Guten Tag,
Carsten Koerl hat mit Sportradar quasi im Alleingang einen Milliardenkonzern aufgebaut. Doch der Börsengang der Datenfirma war eine Enttäuschung. Jetzt ist der Intensivsportler gefordert.
Marc Kowalsky
HANDICAP 18: Zum Golfen fehlt ihm eigentlich die Zeit: Carsten Koerl auf dem Dach des Firmensitzes in St. Gallen.
Paolo Dutto für BILANZWerbung
Auch im Moment seines grössten beruflichen Triumphs hatte Carsten Koerl nur einen Gedanken. «Ich muss schneller sein als er!», ging durch seinen Kopf, als alle Kameras auf ihn gerichtet waren und der Countdown an der Anzeigenwand der Technologiebörse Nasdaq langsam herunterzählte. Als der Zähler bei null ankam, setzte Koerl alles daran, um eher an der Glocke zur Handelseröffnung zu sein als sein prominentester Aktionär direkt neben ihm, die Basketballlegende Michael Jordan. «Es war nicht einfach, aber ich habe es geschafft», blickt Koerl zufrieden zurück auf den Moment des Börsengangs seiner Datenfirma Sportradar.
So tickt der 56-Jährige immer. Als er beim BILANZ-Shooting die Bälle über die Tischtennisplatte schmettert und ihn der Fotograf ermahnt: «Es geht hier um gute Fotos, nicht ums Gewinnen!», widerspricht Koerl umgehend: «Es geht immer ums Gewinnen!» So kauft er sich auch stets die teuersten Schläger, um seine Chancen zu erhöhen. Und wenn er mit den Kollegen zum Canyoning in die Sitter bei Appenzell springt, trägt er als Einziger einen Neoprenanzug, um länger durchzuhalten.
Mit diesem Spirit hat es Koerl geschafft, ein Unternehmen mit knapp 2400 Mitarbeitenden und 405 Millionen Euro Umsatz aufzubauen. Die Kotierung an der Nasdaq Mitte September machte ihn zum Multimilliardär: Knapp sieben Milliarden Dollar beträgt die Firmenbewertung aktuell, mehr als drei Milliarden Franken ist der Anteil des Gründers wert. Und es ist bereits sein zweiter Börsengang, dieses Mal in der Champions League. Den ersten hatte er zwei Jahrzehnte zuvor hingelegt, in der Regionalliga: Im Frühling 2000, zwei Wochen vor dem Platzen der Internetblase, brachte er den Onlinewettdienst Bet-and-win (heute Bwin) an die Wiener Börse.
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Bet-and-win hatte der gebürtige Allgäuer 1995 nach dem Studium der Elektro- und Prozessortechnik in Konstanz gegründet, zu einem Zeitpunkt, als das Internet noch in den Kinderschuhen steckte und von Onlinewetten noch niemand sprach. «Koerl ist ein Visionär», «er erkennt Trends und Chancen lange vor anderen» – diese Aussagen hört man immer wieder, wenn man sich mit seinen Weggefährten unterhält. Vermutlich genau deswegen scheiterte sein Plan, die von ihm entwickelte Softwareplattform für Sportwetten an britische Buchmacher zu verkaufen. Also stieg er zwei Jahre später selber ins Wettgeschäft ein und zog nach Wien, weil Österreich damals bereits Sportwettlizenzen vergab. Die Lernkurve war steil für Koerl: Von der Optimierung der Benutzeroberfläche über Risikominimierung und Vermarktung bis zur Verhandlungstaktik: «Es gab keinen vorgezeichneten Weg, weil alles neu war – Unternehmertum pur», erinnert er sich.
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Koerl war schon zuvor wohlhabend dank diverser kleiner Firmen, die er während des Studiums gegründet hatte («das hat mich mehr beschäftigt als die Diplomarbeit»). Als er zwei Jahre nach dem Börsengang bei Bet-and-win ausstieg (der Kurs hatte sich nach dem Dotcom-Crash längst wieder erholt), hatte er endgültig ausgesorgt. Er war vertraut mit den Leuten in der Industrie und ihren Bedürfnissen, und er hatte das nötige Fachwissen: «Eine falsche Wettquote auf der Liste erkennt er bis heute auf den ersten Blick», sagt sein ehemaliger CFO Erik Massmann. Und Koerl ist wissbegierig in einem Umfeld, das sich jeden Tag ändert. «Da lernt er mit einer unglaublichen Akribie», sagt sein ehemaliger Divisionsleiter Lukas Seiler: «Das ist ungewöhnlich, denn viele andere in ähnlicher Position wären zu sehr von sich selbst überzeugt.»
