Guten Tag,
Genossenschaften geben sich gern als bessere Unternehmen aus. Doch die Skandale häufen sich. Der Druck aus der Politik steigt.
Bastian Heiniger
COOP HAUPTSITZ: Basel Mitglieder: 2,5 Millionen Geschäftsführer: Philipp Wyss Gründungsjahr: 1890 (VSK), 1969 Umbenennung Anzahl Mitarbeitende: 90 825
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Dutti selig. Wer mag ihn nicht. Immerhin wandelte der Migros-Gründer Gottlieb Duttweiler sein Unternehmen 1941 in eine Genossenschaft um – und verschenkte sie an die Schweizer Bevölkerung. Heute sendet die Migros die immer gleiche Botschaft: Das Unternehmen gehört den 2,3 Millionen Genossenschaftern.
Schliesslich besitzen sie alle einen Anteilschein im Wert von 10 Franken. Was der orange Riese kann, hat die Basler Konkurrentin ebenso drauf. Auch Coop, seit Jahren mit dem Slogan «Für mich und dich» unterwegs, zelebriert die genossenschaftliche Struktur.
Damals wie heute, heisst es etwa in der Unternehmensgeschichte, gelte die Devise: «Wir gehören unseren Mitgliedern, also den Kundinnen und Kunden.» Was es braucht, um Coop-Besitzer zu werden: ein Gratis-Abonnement der «Coop Zeitung». Einfacher geht es nicht.
Auch die Genossenschaften der Finanzbranche rühmen gerne ihre Rechtsform. Raiffeisen-Chef Heinz Huber schwärmt davon, dass viele der Kunden Genossenschafter sind, «die mitbestimmen können». Laut der Bank haben die Mitglieder 2020 von 74 Millionen Franken in Form von Mitgliedervorteilen profitiert – etwa mit Rabatten für Hotels und Bergbahnen.
MIGROS HAUPTSITZ: Zürich Mitglieder: 2,3 Millionen Geschäftsführer: Fabrice Zumbrunnen Gründungsjahr: 1925 Anzahl Mitarbeitende: 99 155
KeystoneMIGROS HAUPTSITZ: Zürich Mitglieder: 2,3 Millionen Geschäftsführer: Fabrice Zumbrunnen Gründungsjahr: 1925 Anzahl Mitarbeitende: 99 155
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Die Mobiliar wiederum betont in ihrer aktuellen Werbekampagne: «Wir beteiligen auch Sie. Dank Genossenschaft erhalten unsere Kundinnen und Kunden 220 Millionen.» Konkret bekommen jedes Jahr andere Kundengruppen reduzierte Prämien.
2021 gibts für die Haushalt- und Gebäudeversicherung eine Reduktion von 20 Prozent und für die Betriebsversicherung 10 Prozent.
Es ist ein Zerrbild: Hier die sozialen Genossenschaften, in denen die Mitglieder mitbestimmen und profitieren. Dort die auf Profit getrimmten Aktiengesellschaften, die dem reichen Aktionariat in die Tasche wirtschaften. Wenn es so einfach wäre.
Zumal man jüngst mit ziemlich schmutzigen Sohlen durch die behaglichen Genossenschafts-Stuben stapfte.
Guy Lachappelle etwa, der 2018 zu Raiffeisen stiess und zum neuen starken Mann avancieren wollte, hatte bei einer anderen genossenschaftlichen Institution ein rekordverdächtig kurzes Gastspiel: Ende Mai wurde er Präsident des 2020 gegründeten Genossenschaftsverbands Idée Coopérative – als Nachfolger von Migros-Präsidentin Ursula Nold.
Zwei Monate später legte Lachappelle sein Amt nieder; zeitgleich mit dem Rücktritt bei Raiffeisen. Gestolpert ist er über eine Indiskretion. Er liess seiner ehemaligen Geliebten vertrauliche Dokumente zukommen, als er noch Chef der Basler Kantonalbank war.
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Ständig kommen aber auch neue Details über den gefallenen Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz ans Licht. Gegen aussen mimte er stets den bescheidenen Banker, der Lohnexzesse anprangerte. Selbst soll er laut einem kürzlich publizierten Artikel der «NZZ am Sonntag» allein 2008 einen Nettolohn von fast 14 Millionen Franken eingestrichen haben, zugeschanzt via eine geheime Kasse.
