schweiz ist schon fast ein Markenzeichen. Einen Wikipedia-Eintrag gibt es nicht, im aktuellen Geschäftsbericht verzichten er und Präsident Dörig im Vorwort sogar auf das traditionelle Foto.

Auch den standesgemässen Chauffeur braucht er nicht: «Ich komme jeden Morgen mit dem Zug. Da kann ich sehr gut lesen.» Der amerikanische Managementautor Jim Collins nennt in seinem Leadership-Klassiker «Good to Great» einen «unbändigen Ehrgeiz für die Sache», aber ein «zurückhaltendes, ruhiges, fast schon schüchternes Auftreten» als beste Mixtur für einen erfolgreichen Leader.

In der Testosteron-gefluteten Bankenwelt mag dieser Typus eher ungewöhnlich sein, in der Versicherungswelt kommt er dagegen häufiger vor, und vielleicht ist das auch ein Grund für ihren deutlich grösseren Aktionärserfolg. Patrick Frost darf als Prototyp durchgehen.

Offener Umgang mit Krebs

Es war vor allem seine Krebserkrankung, die ihn schweizweit bekannt machte. Vor fünfeinhalb Jahren wurde bei ihm ein Lymphdrüsenkrebs diagnostiziert, und Frost entschied sich als erster Manager in der Schweiz für einen komplett offenen Umgang mit der Krankheit. Er schrieb einen bewegenden Brief an seine Mitarbeiter («Derlei Situationen und Momente wühlen einen auf, stellen das Leben auf den Kopf.

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Das ist auch bei mir nicht anders. Mir ist es jedoch ein persönliches Anliegen, offen damit umzugehen»). Nach sechs Monaten war er wieder an Bord. Die Offenheit hatte ihn menschlicher gemacht, die Firma, immerhin ein SMI-Konzern, wurde plötzlich noch familiärer. Als Baloise-Chef Gert De Winter dieses Jahr ebenfalls eine Krebserkrankung öffentlich machte, war die Resonanz deutlich geringer. Es war eben Frost, der das Tabu gebrochen hatte: Die heimtückische Krankheit offen zu kommunizieren, ist kein Zeichen von Schwäche.

«Die Nachfogeplanung für VR-Präsident Dörig läuft langsam an.»

Den Umbau zum Asset Manager hat seine Krankheit nicht verlangsamt. Zielstrebig setzt Frost seine Mission fort, bestärkt durch die guten Zahlen, die üppige Dividenden und freudige Aktionäre produzieren. Mit dem langjährigen Frankreich-Chef Charles Relecom verabschiedete Frost im letzten Jahr das letzte Konzernleitungsmitglied, das seit seinem Antritt noch an Bord war.

Doch von einer gewissen unbewussten Voreingenommenheit, neudeutsch «unconscious bias», scheint auch der dreifach diplomierte Frost nicht ganz verschont. Seine beide wichtigsten Mitstreiter sind ebenfalls Naturwissenschaftler: Finanzchef Matthias Aellig hat in Physik auf dem «Gebiet des Sonnenwindes» promoviert, wie der konzerneigene Lebenslauf festhält, Schweiz-Chef Markus Leibundgut studierte gar Mathematik und Physik und promovierte, ebenfalls offiziell genau aufgeführt, «auf dem Gebiet der Quantenfeldtheorie».

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Beide kommen von McKinsey. Die Konzernleitungssitzungen werden dann auch als sehr effizient beschrieben: Die Mitglieder haben alle Vorbereitungsberichte gelesen, besonders Frost hat jedes Detail parat. «Keine Frage: Das ist die intelligenteste Konzernleitung der Schweiz», sagt ein langjähriger Topmanager.

Starke Räte

Portrait of Rolf Doerig, Chairman of the Board of Directors of Swiss Life Group, taken in Zurich, Switzerland, on March 14, 2017. (KEYSTONE/Gaetan Bally)Rolf Doerig, Praesident des Verwaltungsrates der Swiss Life-Gruppe, portraitiert am 14. Maerz 2017 in Zuerich. (KEYSTONE/Gaetan Bally)
Klaus Tschütscher
Portrait of Stefan Loacker, CEO of Swiss insurance company Helvetia, taken at Helvetia's headquarters in St. Gallen, Switzerland, on March 4, 2015. (KEYSTONE/Gaetan Bally)Stefan Loacker, CEO der Helvetia Versicherungen, portraetiert am 4. Maerz 2015 in der Hauptsitz der Helvetia Versicherung in St. Gallen. (KEYSTONE/Gaetan Bally)
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Rolf Dörig: Seit 14 Jahren VR-Präsident – die Nachfolgesuche beginnt.

Keystone

Druck auf Dörig

Doch Intelligenz ist nicht alles und kann sogar hinderlich sein im Topmanagement, wie das Beispiel von Frosts Vorgänger Pfister zeigt. Dass das traditionelle Lebensversicherungsgeschäft in den letzten Jahren wenig neue Impulse erhalten hat, mag auch an der fehlenden Fronterfahrung der Manager liegen.