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«Nächstes Jahr wird die Datenfülle ein Exabyte erreichen – eine Milliarde Gigabyte.»
2001 gründete Koerl mit 200 000 Euro Grundkapital und zwei Norwegern die Vorgängerfirma von dem, was heute Sportradar ist (die Norweger – sie haben noch heute einen kleinen Aktienanteil – waren bald wieder abgemeldet, zu verschieden war ihre auf Gemütlichkeit bedachte Mentalität von jener des Machers Koerl). Die Idee: Jeden Sportevent – Tennismatch, Fussballspiel, Eishockeypartie – in Echtzeit in Millionen Datenpunkte zu zerlegen und diese kombiniert mit weiteren Dienstleistungen zu verkaufen. Wettfirmen – auch Koerls ehemalige Firma Bwin – sind mit 65 Prozent des Umsatzes die Hauptkunden: Sie können basierend auf den Daten die Wettquoten erstellen, wer das nächste Tor schiesst, wer den aktuellen Ballwechsel gewinnt oder wer die Champions League holt. Medien, die mit den Daten ihre Livestatistiken erstellen, sorgen für 20 Prozent des Umsatzes. Die restlichen 15 Prozent kommen von Sportclubs, -ligen und -verbänden, die in dem Zahlenmeer Wettbetrug erkennen. Die Kunden sind extrem treu: Der Churn beträgt pro Jahr nur 0,6 Prozent.
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Auch mit dieser Geschäftsidee war Koerl seiner Zeit voraus. Seither treibt er die Industrie vor sich her: Zwar gibt es in jedem Teilbereich kleinere Konkurrenten wie Genius Sports, Deltatre oder Sports Information Services. Sogar der Softwareriese SAP ist in einem Segment präsent. Das ganze Package jedoch bietet nur Sportradar. Auch die Datenfülle ist einmalig: Nächstes Jahr wird sie total ein Exabyte erreichen, also eine Milliarde Gigabyte. Mehr als 750 000 Partien in 83 Sportarten und 150 Ligen rund um den Globus werden verfolgt: von 8300 Freelancern, die mit Smartphone und Laptop im Stadion sitzen, von Kameras, die 25-mal pro Sekunde Positionsdaten von Akteuren und Spielgerät erfassen, von Sensoren in der Spielerausrüstung. Künstliche Intelligenz, unterstützt von 1200 Operators in fünf Datenzentren rund um die Welt, wertet die Daten aus. Die 1600 Kunden kommen aus 120 Ländern.
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St. Gallen mag für einen digitalen Milliardenkonzern kein naheliegender Standort sein. Der Grund liegt im Privaten: Als sich Koerl 2012 von seiner Frau trennte, versprach er dem Sohn (heute 17), in der Nähe zu bleiben. Deshalb wohnt er mit neuer Lebenspartnerin und den beiden Töchtern (4 und 6) in Niederteufen AI, mit Kuhweide vor dem Haus und Blick auf den Säntis, «weil ich auf dem Land aufgewachsen bin und Natur brauche». Obwohl er sein halbes Leben hier verbracht hat und die Schweiz als seine Heimat sieht: Den roten Pass hat er nie beantragt.
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Und so ist der Hauptsitz von Sportradar bis heute einquartiert auf zwei Etagen in einem spektakulär unspektakulären Bürogebäude im St. Galler Osten. Lange über die ersten Jahre hinaus hat es Koerl geschafft, dort den Start-up-Spirit aufrechtzuerhalten (an den 30 anderen Standorten rund um den Globus prägen die jeweiligen Regionalfürsten die Kultur). Noch heute finden sich ausser der Tischtennisplatte eine Dart-scheibe, Töggelikasten und Basketballkorb in den Räumlichkeiten, in seinem eigenen Büro hat Koerl ein Putting Green aufgestellt. «Er lässt sehr viel Spass zu und sorgt für gutes Klima», sagt ein langjähriger Vertrauter. Mindestens einmal im Quartal geht die gesamte St. Galler Belegschaft, rund 35 Leute von der Putzfrau bis zum CEO, zum Wandern oder auf Skitouren. Und jedes Jahr veranstaltet man weltweite Golf- und Dartturniere zwischen den einzelnen Niederlassungen.
