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Die 300 Reichsten

Nummer 1 dank N°5 – Chanel-Miteigentümer steht an der Spitze

Gérard Wertheimer löst nach 21 Jahren die Familie Kamprad an der Spitze der Reichstenliste ab. 2023 gibt es viele Neuzugänge.

Erik Nolmanns

Gérard Wertheimer

Zuweilen inkognito in den Chanel-Shops anzutreffen: Gérard Wertheimer.

Illustration: Matthias Schardt / Kombinatrotweiss für BILANZ

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Die Leute gönnen sich nach den tristen Corona-Zeiten gerne etwas – Luxus boomt und macht die Besitzer der noblen Häuser so reich wie nie zuvor. Allen voran Gérard Wertheimer (72), wohnhaft in Genf, dem zusammen mit seinem Bruder Alain (75), der in New York lebt, das berühmte Haute-Couture-Haus Chanel gehört.

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Grossvater Pierre Wertheimer (1888–1965) war Mitgründer und Geschäftspartner der legendären Modedesignerin Coco Chanel (1883–1971).Der Laden brummt: Alle Kategorien – Mode, Parfums und Schmuck – verzeichneten im letzten Jahr Rekordumsätze. Schon 2022 gehört Wertheimer mit einem Plus von 9 Milliarden zu den grössten Aufsteigern, dieses Jahr gab es weitere 3 Milliarden obendrauf. Mit einem Vermögen von 41–42 Milliarden Franken steht Wertheimer neu auf Platz eins der diesjährigen Reichstenliste.

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Er löst die Brüder Peter (59), Jonas (57) und Mathias Kamprad (54) ab, Söhne des 2018 verstorbenen Ikea-Gründers Ingvar Kamprad. Das Ikea-Vermögen ist zum grössten Teil in einer Stiftung namens Ingka untergebracht. Solange diese als Familienstiftung galt, bei der die Stifter theoretisch auf das Vermögen zugreifen konnten, wurde es den Gründer-Erben zugerechnet.

Dieses Jahr hat sich die Sachlage geändert: Ingka liess BILANZ ausrichten, in der Satzung stehe nun, dass die Mittel «unter keinen Umständen zugunsten der Familie» eingesetzt werden dürfen. Das Vermögen der Brüder – alle drei sind im Waadtland aufgewachsen und haben den Schweizer Pass – wurde um den der Stiftung zugerechneten Teil reduziert. Doch auch nach diesem Abzug rangieren die Ikea-Erben mit 13–14 Milliarden noch in den Top Ten.

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Das Gesamtvermögen der 300 Reichsten erreichte in diesem Jahr 795'025'000'000 Franken. Letztes Jahr waren es noch rund 821 Milliarden gewesen – ein Rückgang um über 3 Prozent, bei dem die Zurückstufung der Kamprad-Brüder allerdings stark ins Gewicht fällt.

Reibach der Händler

Damit setzt sich die rückläufige Entwicklung des Gesamtvermögens fort – schon letztes Jahr war ein Rückgang zu verzeichnen gewesen, zum ersten Mal seit den Jahren der Finanzkrise von 2008 und 2009 notabene. War 2022 noch von einem starken Einbruch der Börsen geprägt gewesen, hielten sich in diesem Jahr Gewinne und Verluste etwa die Waage. Der Swiss Market Index liegt mit einem Rückgang um 0,2 Prozent (Stand 16. November) etwa auf Vorjahreshöhe.

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Allerdings konnten einzelne Bereiche überdurchschnittlich profitieren, etwa die Händler. Rohstoffmagnaten wie Glencore-Hauptaktionär Ivan Glasenberg (plus 1 Milliarde) oder Energiehändler Torbjörn Törnqvist (plus 2,25 Milliarden) profitierten von der günstigen Lage in diesen Märkten.

Einen tüchtigen Abschreiber auf ihrem Buchwert vornehmen mussten indes die Roche-Besitzerfamilien Hoffmann, Oeri und Duschmalé, war die Aktie des Basler Pharmagiganten in diesem Jahr doch eine der schlechtesten überhaupt im SMI. Noch immer wirkt die Enttäuschung über gefloppte Medikamente bei den Anlegern nach; der neue CEO Thomas Schinecker, der diesen Frühling Langzeitchef Severin Schwan als CEO ersetzt hat, konnte bisher nicht für Beflügelung sorgen.