Mit Remo Weibel ging letztes Jahr etwa ein verdienter Frontmann von Bord: Er hatte den Vertriebskanal Swiss Life Select geleitet, die Nachfolgeorganisation des Zukaufs AWD, den die Firma nach langen Wirren und heftigen Abschreibern endlich auf die Spur gebracht hat. Dass ihm Schweiz-Chef Leibundgut die Autonomie beschnitt, goutierte der Praxisprofi nicht.

Die Expansion findet vor allem im Immobiliengeschäft statt, etwa durch den Kauf der Firmen Corpus Sireo oder Beos in Deutschland. Im Schweiz-Geschäft ist jedoch wenig gelaufen, die Innovation kommt am ehesten über die Produkte. Es fehlen grössere Schritte, etwa ein Zukauf in der Liga des Vermögensverwalters VZ. «Da wäre mehr Mut gefragt», befindet ein Ex-Topmanager.

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Doch eben: Die Zahlen sind zu gut für Experimente, gerade in diesen unsicheren Zeiten. «Wir versuchen, unsere Werte zu leben, auch wenn das nicht wahnsinnig spannend klingt: Zuverlässigkeit und Vertrauen», betont Frost dann auch. Bei den Immobilien sieht er gerade nach der Zinswende einen entscheidenden Vorteil: «Immobilien sind eine Realanlage, wir können bei Inflation die Mieten erhöhen, das geht bei Anleihen nicht.»

Zudem hat die Swiss Life den Vorteil, dass sie, anders als die klassischen Immobilienfirmen, nicht primär an den Preissteigerungen interessiert ist, sondern vor allem stetige Mieteinnahmen sucht. Aber dennoch: Mehr als ein Fünftel des Immobilien-Engagements befindet sich in Frankreich und in Deutschland, da ist die Rezessionsgefahr deutlich höher.

Und ob die Nachfrage auch in der Schweiz so stark bleibt, ist nicht gottgegeben. Dass die Swiss Life hier mittlerweile ein Klumpenrisiko aufgebaut hat, lässt sich nicht vollständig vom Tisch wischen. Die Eigenkapitalausstattung ist komfortabel, doch der Wert ging nach den Bilanzierungsanpassungen im zweiten Halbjahr um heftige fünf Milliarden Franken zurück. Auch das beunruhigte die Börsianer nicht wirklich, der vertrauenswürdige Konzernchef hat sie auch hier überzeugt: «Das Eigenkapital gemäss der IFRS-Rechnungslegung ist für uns keine relevante Kennziffer für die Unternehmensführung.»

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Patrick Frost

Frost for President? Corporate-Governance-Puristen würden sich abwenden, aber nicht die Aktionäre.

Vera Hartmann für BILANZ
Patrick Frost

Frost for President? Corporate-Governance-Puristen würden sich abwenden, aber nicht die Aktionäre.

Vera Hartmann für BILANZ

Vom Verwaltungsrat geht keine übergrosse Dynamik aus. Als CEO hat Rolf Dörig den überteuerten Kauf des deutschen Finanzvertreibers AWD durchgepaukt, worunter das Haus lange litt. Doch seit er 2008 das Präsidium übernahm, hat er bei der Swiss Life fast alles richtig gemacht. Da wird er gegen Ende seines Regnums kaum noch zu radikalen Schritten greifen.

Die Nachfolgeplanung läuft langsam an. Der Druck steigt auch auf Dörig. Als er noch Präsident beim Personalkonzern Adecco war, stimmte der Grossaktionär Blackrock nach elf Jahren gegen ihn. Auch bei der Swiss Life ist Blackrock mit 4,5 Prozent grösster Einzelaktionär, und Dörig ist bald 15 Jahre Präsident. Er hat nie eine Amtszeitlimite eingeführt.

Auch ziehen die Zuchtmeister von Blackrock gerade beim Thema Overboarding die Zügel an: Mehr als fünf Mandate wollen sie nur noch in Ausnahmefällen gestatten. Die Swiss-Life-Satzung legt dagegen fest, dass 15 Mandate möglich sind – so viele hatte Dörig selbst in der Spitze.

Präsidenten-Kandidaten

Rein formal könnte Dörig bis 2027 bleiben, dann wird er 70 Jahre alt, und da kennt auch die Swiss Life eine Alterslimite. So müssen etwa nächstes Jahr die Veteranen Ueli Dietiker und Frank Keuper abtreten. Doch so lange soll es bei Dörig nicht dauern. Noch etwa zwei Jahre, so der Plan, will er bleiben. Vizepräsident Klaus Tschütscher, Ex-Regierungschef Liechtensteins, kommt als Nachfolger kaum in Frage. Intern gilt allenfalls Ex-Helvetia-Chef Stefan Loacker als Kandidat.

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Und Patrick Frost. Er wird zwar immer mal wieder gehandelt für prestigeträchtige Finanzjobs, von der CS bis zur «Zürich». Doch wahrscheinlich ist das nicht – zu speziell ist das Modell der Swiss Life, zu wenig global ihr Geschäft. Vor drei Jahren wechselte schon der verdiente Finanzchef Thomas Buess direkt in den Verwaltungsrat, eigentlich eine Unsitte. CEO Frost als VR-Präsident? Corporate-Governance-Puristen würden sich abwenden. Die Aktionäre nicht.

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Dirk Schütz

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