2018 organisierte Koerl einen Event auf dem Palmer Track in Südengland: 30 Mitarbeiter fuhren den ganzen Tag auf fünf verschiedenen Fahrzeugen Rennen. Dass Koerl nicht alle Rennen gewann und damit auch die Gesamtwertung nicht, wurmt ihn bis heute. «Aber ich kann mich erinnern, dass ich auf dem Renault Clio der Schnellste war», sagt er, und es wirkt fast trotzig. «Er kämpft wie ein Löwe, um zu gewinnen – er kann beissen, das gibts gar nicht», so hat ihn Ex-Finanzchef Massmann in Erinnerung. Den Sportsgeist hat Koerl von Kindesbeinen an: Er war Mittelstürmer im Fussball, spielt Basketball, sein Golf-Handicap ist 18 («Ich habe zu wenig Zeit»). Beim Termin mit BILANZ kommt Koerl nur unter Schmerzen die Treppen hoch, so sehr hat ihn das letzte Crossfit-Training geschlaucht. «Er verausgabt sich komplett, geht immer ans absolute Limit», sagt ein Weggefährte.
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Die Firma steht beim Gründer über allem; mit seinem Fokus auf den unternehmerischen Erfolg hat Koerl etwas Nerdiges. Privat an ihn heranzukommen, so berichten langjährige Mitarbeiter, sei fast unmöglich; wer sein Vertrauen gewinnen will, muss dies über sachlich-nüchterne Firmenthemen tun. «Ich weiss nicht, ob er wirklich viele echte Freunde hat», sagt ein ehemaliger Mitarbeiter: «Es würde mich überraschen, wenn es so wäre.» Politik ist ihm fremd. Koerl ist auch kein grosser Socializer, der auf einem Empfang vor 100 Leuten eine eloquente Rede hält. Aber im kleinen Kreis schafft er es, die Leute für sich zu gewinnen und von seinen Ideen zu begeistern. Vor allem aber ist er «ein absolutes Genie in seinem Fach», sagt Herbert Hainer, ehemaliger VR-Präsident von Sportradar und Adidas-Chef, heute Präsident von Bayern München: «Er hat einen Riecher für das Datengeschäft und für Kundenbedürfnisse.» Dass seinen Visionen etwas im Weg stehen könnte, fällt ihm schwer zu akzeptieren – ein Wegbegleiter spricht von einer «Geht-nicht-gibts-nicht-Einstellung». Und wenn doch, «kann er aus dem Nichts heraus eine Idee haben, wie man ein Problem löst, das ist teilweise brillant», sagt Hainer.
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««Am Ende ist Carsten ein Lonesome Rider», sagt ein ehemaliger Weggefährte.»
Was Koerl nie gelernt hat, ist delegieren. Alle wichtigen Entscheide gehen über seinen Tisch. «Carsten ist ein richtiges Nadelöhr», sagt ein Weggefährte, «das ganze Top- und Middle-Management ist zu 200 Prozent auf ihn ausgerichtet.» Auch wenn Koerl jederzeit erreichbar ist für seine Mitarbeitenden: Die Abhängigkeit vom Gründer ist ein Klumpenrisiko für die Firma und deren Aktionäre. «Um ein wirklich grosses Unternehmen zu formen, muss Carsten Spitzenleute suchen, denen er Verantwortung überträgt», sagt Hainer. Doch gegenüber seinen Mitarbeitern ist Koerl loyal, viele hat er reich gemacht, das Team hat er trotz des starken Wachstums kaum ausgetauscht. Nicht zur Freude der externen Aktionäre, die lieber globale Champions in der Chefetage sehen wollen als alte Weggefährten.
So tief wie Koerl ist sonst niemand in der Industrie verwurzelt, er kennt jeden auch noch so lokalen Sportwettenanbieter und jeden Akteur. Gibt es ein Problem, kümmert er sich selber drum. So ist Koerl ständig unterwegs auf allen Kontinenten zu Kunden und Niederlassungen. Er ist ein Rastloser, «auch nach all den Jahren noch immer mit Tempo 180 unterwegs», sagt Thomas Talos, der ihn schon seit der Bet-and-win-Zeit kennt. Der einzige Luxus, den sich der bodenständige Unternehmer deshalb leistet, ist ein Pilatus-PC-24-Jet samt Crew. «Am Ende ist Carsten ein Lonesome Rider», sagt ein ehemaliger Weggefährte.
