Guten Tag,
Als CEO des norwegischen Staatsfonds ist Nicolai Tangen der grösste Investor der Welt – und der Schweiz. Jetzt erhöht er den Druck.
Besuch in Zürich: Der Anlagekönig erhöht die Anforderungen – auch an die Schweizer Firmen.
Paolo Dutto für BILANZWerbung
Die Runde war hochkarätig. Paul Bulcke, Präsident des Nahrungsmittelriesen Nestlé, war gekommen, genauso wie sein Pendant vom Grossversicherer Zurich, Michel Liès, oder der Präsident des weltgrössten Zementherstellers Holcim, Beat Hess. Auch dabei, fast als eine Art Mitorganisator: Albert Baehny, als Präsident von Geberit und Lonza einziger Lenker von zwei SMI-Konzernen. Sie alle waren an diesem Donnerstagabend Anfang Februar mit weiteren Mitstreitern einer Einladung eines speziellen Manns ins Zürcher Hotel Widder gefolgt: Nicolai Tangen.
Nicolai who? Der Name des 56-jährigen Norwegers hat in der Investment-Community nicht den Ruf des kultigen Star-Investors Warren Buffett oder des medienagilen Blackrock-Übervaters Larry Fink. Doch auch in der Anlagewelt zählen am Ende vor allem die Zahlen. Und da ist der Mann aus dem hohen Norden die Nummer eins.
Nicolai Tangen leitet eine Firma der Superlative. Der Anlagefonds des norwegischen Staates, offiziell betitelt als Norges Bank Investment Management (NBIM), ist in mehr als 9000 Firmen weltweit investiert und hält 1,5 Prozent der weltweit kotierten Aktien – so viele wie kein anderer Einzelinvestor auf dem Planeten. In der illustren Schar der schwerreichen Staatsanleger sind zwar die Anbieter aus dem Mittleren Osten deutlich lauter: Die Kataris halten nicht nur grosse Pakete an Credit Suisse, Glencore oder Deutscher Bank, sondern sind im grellen Fussballbusiness auch Eigner des Diven-Ensembles von Paris Saint-Germain und bieten gerade für den Traditionsclub Manchester United. In der nordenglischen Stadt ist bereits seit 15 Jahren der Rivale aus Abu Dhabi als Eigner von Manchester City unterwegs, bei den Auslegungen des Financial Fairplay ebenso kreativ wie die Scheichs aus Doha. In der Schweiz noch gut bekannt sind die Investoren der Government of Singapore Investment Corporation (GIC), die einst in der Finanzkrise die UBS retteten und sich gerade an der ABB-Elektrosparte E-Mobility beteiligen. Doch sie alle sind deutlich kleiner als der norwegische Staatsfonds. Allein die Chinesen schaffen es mit 1200 Milliarden Dollar in die Gefilde der Norweger. Doch ihr Aktienanteil ist deutlich tiefer.
An dieser Stelle findest du einen ergänzenden externen Inhalt. Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Der Schweiz ist Tangen besonders verbunden. Nicht nur verfolgt er die Debatte hierzulande durchaus mit Interesse: Seine Firma gilt für progressive Denker als Vorbild – sie wollen für die Investments der Nationalbank und deren auf mehr als 950 Milliarden Franken aufgeblähte Bilanzsumme einen Staatsfonds nach norwegischem Vorbild gründen. Die Idee taucht alle Jahre wieder auf, derzeit wird sie vor allem von der selbst ernannten Denkgruppe «SNB Observatory» um den Basler Wirtschaftsprofessor Yvan Lengwiler portiert. Doch die Nationalbank blockiert, und der politische Support ist – anders als in Norwegen – zu schwach.