Die genossenschaftlichen Prinzipien mit Füssen getreten hat bei der Migros auch der ehemalige Freiburger Regionalfürst Damien Piller. Er soll sich mit seiner Immobilienfirma beim Bau von zwei Migros-Gebäuden bereichert haben.
In der Genossenschaft Freiburg-Neuenburg kam es darauf am 16. November 2019 zu einer ausserordentlichen Urabstimmung, in der er als Präsident hätte abgewählt werden sollen. Doch Piller gewann – dank gefälschter Wahlzettel, wie sich inzwischen herausstellte. Der Verdacht erhärtete sich im Urteil vom 9. März 2021 des Regionalgerichts Littoral und Val-de-Travers.
Absetzen konnte Migros den unliebsamen Regionalfürsten nicht, im Sommer 2020 ist seine Amtszeit regulär ausgelaufen.
Was ist nur los im Reich der Genossenschaften? Im Rechtsstreit befindet sich nämlich auch Coop. Vor knapp einem Jahr wurde bekannt, dass der Verein Detailwandel mit mehr als tausend Kandidaten den Coop-Regionalrat kapern wollte. Die Coop-Spitze bekam Wind davon, just änderte der Verwaltungsrat in einer Sitzung die Anforderungen.
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Freie Wahlen sind nun praktisch unmöglich – es sei denn, man bringt neu innert 15 Tagen 150 000 physische Unterschriften inklusive der Mitgliedernummern zusammen. Das verstosse gegen das Genossenschaftsrecht, findet Detailwandel. Ein Genossenschafter hat deshalb im Dezember 2020 eine Klage eingereicht.
Auf Anfrage sagt die Detailhändlerin dazu nur, dass Coop das heutige System basierend auf einem Regionalrat als ausgewogen erachte. Jedes Mitglied habe die Möglichkeit, sich regulär zu bewerben.
Nicht vor dem Richter, aber vor den Migros-Delegierten wird es im November spannend. Die Genossenschaftsvertreter stellen sich der Alkoholfrage und entscheiden, ob es zur Urabstimmung für die Statutenänderung kommen soll, wie die «SonntagsZeitung» berichtete. Einigen Genossenschaftsleitern sei es ein grosses Anliegen, Alkohol verkaufen zu können.
Wie viel der orange Riese mit Spirituosen via Denner, Migrolino oder Voi umsetzt, ist ein streng gehütetes Geheimnis. Es dürfte jedoch eine substanzielle Summe sein. Mit einem «Ja» würde man sich offiziell von Duttweilers Anliegen verabschieden, die Gesundheit der Bevölkerung zu fördern.
Es wäre zumindest ehrlich. Doch mit der Ehrlichkeit hat es ihre eigene Bewandtnis.
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RAIFFEISEN HAUPTSITZ: St. Gallen Mitglieder: 1,95 Millionen Geschäftsführer: Heinz Huber Gründungsjahr: 1899 Anzahl Mitarbeitende: 9565 Vollzeitstellen
PD (Pressedienst)RAIFFEISEN HAUPTSITZ: St. Gallen Mitglieder: 1,95 Millionen Geschäftsführer: Heinz Huber Gründungsjahr: 1899 Anzahl Mitarbeitende: 9565 Vollzeitstellen
PD (Pressedienst)Entstanden sind die Genossenschaften ja aus einer gesellschaftlichen Not heraus. Besonders im 19. Jahrhundert gewannen sie hierzulande an Bedeutung – als Konsumvereine, landwirtschaftliche Zusammenschlüsse oder Wohnungsbau- sowie Kredit- und Spargenossenschaften.
«Ihre Wertvorstellungen sind durch Solidarität, Selbsthilfe und Bescheidenheit gekennzeichnet», konstatiert eine Studie der Universität Luzern. Das Obligationenrecht definiert die Genossenschaft als einen Verbund, der hauptsächlich die wirtschaftlichen Interessen seiner Mitglieder «in gemeinsamer Selbsthilfe» fördert oder gemeinnützig ausgerichtet sei.
Beim KMU-Portal des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) heisst es, für die Genossenschaft sprächen auch «innere» Unternehmenswerte wie direkte Demokratie und klar definiertes Mitbestimmungsrecht. Positiv sei zudem die Transparenz auf jeder Hierarchiestufe, die etwa Lohnexzesse zu verhindern helfe.