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Gar aus den Top Ten gefallen ist Start-up-Gründer Guillaume Pousaz. Seine auf Zahlungsabwicklungen spezialisierte Firma Checkout.com galt einst als wertvollstes Start-up Europas, doch der Crash der Technologieaktien hat auch den Start-up-Bereich nach unten gezogen.

Federn lassen musste auch Ariane de Rothschild, die nach dem Tod ihres Mannes Benjamin Anfang 2021 die Führung der Bank Edmond de Rothschild übernommen hatte. Die goldenen Jahre des Private Bankings sind in weiten Teilen der Branche passé, die Zeiten, als das Geld noch wie von selbst hereinströmte, vorbei. Waren die Kundenvermögen zwischen 2017 und 2021 noch von 137 auf 178 Milliarden gestiegen, sanken sie 2022 auf 156 Milliarden.Das Pro-Kopf-Vermögen der 300 Reichsten beträgt 2,65 Milliarden Franken.

1989, als BILANZ erstmals eine Reichstenliste veröffentlichte, hatte es noch bei 660 Millionen gelegen. Diese Vervierfachung liegt deutlich über dem Wirtschaftswachstum, konnte sich das Bruttoinlandprodukt doch in derselben Zeitspanne nur rund verdoppeln. Jeder zweite der 300 Reichsten – exakt 150 (im Vorjahr 145) – ist ein Milliardär. Nicht nur die vielen Superreichen prägen die Schweiz, auch generell ist es ein sehr wohlhabendes Land. Das private Vermögen der erwachsenen Einwohner ist mit umgerechnet 685 230 Dollar im Schnitt das höchste weltweit, wie der «UBS Wealth Report 2023» zeigt.

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Jeder achte oder knapp 1,1 Millionen Menschen hierzulande besitzen gar umgerechnet eine Million Dollar oder mehr. Rund zehn bis zwölf Neuzugänge pro Jahr zählt die Reichstenliste im Schnitt, dieses Jahr sind es mit 19 Neuen fast doppelt so viele. Um überhaupt in die Liste aufgenommen zu werden, ist ein Mindestvermögen von 100 Millionen Franken Voraussetzung. 29 Milliarden Franken bringen die Debütanten zusammen auf die Waage.

Reicher UBS-Präsident

Unter den diesjährigen Neuzugängen sind Schwergewichte zu finden wie die Brasilianer Marcel Telles (8–9 Milliarden) und Carlos Sicupira (6–7 Milliarden), langjährige Geschäftspartner von Jorge Lemann, der bereits seit Jahren in den Top Ten rangiert – dieses Jahr auf Platz acht mit 15–16 Milliarden Franken. Die drei sind unter anderem über ihre Investmentfirma 3G miteinander verbunden. Lemann hat seit Langem Wohnsitz am oberen Zürichsee, nun zeigen BILANZ-Recherchen, dass auch Telles und Sicupira in der Schweiz wohnen – beide in St. Moritz.

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Ein prominenter Neuzugang ist Colm Kelleher, Präsident der UBS, der nach der Übernahme des Konkurrenten CS im Rahmen der diesjährigen Rettungsaktion zum mächtigsten Banker der Schweiz aufgestiegen ist.

afd

Neu dabei: Colm Kelleher, Präsident der UBS, Anja Graf (r.), Gründerin von Vision-apartments, und Caroline Hagen Kjos, die von ihrem Vater, dem norwegischen Unternehmer Stein Erik Hagen, einen Grossteil des Familienvermögens überschrieben bekam und in die Schweiz zog, sind drei von insgesamt 19 Neuzugängen in diesem Jahr.

Keystone, PD, CH Media
afd

Neu dabei: Colm Kelleher, Präsident der UBS, Anja Graf (r.), Gründerin von Vision-apartments, und Caroline Hagen Kjos, die von ihrem Vater, dem norwegischen Unternehmer Stein Erik Hagen, einen Grossteil des Familienvermögens überschrieben bekam und in die Schweiz zog, sind drei von insgesamt 19 Neuzugängen in diesem Jahr.

Keystone, PD, CH Media

Allein in seinen zwölf Jahren in der Konzernleitung des US-Bankkolosses Morgan Stanley bezog er gegen 200 Millionen Dollar, nun kommen jedes Jahr 6 Millionen als UBS-Chairman dazu.