Aber vor allem: Der norwegische Fonds ist der grösste Investor der Schweiz. In 123 Firmen ist er investiert, bei praktisch allen SMI-Konzernen ist er dabei. Er hält 3,3 Prozent an der UBS, 2,8 Prozent an Nestlé oder 2,5 Prozent an Roche. Auch an kleineren Firmen ist er beteiligt: 4,5 Prozent beim Labortechniker Tecan, 3,5 Prozent beim Solarpanelhersteller Meyer Burger oder 3,2 Prozent beim Versicherer Baloise. Es gibt kaum einen Chef einer wichtigen Firma, der die Norweger ignorieren kann. Insgesamt hat der Fonds knapp 40 Milliarden in hiesige Firmen gesteckt. Zum Vergleich: Der AHV-Fonds hat nicht einmal die Hälfte in Aktien investiert – weltweit. «Wir lieben die Schweiz», lacht Tangen, als BILANZ ihn vor dem Dinner mit den Schweizer Firmengrössen trifft. Bullige Statur, Pullover, Rucksack statt Aktentasche: bloss keine Allüren. «Das ist Nordic Style», wehrt er sich, als ihn der Fotograf für das Shooting zum Verzicht des Rucksacks drängen will.Es ist eben alles gross. Ende Januar stellte er sich in Oslo vor die Finanzpresse, gar mit Krawatte, und verkündete einen Verlust, der selbst das Rekordminus des Nationalbank-Präsidenten Thomas Jordan übertraf: 164 Milliarden Dollar verlor der Fonds im horriblen Aktienjahr 2022 – vor allem wegen der Beteiligungen an Tech-Firmen wie Alphabet, Meta oder Tesla. Das Minus von 14 Prozent war das zweitgrösste in der 25-jährigen Geschichte des Fonds – nur in der Finanzkrise verloren die Norweger mehr.
Werbung
An dieser Stelle findest du einen ergänzenden externen Inhalt. Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Doch unruhige Nächte beschert das Tangen nicht. Der Fonds hat seit seiner Gründung eine durchschnittliche Jahresperformance von mehr als sechs Prozent eingefahren und gilt in der Anlegergemeinde als Vorbild. «So werden Sie reich wie Norwegen – Genial einfach ein Vermögen aufbauen», verspricht etwa ein Buch aus dem Campus Verlag, und eine Titelgeschichte in «Focus Money» («Das Maximum-Prinzip – So nutzen Sie das Norwegen-Modell») zeigt auf, wie der normale Investor die Anlagepolitik des Fonds nachzeichnen kann.
Allerdings: Das Nachbauen des Portfolios könnte in Zukunft schwieriger werden. Zwar hat der Fonds klar von der Regierung vorgebene Richtlinien zu erfüllen – eine Aktienquote von gegen 70 Prozent, keine Risikoanlagen wie etwa Kryptos. Doch zum ersten Mal in der Geschichte des Fonds lenkt nicht ein Technokrat aus dem norwegischen Staatsapparat die Geldströme, sondern mit Nicolai Tangen ein ausgewiesener Finanzprofi, der in der Londoner City einen erfolgreichen Hedgefonds mit eigenem Investmentstil aufgebaut hat. Und das hat nicht nur Folgen für die Anlagepolitik, sondern auch für Führungsetagen: Der Druck steigt.
Werbung
Beim letzten WEF in Davos wunderte sich mancher Teilnehmer über die fast schon aggressive Tonalität Tangens in Salär- und Klimafragen. Bei einem Panel mit dem ehemaligen britischen Notenbank-Chef Mark Carney etwa liess er keinen Zweifel, dass ein neuer Geist herrscht: fordernder, aktivistischer. «Wir wollen mehr Taten sehen», betont Tangen auch im BILANZ- Interview. Die Zeiten der stoischen Nordländer sind vorbei – der grösste Aktionär des Planeten steigt zum Zuchtmeister der Firmenwelt auf.
Als Tangen vor drei Jahren gewählt wurde, gab es in dem egalitären Land mit seinen gerade 5,5 Millionen Einwohnern, bei Unabhängigkeitsstreben und EU-Ablehnung der Schweiz durchaus seelenverwandt, einen veritablen Aufstand. Denn der Neue war das Gegenbild seines Vorgängers Yngve Slyngstad, der sich seit der Fondsgründung brav hochgedient hatte.