Doch was davon erfüllen die Grossgenossenschaften, allen voran Migros und Coop, überhaupt noch? Gefeit gegen Lohnexzesse sind sie nicht, wie das Beispiel Raiffeisen zeigt. Auch der Gedanke zur Selbsthilfe greift nicht mehr, und das Mitbestimmungsrecht ist oft nur noch Folklore. Die Genossenschaft, sie ist heute vor allem ein Marketingvehikel.
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Ein sehr erfolgreiches. Jeder dritte Erwachsene ist hierzulande Mitglied bei einem oder gar beiden Grossverteilern. Die Stärke und der Einfluss einer Genossenschaft seien abhängig von der Motivation und dem Wissen ihrer Basis, sagt der ehemalige LeShop-Chef Dominique Locher. «Die Genossenschafter können Innovationen, Änderungen, Anpassungen und Neuausrichtungen provozieren.»
««Die grossen Firmen geben sich als Genossenschaften aus, sind aber keine mehr.»»
Sara Stalder
Es sei heute jedoch fraglich, ob im Fall von Migros und Coop die einzelnen Mitglieder diese Eigenmotivation in genügendem Ausmass noch mitbrächten. Fraglich ist aber auch, ob die Grossverteiler solche Vorstösse überhaupt noch tolerieren.
Markus Gmür, Professor am Institut für Verbands-, Stiftungs- und Genossenschaftsmanagement in Freiburg, sagt dazu: «Das etwas idealistische Bild, das von den Genossenschaften gezeichnet wird und bei dem das einzelne Mitglied nach seinen Bedürfnissen und Vorstellungen Einfluss nehmen kann, stammt aus der Welt der kleinen Genossenschaften.»
Mit der Grösse jedoch entstehe eine Dynamik, wirtschaftlich erfolgreich zu werden. Der Gemeinschafts- und Solidaritätsgedanke rücke damit in den Hintergrund.
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«Das Management hat dann auch die Neigung, den wirtschaftlichen Erfolg der Genossenschaft als Organisation über den wirtschaftlichen Erfolg der Genossenschafter und Genossenschafterinnen zu stellen», sagt Gmür.
Anders gesagt: Der Profit des Unternehmens ist wichtiger, als dass die Mitglieder profitieren.
Noch vehementer drückt es Sara Stalder vom Schweizerischen Konsumentenschutz aus: «Die grossen Unternehmen geben sich als Genossenschaften aus, sind aber faktisch keine mehr.» Es sei ein «Greenwashing» durch die Organisationsform. Die Konsumentenschützerin kritisiert auch die Preispolitik.
«Wenn Migros und Coop den Genossenschaftsgedanken tatsächlich leben würden, wäre die Preisgestaltung so, dass es sich jeder leisten könnte, Bio-Produkte einzukaufen.»
Ehrlicher wäre es, wenn sie sich Aktiengesellschaften nennen würden, sagt sie. Als Mitglied könne man operativ ohnehin nichts mitentscheiden.
MOBILIAR HAUPTSITZ: Bern Mitglieder: 1,8 Millionen Geschäftsführerin: Michèle Rodoni Gründungsjahr: 1826 Anzahl Mitarbeitende: 5856
KeystoneMOBILIAR HAUPTSITZ: Bern Mitglieder: 1,8 Millionen Geschäftsführerin: Michèle Rodoni Gründungsjahr: 1826 Anzahl Mitarbeitende: 5856
Keystone«Die Stimmabgabe ist eine Farce.» Theoretisch kann sich jedes Mitglied in den sechs Regionen von Coop und den zehn Genossenschaften von Migros für das regionale Parlament bewerben. Angefragte aktuelle Regional- und Genossenschaftsräte wollten nicht sprechen, von ehemaligen ist indes zu erfahren, dass ein zu kritischer Geist kaum aufgenommen würde.
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Traditionell werden freie Posten an Personen aus dem Bekanntenkreis weitergereicht. Und wer an den vier jährlichen Sitzungen bei wichtigen Entscheiden nicht abnicke, dem droht, bei den nächsten Wahlen nicht mehr aufgestellt zu werden.