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Immerhin haben Machtbündelung und kurze Entscheidungswege mitgeholfen, dass Sportradar die Pandemie überlebte. Als im letzten Frühling schlagartig alle Sportwettkämpfe weltweit verboten wurden und damit auch kein Markt mehr existierte für Sportradar, fasste Koerl zwei Entschlüsse. Erstens: niemanden wegen der Pandemie zu entlassen. Und zweitens: virtuelle Wettkämpfe zu erfinden, wenn es keine echten mehr gibt. Sportradar simulierte an den jeweiligen Spieltagen alle Matches der kompletten NBA-Liga und visualisierte die Partien in 3-D. Ausserdem setzte man auf E-Sports wie «FIFA 20». Mit beiden konnte der Datenhunger der Wettbüros gefüttert werden, die sich in ähnlich schwieriger Lage wiederfanden. Und Sportradar mietete Hallen an in Brasilien und der Ukraine und liess dort – Corona-konform – pro Monat über 5000 Tischtennispartien stattfinden, um eigenen Content zu erzeugen. «Das alles in vier Wochen statt in 20 Monaten», freut sich Koerl. So erwirtschaftete Sportradar im Pandemiejahr einen leichten Umsatzzuwachs und einen Gewinn von immerhin 14 Millionen Euro.
Überhaupt war Sportradar in all den Jahren immer profitabel und konnte sich selbst finanzieren. Anfangs wuchs das Start-up nur langsam: «Ich bin nicht der Typ, der auf einmal viel Geld investiert und hofft, dass das Geschäft dann explodiert», sagt Koerl: «Berechenbarkeit ist für mich wichtig.» Richtig in die Gänge kam Sportradar erst 2007, als er seine Aktivitäten voll auf die Firma konzentrierte und an einem Strategiemeeting das Ziel ausgab, zehn Jahre später 80 Millionen Umsatz zu erzielen (es wurden dann 280). Die grösste Herausforderung war anfangs, so erinnert sich Koerl, die Mentalitäten der unterschiedlichen Standorte unter einen Hut zu bringen – was sich alleine schon bei der mühsamen Erstellung der Schichtpläne zeigte. 2012 – bis dahin waren ausser dem Gründer nur die Mitarbeiter beteiligt – nahm Koerl zum ersten Mal Fremdinvestoren an Bord. «Nicht weil ich Geld brauchte, sondern weil meine Shareholder-Kollegen mir blind gefolgt sind», erinnert er sich: «Ich wollte eine Struktur, die mich hinterfragt und challenged, aber nicht bestimmt.»
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Die bekam er, doch sie sollte sich als zweischneidiges Schwert herausstellen. Der schwedische Finanzinvestor EQT stieg ein (für lächerliche 44 Millionen), aus, ein und wieder aus (für 2 Milliarden), es folgten Revolution Growth mit Michael Jordan sowie diverse andere amerikanische Sportmogule. Später übernahmen der kanadische Pensionsfonds CPPIB und die kalifornische Finanzgesellschaft TCV ein Drittel der Anteile. Das Machtgefüge im Board wurde kompliziert, je nach Thema galten unterschiedliche Sperrminoritäten; mehrmals wechselten die VR-Präsidenten. Die Investoren wollten das grosse Geld – und bekamen es: Für EQT gilt der Deal als einer der lukrativsten der Firmengeschichte. Doch der Drang zur kurzfristigen Wertsteigerung passt nicht zum langfristigen strategischen Ansatz von Koerl. Immer wieder kam es zu Machtkämpfen im Board. Zumal der Gründer zwar stoisch ruhig, aber durchaus mit Selbstbewusstsein auftritt und Ratschläge nur von Personen annimmt, die er auf Augenhöhe sieht.
Auch wenn er es heute bestreitet: 2018 suchte Koerl – erfolglos – einen dreistelligen Millionenbetrag, um seine Firma zurückzukaufen, wie mehrere Quellen gegenüber BILANZ bestätigen. Und es würde nicht wundern, wenn der Börsengang mehr auf den Druck der Finanzinvestoren als auf den Wunsch Koerls zurückzuführen wäre. Doch mit dem IPO hat der Gründer Aktien zurückgekauft und nach zähen Verhandlungen eine Konstruktion geschaffen, die ihm mit 31,8 Prozent des Kapitals 81,8 Prozent der Stimmrechte gibt. Nun kann ihm keiner mehr reinreden. «Dass ich viele operative Entscheide selber treffen kann, ist für mich eine Hauptantriebsfeder», nennt er es.