Tangen war ein Selfmademan, der jung nach London gegangen war und dort nach einigen Lehrjahren seinen eigenen Hedgefonds AKO gegründet hatte, benannt nach den Anfangsbuchstaben seiner drei Kinder. Schon damals investierte er international – und gern auch in der Schweiz. Regelmässig kam er nach Jona an den oberen Zürichsee, zur Zentrale von Geberit, und es entstand eine enge Verbundenheit zu Vormann Baehny. Tangens Firma hielt bis zu acht Prozent an dem Sanitärhersteller. Sehr beeindruckend sei Tangen, betont Baehny dann auch gegenüber BILANZ: «Nicolai ist ein sehr neugieriger Mensch, der seine Komfortzone verlassen wollte.» Nachdem er ernannt worden war, war Baehny der Erste, den Tangen anrief.
Werbung
Tangen diskutiert mit Studenten via LinkedIn, setzt auf maximale Transparenz und befragt Firmengranden per Podcast.
Paolo Dutto für BILANZTangen diskutiert mit Studenten via LinkedIn, setzt auf maximale Transparenz und befragt Firmengranden per Podcast.
Paolo Dutto für BILANZEinfach war die Wahl nicht. Denn das grosse Vermögen Tangens – von der «Sunday Times» zuletzt auf 550 Millionen Pfund geschätzt – war seinen Landsleuten suspekt, und so verpflichtete er sich, sein gesamtes Vermögen in eine Stiftung einzubringen. Er wollte den Job unbedingt: Der Drang, etwas Neues auszuprobieren, aber auch der Wunsch nach einer sozialen Verpflichtung waren ihm die Aufregung wert. So tickte der Vielbeschäftige schon immer: Er ist ein ausgebildeter Spitzenkoch, hat beim norwegischen Geheimdienst gearbeitet, Sozialpsychologie und Kunstgeschichte studiert und ist ein Kunstliebhaber, der die grösste Sammlung an moderner nordischer Kunst besitzt. Dass er seinen Vorgänger Slyngstad vor seiner Wahl mit anderen norwegischen Wirtschaftsgrössen zu einem Luxusseminar in die USA eingeladen hatte, inklusive gecharterter Boeings und Privatkonzert von Popstar Sting, war wenig hilfreich. Doch am Ende bekam er das Mandat – seine Anlageexpertise war zu überzeugend.
Mit ihm kam auch ein neuer Stil. Tangen kommuniziert am Abend bei Pizza mit Studenten auf LinkedIn und hat die Offenheit («Ich liebe Transparenz») hochgefahren: Alle Protokolle des Leitungsgremiums werden publiziert, wie auch sein gesamter Kalender in Davos. Das soll den Mitarbeitern das Gefühl geben: Wir sind auch dabei – und tatsächlich wurde er nach seiner Rückkehr aus Davos mehrfach angesprochen auf bestimmte Meetings. Besonders frisch: seine Podcast-Reihe. Weil sein Fonds in fast allen grossen Firmen investiert ist, hat Tangen direkten Zugang zu vielen hochkarätigen Firmenlenkern – und nimmt mit ihnen Audioformate auf, die öffentlich zugänglich sind. Natürlich ist Albert Baehny dabei («We are in the shit business»), aber auch Nestlé-Chef Mark Schneider, die verschwiegene H&M-Lenkerin Helena Helmersson, BP-Chef Bernard Looney oder Netflix-Gründer Reed Hastings. Anfang Jahr kam es auch zu einem Gipfeltreffen der Anlagekönige: Tangen interviewte Blackrock-Übervater Larry Fink.
Werbung
Doch zu einem richtigen Duell kam es nicht. Denn Fink machte gleich klar: Anders als die Norweger investiere er nicht das eigene Geld, sondern verwalte nur treuhänderisch die Vermögen der Kunden. In der Tat: Zwar treten die Amerikaner in Aktionärsfragen durchaus bestimmt auf, doch sie müssen sich eben auch den Kundenwünschen anpassen. Besonders deutlich wird das in der Klimadebatte. Vor drei Jahren setzte Fink mit seinem Brandbrief («Nachhaltigkeit wird BlackRocks neuer Investmentstandard») ein Zeichen, das jedoch schon damals etwas schal wirkte: Zwei Drittel der von Blackrock vertriebenen Fonds sind Indexfonds, die je nach Ausrichtung auch Klimasünder-Aktien enthalten können.