Das Amt kann finanziell durchaus interessant sein, zumindest für diejenigen, die es etwa bei Coop als einer der 60 Vertreter in die Delegiertenversammlung schaffen. Gemäss dem Organisationsreglement aus dem Jahr 2009, das BILANZ vorliegt, winkt eine feste Entschädigung von 10 700 Franken.
Die Aufgabe: Die Delegierten kommen jährlich mindestens zwei Mal zusammen. Sie wählen etwa den Verwaltungsrat und genehmigen die Jahresrechnung sowie den Jahresbericht.
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Eine grosse Genossenschaft zu demokratisieren – das war das Ziel von Raffael Wüthrich, Co-Präsident von Detailwandel. Vor fünf Jahren begann er, die Statuten von Fenaco, Raiffeisen und Co. zu durchforsten. Bei Coop sah er schliesslich am ehesten die Chance und das grösste Potenzial.
«Wir wollten Konsumenten, Mitarbeitende und Produzenten in die Regionalräte schicken und so die Mehrheit erlangen.» Der Verein hätte dann die entsprechenden Delegierten und diese wiederum den Verwaltungsrat wählen können.
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«Wir wollten so Richtlinien auf strategischer Ebene aufsetzen, die möglichst für Produzenten, Mitarbeitende und Konsumenten hätten gerecht sein sollen.» Der Coop-Verwaltungsrat würgte den Versuch ab.
Ähnliche Vorstösse scheiterten auch schon bei der Migros. Der Verein Sorgim («Migros» rückwärts) wollte in den nuller Jahren den orangen Riesen demokratisieren, mit dem Ziel, dass Genossenschafter über die Strategie des Konzerns bestimmen könnten.
2008 wollte der Verein Kampfwahlen für den Genossenschaftsrat erzwingen, scheiterte aber – ähnlich wie Detailwandel bei Coop – an den geänderten formalen Anforderungen.
Der Verein sei aber noch intakt und in Warteposition, sagt Sorgim-Präsident Pierre Rappazzo. Er kritisiert, dass die Grossverteiler durch ihre Monopolstellung Gewinn abschöpften, und, weil sie keine Dividenden ausschütten, diesen dann in unternehmensfremde Branchen investierten.
Im Schweizer Fitnessmarkt etwa sind Coop und Migros seit unlängst die grössten Player. Doch auch näher am Kerngeschäft gehen die Expansionen weiter. Coop hat sich jüngst Jumbo einverleibt und fusioniert die Baumarktkette nun mit ihrem Format Bau + Hobby.
««Die Genossenschaft ist eine Schönwetter-Gesellschaftsform.»»
Ronald Schnurrenberger
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Ob die Genossenschafter solchen Zukäufen zustimmen würden? Laut Rappazzo wäre ihnen mit günstigeren Preisen in den Supermärkten mehr gedient. Die Aktiengesellschaft fände er daher das ehrlichere Modell: «Es wäre klar, wer die Eigentümer sind, und es gäbe mehr Transparenz.»
Um die Jahrtausendwende wollte auch der Basler Jurist Bernhard Madörin die Migros in eine Aktiengesellschaft umwandeln – weil er das Gefühl hatte, als Mitglied des Genossenschaftsrats nichts bewegen zu können.
In einem Buch, das er damals den Medien zuspielte, schrieb er: «Das nicht verzinste Eigenkapital führt also nicht zu einer Verbilligung der Konsumprodukte, sondern erlaubt einen teuren Verwaltungsapparat.»
Zwar bekam Madörin damit die Aufmerksamkeit der Presse. Aber nicht die Zustimmung der Delegierten.
Wie würden die Genossenschafter heute entscheiden? Ein Branchenkenner schätzt den möglichen Börsenwert der Migros auf rund 30 bis 50 Milliarden Franken. Der Wert eines Anteilscheins könnte bei einem Börsengang damit auf bis zu 23 000 Franken steigen.
Getan hat diesen Schritt die Swiss Life. Sie wandelte sich 1997 um von der Genossenschaft in ein börsenkotiertes Unternehmen. Als weisen Entscheid bezeichnet diese Umwandlung Ronald Schnurrenberger, Geschäftsleiter der Vorsorgestiftung PKE.