Anja Graf wiederum ist mit ihrem Unternehmen Visionapartments weiter auf Expansionskurs. Der Anlagewert der Mieteinheiten wird auf rund 1,2 Milliarden Franken geschätzt. Bekannt ist Graf unter anderem auch aus der TV-Sendung «Die Höhle der Löwen», wo die Selfmade-Millionärin ihre Erfahrung als Unternehmerin und Investorin einbringt. Allein fünf der 19 Neuzugänge sind im Rahmen der Steuerflucht reicher Norwegerinnen und Norweger in die Schweiz gekommen, darunter Ninja Tollefsen, Tochter des norwegischen Immobilien-Tycoons Ivar Tollefsen, der ihr 90 Prozent des Familienkonzerns übertragen hat.

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Seit rund einem Jahr lebt Ninja Tollefsen im sonnigen – und steuergünstigen – Lugano. Ebenfalls vom Vater einen Grossteil des Familienvermögens übertragen bekommen hat Caroline Hagen Kjos, Tochter von Stein Erik Hagen, Grossaktionär des Nahrungsmittelkonzerns Orkla. Caroline Hagen Kjos ist mit ihrem Ehemann und zwei Kindern im Kanton Schwyz angemeldet.

Bereits seit dem Vorjahr in der Reichstenliste ist der norwegische Grossindustrielle Kjell Inge Røkke, ebenfalls in Lugano ansässig, der mit seinem Wegzug aus Norwegen dem Trend zur Steuerflucht im Land erst so richtig Schub gegeben hat.

Aus 1 mach 3

Neu in der Liste fungiert zudem Steffen Meister, Verwaltungsratspräsident des Private-Equity-Hauses Partners Group, der schon über zwanzig Jahre bei der Firma ist. Er besitzt 350 000 Aktien des Unternehmens.

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sef

Hart gefallen: Das Start-up von Guillaume Pousaz, Checkout.com, hat stark an Wert verloren. Die Bank, die Ariane de Rothschild führt, hat rückläufige Kundenvermögen zu verzeichnen. Das Vermögen von Peter, Mathias und Jonas Kamprad (unten, v.l.), ist zum grossen Teil in einer Stiftung untergebracht.

Aimée Hoving, PD, Michael Buholzer
sef

Hart gefallen: Das Start-up von Guillaume Pousaz, Checkout.com, hat stark an Wert verloren. Die Bank, die Ariane de Rothschild führt, hat rückläufige Kundenvermögen zu verzeichnen. Das Vermögen von Peter, Mathias und Jonas Kamprad (unten, v.l.), ist zum grossen Teil in einer Stiftung untergebracht.

Aimée Hoving, PD, Michael Buholzer

Die drei Gründer der Partners Group, Alfred Ganter, Marcel Erni und Urs Wietlisbach, die bisher zusammen in einem Porträt zusammengefasst waren, rangieren dieses Jahr je einzeln – zu unterschiedlich sind inzwischen die jeweiligen Aktivitäten der drei Gründer ausserhalb der Partners Group, als dass ein gemeinsames Porträt noch Sinn ergeben hätte.

Die diesjährige «Gold-BILANZ» ist bereits die 35. Ausgabe. Erneut haben über 30 Journalistinnen und Journalisten mitgearbeitet, unterstützt von einem Dutzend weiterer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Produktion, Grafik, Bildredaktion, Korrektorat und IT. Seit der Einführung der Reichstenliste 1989 ist es ein Anliegen, neben den Zahlen und Vermögensberechnungen auch eine Vielzahl von kleineren und grösseren Geschichten zu bringen – und Ihnen damit auch einiges an Lesevergnügen zu bieten.

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Als Rechercheure und Autoren haben am diesjährigen BILANZ-Ranking der 300 Reichsten mitgewirkt: Corinne Amacher, Pamela Beltrame, Erich Bürgler, Jost Dubacher, Erich Gerbl, Werner Grundlehner, Marc Kowalsky, Silvan Künzle, Iris Kuhn-Spogat, Anne-Barbara Luft, Stefan Lüscher, Matthias Mehl, Erik Nolmans, Corinna Röttker, Dirk Ruschmann, Dirk Schütz, Sibylle Veigl. Von «Bilan»: Benjamin Berger, Francesco Bonsaver, Ghislaine Bloch, Jean-Philippe Buchs, Luigino Canal, Daniel Eskenazi, Vincent Gillioz, Philippe Lugassy, Andrea Machalova, Patricia Meunier, Lucie Monnat, Joan Plancade, Roland Rossier, Marat Shargorodsky, Frédéric Thomasset, Julien de Weck, Myret Zaki.

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