Der Chef und sein Team: Nicolai Tangen (4. v.l.) mit der Fondsführung in Oslo. Fünf Männer, fünf Frauen: Die angestrebte Diversität ist erreicht – zumindest in der Genderfrage. Allerdings hat es der Risikochef nicht aufs Bild geschafft.
© Ilja C. Hendel for NBIMDer Chef und sein Team: Nicolai Tangen (4. v.l.) mit der Fondsführung in Oslo. Fünf Männer, fünf Frauen: Die angestrebte Diversität ist erreicht – zumindest in der Genderfrage. Allerdings hat es der Risikochef nicht aufs Bild geschafft.
© Ilja C. Hendel for NBIMDurch die gute Performance der Sünden-Titel von Kohle bis Waffen wächst vor allem in den USA die Skepsis an der Nachhaltigkeitsausrichtung, die sich mit einer Anti-Wokeness-Bewegung gerade in den begüterten republikanischen Kreisen zu einem speziellen Cocktail mischt. Und natürlich reagiert auch Blackrock: Der Fondsriese verweist derzeit gern auf seine «Voting Choice», durch die sich die Investoren den Richtlinien des Vermögensverwalters entziehen können.
Und auch die zweite grosse Aktionärsplattform, ISS, hat ihre Glaubwürdigkeitsprobleme: Sie investiert ebenfalls kein eigenes Geld, sondern bündelt nur das Abstimmungsverhalten ihrer Kunden. Und vor allem: Der Stimmrechtsberater mit Sitz in einem Vorort von Washington, mehrheitlich im Besitz der Deutschen Börse, ist auch im lukrativeren Beratungsgeschäft aktiv, was Interessenkonflikte provoziert. Er tritt auch gern laut auf. Als etwa Swiss-Re-Präsident Sergio Ermotti an der letzten Generalversammlung wegen einer zu tiefen Frauenquote im Verwaltungsrat unter Druck geriet, bildete ISS die Speerspitze des Protests. Der gewichtigere Gegenspieler im Hintergrund war jedoch der norwegische Staatsfonds.
Werbung
So ist Tangen der einzige der grossen globalen Aktionärsvertreter, der das Geld komplett nach eigenen Prinzipien anlegen kann, und das will er jetzt noch stärker nutzen. «Seit er den Job übernommen hat, ist der Fonds viel präsenter», betont Baehny. «Er kommuniziert seine Anliegen ganz klar.» Der Unterschied zu Blackrock? «Beide sind sehr aktiv, aber die Norweger sind etwas langfristiger ausgelegt.»
Beim Klimathema etwa gibt sich Tangen entschiedener als Fink, und das ist dann auch der grösste Angriffspunkt. Denn die Anlagemittel des weltgrössten Staatsfonds stammen aus Norwegens hocherfolgreichem Öl- und Gasgeschäft – kaum ein ökologisches Vorbild. Ein Fall von Überkompensation? 30 Prozent des europäischen Gases kämen derzeit aus Norwegen, schiesst Tangen zurück. Und überhaupt: Der Fonds investiere bewusst in Energiefirmen wie Exxon oder Total: «Wir halten Energiefirmen mit fossilen Brennstoffen nicht für unethisch, sondern wollen bei der Transition helfen.»
Grosse Unterschiede gibt es auch bei Corporate-Governance-Fragen. Die Norweger stimmen strikt für die Trennung von Chairman und CEO, was die Amerikaner nicht können – dort ist das Doppelmandat noch weitverbreitet, schliesslich führt es Fink selbst. Auch bei den Salärfragen sind sie deutlich schärfer. Dafür sind die Amerikaner wiederum bei der Frage der Unabhängigkeit strikter: Blackrock stimmt normalerweise nach zehn Jahren gegen einen Verwaltungsrat, und der direkte Wechsel eines CEO auf den Chairman-Posten wird nicht geschätzt. «Wir haben keine spezielle Regel. Es mag Umstände geben, wo ein Wechsel vom CEO auf den Chairman-Posten sinnvoll ist, aber es ist sicher nicht die beste Corporate Governance», sagt die Corporate-Governance-Leiterin Carine Smith Ihenacho. Sie ist Teil einer grossen Maschine: Mehr als 3000 Firmenmeetings hält der Fonds jedes Jahr ab. Tangen hat sie geholt – Diversität ist für ihn zentral, auch wenn die Parität in der Genderfrage noch nicht ganz erreicht ist. Der Aufbruch zeigt sich auch bei der Rekrutierung. Tangen engagierte etwa einen Sportpsychologen und zwei Forensiker für einen frischen Blick auf Anlageentscheidungen.