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Die PKE mit heute 26 000 Versicherten und Rentnern gehörte früher zu den zehn grössten Genossenschaften, 2019 wandelte sie jedoch den genossenschaftlichen Teil um zur Stiftung. «Die Genossenschaft ist eine Schönwetter-Gesellschaftsform», sagt er.
«Wenn man aber harte Entscheidungen für das Überleben der Organisation treffen muss und zum Beispiel den Umwandlungssatz senken will, dann funktioniert es nicht mehr.»
Die AG ist nicht a priori besser. Gier, Hybris und machthungrige Topmanager gibt es dort ebenso. Vielleicht sogar vermehrt. Nur seien eben die Kontrollorgane in Aktiengesellschaften viel stärker ausgeprägt als bei einer Genossenschaft, sagt Samuel Rutz von Avenir Suisse. «Genossenschaftsräte haben keine konkrete Kontrollfunktion.»
Eine Genossenschaft unterliegt nicht nur weniger Restriktionen als die Konkurrenz, sie entzieht sich auch der Bewertung der Aktienmärkte. Markus Gmür von der Universität Freiburg betont zudem, dass es bei Genossenschaften, in denen Gemeinschaft und Solidarität hochgehalten würden, auch das Gebot des gegenseitigen Vertrauensvorschusses gebe.
Eine zu starke Kontrolle würde schnell einmal als Misstrauenssignal gedeutet.
Im Parlament sind nun diverse Vorstösse aufgekommen, um das Genossenschaftsrecht zu reformieren. «Dieses Rechtsgebiet wurde seit 85 Jahren nicht mehr revidiert», sagt SVP-Nationalrat Lars Guggisberg, der ein Postulat eingereicht hat.
«Mit Blick auf Unternehmen wie Migros, Coop, Mobiliar und Raiffeisen müsste man etwa prüfen, ob die Legaldefinition der Selbsthilfe noch zeitgemäss ist», sagt er.
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Ein schärferes politisches Mittel als das Postulat ist jedoch eine von der Rechtskommission des Nationalrats beschlossene Initiative, die auf einen Antrag von SVP-Nationalrat Hans-Ueli Vogt zurückgeht. Sie fordert etwa die Stärkung der Mitwirkungs- und Kontrollrechte der Genossenschafter – und vor allem tiefere Hürden für die Vertretung in den Mitgliederversammlungen.
«In Grossgenossenschaften ist die Generalversammlung im Vergleich zur Verwaltung schwach», sagt Vogt. «Indem die Rechte der Genossenschafter etwas gestärkt werden, können die heute bestehenden Kontrolldefizite gemindert werden.»
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Erneuert werden soll auch die Mindestzahl der Gründer. SP-Nationalrat Fabian Molina fordert in einer Motion, dass die Anzahl Gründungsmitglieder von sieben auf drei reduziert wird. Heute wählt auch deshalb kaum ein Start-up die Genossenschaft als Rechtsform, wie Pascal Hollenstein vom Institut für Jungunternehmen (IFJ) bestätigt.
Allein im ersten Halbjahr 2021 gab es laut IFJ mehr als 20 000 Neugründungen als GmbH, Einzelfirma oder Aktiengesellschaft. Bei den Genossenschaften kamen in den letzten fünf Jahren jeweils nur zwischen 106 und 140 neue dazu.
Mehr Kontrollmechanismen, mehr Mitbestimmung, mehr Transparenz und tiefere Hürden zur Gründung.
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Es sind Forderungen aus der Politik, die die Idée Coopérative im September in Bern den CEOs der Genossenschaften vorstellte. Und die bei manchen grossen Genossenschaften einige Ängste auslösen dürften. «Bei einer Totalrevision besteht die Gefahr, das Kind mit dem Bade auszuschütten», sagt Interimspräsident Hans Rupp.
Die unternehmerischen Freiheiten im flexiblen und bewährten Genossenschaftsrecht sollen möglichst erhalten bleiben. «Wir wollen daher sorgfältig analysieren, welche Gesetzesteile allenfalls einer Revision bedürfen.»
Rupp unterstützt deshalb das Postulat von SVP-Mann Guggisberg, das erst einmal eine Gesamtüberprüfung durch den Bundesrat fordert.
Der politische Druck aber steigt. Und für die Grossgenossenschaften bricht eine heisse Phase an. Bestimmt wäre das ganz im Sinn des Migros-Gründers.
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