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Durch den Börsengang hat auch die Firma 750 Millionen neues Kapital eingenommen. Dennoch gilt das IPO als Misserfolg: Am ersten Handelstag sank der Kurs 7 Prozent unter den Ausgabepreis, bis heute beläuft sich der Rückgang auf knapp 20 Prozent. Koerl hat dafür keine Erklärung, war der Börsengang doch 13-fach überzeichnet. Es interessiert ihn auch nicht: «Ich will meine Zeit nicht damit verschwenden, kurzfristige Bewertungen zu analysieren, sondern will meine Ziele erreichen», sagt er. «Es ist ein Marathon, kein Sprint.» Ändern will er daher nichts, sondern nur liefern, was er den Investoren vor dem Börsengang versprochen hatte, nämlich weiterhin Wachstum.
30 Prozent betrug dieses seit 2015 im Schnitt jährlich, trotz zuletzt Corona. Das ist die Messlatte. «Wir liegen auf der Schnittstelle zwischen zwei Megamärkten», ist deshalb Koerls Mantra, das er unermüdlich wiederholt: Zum einen der 200 Milliarden schwere Sportmarkt, der per se wächst und den man mit neuen Datenprodukten adressieren kann. Und zum anderen der Gaming- und Gamblingmarkt, der den Sportwettenmarkt ergänzt, wo Sportradar aber noch kaum vertreten ist. So hat Koerl eine ganz neue Zielgruppe im Visier, den Sportfan selber: Dem will Sportradar ein individuell zugeschnittenes Produkt liefern, mit Statistiken und Videohighlights seiner Lieblingsteams, vor allem aber: verknüpft mit Merchandising und Sponsoring. «Da sind wir ganz am Anfang, das hat ein unglaubliches Potenzial!», strahlt Koerl. Auch deshalb will er in Zukunft mit dem neuen Kapital Technologieanbieter übernehmen, statt wie bisher alles selbst zu entwickeln.
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«Koerl tritt durchaus mit Selbstbewusstsein auf und nimmt Ratschläge nur von Personen an, die er auf Augenhöhe sieht.»
Doch auch im Kerngeschäft ist noch viel Wachstumspotenzial, allen voran in den USA. Dort wurde der Sportwettenmarkt erst 2018 legalisiert, im Jahr darauf betrug er bereits eine Milliarde Dollar, seither wächst er dreistellig. In zehn Jahren sieht Koerl das Volumen bei 30 bis 35 Milliarden Dollar. Auch diese Chance hat er lange vor den anderen erkannt und deshalb bereits 2014 seinen Lebensmittelpunkt für ein halbes Jahr in die USA verlegt, um den zukünftigen Markt besser zu spüren. Und deshalb hatte er bereits vor Jahren Michael Jordan als Aktionär ins Boot geholt, ausserdem die Milliardäre Mark Cuban, Besitzer des Basketballteams Dallas Mavericks, Todd Boehly, Ex-Kadermann bei der CS und heute Teambesitzer der Los Angeles Dodgers (Baseball) und Lakers (Basketball), sowie Ted Leonsis, dem gleich ein halbes Dutzend Clubs in Washington gehören. Auch dank dieser bestens vernetzten Sportmogule erreicht Sportradar heute in den USA einen Marktanteil von 30 Prozent. Weitere Legenden aus Baseball und Eishockey, Schuhgrösse Wayne Gretzky, sollen folgen. Das Wachstumspotenzial in den USA ist auch der Grund, warum der Börsengang nicht in der Schweiz stattfand: «Wir brauchen das Public-facing nicht in Europa, sondern in den USA, um dort mit den stärksten Partnern zusammenarbeiten zu können.»
Und dann lockt ja noch der asiatische Markt, Indien etwa mit Kricket, der weltweit viertgrössten Sportart. Hier hat Sportradar bereits in einen lokalen Anbieter investiert. Und natürlich China, das sich erst langsam öffnet. Auch E-Sports bieten noch Potenzial, keine Ballerspiele wie «Counterstrike» («das ist eine ganz andere Zielgruppe, die man anders ansprechen müsste»), aber eben Sportgames wie «FIFA 22».
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Klar ist: Soll seine Erfolgsstory weitergehen, muss Koerl über die nächsten Jahre ähnlich kompetitiv sein wie in jenem Moment, als er an der Nasdaq die Glocke läutete. Wobei: Wenn man sich den entscheidenden Augenblick etwa auf YouTube-Videos genauer anschaut, erkennt man, dass Michael Jordan schneller am Buzzer war. Seine Hand liegt unter jener des Firmengründers. Das freilich würde Carsten Koerl nie zugeben.
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