Werbung
Sein Leben, so Tangen, führe er im Sowjet-Stil: in Fünf-Jahres-Plänen. In seinem Büro hängt eine Uhr, die die Tage abzählt bis zu seinem Mandatsende in zweieinhalb Jahren. Wenn ihn jemand bei einem Projekt auf nächste Woche vertrösten will, lautet die Antwort stets: «Zu spät – mir rennt die Zeit davon.»
Es geht vor allem um drei zentrale Anliegen: Klima, Diversität und Managerbezahlung. Da wollen wir in der diesjährigen GV-Saison mehr Taten sehen.
Nehmen wir das Thema Klima: Von den mehr als 9000 Firmen, in die wir investieren, haben nur 17 Prozent einen Plan, wie sie klimaneutral werden wollen. Das ist zwar eine Steigerung gegenüber dem Vorjahr, da waren wir nur bei zehn Prozent. Aber noch immer viel zu wenig.
Wir fordern genaue Pläne, wie die Firmen die Klimaneutralität erreichen wollen. Das sagen wir ihnen offen, und wir erhöhen den Druck.
Sie sind im letzten Jahr im Schnitt um 15 Prozent gestiegen, vollkommen ungerechtfertigt. Hier zeigt sich die Gier der Manager. Es herrscht Inflation, wir haben eine Krise der Lebenshaltungskosten. Da sollten sich auch die CEOs mässigen.
Wir analysieren vor allem Lohnpakete über 20 Millionen Dollar, deshalb sind hauptsächlich die USA betroffen. Dort gibt es mehr als 150 Fälle. Für uns steht aber nicht primär die absolute Höhe im Vordergrund, sondern die Struktur: Wir mögen diese komplizierten Pläne nicht, bei denen am Ende oft nicht klar ist, wie die Millionenzahlungen wirklich zustande kommen. Wir wollen einfache Kriterien für die variable Vergütung: Aktien statt Optionen, Sperrfristen von fünf bis zehn Jahren, keine Möglichkeit zur Anpassung der Ziele. Wir stimmen auch für grössere Pakete, wenn die Struktur unseren Kriterien entspricht, wie etwa bei J.P. Morgan: Die fast 50 Millionen Dollar an den CEO sind o. k., da sie an das Interesse der Aktionäre gekoppelt sind.
Bei Apple haben wir letztes Jahr gegen das Paket gestimmt. Wir wurden zu einem Treffen gebeten, und wir haben unsere Richtlinien genannt. Es gab Änderungen. Jetzt liegt das CEO-Paket unter 50 Millionen, und die Struktur der Bezahlung ist verbessert.
Ein CEO eines grossen US-Vermögensverwalters stimmt nicht gegen die hohen Löhne, weil er selbst überbezahlt ist.
Wir haben auch in Europa gegen die Vergütungspakete votiert, wenn die Struktur nicht stimmte, zum Beispiel bei LVMH, Kering oder Bayer.
Die Bezahlung ist sehr hoch, aber die Struktur stimmt bei fast allen Firmen. Die Vergütungspläne sind an die Interessen der Aktionäre gekoppelt.
Auch hier gilt: Die Bezahlung ist hoch, aber oft handelt es sich um Weltkonzerne, die Top-Leute brauchen. Generell gilt: Wir lieben die Schweizer Firmen – das Land hat eine phänomenale Ansammlung von Weltklassefirmen mit gutem Management und sauberer Governance. Aber natürlich gibt es auch Ausnahmen: Bei der Credit Suisse etwa haben wir vorletztes Jahr gegen die Vertreter des Risiko-Komitees gestimmt.
Eine Person muss den CEO kontrollieren, das ist für uns sehr wichtig. Wir stimmen deshalb immer gegen die Ämterkumulation. Eine grosse US-Bank hat uns in Davos gesagt, dass sie die Posten trennt, das bestärkt uns. In den USA ist das Doppelmandat leider noch sehr verbreitet, in der Schweiz ist es nur noch sehr selten.
Das stimmt. Wir sehen durch unsere zahlreichen Investments die grossen kulturellen Unterschiede. In Japan gibt es fast keine Frauen in den Verwaltungsräten, in den skandinavischen Ländern liegen wir meist bei über 40 Prozent. Unsere Zielmarke ist 30 Prozent. Die Schweiz liegt noch zurück, hat aber ein Gesetz zur Erreichung dieser Zielmarke verabschiedet.
Auch in der Diversitätsfrage gilt: Wenn die Firmen nicht in die richtige Richtung gehen, stimmen wir dagegen. Da erhöhen wir den Druck. Das ist einfache Businesslogik: Diverse Teams bringen bessere Leistungen.
Wir sind mit jeder Beteiligung immer unter den Top 5. Unsere maximale Höhe liegt bei zehn Prozent, vor allem aus Diversifikationsgründen. Aber wir überlegen schon, ein konzentrierteres Portfolio aufzubauen und von den wirklich erfolgreichen Firmen grössere Anteile zu besitzen. So habe ich auch in meinem früheren Leben als Investor agiert.
Wir haben ein grosses Unterscheidungsmerkmal zu anderen Staatsfonds oder den grossen institutionellen Vermögensverwaltern: volle Transparenz. Wir veröffentlichen alle unsere Resolutionen zu den Traktanden der von uns gehaltenen Firmen fünf Tage im Voraus – mehr als 100 000 pro GV-Saison. So können sich auch andere Aktionäre an uns orientieren.
Wir halten zu ihnen. Wir hatten in den beiden Vorjahren exzellente Ergebnisse, dieses Jahr sind wir bereits wieder sechs Prozent im Plus. Wir sind kein kleines Schnellboot.
Ich war etwas überrascht, wie positiv die Stimmung in Davos war. Wir bleiben vorsichtig. Das Risiko bleibt, dass die globale Inflation nur sehr schwer zu senken ist. Und die Öffnung Chinas wird die Inflation anheizen.
Wir sind derzeit sehr neutral, weil wir weder in die eine noch in die andere Richtung schwenken. Aber wir halten es für gut möglich, dass wir vor einer längeren Phase mit tieferen Erträgen stehen. Wir bleiben vorsichtig.
Nein.
Wir glauben, dass es schwierig sein wird, die Inflation wirklich auf dieses Niveau zu bringen. Das betonen die Notenbanken zwar immer wieder, aber die Investoren scheinen ihnen nicht richtig zu glauben.
Ich habe da keine Ratschläge zu erteilen. Unser Fonds ist ein Erfolg, weil er politisch sehr breit unterstützt wird. Das Mandat und jede Änderung sind in der Regierung und im Parlament fest verankert. Das schafft Stabilität.
Nein, im Gegenteil. Wir haben unsere Büros im Gebäude der Notenbank. Die Gouverneurin ist die Chairperson, sie ist mein Boss, ich trinke jede Woche einen Kaffee mit ihr. Sie weiss, dass ich heute hier bin.
Nein, er ist unabhängig. Aber der Verwaltungsrat ist identisch.
Ja. Denn in meinem Leben geht es ums Lernen, das ist der Sinn des Menschen auf diesem Planeten: zu lernen. Ich hatte in meinem alten Job viel gelernt und wollte an die Universität zurück, um etwas anderes zu machen. Doch dann kam dieser Job, der die für mich wichtigsten drei Dinge verband: Vermögensverwaltung, Organisationsentwicklung, Philanthropie. Es ist mir ein Ansporn, für mein Land etwas Gutes zu tun.
Ich messe Erfolg nicht in Geld, sondern in Glück und Lernen.
Weil es Spass macht. Wenn junge Leute mich fragen, was sie machen sollen, dann antworte ich: so viele verschiedene Dinge wie möglich. Wer viel macht, lernt mehr und verbindet Wissen auf verschiedene Arten. So entsteht Innovation – und man hat ein spannendes Leben.
Werbung